Der Strand in Ivrom — der Morgen

»Sieht friedlich genug aus«, sagte Vardia, als sie das Floß am Strand entluden. »Eigentlich sehr angenehm.«

»Aber irgend etwas ist hier gegen Leute eingestellt«, meinte Brazil. »Das Hex hat keine Botschaft in Zone, und alle Expeditionen hierher sind verschollen, wie gestern nacht Bat. Bleiben wir am Strand, solange wir können.«

»Und was wird aus Bat?«fragte Wuju. »Wir können ihn doch nicht einfach im Stich lassen.«

»Ich mache das so ungern wie du«, sagte Brazil, »aber das Hex ist groß, und wir wissen nicht, wo er sein könnte. Wir könnten ebenso gut nach einem bestimmten Grashalm suchen. Ich kann kein Risiko eingehen, so gern ich ihm helfen würde.«

»Mir gefällt das nicht«, erklärte Wuju störrisch, aber sie konnte gegen seine Logik nichts vorbringen außer Gefühlen. »Wir haben die Murnies überstanden«, meinte sie. »Was kann hier Schlimmeres sein?«

»Vieles. Ich habe Murithel nur mit Glück überlebt, wie du — und wir wußten, wer der Feind war. Hier ist es noch gefährlicher. Entweder Bat, oder wir alle.«

Und damit war der Fall erledigt. Er verteilte die Waffen. Die Zentaurin bekam zwei automatische Projektilpistolen in einem Halftergürtel. Vardia hatte zwei andere Schußwaffen, die Gas unter Druck in kleinen Flaschen verschossen. Ein Zündstein entzündete das Gas. Der Flammenwerfer hatte eine Reichweite von etwa zehn Metern.

»Wir bleiben am Strand«, sagte Brazil noch einmal. »Wenn wir Glück haben, brauchen wir nicht in den Wald zu gehen.«

Sie bedankten sich bei den Umiau, die sie so weit gezogen hatten, und die Meerjungfrauen schwammen davon.

Sie machten sich auf den Weg, behindert vom Treibholz, und mußten manchmal durch das seichte Wasser, aber sie kamen gut voran.

Bis Sonnenuntergang hatten sie nach Brazils Schätzung die Hälfte des Weges zurückgelegt. Da er im Dunkeln schlecht sah und Vardia sich verwurzeln mußte, machten sie halt, um zu übernachten; das einzigemal in diesem Hex, wie sie hofften.

Der sandige Boden war für die Czillanerin nicht sehr gut, aber sie fand eine harte, flache Stelle vor dem Wald. Er und Wuju lagen in der Nähe, während die Brandung auf den Strand rauschte.

»Nathan«, sagte Wuju, »wenn das ein nicht-technologisches Hex ist wie Murithel, warum funktioniert dann trotzdem dein Sprechapparat? Er ist im Grunde ein Radio.«

Brazil hatte darüber nicht nachgedacht und holte es jetzt nach.

»Ich kann es nicht sagen, außer es hängt mit dem Dolmetscher zusammen, der ja überall funktioniert.«

»Der Dolmetscher!«sagte sie scharf. »Ich spüre ihn wie einen Klumpen in der Kehle. Wo kommen sie her, Nathan?«

»Aus dem Norden, aus einem völlig kristallisierten Hex, wo sie wachsen wie bei uns Blumen. Es geht sehr langsam, und sie geben nicht viele her.«

»Aber wie funktioniert er? Er ist keine Maschine.«

»Nein, nicht in dem Sinn, wie wir uns Maschinen vorstellen. Ich glaube, niemand weiß es genau. Man vermutet, daß die Vibrationen eine Verbindung mit dem markovischen Gehirn des Planeten herstellen.«

Sie zitterte ein wenig.

»Ist dir kalt?«fragte er.

»Nein, ich dachte an das Gehirn. Es macht mich nervös — all diese Macht, die Macht, alle die Regeln für alle die Hexagons aufzustellen und durchzusetzen, die Dolmetscher zu betreiben, Leute zu verwandeln. Der Gedanke behagt mir gar nicht. Stell dir eine Rasse vor, die so etwas zu bauen vermochte. Es erschreckt mich.«

Brazil rieb ihren Menschenrücken mit seinem Kopf.

»Mach dir keine Gedanken darüber«, sagte er leise. »Diese Rasse gibt es schon lange nicht mehr.«

»Ich weiß nicht«, entgegnete sie dumpf. »Wenn es sie nun doch noch gibt und sie hinter allem steckt? Das hieße, daß wir alle Spielzeug wären, Spielfiguren. Mit dem Wissen und der Macht, dies alles zu erschaffen, wären sie so weit über uns, daß wir es nicht einmal ahnen könnten.«Sie schüttelte ihn ab und sah ihn an. »Nathan, wenn wir nun nur Spielfiguren für sie sind?«

Er starrte ihr in die Augen.

