Sechzehn

»Ich hab’s ja gesagt«, raunte Desjani ihm zu. »Es ist schon gut, dass sie zu weit weg sind, um eine unmittelbare Gefahr darzustellen!«

»Das sind keine Syndiks«, meldete Lieutenant Yuon verwundert.

Mit einer halben Lichtstunde Abstand zum Portal waren die seltsamen Kriegsschiffe zu weit entfernt, um anzugreifen, doch das änderte nichts daran, dass es für ihre Anwesenheit keine Erklärung gab. Von diesen Schiffen abgesehen schien der Schiffsverkehr im Sol-Sternensystem in normalen Bahnen zu verlaufen. Handelsschiffe flogen zwischen den Planeten hin und her, schnellere Kurier- und Passagierschiffe bewegten sich auf flacheren Flugbahnen. In der Nähe der meisten Sol umkreisenden Planeten war zu erkennen, wie kleinere Schiffe in die Atmosphäre eintauchten oder sie verließen.

Geary saß da, den Blick auf sein Display gerichtet, während er versuchte, alles zu erfassen, ohne sich dabei von den Namen der Planeten ablenken zu lassen, die längst einen legendären Status besaßen. Mars, Jupiter, Venus, die Alte Erde selbst. Die Dauntless befand sich inmitten der Monumente, die für die ersten Errungenschaften der Menschheit, für deren erste Schritte ins All standen. Doch inmitten dieser sagenumwobenen Welten fanden sich unbekannte Kriegsschiffe, deren Herkunft genauso rätselhaft war wie ihre Absicht. »Hat irgendjemand eine Ahnung, womit wir es hier zu tun haben?«, fragte er schließlich.

Senatorin Suva war sichtlich durcheinander. »Das Sol-Sternensystem ist neutral und entmilitarisiert. Hier sind nur … zeremonielle Militärstreitkräfte zugelassen.«

»Die sehen aber nicht zeremoniell aus«, fand Rione. »Erkennen Sie sie nicht, Admiral?«

»Nein, und unsere Gefechtssysteme auch nicht.« Die Sensoren der Dauntless bewerteten alles, was sie bei diesen rätselhaften Kriegsschiffen beobachten und messen konnten. Es gelang ihnen zögerlich, verschiedene Bauteile als Sensoren oder Waffen zu identifizieren, doch auf die Schiffstypen oder ihre Zugehörigkeit gab es keinerlei Hinweise.

»Syndiks«, verkündete Costa. »Sie haben das Aussehen überarbeitet und …«

»Das würden unsere Systeme auf den ersten Blick erkennen«, sagte Geary und versuchte, auf den albernen Gedanken der Senatorin nicht herablassend zu reagieren. »Das sind keine Syndiks.«

Ein virtuelles Fenster öffnete sich neben ihm, Lieutenant Iger tauchte darin auf. »Sir, in unseren Datenbeständen findet sich nichts, was zu diesen Kriegsschiffen passt.«

»Sind sie menschlichen Ursprungs?«

»Eindeutig ja, Sir. Auch wenn wir sie nicht identifizieren können, gibt es beim Design der Hüllen gewisse Details, die auf ihre Herkunft hindeuten.« Mit missmutiger Miene fügte Lieutenant Iger dann hinzu: »Sol.«

»Sol?« Geary gab sich alle Mühe, nicht verärgert zu klingen. »Alles Menschliche stammt von Sol. Wollen Sie damit sagen, diese Kriegsschiffe gehören zum Sol-Sternensystem?«

»Nein, Sir. Aber sie sind menschlichen Ursprungs.«

Geary schaute auf die sechs Tänzer-Schiffe, die um die Dauntless herum angeordnet waren. Igers Information war gar nicht so nutzlos, wie er zunächst gedacht hatte. »Das ist das Beste, was Sie mir zur Identität der Schiffe sagen können? Dass ihre allgemeine Herkunft Sol ist?«

»Wenn die erkennbaren Designelemente korrekt interpretiert worden sind«, antwortete Iger, »dann entspricht die Bauweise dieser Kriegsschiffe dem Design, das im Sol-Sternensystem entwickelt wurde.«

»Im Sternensystem gibt es keinen ungewöhnlichen Nachrichtenverkehr«, meldete Lieutenant Yvon. »Niemand geht auf die Schiffe im Besonderen ein, aber wir fangen die üblichen Funksprüche auf, dass das System entmilitarisiert ist, wie es gemäß unserer Vorschriften für das Vordringen ins Sol-Sternensystem zu erwarten ist.«

»Und dennoch sind sie da«, murmelte Desjani. »Sechs von denen sind relativ groß, aber immer noch kleiner als die Dauntless. Keine Schweren Kreuzer, keine Schlachtschiffe. Mehr in der Art dieser Scout-Schlachtschiffe, die die Allianz versuchsweise eingesetzt hatte.«

»Die im Kampf komplett ausgelöscht wurden?«, fragte Geary, obwohl er die Antwort darauf längst kannte.

»Ja, genau die.« Sie tippte rasch einen Befehl ein. »Die sind noch etwas kleiner als die Scout-Schlachtschiffe. Schwer zu sagen, wie gut sie gepanzert sind.«

»Wir werden beobachten müssen, wie sie manövrieren«, warf Lieutenant Iger ein. »Das wird es uns ermöglichen, ihre Masse zu berechnen. Alles, was über einer realistischen Berechnung der Masse liegt, dürfte dann Panzerung sein.«

»Was ist mit den kleineren Schiffen?«, wollte Geary wissen. In rascher Folge wurden Details über die sechs Begleitschiffe angezeigt, deren an Barrakudas erinnerndes Aussehen sie wie Allianz-Zerstörer oder wie Syndik-Jäger aussehen ließ. »Die haben noch weniger Masse als die Jäger der Syndiks.«