»Wir sind es nicht«, sagte er. »Die Markovier sind fort — schon lange tot und verschwunden. Ihre Geister sind Gehirne wie jenes, das diesen Planeten steuert — einfach Riesencomputer, programmiert und automatisiert. Der Rest ihrer Geister sind die Leute, Wuju. Hast du das noch nicht gelernt, Wuju?«

»Ich verstehe nicht«, sagte sie. »Was meinst du damit, wenn du sagst, die Leute seien die markovischen Geister?«

»›Bis Mitternacht am Schacht der Seelen‹«, zitierte er. »Es ist der eine Satz, der allen fünfzehnhundertsechzig Hexagons gemeinsam ist. Denk' daran. Viele von uns sind natürlich verwandt, und viele Bewohner hier sind Abarten der Tiere in anderen Sechsecken. Ich habe die Lösung für diesen Teil des Rätsels gefunden, als ich aus dem Portal so herauskam, wie ich hineingegangen war — und mich in einem Hex fand, das wir uns immer als ›menschlich‹ vorgestellt hatten. Nebenan gab es eineinhalb Meter hohe Biber — intelligent, zivilisiert, sehr klug, aber im Grunde waren sie genauso wie die kleinen Biber in Dillia. Das meiste an wildlebenden Wesen in den Hexagons, die wir gesehen haben, das den Welten nahekommt, auf denen unsere alte Rasse siedeln konnte, ist verwandt mit dem, was wir damals hatten. Es gibt eine Beziehung unter allen. Diese Hexagons stehen für Heimatwelten, Wuju«, sagte er ernsthaft. »Hier haben die Markovier die Versuchsstätten gebaut. Hier haben ihre Techniker Biosphären geschaffen, um die mathematischen Grundlagen für die Welten zu finden, die sie dann hervorbrachten. Hier ist ökologisch unsere eigene Galaxis, wenn nicht sogar alle, geschaffen worden.«

»Du meinst, alle diese Leute sind erschaffen worden, damit man erkennen kann, ob die Systeme funktionieren?«fragte sie fröstelnd. »Wie eine Zeichenklasse für Götter? Und wenn es taugte, erschufen die Markovier irgendwo einen Planeten, der ganz so war wie das hier?«

»Teilweise richtig«, sagte er. »Aber die Wesen sind nicht wie das Physikalische aus der Energie des Universums geschaffen worden. Wenn es so wäre, dann hätten sie die Götter, von denen du gesprochen hast. Doch das war nicht der Grund, warum die Welt hier gebaut wurde. Sie waren eine müde Rasse. Was tut man, nachdem man alles kann, alles weiß, alles beherrscht? Eine Zeitlang gefällt es einem, zu einer Rasse von Göttern zu gehören — aber zuletzt wird man es satt bekommen. Langeweile breitet sich aus, und man muß stagnieren, wenn man nirgends mehr hingehen, nichts mehr entdecken kann. Also wurden ihre Experten beauftragt, die Hexagons der Schacht-Welt zu schaffen. Die sich als brauchbar erwiesen, akzeptierte man, und dann wurde die vollständige Heimatwelt erschaffen und mathematisch richtig im Universum an ihren Platz gestellt. Das ist der Grund für soviel Überlappung — manche Experten waren begabter als andere, und sie stahlen einander die Ideen und schmückten sie aus. Wenn sie erfolgreich waren, kamen die Markovier durch die Portale zum Schacht, freiwillig, nicht gezwungen, und sie führten den Mechanismus zur Zuteilung hindurch. Sie bauten die Sechsecke, mühten sich und taten, was keine anderen als sie konnten — sie starben dabei.«

»Dann besiedelten sie die Heimatwelten?«fragte sie erschrocken. »Sie gaben es auf, Götter zu sein, um Schmerzen zu leiden und sich abzumühen und zu sterben?«

»Nein. Sie ließen sich auf der Schacht-Welt nieder. Wenn ein Projekt fertig war, wurde es zerstört und ein neues begonnen. Was wir hier heute haben, sind nur die jüngsten Welten, die jüngsten Rassen, die letzten. Die Markovier haben sich alle hier abgemüht und sind hier gestorben. Nicht nur alle Materie, sondern auch die Zeit selbst ist eine mathematische Konstruktion, die sie gelernt und überwunden hatten. Nach vielen Generationen wurden die Hexagons selbständige Gemeinschaften, wenn sie funktionierten. Die verwandelten Markovier bekamen Kinder, die reinrassig waren. Es waren diese Nachkommen, die markovischen Abkömmlinge, die durch den Schacht gingen, dorthin, was wir jetzt Zone nennen, den riesigen Schacht, durch den wir hereingekommen sind. Am sechsten Tag des sechsten Monats jedes sechsten Jahres taten sie das, und der Schacht nahm sie auf, mit einem einzigen Schlag, mitten in der Nacht. Er nahm sie, klassifizierte sie und beförderte sie zur Heimatwelt ihrer Rassen.«

»Aber die Welten haben doch gewiß ihre eigenen Bewohner«, wandte sie ein. »Die Evolution —«