»Korvetten?«, überlegte Desjani. »Nein. Die sind ja noch kleiner als die Billigkorvetten der Syndiks.«

»Zu wem gehören sie?«, meldete sich auf einmal Senatorin Suva zu Wort. »Das müssen Sie doch wissen!«

Geary seufzte und rieb sich über die Stirn. »Senatorin, diese Schiffe stammen aus keiner Region, über die der Allianz derzeit irgendwelche Informationen vorliegen.«

»Und woher sollen sie dann stammen?«

»Ich glaube, ich weiß es.« Sofort war die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf Senator Sakai gerichtet. »Ich habe mich viel mit Geschichte befasst, unter anderem auch mit der Ära, als die Menschheit Sol zum ersten Mal verließ. Zwar flogen sie mit ihren Schiffen in alle Richtungen, aber es gab zwei wesentliche Routen. Ein Weg führte auf dem Spiralarm ins Innere unserer Galaxis. Daraus resultierten Kolonien nahe Sol, aus denen später die Allianz entstand, während andere Gruppen von Sternensystemen sich zur Callas-Republik, zur Rift-Föderation oder zu den Syndikatwelten zusammenschlossen. Der andere Weg führte auf dem Spiralarm nach außen. Dort entstanden auch einige der ersten Kolonien der Menschheit. Vielleicht kommen diese Schiffe ja von Sternen, die auf dieser Seite gelegen sind.«

Geary tippte die gleichen Anfragen ein wie alle anderen auf der Brücke, dann wurde nahe seinem Display ein Bild der Galaxis angezeigt, auf dem die von Menschen besiedelten Gebiete farblich hervorgehoben waren. Dieses Bild ließ ihn innehalten.

Wir denken immer, wir sind so weit ins All vorgestoßen. Für menschliche Verhältnisse ist es ja auch viel, wenn man bedenkt, welche unvorstellbare Strecke sich hinter Hunderten von Lichtjahren verbirgt. Aber überträgt man dieses Gebiet auf eine Darstellung unserer Galaxis, dann sind wir nur in einen winzigen Teil eines Bruchteils der Galaxis vorgedrungen, und selbst die ist wiederum nur eine von unzähligen Galaxien. Ich bin zwar mit der Vorstellung vertraut, dass das All riesig ist, aber nicht mal ich kann wirklich begreifen, wie unglaublich die Ausmaße dieses Universums sind.

Rione meldete sich als Erste zu Wort. »Mir war nie bewusst, wie einseitig die Erkundung des Alls durch die Menschheit verlaufen ist. Zum größten Teil haben wir uns nach innen und unten ausgebreitet. Ich war immer davon ausgegangen, dass das auch unsere zuerst gewählte Richtung gewesen ist, aber meine Daten besagen, dass wir zuerst nach außen vorgedrungen sind.«

»Etwas hat unser Vordringen in diese Richtung gestoppt«, merkte Costa argwöhnisch an. »Mehr Bedrohungen von der Art der Enigmas, die uns auf dem Weg nach innen behindern?«

»Wie sollte etwas Derartiges so lange Zeit und so nahe an der Alten Erde geheim geblieben sein?«, fragte Rione. »Die Syndiks haben ihr Wissen über die Enigmas hundert Jahre lang für sich behalten. Aber das lag daran, dass sich der Kontakt mit den Enigmas in der von uns abgewandten Region abspielte und die Kommunikation drastisch eingeschränkt war.«

»Außerdem«, fügte Charban hinzu, »hatten wir aufgehört, nach anderen Spezies zu suchen, nachdem die Erforschung von so vielen Systemen und Welten ergebnislos geblieben war. In den frühen Tagen, als sich die Menschheit auszubreiten begann, da rechneten wir fast täglich damit, auf nichtmenschliches Leben zu stoßen.«

Gearys Blick war weiter auf die immer detaillierter werdende Darstellung der unbekannten Kriegsschiffe gerichtet, da die Sensoren der Dauntless immer neue Daten erfassten und auswerteten. »Sie sehen menschlich aus. Die Schiffe meine ich. Ich kann an diesen Kriegsschiffen nichts entdecken, was sie so grundlegend anders aussehen lässt als die Schiffe, die von den Enigmas, den Kiks oder den Tänzern konstruiert wurden.«

»Und was soll ich jetzt machen?«, fragte Desjani ihn.

»Nehmen Sie Kurs auf die Alte Erde«, befahl Geary ihr. »Senden Sie die standardmäßige Begrüßung an die Behörden des Sol-Sternensystems. Wir werden unsere Mission wie geplant fortsetzen, bis jemand sich dagegen ausspricht.«

War einer der Senatoren im Begriff gewesen, seine Meinung zur weiteren Vorgehensweise kundzutun? Falls ja, war derjenige zumindest bis jetzt nicht vorgetreten. Das mochte allerdings auch daran liegen, dass niemand eine Ahnung hatte, wie sie weiter verfahren sollten.

»Die Schiffe mögen ja von Menschen gebaut worden sein«, merkte Desjani an, nachdem sie den Kurs der Dauntless leicht korrigiert hatte, »aber sehen Sie sich nur den Krempel an, mit dem man die Schiffe verziert hat. Die wirken eher so, als wären sie einem Weltraum-Liebesroman entsprungen. Mir fällt kein passender Begriff dafür ein.«

»Flitter und Firlefanz, Captain«, antwortete Lieutenant Castries. »Sie haben recht. Diese Schiffe sehen tatsächlich aus wie eine Zeichnung für eine Geschichte über Könige, Prinzessinnen, Zauberer und Außerirdische. Sie sind übersät mit dem Zeug. Die Schiffssysteme versuchen zwar, deren Zweck zu analysieren, aber ich glaube, das ist alles nur Dekoration.«

»Sind deswegen die Flossen an den Schiffen auch so groß?«, fragte Lieutenant Yuon. »Sie sind viel höher als für die Sensoren und die Schildgeneratoren erforderlich.«

Desjani warf Castries einen fragenden Blick zu. »Lesen Sie solche Romane, Lieutenant?«

»In letzter Zeit nicht so viel, Captain. Ich … ich wollte sagen, ja, Captain.«

»Jeder braucht was zum Träumen«, meinte Geary nur, während Lieutenant Castries so tat, als dürfte sie ihre Sensoranzeigen auf keinen Fall aus den Augen lassen.