»Sie sind nicht körperlich hingekommen«, unterbrach er sie. »Nur ihre Substanz, was die Murnies ihr ›Wesen‹ nennen. Zur richtigen Zeit begaben sie sich in die Gefäße, die sich am Boden des Schachts gebildet hatten. Deshalb nennt der Dolmetscher ihn den Schacht der Seelen, Wuju.«

»Dann sind wir die markovischen Kinder«, sagte sie atemlos. »Sie waren der Samen unserer Rasse.«

»So ist es. Sie taten es als Projekt, als ein Experiment. Sie taten es nicht, um ihre Rasse zu töten, sondern um sie und sich selbst zu retten. Es gibt eine Legende, daß die alte Erde in sieben Tagen erschaffen wurde. Das ist durchaus möglich — die Markovier beherrschten die Zeit, wie sie alles beherrschten, und während sie die Welten mathematisch entwickeln mußten, um sie nach den Naturgesetzen zu bilden und zu erschaffen, konnten sie die Arbeit von Jahrmillionen sehr schnell tun, um genau im richtigen Augenblick, wenn die herrschende Lebensform — oder Lebensformen — sich logischerweise entwickeln mußten, die Leute in ihr Projekt einzuführen.«

»Und die Bewohner hier — sind sie alle Neuzugänge und die Nachkommen von ihnen?«

»Es sollte keine geben«, erwiderte er. »Neuzugänge, meine ich. Aber die Markovier bewohnten ihr eigenes altes Universum, weißt du. Ihre alten Planeten gab es noch. Manche der Gehirne überlebten — ziemlich viele sogar, wenn wir in unserem kleinen Winkel Weltraum auf eines davon gestoßen sind. Sie waren quasiorganisch, mit dem Planeten, dem sie dienten, integriert, und es erwies sich, daß man sie praktisch nicht abschalten konnte. Der letzte Markovier konnte das seine nicht abschalten und noch durchpassieren, also blieben sie offen und sollten geschlossen werden, wenn die Zeit mit den alten Welten das machte, was sie mit allen Dingen tut, die nicht gepflegt werden.«

»Dann sind Millionen von diesen Portalen noch offen«, meinte sie. »Die Leute könnten überall hineinfallen.«

»Nein«, sagte er. »Die Portale öffnen sich nur, wenn jemand das wünscht. Es muß kein mystischer Schlüssel sein, obwohl Varnett auf Dalgonia es geöffnet hat, indem er die mathematischen Beziehungen, die er entdeckt hatte, in sein Denken einfügte. Es geschieht aber nicht willkürlich, da war Varnett eine Ausnahme. Der Schlüssel ist mathematisch, doch jemand in der Nähe eines Portals braucht ihn nicht zu kennen, um es zu betätigen.«

»Was ist dann der Schlüssel?«fragte sie verwirrt.

»Raumfahrer — Tausende davon sind durch den Schacht gekommen, nicht nur aus unserem Sektor, sondern von überall. Ich habe eine ganze Reihe davon gekannt. Es ist ein einsamer, gesellschaftsfeindlicher Beruf, Wuju, und wegen der Fitzgerald-Kontraktion und der Verjüngung ein langlebiger. Alle die Leute, die hier durch Portale hereinkamen, hörten Signale auf der Notruffrequenz, die sie zu den Portalen lockten. Ob sie es zugeben oder nicht, sie hatten alle eines gemeinsam.«

»Nämlich?«fragte sie fasziniert.

»Sie alle wollten sterben oder hatten sich entschlossen, aus dem Leben zu gehen«, erwiderte er ausdruckslos. »Oder — sie starben lieber, als weiterzuleben. Sie suchten nach Phantasiewelten, um ihre Probleme zu beheben.«

»Genau wie die Markovier.«Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie plötzlich:»Woher weißt du das alles, Nathan? Die Leute hier wissen es nicht, die Kinder der Markovier, die nicht fortgegangen sind.«

»Das hast du begriffen, nicht wahr?«sagte er bewundernd. »Ja, als die letzten verwandelt wurden, schloß man den Schacht. Jene, die nicht gehen wollten, verloren den Nerv oder waren hier glücklich — sie blieben, nur mit einer Erinnerung, vielleicht sogar mit Bedauern, als es geschehen war, denn den Ausdruck ›Bis Mitternacht am Schacht der Seelen‹ hielten sie als das Symbol des Ewigen lebendig. Woher ich das alles weiß? Ich bin ein Genie, daran liegt es. Und Skander ist auch eines — deshalb müssen wir dahin, wo wir hingehen.«

»Aber wenn alles versiegelt ist, warum dann die Mühe?«fragte sie nach einer Pause. »Skander kann doch keinen Schaden anrichten, oder?«

»Tief unter unseren Füßen ist eine gigantische Maschine«, sagte er ernsthaft. »Das markovische Gehirn ist so mächtig, daß es die Heimatwelten geschaffen und aufrechterhalten hat, so, wie es das mit dieser hier tut; das Gehirn hält die Gleichungen, die alle unnatürlich erschaffene Materie erhalten, die das Gefüge von Zeit, Raum und Materie auflösen können, so, wie es davon erschaffen wurde. Skander will diese Gleichungen verändern. Nicht nur unser Leben steht auf dem Spiel, sondern unser aller Existenz.«

Sie sah ihn lange an, dann blickte sie in den Wald, in ihre Gedanken versunken.

Plötzlich sagte sie:»Schau, Nathan, die fliegenden Lichter sind da. Und ich kann etwas hören.«

Er drehte sich um. Es müssen Insekten sein, dachte er, die beim Flug durch den Wald leuchten. Sie haben etwas ganz Vertrautes an sich. Ich bin noch nie hier gewesen, dachte er, und trotzdem habe ich das schon gesehen.

»Horch«, flüsterte Wuju. »Hörst du's?«

Brazils feines Gehör hatte es schon wahrgenommen. Es war Musik, spukhafte, seltsame, sogar unheimliche Musik, die ihre Körper zu durchdringen schien.

Das Feenland, dachte er plötzlich. Natürlich. So nah am Äquator mußte es Magie geben. Ein paar von den autoritären Figuren hatten sich auf die alte Erde geschlichen, und es war verdammt schwierig gewesen, sie loszuwerden. Er sah Wuju an. Sie wirkte verträumt, und ihr Oberkörper schwankte zur Musik.

»Wuju!«sagte er scharf. »Wach auf!«

Sie schob ihn weg und ging auf den Wald zu. Er versuchte, ihr den Weg zu versperren, aber sie wich ihm aus.

»Wuju!«rief er ihr nach. »Geh' nicht hinein! Verlaß' uns nicht!«

Plötzlich fegte ein dunkler Schatten vom Himmel auf ihn herab. Er duckte sich und begann zu laufen. Der Schatten stieß wieder herab, und er verfluchte seine eingeschränkte Sehfähigkeit.

Er hörte irres Gelächter über sich, und das Ding stieß wieder zu und streifte ihn diesmal. Sie wollen mich in den Wald treiben, erkannte er. Das Wesen versperrte ihm lachend und girrend jedesmal den Weg, wenn er in eine andere Richtung wollte.

»Cousin Bat! Tu das nicht! Ich bin's, Brazil!«rief er, wußte aber, daß es nutzlos war, weil die Fledermaus unter einem Feenzauber stand.

Brazil befand sich jetzt im Wald, wohin ihm Bat im Flug nicht folgen konnte. Er schaute sich um und sah in einiger Entfernung eine große Gestalt in den Wald eindringen.

Es ist nutzlos, dachte er. Die Musik hat sie ergriffen, und mir versperrt Bat den Rückweg. Er nahm Wujus Witterung auf und folgte ihr ins Waldinnere. Nach etwa zwanzig Minuten erreichte er eine Lichtung.

Ein Giftpilz-Ring, dachte er grimmig.

Unter einem besonders riesigen Baum befand sich ein großer Kreis großer, brauner Pilze. Die Musik kam von dort, erzeugt von Tausenden von Insekten, die im Inneren des Ringes schwärmten. Wuju stand ebenfalls im Ring, von den Wesen fast zugedeckt; sie waren so dicht, daß sie die Stelle wie mit hellen Lampen beleuchteten. Wuju tanzte und schwankte zur unheimlichen Musik der Insektenflügel, wie eine Reihe anderer Wesen verschiedener Formen und Größen.

Die Musik wurde lauter und voller, als immer mehr Leuchtwesen zum Kreis kamen. In der Höhlung des großen Baumes saß ein glühendes Insekt, viel größer als die anderen — vielleicht einen Meter lang. Es hatte die ovale Form eines Käfers und eine helle, gerippte Unterseite, die überaus biegsam war. Zwei lange Hinterbeine mit Gelenken hielt es gebeugt vor sich, die Vorderbeine, länger und scharfgezackt, schienen das Insektenorchester zu dirigieren. Das Gesicht war seltsam, gar nicht insektenhaft, wie die Haltung des Wesens auch, und seltsam war auch die Tatsache, daß es nur vier Beine besaß. Es schien einen winzigen, borstigen Schnurrbart zu besitzen, darüber eine runde, schwarze Nase und zwei fast menschliche Augen, die das Licht mit bösem, alterfahrenem Ausdruck widerspiegelten.

Oben wurde es plötzlich dunkel, und Cousin Bat landete im Kreis, verbeugte sich vor dem Beobachter und reihte sich in den Tanz ein. Die eigenartigen Augen des großen Käfers richteten sich auf Brazil, der vom Wald fast noch völlig verborgen war.

Plötzlich bildeten die Vorderbeine des Wesens ein V, und die Musik hörte schlagartig auf, alles erstarrte.

Der Riesenkäfer, den Brazil als die Schwarmkönigin erkannte, sprach zu Cousin Bat, und Brazil fand es interessant, daß das Übersetzungsgerät die Stimme einer unfaßbar winzigen und uralten Frau übertrug.

So entstehen Hexenlegenden, dachte er zynisch.

»Du hast nur zwei gebracht. Ich habe verlangt, daß du alle drei bringst«, klagte die Schwarmkönigin Bat an.