»Also bitte!« Desjani verdrehte die Augen. »Sie meinen eine von den Geschichten, in denen die hübsche, hochintelligente Prinzessin den schlafenden Black Jack mit einem Kuss weckt, damit sie gemeinsam den bösen Sternendämon besiegen und dann bis an ihr Lebensende glücklich sind?«

Auf einmal wurde Geary bewusst, dass er mit offenem Mund dasaß. »Sagen Sie mir bitte, dass das ein Witz ist.«

»Von wegen. Lieutenant Castries?«

»Eigentlich sind die Geschichten ziemlich gut«, gab sie zu. »Aber natürlich werden Sie da nie so dargestellt, wie Sie in Wahrheit sind.«

»Möchten Sie gern ein paar Illustrationen sehen?«, fragte Desjani.

»Nein, das möchte ich nicht. Ich würde mich lieber mit der Situation befassen, mit der wir konfrontiert sind. Sie sagen also, diese Schiffe sind massiv dekoriert, aber es dient keinem Zweck.«

Lieutenant Iger, der die ganze Zeit zugehört hatte, aber klug genug gewesen war, keinen Kommentar beizusteuern, nickte. »Es mag sich nicht auf ihre Gefechtstauglichkeit auswirken, Admiral, aber es deutet darauf hin, dass sie sich den Luxus leisten können, ihre Ressourcen in funktionslose Verzierungen zu investieren.«

Rione schüttelte den Kopf. »Ich habe ja schon so manche funktionslose Verzierung gesehen, und ich kann mit Gewissheit sagen, dass die Personen, die sich dieses Dekor angeschafft hatten, es sich nicht in allen Fällen wirklich leisten konnten. Es könnte hier um Status, Auftreten und andere Aspekte gehen, die wenig darüber aussagen, wie es um die finanzielle Seite bestellt ist.«

Wieder meldete sich Lieutenant Castries zu Wort, diesmal klang sie aufgeregt: »Captain, ich habe die Flossen an diesen Schiffen von unseren Systemen bewerten lassen und dabei die Variable gewählt, dass die Funktionalität nicht im Vordergrund steht. Daraufhin haben unsere Systeme eine hohe Wahrscheinlichkeit errechnet, dass beim Design der Flossen die Form eine größere Rolle gespielt hat als die Stärke.«

»Prahlerei?«, fragte Senatorin Suva. »Zurschaustellung? Können wir überhaupt sicher davon ausgehen, dass es sich um Kriegsschiffe handelt?«

»Wir haben verschiedene Waffen identifizieren können«, antwortete Lieutenant Iger. »Zwar noch nicht allzu viele, aber auf jeden Fall sind die Schiffe bewaffnet.«

Charban schüttelte den Kopf und schürzte die Lippen. »Als außenstehender Beobachter gesprochen, muss ich sagen, dass ich schon viele Schiffe gesehen habe. Aber mir ist noch nie ein Schiff untergekommen, das so aussah wie eines von denen, bei dem es sich nicht um ein Kriegsschiff gehandelt hat.«

»Gemeinsame Designvergangenheit«, sagte Senator Sakai. »Das ist doch das, was unsere Systeme analysiert haben, nicht wahr? Diese Schiffe haben den gleichen Ursprung wie das, auf dem wir uns im Moment befinden. Wir können also relativ vom Aussehen auf die Funktion schließen.«

»Sie haben uns bemerkt«, meldete Lieutenant Yuon. »Sie ändern ihre Vektoren.«

Geary beobachtete sein Display und sah mit an, wie sich die unbekannten Kriegsschiffe in Richtung Sol zu drehen begannen und dann beschleunigten. »Sie bewegen sich zwar in unsere Richtung, aber sie fliegen nicht genau auf uns zu.«

»Sehen Sie sich den Vektor an. Die wollen uns zuerst einmal den Weg zurück zum Hypernet-Portal blockieren«, sagte Desjani. »Sie werden schon sehen. Wer immer die auch sind, die wollen uns den Fluchtweg versperren. Das ist eindeutig kein freundlicher Akt.«

»Vielleicht wollen sie …«, begann Suva, unterbrach sich dann aber und schüttelte den Kopf. »Es sieht tatsächlich so aus, als wollten sie uns nicht einfach so davonkommen lassen.«

»Sie versuchen uns eine Falle zu stellen?«, ereiferte sich Costa.

Geary sah zu Rione und Charban. »Sagen Sie bitte den Tänzern, dass sie so dicht wie möglich bei uns bleiben sollen. Wenn sie fragen, was es mit den anderen Kriegsschiffen auf sich hat, sagen Sie ihnen, wir versuchen herauszufinden, wer sie sind und was sie wollen.«

»Sie stellen sich das sehr einfach vor, was wir ihnen alles sagen sollen«, konterte Rione sarkastisch. »Wir werden unser Bestes geben.«

»Captain?«, rief der Komm-Wachhabende. »Von den nicht identifizierten Schiffen erreicht uns eine Nachricht. Sie verwendet ein altes Format, das der Standard für die Kommunikation innerhalb des Sol-Sternensystems darstellt. Die Nachricht ist gerichtet an … oh … an den ›leitenden und kontrollierenden Senior-Superiorbefehlshaber‹.«

»Ein bisschen sehr viel des Guten«, knurrte Desjani. »Stellen Sie das durch an den Admiral.«

»Alle auf der Brücke sollen das sehen«, wies Geary an. »Delegaten Rione und Charban, warten Sie mit der Nachricht an die Tänzer bitte, bis wir wissen, was uns diese anderen Schiffe zu erzählen haben.«

Vor ihm entstand das Bild eines älteren Mannes, der auf einer Brücke saß, die sich nicht allzu sehr von der auf der Dauntless unterschied. Das war keine Überraschung. Die effizienteste Anordnung der Kontrollen und der Wachstationen war vor Jahrhunderten entwickelt und seitdem kaum noch geändert worden. Egal, wo man auch im von Menschen erforschten All unterwegs war, auf einer Schiffsbrücke fand man sich immer sofort zurecht, da sich fast alles immer am gleichen Ort befand.