Bat verbeugte sich und sagte mit tonloser Stimme:»Das andere Wesen ist eine Pflanze, Hoheit, für die Nacht verwurzelt, und erst die Morgensonne kann es wecken.«

»Das wird nicht hingenommen«, fauchte die Schwarmkönigin. »Wir haben das Problem auch früher gelöst. Warte!«Ihr durchdringender Blick fiel auf Brazil. »Tier! Komm her!«

Brazil ging gegen seinen Willen langsam in den Ring.

»Der Ring bindet euch alle. Seid gebunden, bis ich zurückkomme, oder bis morgen, bis Mitternacht am Schacht der Seelen«, sagte sie, dann warf sie sich herum, auf die vier Beine. »Du zeigst es mir«, sagte sie zur Fledermaus, und Bat flog davon, gefolgt von der Schwarmkönigin.

Brazil versuchte, den Giftpilz-Ring zu verlassen, aber es ging nicht. Er stieß mit dem Fuß gegen einen der Pilze, der aber steinhart war und nur ein klapperndes Geräusch von sich gab.

Brazil betrachtete die Wesen im Ring. Wie Wuju waren sie zu Statuen erstarrt, obwohl sie, wie er sehen konnte, atmeten. Viele der anderen Wesen waren verschwommen humanoid, ein paar affenartig, aber alle stellten höllische, verzerrte Abarten ihrer früheren Erscheinung dar.

Brazil erinnerte sich an die Bewegungen auf der alten Erde. Er fragte sich, ob die primitiven Bauern, die so wunderbare Geschichten vom Feenland erzählten, wußten, daß diese Figuren als Hexen und böse Geister eine Doppelrolle spielten. Von einem Markovier einmal erschaffen, konnten sie nicht mehr ausgelöscht werden; sie mußten ihren Weg gehen und überleben oder scheitern, wie die Regeln es bestimmten.

Sie hatten es zu gut geschafft. Sie übten ihre Magie aus und gebrauchten die kollektiven geistigen Kräfte des Schwarms, geleitet und gesteuert von der Schwarmkönigin, die die Mutter von allen war, und versuchten sich auszudehnen. Sie vermochten Einfluß in dreizehn anderen südlichen Hexagons auszuüben, wo die Mathematik ihre ungeheuren Kräfte nicht untersagte, bevor die Markovier sie endlich auf ihr eigenes Hex beschränkten.

Hier waren sie in ihrem eigenen Element und unüberwindbar. Wie viele Tausende, vielleicht Hunderttausende von Schwärmen mag es hier geben, fragte sich Brazil. Ich habe sie einmal besiegt, als sie nicht in ihrem Element waren, aber kann ich es hier?

Es verging etwa eine Stunde, und Brazil, der einzige, der sich im Kreis bewegen konnte, wurde immer nervöser, gab die Hoffnung aber nicht auf. Wenn sie vor Tagesanbruch bei Vardia keinen Erfolg hatten, würden diese Nachtwesen in ihre Bäume zurückkehren, auch die Königin. Wie lange bis zur Dämmerung?

Er kam plötzlich auf einen Gedanken und begann, sorgfältig ein Pentagramm rund um den Kreis zu zeichnen. Er versuchte unauffällig vorzugehen, und es gelang ihm, mit dem Huf die Spuren in das Gras zu drücken. Eine vage Chance, das wußte er, aber die Schwarmkönigin mochte bis zum Morgen behindert werden.

Er hatte die Runde zur Hälfte gemacht, als es im Dickicht knackte und er Vardia in den Kreis treten sah. Die Schwarmkönigin hockte auf ihrem Sonnenblatt. Bat flog herab in den Kreis, und die Königin ließ sich an ihrem alten Platz nieder.

Zu spät, dachte Brazil und blieb stehen. Ich muß den Zauber akzeptieren und ihn brechen.

Die Schwarmkönigin blickte einige Minuten nachdenklich vor sich hin, dann sagte sie:»Seid frei innerhalb des Kreises.«

Bat wankte, fing sich und schaute sich erstaunt um. Er sah die anderen und riß die Augen auf.

»Brazil! Vardia! Wuju! Wie seid ihr hergekommen?«fragte er verwirrt.

Wuju starrte die Versammlung furchtsam an, lief auf Nathan zu und fragte:»Nathan, was geschieht hier?«

Vardia sah sich um und flüsterte:»Was für ein sonderbarer Traum.«

Bat fuhr herum, sah die Schwarmkönigin und ging auf sie zu. Plötzlich konnte er die Beine nicht mehr bewegen. Er flatterte mit den Flügeln, kam aber nicht vom Boden hoch.

»Was soll das?«fragte er dumpf. »Das letzte, was ich weiß, ist, daß ich am Ufer flog und sonderbare Musik hörte — und jetzt wache ich hier auf.«

»Diese Wesen scheinen —«, begann Wuju, aber die Schwarmkönigin zischte plötzlich:»Seid stumm!«, und Wujus Stimme erstarb.

»Ein Sturm zieht auf«, sagte die Königin. »Er wird erst nach der Morgendämmerung vorbei sein. Deshalb ist das einfachste auch das beste.«Sie schaute hinauf zum summenden Schwarm, dann trat sie in den Ring und setzte sich auf einen Pilz. »Was machen wir mit den Eindringlingen?«fragte sie.

»Sie anpassen«, antwortete der Schwarm mit einer Stimme.

»Sie anpassen«, wiederholte die Königin. »Und wie können wir das, wenn wir so wenig Zeit haben?«

»Sie verwandeln, sie verwandeln«, meinte der Schwarm.

Der Blick der Königin fiel auf Wuju, die sich an Brazil klammerte.

»Du willst ihn?«fragte die Schwarmkönigin ätzend. »Du sollst ihn haben.«Ihre Augen glühten, und das Summen des Schwarms wurde heftiger.

Wo Wuju gestanden hatte, war plötzlich ein Reh, ein wenig kleiner und schmaler als Brazils Hirsch. Das Reh schaute sich verwirrt um, dann begann es, gleichgültig Gras zu rupfen.

Die Schwarmkönigin wandte sich Vardia zu.

»Pflanze, du möchtest so gern wie ein Tier sein. Das sollst du haben.«

Das Summen wurde wieder lauter, und wo Vardia gewesen war, stand ein zweites Reh.

»Es ist einfacher, etwas aus der Gegend zu nehmen, wißt ihr«, sagte die Schwarmkönigin zu niemand Bestimmtem. »Ich muß mich beeilen.«Sie richtete den Blick auf Cousin Bat.

»Du magst sie, sei wie sie!«befahl sie, und auch Bat verwandelte sich in ein Reh, das genauso aussah wie die anderen.

Sie wandte sich Brazil zu.

»Hirsche sollten nicht denken«, sagte sie. »Das ist unnatürlich. Hier ist dein Harem, Hirsch. Beherrsche sie, aber als das, was du bist, nicht, was du sein willst.«

Der Schwarm begann, wild zu summen, und Brazils Gemüt wurde dumpf und leer, ohne Denken.

»Und schließlich, damit ein so rasch gesprochener Zauber nicht leicht verfliegt, verordne ich den vieren Angst und Schrecken von allen, außer ihrer eigenen Art, und allen Dingen, die Tiere beunruhigen. Sie sind vom Kreis frei.«

Brazil hetzte in die Dunkelheit, gefolgt von den drei anderen.

Donner grollte, Blitze zuckten auf.

»Der Kreis ist durchbrochen«, tönte die Königin.

»Wir suchen Zuflucht«, antwortete der Schwarm und stob auseinander. Die anderen Wesen wurden lebendig, manche schnatternd, andere heulend, als Blitz und Donner sich verstärkten.

Die Schwarmkönigin warf sich herum und lief in ihren Baum.

»Schlampig gemacht«, murmelte sie. »Ich hasse diese Eile.«

Es begann zu regnen.


* * *

Obwohl es wirklich ein überhasteter Zauber war, brauchte Brazil fast einen ganzen Tag und die Nacht, um ihn zu brechen. Der Fehler war ein einfacher: zu keinem Zeitpunkt während der Begegnung hörte die Schwarmkönigin ihn sprechen, und sie war nicht auf den Gedanken gekommen, daß er es konnte. Das Übersetzungsgerät arbeitete weiter, obwohl es für den Rest des Tages im Gewitter und am nächsten Tag, als die Bewohner des Feenlandes schliefen, wenig nutzte.

Als die Wesen im Dunkeln herauskamen, sprachen sie jedoch miteinander. Die Gespräche waren zahllos, kompliziert und betrafen Taten und Begriffe, die ihm völlig fremd waren, aber es wurden Wörter und Sätze gebildet, die der Dolmetscher übertrug. Die Signale, wenngleich zumeist unverständlich, behämmerten sein Gehirn, reizten es, lieferten etwas, woran er sich halten konnte. Langsam kehrte das Bewußtsein zurück, Begriffe bildeten sich, Vorstellungen, die das Hindernis des Zaubers überwanden.

Der Funke in ihm, der stets für sein Überleben gesorgt hatte, wollte ihn nicht ruhen oder aufgeben lassen. Es war wie ein Kampf gegen ein unsichtbares Hindernis; etwas in ihm griff an, bestürmte die Sperren, die errichtet worden waren.

Plötzlich stieß er durch. Erinnerungen drängten heran, und mit ihnen die Vernunft. Er fühlte sich erschöpft, er wußte, daß kostbare Zeit vergeudet war. Er schaute sich um. In der Nähe schliefen die drei verwandelten Mitglieder der Expedition, in jeder Beziehung identisch, bis hin zum Geruch.

Er begriff, daß er wenig tun konnte, bis es hell wurde, zwang sich zur Ruhe und wartete auf das Morgengrauen.


* * *

Mit dem Tageslicht kamen die Sicherheit und die freie Bewegung. Er versuchte über eine Stunde lang, sich mit den drei Rehen zu verständigen, aber ihre Blicke waren leer, ihre Handlungen völlig naturbestimmt. Für sie konnte der Zauber nicht von außen gebrochen werden.