Der Mann trug eine Uniform, die so sehr mit kunstvollen Verzierungen und Applikationen übersät war, dass Geary nach einem Abzeichen suchen musste, das ihm etwas über den Dienstgrad seines Gegenübers verriet. Aber der viele Glitzer auf dem Stoff machte es ihm schlicht unmöglich. Die Anzüge der Syndik-CEOs waren für ihren komplexen und teuren Schnitt bekannt, aber diese Uniform hätte jeden Syndik-CEO vor Neid erblassen lassen. Sein Haar trug der Mann schulterlang und so angeberisch, dass es zu seiner überzogenen Uniform passte. Von der Stirn bis in den Nacken waren seine Haare zu einer Art Hahnenkamm frisiert, was an den Federbusch eines antiken Helms erinnerte. Auf der rechten und der linken Brust fand sich ein Meer aus Auszeichnungen, Abzeichnen und Orden, die ihn von den Schultern bis zur Taille wie ein bunt schillernder Brustpanzer bedeckten.

Zweifellos sollte das alles sehr beeindruckend wirken, aber noch während Geary das farbenfrohe Bild betrachtete, hörte er, wie Tanya Desjani neben ihm versuchte, sich das Lachen zu verkneifen. Auch aus anderen Richtungen vernahm er eindeutig ersticktes Gelächter.

»Ich bin Seine Exzellenz Kapitän Kommodore Ersten Ranges, Stellare Wache der Faust des Volkes, Earun Tavistorevas, Landesherr des Schildes von Sol«, erklärte der extravagante Offizier in einem gelangweilten Tonfall. »Ich lasse mich dazu herab, mich mit den niederen Repräsentanten der barbarischen Regierung der bedeutungslosen sogenannten Allianz zu befassen. Sie sind ohne Erlaubnis in dieses Sternensystem eingedrungen, Sie haben tramontane Kreaturen mitgebracht, deren Gegenwart ein Affront gegen die unbesudelte Erde ist. Hören Sie meinen Befehl. Sie werden alle Gefechtssysteme unbrauchbar machen. Sie werden höflich unsere Sicherheitsauditoren an Bord begrüßen, die Ihr vulgäres Schiff nach Unreinheiten durchsuchen und ihm jegliche Möglichkeit nehmen werden, irgendwelchen Schaden anzurichten. Sie werden Ihre tramontanen Begleiter an uns ausliefern. Nachdem Sie alle Anweisungen befolgt und alle Anfordernisse erfüllt haben, werde ich Ihnen nach Ihrem Gnadengesuch die Abreise gestatten. Im Namen der Autorität, die mir gewährt wurde, um die Sicherheit aller zu gewährleisten, ich bin Earun Tavistorevas.«

Geary ergriff als Erster das Wort, als die Nachricht beendet war. »Was um alles in der Welt heißt tramontan?«

»Das habe ich soeben nachgesehen«, sagte Rione. »Es ist ein antiker Begriff, der im wörtlichen Sinn so viel wie ›von jenseits der Berge‹ heißt. Neuere Bedeutungen – und mit ›neuer‹ meine ich, dass sie nur ein paar Jahrhunderte alt sind – lauten ›Fremder‹ oder ›Barbar‹.«

»Vulgäres Schiff?«, zischte Desjani wütend. »Hat er die Dauntless als vulgäres Schiff bezeichnet?«

In einer untypischen Geste wandte sich Rione unmittelbar an Desjani, um ihr zu antworten. »Sie scheinen sich uns in jeglicher Hinsicht für überlegen zu halten.«

»Wie viele Auszeichnungen hatte dieser Clown eigentlich auf seiner Brust?«, fragte Charban, der sich selten so direkt äußerte und diesmal nur Spott und Verachtung im Überfluss übrig hatte. »Er muss ja der größte Kriegsheld der gesamten Menschheitsgeschichte sein.«

»Zeigen Sie mir ein Hintergrundbild von dieser Nachricht«, befahl Geary.

Ohne den »Kapitän Kommodore« im Vordergrund zu haben, fiel es erheblich leichter, sich auf die anderen Personen auf der Brücke seines Schiffs zu konzentrieren. Sie alle waren mit Auszeichnungen und Ehrenabzeichen übersät, wenn auch nicht ganz so maßlos wie bei ihrem Führer.

»Das ist ja eine ganze Crew aus Superhelden«, stellte Desjani verächtlich fest. »Die müssen den Leuten wohl einen Orden dafür geben, dass sie morgens zeitig aus dem Bett kommen.«

»Ich würde sogar sagen«, ergänzte Geary, »dass sie Orden verteilen, wenn man seine bisherigen Orden richtig zur Schau stellt.«

Wütend fiel Senatorin Suva ihm ins Wort: »Sind Sie jetzt alle damit fertig, sich über den Mann totzulachen? Ist Ihnen eigentlich klar, dass er uns die Kapitulation befohlen hat? Und dass wir ihnen zahlenmäßig sehr deutlich unterlegen sind?«

»Er ist über eine halbe Lichtstunde entfernt«, machte Geary ihr klar. »Ich weiß nicht, auf welche Geschwindigkeit er beschleunigen kann, aber seine Schiffe scheinen ähnlich manövrierbar zu sein wie unsere. Selbst wenn wir nicht beschleunigen, wird er lange brauchen, um uns einzuholen.«

»Beschleunigen? Wollen Sie sich etwa seinem Befehl widersetzen?«

Rione klang genervt, als sie erwiderte: »Es besteht für uns keine Verpflichtung, seinen Befehl zu befolgen. Außerdem vertraue ich nicht darauf, dass er sein Wort hält und uns abreisen lässt, nachdem unsere Waffen unbrauchbar gemacht worden sind und wir ihn angefleht haben, uns zu vergeben, dass wir gegen Regeln verstoßen haben, von denen wir nichts wissen konnten und die wir auch nicht befolgen müssen.«

»Er kann diese Regeln durchsetzen«, warf Charban ernst ein. »Er besitzt die nötige Feuerkraft.«

»Wir können nicht im Sol-Sternensystem kämpfen!«, rief Suva entsetzt. »Das würde sogar diejenigen empören, die es nicht als Sakrileg ansehen!«

»Wir beabsichtigen nicht zu kämpfen«, ging Geary laut genug dazwischen, um diese aufgeregte Unterhaltung zum Verstummen zu bringen. »Ich werde dieser Witzfigur höflich klarmachen, dass wir als Kriegsschiff der Allianz in einem neutralen Sternensystem nicht seiner Autorität unterstehen. Und ich werde ihn wissen lassen, dass die Tänzer etwas mit den hiesigen Behörden zu regeln haben, aber nicht mit seinem … seinen … was immer das auch sein mag.«

»Er hat Sie mit seiner Nachricht nicht angesprochen, also sollten Sie auch nicht darauf antworten«, sagte Costa energisch. »Er hat ausdrücklich erklärt, dass er die Repräsentanten der …« Mitten im Satz brach sie ab und schaute erschrocken drein.

Sakai nickte bedächtig. »Woher weiß er, dass sich Repräsentanten der Allianz-Regierung an Bord dieses Schiffs befinden?«

»Könnte jemand vor uns hier eingetroffen sein?«, fragte Costa.

»Das muss der Fall sein. Jemand hat Varandal unter dem Vorwand verlassen, ein ganz anderes Ziel anzufliegen, aber in Wahrheit ist er nach Sol gekommen, hat von unserem bevorstehenden Eintreffen berichtet und ist dann gleich wieder abgereist.« Sakais Miene war auf einmal wie versteinert. »Diese Schiffe haben nur auf uns gewartet, und als sie uns gesehen haben, sind sie sofort aggressiv auf uns losgegangen. Ich frage mich, was aus uns dreien würde, sollten wir auf ihre Forderungen eingehen.«

»Wer sollte uns drei …« Weiter kam Suva nicht.

Wieder nickte Sakai. »Vielleicht sind wir nicht alle drei in Gefahr. Vielleicht würden sie ein oder zwei von uns unbehelligt gehen lassen. Vielleicht aber auch nicht. Es könnte so manchen geben, der gar nicht will, dass wir heimkehren.«

»Sie wissen, dass es solche gibt«, spie Costa ihm entgegen. »Und ein paar von denen haben sehr viel Geld. Dieser aufgeblasene Affe mag zwar die barbarische Regierung der bedeutungslosen Allianz verachten, aber ich wette, er hatte nichts dagegen, ein dickes Bestechungsgeld von … von irgendjemandem anzunehmen.« Sie blickte sich mit einer Mischung aus Trotz und Besorgnis um, während ihr bewusst wurde, dass alle auf der Brücke Anwesenden ihre Unterhaltung mitangehört hatten.

Desjani sah Geary an, er konnte in ihren Augen lesen, welche Botschaft sie für ihn hatte: Sie sind hier auch die Zielscheibe. Sie und die Dauntless.

Er nickte zustimmend und versuchte, nicht zu finster dreinzuschauen. Black Jack ohne die Flotte in seinem Rücken. Ein einzelner Schlachtkreuzer, zahlenmäßig unterlegen und völlig isoliert. Die Politiker an Bord – Costa, Suva, Sakai und Rione – mochten das Ziel dieses Angriffs sein, aber waren sie auch das eigentliche Ziel? Oder würde man sie und die Crew der Dauntless opfern, um Black Jack »aufzuhalten«?

»Wieso wissen wir nicht mehr über diese Leute?«, beklagte sich Rione und sah wütend auf ihr Datenpad. Hektisch hatte sie alle möglichen Befehle eingetippt, und nun sah sie hilfesuchend Lieutenant Igers Bild an. »Außer buchstäblich vorsintflutlichen Texten gibt es hier keinerlei Informationen über die Sternensysteme jenseits von Sol.«

Iger hob entschuldigend die Schultern hoch. »In den letzten hundert Jahren hat sich alles auf die Syndikatwelten konzentriert. Und selbst in der Zeit davor würde ich davon ausgehen, dass es kaum jemanden interessierte, neue Daten über Sternensysteme zu sammeln, die so weit von der Allianz entfernt liegen. Sie sind sehr, sehr weit entfernt, und sie sind bedeutungslos.«

»Sie sind nicht bedeutungslos«, widersprach Senatorin Suva wütend, »wenn sie im Sol-Sternensystem als eine Art Polizei auftreten und uns drohen!«

»Es gibt keine früheren Aufzeichnungen darüber«, überlegte Senator Sakai, der auf sein eigenes Datenpad sah. »Diese Schiffe … das ist fast so, als würde man eine alternative Version von dem sehen, was aus uns geworden ist. Es ist bemerkenswert, lebendige Geschichte einfach so beobachten zu können.«

»Ich bevorzuge lebendige Geschichte, die nicht so gut bewaffnet und so aggressiv ist«, gab Geary zurück.