Er überlegte eine Weile, ob er sie im Stich lassen sollte; sie würden ihm natürlich zur Grenze folgen, sie aber nicht überqueren können. Der Einsatz verlangte es ebenso wie die Logik.

Aber er wußte, daß er es nicht tun konnte, nicht, ohne vorher alles versucht zu haben.

Er machte sich auf den Weg durch den Wald, und die drei folgten ihm sklavisch. Er erreichte den Ozean, bevor es dunkel wurde, konnte aber nicht erkennen, ob er sich nördlich oder südlich der Feenkolonie befand, die er suchte. Er entschied, daß er für einen Tag genug geleistet hatte.

Er erwachte später, als er beabsichtigt hatte. Die Sonne strahlte schon auf das Meer, das aus zahllosen Diamanten zu bestehen schien.

Er beschloß, nach Norden zu laufen. Selbst wenn er kein Glück hatte, würde ihn das zur Grenze von Ghlmon bringen. Nach ungefähr einer Stunde erreichte er das Gepäck, das vom Wind mit Sand bedeckt, aber unbeschädigt war.

Während die Rehe in der Brandung spielten oder herumschnupperten, arbeitete er fieberhaft und verfluchte die Tatsache, daß er keine Hände besaß. Es dauerte zehn Minuten, ein Bündel zu öffnen, und noch einige mehr, eine der Flammenwaffen herauszuholen. Nun kam es darauf an, sie zu tragen.

Er konnte sie schließlich mit dem Maul festhalten. Es war schwierig, und er ließ sie oft fallen, als er in den Wald lief, aber er hob sie immer wieder auf.

Es schien Stunden zu dauern, doch endlich erreichte er die Lichtung mit dem hohen Baum und dem Giftpilz-Ring. Er hatte sie zu gut im Gedächtnis, um sie mit einem anderen Schwarmplatz zu verwechseln, und seine Witterung bestätigte, daß er den richtigen Ort gefunden hatte.

Sorgfältig suchte er einen großen, unregelmäßig geformten Stein und rollte ihn mit großer Mühe bis auf einen Meter an die Baumhöhlung heran. Er vermochte die Flammenwaffe an den Stein zu lehnen, so daß sie auf die Höhlung zielte.

Er holte Zweige aus dem Wald und legte ein Pentagramm um Pistole und Stein, dann stellte er sich so auf, daß die Pistole zwischen seinen Vorderbeinen lag. Das linke diente als Haltepunkt für den Griff, der auch das Gas enthielt, das rechte befand sich neben dem Abzug.

Er nickte befriedigt, blickte auf die Sonne und seine drei Rehe, die in der Nähe ästen. Noch etwa zwei Stunden bis Sonnenuntergang, dachte er. Genau richtig.

Er legte das rechte Vorderbein auf den Abzug. Die Pistole wackelte, blieb aber aufrecht. Gas zischte heraus, aber keine Flamme. Er ließ den Abzug los, als ihm klar wurde, daß der Feuersteinzünder ein kurzes, hartes Reißen am Abzug verlangte.

Er wußte, daß ihm die Waffe davonspringen mochte, wenn er das tat, vielleicht sogar emporschnellte und ihn verbrannte. Er seufzte und entschloß sich. Er legte das linke Vorderbein an den Griff, und sein rechtes berührte den großen bügellosen Abzug, der für czillanische Ranken gedacht war.

Plötzlich riß er mit dem rechten Bein hart am Abzug. Die Waffe zuckte ein wenig, blieb aber in ihrer Lage.

Und zündete nicht.

Er versuchte es noch einmal. Wieder gab es keine Zündung, weil er den Abzug nicht gerade zurückgerissen hatte. Er fragte sich, ob er es mit seiner körperlichen Behinderung überhaupt schaffen konnte. Wenn nicht, würde er seine Begleiter einfach zurücklassen müssen.

Er versuchte es noch einmal, mit besonderer Anstrengung. Die Pistole zündete, aber sie flog ihm beinahe davon. Vorsichtig, ohne den Abzug loszulassen, richtete er sie auf den Baum. Links davon flammte und rauchte es.

Der Flammenstrahl erreichte die Baumhöhlung, und er konnte sehen, wie die Rinde schwelte und sich entzündete, wie das Feuer den Baum einhüllte, als sei es etwas Flüssiges, Lebendes. Rauch quoll empor, Vögel kreischten, Waldtiere flüchteten in Panik.

Plötzlich hörte er, worauf er gewartet hatte: eine dünne, schwache, hustende Stimme.

Die Schwarmkönigin verfügte über mehr als nur einen Ausgang, und sie kroch betäubt oben aus dem Baumstamm, wo die vier großen Äste auseinanderstrebten. Sie war blind und erschöpft und versuchte, schwächlich an einem der Äste hinaufzukriechen.

»Schwarmkönigin!«rief Brazil, ohne den Flammenstrahl zu verringern. »Soll ich dich verbrennen, oder erfüllst du meine Bedingungen?«

»Wer bist du, der mir das anzutun wagt?«stieß sie hustend und stöhnend hervor.