»Dem kann ich nur zustimmen«, sagte Sakai. »Es ist über hundert Jahre her, seit zum letzten Mal unser Militär hier war. Aber bei diesem Besuch und auch in der Zeit davor gibt es keine Aufzeichnung darüber, dass sich im Sol-Sternensystem irgendwelche Kriegsschiffe von den äußeren Sternen aufgehalten haben.«

»Ein Machtvakuum?«, fragte Geary. »Wir waren nicht da, also ist jemand anderer hergekommen?«

»Und jemand hat deren Anwesenheit hier im System ausgenutzt, um uns in Gefahr zu bringen?« Rione beschrieb eine wütende Geste. »So einfach ist das nicht. Nicht wenn es um Sol und die Alte Erde geht. Sie sollten von der Politik eigentlich abgeschottet sein. Sie sollten nicht in irgendwelche Streitigkeiten hineingezogen werden. Mich verwundert, dass irgendjemand einen so dreisten Zug unternommen hat, sich hier zur Autorität aufzuschwingen.«

»Die Allianz hat hier doch ein Hypernet-Portal gebaut«, warf Geary ein.

»Ja, vor fünfundvierzig Jahren«, entgegnete Rione, die wieder auf ihr Datenpad sah. »Zu der Zeit eine gewaltige Investition, sowohl finanziell als auch hinsichtlich der Ressourcen. Schließlich konnte die Allianz eigentlich weder von dem einen noch dem anderen etwas entbehren.«

»Und warum hat die Allianz es dann gebaut?«, wollte er wissen.

Rione schien nicht bewusst zu sein, dass diesmal die Blicke aller Anwesenden auf ihr ruhten, weil sie die Antwort hören wollten. »Nach allem, was ich gehört habe«, erwiderte sie achselzuckend, »war es politisches Kalkül. Ein Akt der Verzweiflung, aber ein Versuch, der die Anstrengung wert erscheinen ließ, um möglicherweise Unterstützung von außen im Kampf gegen die Syndiks zu erhalten. Außerdem sollte damit die Moral innerhalb der Allianz gestärkt werden. Sol ist für die Menschheit nach wie vor ein ganz besonderer Ort. Die Allianz verkündete damals öffentlich, dass sie das Portal hier errichte, damit Sol davon profitieren kann und damit die Menschen es leichter haben, unsere gemeinsame Heimat zu besuchen. Sehr selbstlos. Die tatsächliche Absicht war jedoch die, Sol symbolisch mit der Allianz und umgekehrt zu verbinden, auch wenn das niemand so sagte. Die Syndiks konnten diesen Schachzug nicht machen, weil wir als die Allianz ihnen im Weg waren.«

»Dann muss Sol zugestimmt haben, dass das Portal gebaut wird«, wandte Charban ein.

»Sie verstehen nicht. Sol ist noch immer zersplittert. In diesem System gibt es Dutzende souveräne Regierungen, und auf der Alten Erde selbst spielen noch immer Vermächtnisse aus uralten Zeiten eine Rolle. Man verträgt sich inzwischen, nachdem man sich in früheren Jahrhunderten bis zur Erschöpfung bekriegt hat, aber vermutlich diskutieren sie heute noch immer darüber, ob sie der Allianz erlauben sollen, das Hypernet-Portal zu bauen. Die Behörden der Alten Erde sind die Stimme einer Organisation, die auf der Asche der letzten hier ausgetragenen Kriege errichtet wurde. Eine Organisation, deren Aufgabe es ist, die Zurschaustellung von Macht durch irgendeine der Regierungen in diesem System zu verhindern.« Rione hielt inne, verzog das Gesicht, dann schlug sie ihre Hand mit so viel Wucht gegen die Stirn, dass das Klatschen von allen Seiten widerhallte. »Wie idiotisch! Wir hätten wissen müssen, dass so etwas dabei herauskommen würde!«

»Wie meinen Sie das?«, fragte Senator Sakai, während alle anderen Rione nur abwartend ansahen.

»Wir haben das verursacht! Wir haben ihnen das Hypernet-Portal als Symbol überlassen. Genau das ist es, ein Symbol, dessen Bedeutung andere provozieren könnte, das uns aber keinen garantierten Profit bringt. Warum sind diese Kriegsschiffe von den äußeren Sternensystemen hier? Warum behaupten sie, Sol und die Alte Erde zu beschützen? Weil die Allianz symbolisch ihren Anspruch angemeldet hat, was von den Sternensystemen hier in der Nähe nicht ignoriert werden konnte. Sie sind hier, gerade weil wir das Portal gebaut haben. Dabei hätten wir wissen müssen, dass Sol keine andere Macht davon abhalten kann, das Gleiche zu tun, was auch wir unternahmen, nämlich einstimmig im scheinbar besten Interesse von Sol zu handeln.«

Nach einigen Sekunden sagte Sakai: »Ich glaube, Ihre Argumentation ist absolut korrekt.«

»Dann«, folgerte Sakai, »könnte das hier nur ein Missverständnis sein.«

»Ich hätte nichts dagegen«, stimmte Geary ihr zu. »Aber wir müssen diese Leute da draußen davon überzeugen, das Ganze ebenfalls auf die leichte Schulter zu nehmen.«

»Die werden nichts von dem akzeptieren, was wir zu sagen haben!«, warnte ihn Rione. »Was diese Leute angeht, sind wir hergekommen, haben unsere Flagge gehisst und damit unseren Anspruch angemeldet. Selbst wenn man sie nicht bestochen hätte, würden sie sich gegen unsere Anwesenheit aussprechen. Hat man sie bezahlt, damit wir dieses System nicht mehr lebend verlassen, dann wird sie das nur in ihrer Ansicht bestärken, die Allianz von hier fernzuhalten. Wer weiß? Vielleicht hat ja derjenige, der ihnen von unserer baldigen Ankunft erzählt hat, auch behauptet, dass wir hier eine permanente Militärpräsenz einrichten wollen.«

Costa verzog mürrisch den Mund. »Ich würde ihnen ja gern sagen, dass sie sich zum Teufel scheren sollen, aber sie sind uns zahlenmäßig zu deutlich überlegen.«

»Wir müssen über eine angemessene Vorgehensweise beraten«, machte Sakai klar. »Damit die Interessen der Allianz ebenso geschützt sind wie die Sicherheit dieser Mission und das Leben aller Menschen an Bord dieses Schiffs.«

»Nichts geschieht, solange die an Bord befindlichen Regierungsvertreter keine Entscheidung gefällt haben«, sagte Suva an Geary gewandt. »Unser Leben steht hier auch auf dem Spiel.«

Geary spürte, wie sich die Brückenbesatzung bei diesen Worten versteifte, aber bevor er etwas erwidern konnte, sagte Rione in ernstem und verständnisvollem Tonfall: »Sie haben recht, Senatorin. Darüber muss debattiert und diskutiert werden. Wir müssen eine Vorgehensweise erarbeiten, wie wir auf diese unerwarteten Umstände reagieren sollten, und wir sollten unverzüglich mit dieser Diskussion anfangen.«

»Sie haben in dieser Angelegenheit kein Mitspracherecht«, konterte Suva abfällig.

»Doch, habe ich. Vor unserer Abreise gab mir Senator Navarro seine Stimmrechtsvollmacht.«

»Er …«

»Aber diese Stimmrechtsvollmacht will ich nicht überhastet einsetzen. Wir müssen darüber reden. Darüber, wer versucht haben könnte, ein Scheitern dieser Mission und die Zerstörung dieses Schiffs sicherzustellen. Darüber, welchen Weg wir am besten einschlagen. Aber das müssen wir unter acht Augen bereden.«

»Ich werde nicht …«, begann Costa.

»Natürlich«, stimmte Suva sofort zu. »In der Öffentlichkeit geht das nicht.« Dabei ließ sie ihren Blick über die Brückencrew wandern. »Senator Sakai?«

»Ja, natürlich«, stimmte auch er zu.

Rione wandte sich von der Gruppe ab. »Admiral Geary, bis wir mit weiteren Entscheidungen zurückkehren, werden Sie sich strikt an die Anweisungen halten, die die Regierung Ihnen bereits gegeben hat.«

»Ja!«, bekräftigte Suva. »Halten Sie sich ganz genau daran, Admiral.«

»Das werde ich machen«, erwiderte Geary und verkniff sich ein Lächeln. Wenn Rione eine ernste Miene wahren konnte, dann sollte ihm das erst recht gelingen.

Charban sah den drei Senatoren hinterher, dann schaute er ein wenig wehmütig zu Geary. »Da ich nicht in ein Amt gewählt worden bin und auch nicht für irgendjemanden eine Stimmrechtsvollmacht vorweisen kann, spiele ich bei der Diskussion keine Rolle. Nun, dann werde ich eben in der Zwischenzeit die Nachricht an die Tänzer übermitteln, um die Sie uns gebeten hatten.«

»Tun Sie das bitte, General.« Dabei zeigte Geary auf die Tänzer-Schiffe auf seinem Display. »Den Tänzern muss nach wie vor gesagt werden, dass sie in unserer unmittelbaren Nähe bleiben sollen und sich nicht den anderen Kriegsschiffen nähern dürfen. Aber mit Blick auf die Nachricht, wie wir erhalten haben, sollten Sie ihnen sagen, dass es sich um eine Art Missverständnis handelt, das wir erst noch aufklären müssen. Bis das geschehen ist, wäre es zu gefährlich, sich diesen anderen Schiffen zu nähern.«

»Ich werde mir alle Mühe geben, diese Nachricht so rüberzubringen, Admiral«, sagte er, salutierte mit einem ironischen Lächeln auf den Lippen, dann verließ er die Brücke.

Geary sah zu Desjani, die verbissen auf ihr Display starrte. »Was ist los?«

Sie drehte sich zu ihm um und warf ihm einen zornigen Blick zu. »Die haben Sie handlungsunfähig gemacht, oder ist Ihnen das entgangen?«

»Nein, das haben sie nicht. Mir wurde gesagt, ich solle mich an die bereits von der Regierung erteilten Befehle halten. Rione hat darauf bestanden, das noch einmal extra zu betonen, bevor sie mit den anderen zusammen die Brücke verlassen hat.«

Auf einmal begriff sie. »Und Ihre bereits erteilten Befehle lauten, dass Sie nach eigenem Ermessen handeln dürfen, wenn wir mit unerwarteten Umständen konfrontiert werden.«

»Richtig.«

»Verdammt.« Desjani wirkte jetzt noch wütender. »Ich hasse es, wenn diese Frau das macht.«

»Wenn sie was macht?«

»Wenn sie … nicht böse ist. Dann frage ich mich sofort, was sie in Wahrheit vorhat.« Desjani lehnte sich zurück und sah nachdenklich drein. »Was werden Sie jetzt machen?«

»Ich könnte mit ihnen reden.«

»Das hat schon bei den Enigmas und den Kiks nichts gebracht, und bei den Syndiks hat es nur selten funktioniert«, wandte sie ein. »Auch wenn ich in keinem Punkt einer Meinung mit diesen Politikern sein möchte, ist es doch sehr verdächtig, dass diese Schiffe wussten, dass wir auf dem Weg hierher sind und wer sich an Bord befindet. Wenn ihnen das bekannt war und sie uns deswegen so empfangen haben, dann werden sie sich auch nichts von dem anhören wollen, was wir ihnen zu sagen haben.«

»Gutes Argument. Wie wäre es, wenn ich mit ihnen auf eine Weise rede, die sie verstehen könnten? Ich würde vermeiden, mich dazu zu äußern, dass sich Vertreter der Allianz-Regierung an Bord befinden. Das würde sie vielleicht verwirren. Und während wir reden, fliegen wir weiter Richtung Alte Erde.«