»Er, dem du Böses getan hast, und er, der deine Vorfahren von fernen Planeten vertrieben hat«, erwiderte er kühn, während er sich im stillen fragte, wie lange die Ladung der Pistole noch vorhalten mochte. »Gibst du nach?«

Der große Käfer hatte am Ast nicht emporkriechen können. Brazil fürchtete plötzlich, die Schwarmkönigin könnte ins Feuer stürzen, bevor sie aufgegeben hatte.

»Ich — ich gebe nach!«schrie sie. »Dreh dein verfluchtes Feuer ab!«

»Du mußt sagen, ich gebe ohne Vorbehalte nach.«

»Ich gebe ohne jeden Vorbehalt nach, verdammt!«schrie sie nervös.

In diesem Augenblick war die Ladung der Pistole verbraucht, und die Flamme erlosch. Brazil starrte die Waffe an. Noch ein paar Sekunden, dachte er, und ich hätte verloren.

»Hol mich herunter, bevor ich verbrenne!«kreischte die Schwarmkönigin.

»Spring hinaus und flieg herunter«, sagte er. »Du kennst die Entfernung.«

Das hätte sie naürlich auch vorher tun können, aber Hitze und Feuer trieben diese Wesen stets in Panik.

Sie landete unsicher und blieb zitternd einige Minuten sitzen. Schließlich fand sie ihre Fassung wieder und schaute mit den alten, bösartig halbmenschlichen Augen zu ihm hinauf.

»Du bist das Tier«, sagte sie entgeistert. »Wie hast du den Zauber gebrochen? Wie kannst du überhaupt reden?«

»Deine Zaubersprüche können mich nicht lange bannen«, erwiderte er. »Was in diesem schlichten Gefäß steckt, ist dir überlegen. Aber der Zauber bindet meine Begleiter, und um ihretwillen handle ich.«

»Sag, was du verlangst«, erklärte sie bitter. »Es wird geschehen.«

Brazil überlegte.

»Erstens«, begann er, »meine drei Begleiter und ich werden die Grenze nach Ghlmon überschreiten und den Weg bis dorthin ohne Behinderung zurücklegen.«

Die Schwarmkönigin zog die Brauen hoch und sagte:»Gut.«

»Zweitens: Der Zauber wird bei meinen drei Begleitern aufgehoben, und sie werden sein wie vorher.«

»Gut«, sagte sie. »Und drittens?«

»Wenn wir die Grenze nach Ghlmon überschritten haben, sprichst du einen Zauber, der alle Erinnerungen, Wirkungen und Anzeichen löscht, daß wir vier hier gewesen sind, auch bei dir selbst.«

»Mit Vergnügen«, sagte sie. »So wird es geschehen, wenn es dunkel wird.«

»Bis Mitternacht am Schacht der Seelen«, antwortete er.

Und sie konnte nichts tun. Wenn irgendeine der Bedingungen nicht erfüllt wurde, mußte der Zauber sich umkehren, Brazil würde die Schwarmkönigin und sie das Tier sein.


* * *

Nach knapp zwei Stunden brach die Dunkelheit herein. Am Baum rauchte es noch immer ein wenig, aber sonst war von der Auseinandersetzung wenig zu bemerken. Als der Schwarm aus Tausenden von Löchern in den umliegenden Bäumen schwirrte, fand er die Königin verstört vor, aber er spürte, daß ein Kampf stattgefunden hatte und die Königin unterlegen war. Da seine Macht nur durch sie ausgeübt werden konnte, mußte er sich an die Abmachung halten.

Die drei Rehe waren vor dem Feuer davongestürzt, kehrten im Halbdunkel aber scheu zurück und wurden ohne Schwierigkeiten in den Ring getrieben.

Die Augen der Schwarmkönigin loderten haßerfüllt, aber sie hielt sich an die Vereinbarung. Als der Schwarm sich summend versammelte, sprach sie die erste Bedingung und kam zur zweiten.

»Die drei im Kreis sollen in Geist und Körper wieder sein wie zuvor.«Und so geschah es.

Brazil ächzte und verfluchte sich, weil sie es so wörtlich genommen hatte.

Im Kreis stand Vardia, aber nicht als Czillanerin, sondern so, wie sie in den ersten Tagen in seinem Raumschiff ausgesehen hatte — menschlich, ungefähr zwölf Jahre alt, an die dreißig Kilo schwer, mit glattrasiertem Kopf.

Neben ihr stand, verwirrt, nicht Wuju aus Dillia, sondern Wu Julee, offenkundig gesund, von keiner Sucht befallen, aber ungefähr fünfundvierzig Kilo schwer, mit langen, schwarzen Haaren und ein wenig schlaffen Brüsten.

Und da war ein Fremder, ein Junge, scheinbar so alt wie Vardia, mit kurzen Haaren und vorpubertären Genitalien, etwa 1,50 m groß, muskulös und von wohlproportioniertem Körperbau.

»Ah, Varnett«, sagte Brazil. »Wir sind heute früh aus dem Gebälk gekommen, wie?«

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