»Und wenn die es auf Sie abgesehen haben?«

»Dann werde ich sie wissen lassen, dass wir uns niemals kampflos ergeben werden.«

Er sah sich noch einmal genau diesen prahlerischen, mit Auszeichnungen behängten Befehlshaber der fremden Kriegsschiffe an, dann betätigte er die Antwort-Taste. »Kapitän Kommodore Tavistorevas, hier spricht Admiral Geary von der Allianz-Flotte. Sie werden sicher verstehen, dass dieses Kriegsschiff sozusagen ein souveräner verlängerter Arm der Allianz ist. Daher kann ich nicht zulassen, dass der Schlachtkreuzer von einer fremden Macht betreten wird, die in einem neutralen Sternensystem operiert. Ich bin von meiner Regierung dazu ermächtigt worden, die Schiffe mit den Gesandten einer fremden Spezies, die uns als Tänzer bekannt ist, bis zur Alten Erde zu eskortieren. Die Tänzer sind die einzige intelligente nichtmenschliche Spezies, zu der die Menschheit bislang freundschaftliche Beziehungen aufbauen konnte. Entsprechend meinen Befehlen muss ich diese Schiffe vor jeder Störung oder Einmischung beschützen, und das werde ich auch tun. Sollten Sie formal Beschwerde gegen das Verhalten der Allianz einlegen wollen, dann übersenden Sie mir bitte diese Beschwerde, und ich werde veranlassen, dass sie nach der Rückkehr zur Allianz an die zuständigen Stellen weitergeleitet wird. Auf die Ehre unserer Vorfahren. Admiral Geary, Ende.«

Desjani zuckte mit den Schultern. »Schaden kann es nicht. Hmm. Sie beschleunigen auf 0,2 Licht. Sie wollen also nicht nur unseren Fluchtweg blockieren, sondern sie wollen uns einholen.«

»Admiral?« Lieutenant Igers Bild war wieder neben Geary aufgetaucht. »Unsere Systeme hatten Gelegenheit, diese Kriegsschiffe beim Manövrieren zu beobachten und sie zu bewerten. Ihre Einschätzung ist die, dass Schiffe des … ähm … Schilds von Sol keine Panzerung aufweisen.«

»Keine Panzerung?«, wiederholte Geary ungläubig.

»Es besteht eine minimale Chance, dass kritische Bereiche leicht gepanzert sind«, sagte Iger.

»Und die Waffen? Auf meinem Display sind immer noch nur ein paar Waffensysteme mit Art und Position zu sehen.«

»Das ist alles, was sich bislang bestätigen ließ oder was höchstwahrscheinlich ein Waffensystem darstellen dürfte«, erwiderte der Geheimdienstoffizier. »Unter all diesen Verzierungen könnten sich viele Waffen mehr befinden, aber wir verfügen über hochauflösende Scans, die wir Pixel für Pixel analysieren. Wenn es weitere Waffensysteme gibt, werden wir sie finden.«

»So schnell wie möglich«, betonte Geary und sah Desjani missmutig an, während neben ihm Igers Bild verschwand. »Die müssen viel mehr Waffen an Bord haben. Wir brauchen unbedingt ein klareres Bild davon, wogegen wir unter Umständen ankämpfen müssen.«

»Keine Panzerung«, überlegte sie. »Aber sie sind schon mal nicht schneller als wir. Das ist gut. Und wenn ich mich nicht irre, hat unser Ordensständer es so klingen lassen, dass die Kommando- und Kontrollstruktur bei ihnen sehr zentralisiert ist. Wenn wir ihn ausschalten, wird es vielleicht erheblich einfacher, auch die übrigen Schiffe unter Kontrolle zu bringen.«

Geary betrachtete die Formation der anderen Kriegsschiffe. Sie wirkte wie eine flache Röhre, breiter als lang. Neben jedem der Megakreuzer waren aus einem unerklärlichen Grund zu beiden Seiten die Korvetten positioniert. »Der Ordensständer dürfte sich auf dem Kriegsschiff in der Mitte befinden. An ihn werden wir nicht so einfach herankommen.«

»Nein«, stimmte Desjani. »Nicht ohne unter schweren Beschuss von allen Seiten zu geraten, und für eine solche Behandlung ist die Dauntless nicht konstruiert.«

Er erwiderte nichts darauf, zumal sich seine Stimmung immer weiter verfinsterte, je bewusster ihm die Situation wurde, in der sie sich befanden. Die Dauntless war allein. Sie musste zudem noch auf sechs Tänzer-Schiffe aufpassen. Aber auch ohne dieses Handicap befand sich der Schlachtkreuzer in einer schwierigen Lage, da er zahlenmäßig und hinsichtlich der Feuerkraft dem Gegner eindeutig unterlegen war. Hinzu kam die Tatsache, dass dieser Gegner in vielerlei Hinsicht eine unbekannte Größe darstellte.

Welche Taktiken wandten sie an? Wie gut war ihre Feuerkontrolle? Was leisteten ihre Waffen? War der Ordensständer ein guter Befehlshaber oder war er doch nicht mehr als das aufgeblasene aristokratische Windei, als das er erschien? Wenn er wirklich gut war, dann war sein Auftritt nur eine einstudierte Nummer, die andere dazu bringen sollte, ihn zu unterschätzen.

Wie viel war dem Gegner von demjenigen, der die Nachricht vom bevorstehenden Eintreffen der Regierungsvertreter überbracht hatte, über die Dauntless und ihre Crew erzählt worden?

Zu viele Fragen und erheblich zu wenige Antworten.

Ein bloßes Raten konnte fatale Folgen haben, und das nicht nur für die Dauntless, sondern für alle Hoffnungen auf eine Beziehung zwischen der Menschheit und den Tänzern.

Загрузка...