Die fünfte Woche des Nestkriegs war angebrochen, und die Entscheidung stand noch immer auf des Messers Schneide.
Nach dem Tod der Mutter flohen Sarm und seine Getreuen aus der Höhle, um, wie sie sagten, die Silberröhren zu holen. Da Sarm Erstgeborener war, folgte ihm die Mehrzahl der Priesterkönige.
Bei den Silberröhren handelte es sich um geladene zylindrische Waffen, die etwa nach dem Prinzip des Flammentodes arbeiteten.
Jahrhundertelang hatten sie in ihren Behältern gelegen und waren nun im Handumdrehen kampfbereit. Mit einer solchen Waffe hätte sich ein Mann zum Ubar von ganz Gor aufschwingen können.
Nur etwa hundert Priesterkönige schlugen sich auf Misks Seite _ eine kleine Streitmacht, die über insgesamt nur ein Dutzend Silberröhren verfügte. Die größere Kampfkraft hatte auf jeden Fall der Gegner.
Misk richtete in seiner Unterkunft ein Hauptquartier ein, wo er über den Geruchskarten des Tunnelsystem brütete und seine Verteidigung plante.
In der Erwartung, uns mühelos zu zerschlagen, fegten Sarms Streitkräfte auf Transportscheiben durch Gänge und Höhlen – doch die Priesterkönige Misks ließen sich nicht blicken, sondern feuerten aus Hinterhalten und brachten Sarms unvorsichtigen Anhängern schwere Verluste bei.
So konnte die Übermacht des Erstgeborenen in etwa ausgeglichen werden, und es begann eine Phase gegenseitiger Infiltration, eine äußere Ruhe, die nur durch gelegentliche Scharmützel unterbrochen wurde.
Am zweiten Tag der zweiten Kampfwoche machte ich mich mit einer Transportscheibe auf den Weg in das Vivarium. Obwohl ich unterwegs Ausschau hielt, bemerkte ich keinerlei feindliche Truppen, auch keine Muls oder Matoks. Die Sklaven hatten sich wahrscheinlich entsetzt versteckt, als ihre Herren zu kämpfen begannen.
Ich war daher nicht wenig überrascht, als ich plötzlich ein leises Singen vernahm, das langsam lauter wurde. Ich hielt meine Transportscheibe an und wartete. In diesem Augenblick gingen die Energielampen des Tunnels aus – zum erstenmal seit Jahrhunderten waren die Leuchtquellen des Nests abgeschaltet.
Doch das Singen stockte nicht; es war, als machte die plötzliche Dunkelheit keinen Unterschied mehr.
Plötzlich erblickte ich in der Tiefe des Tunnels das blaue Leuchten einer Mul-Fackel, dahinter eine ganze Reihe zuckender Lichter, die sich seltsamerweise an der Tunneldecke entlangzubewegen schien. Es waren die Gur-Träger des Nests, die sich hier aber weit von ihren Unterkünften entfernt hatten. Der Zug kam über mir zum Stehen.
»Sei gegrüßt, Tarl Cabot«, sagte plötzlich eine Stimme von unten.
Ich hatte den Sprecher im ersten Augenblick gar nicht bemerkt. Nun erkannte ich das Zeichen auf seiner Tunika.
»Mul Al-Ka!« rief ich.
Er ergriff meine Hand. »Nur noch Al-Ka«, sagte er. »Ich habe beschlossen, daß ich kein Mul mehr bin.«
»Dann also Al-Ka!« rief ich.
Al-Ka hob den Arm. »Auch sie haben sich für die Freiheit entschieden.«
Eine dünne, zittrige Stimme ertönte von oben. »Wir haben lange auf diesen Moment gewartet. Sag uns, was wir tun sollen.«
Ich sah, daß die Gur-Träger – wie ich sie weiter nennen will – ihre goldenen Lederbeutel bei sich hatten.
»Sie bringen kein Gur«, sagte Al-Ka, »sondern Wasser und Fungus.«
»Gut«, sagte ich, »aber sage ihnen, sie brauchen nicht mitzukämpfen.
Der Krieg geht nur die Priesterkönige an.«
»Aber das Nest stirbt«, sagte eines der Wesen von der Decke, »und wir haben beschlossen, daß wir lieber in Freiheit sterben.«
»Es ist ihr Entschluß«, sagte Al-Ka. »Außerdem können sie tausend Meter weit in der Dunkelheit sehen, kommen mit sehr wenig Fungus am Tag aus und sind kräftig und mutig!«
»Wo ist Mul Ba-Ta?« fragte ich. Ich hatte die beiden Männer bisher immer zusammen gesehen.
»Er ist in die Weideräume und Fungushöhlen gegangen«, sagte Al-Ka.«
»Ich hoffe, daß er bald zurückkommt.«
»Das hoffe ich auch«, sagte Al-Ka. »Die Lichter sind abgeschaltet.
Priesterkönige brauchen kein Licht, aber Menschen sind in der Dunkelheit behindert.«
»Dann ist das Licht wegen der Muls abgeschaltet worden.«
»Die Muls lehnen sich auf«, sagte Al-Ka einfach.
»Dazu brauchen sie Licht«, sagte ich.
»Es gibt Menschen im Nest, die wissen damit Bescheid. Wir haben wieder Licht, sobald die nötigen Geräte gebaut sind und die Energie zugeleitet werden kann.«
Seine Ruhe verblüffte mich.
»Wohin fährst du?« fragte mich Al-Ka.
»Zu einem der Vivarien, um einen weiblichen Mul zu holen.«
»Eine gute Idee. Ich hole mir vielleicht eines Tages auch ein Mädchen!«
Als ich die runde Höhle des Vivariums erreichte, nahm ich meine Mul-Fackel und stieg zur vierten Reihe hinauf. Die Käfige waren leer, nichts regte sich.
Aber Vika war an Ort und Stelle. Sie hockte in einer Ecke.
Man hatte vergeblich versucht, ihre Kabine aufzubrechen. Ich nahm den Schlüssel zur Hand und öffnete die Tür.
Ein leiser Freudenschrei kam über Vikas Lippen, als sie mich er-Sie richtete sich auf und blinzelte in den Widerschein der Fackel, die ich in ihren Käfig hielt. Doch trotz ihres Lächelns schien sie sich zu fürchten.
Sie starrte mich zweifelnd an und sah dann die Gur-Wesen hinter mir, die wie Spinnen an der Decke der Vivariumhöhle klebten, grotesk anzuschauen im Licht der zahlreichen Mul-Fackeln.
»Was sind das für Wesen?«
»Ungewöhnliche Menschen«, sagte ich.
Sie musterte die kleinen runden Gestalten mit den langen Gliedern und den gepolsterten Füßen und langfingrigen Händen.
Hunderte von Augenpaaren starrten sie an.
Sie erschauerte.
Nachdem ich nun wusste, wie die Dinge im Nest standen, wollte ich sie nicht länger hier gefangenhalten. Ich hatte mir überlegt, daß sie trotz der Käfigplastik bei den Truppen Misks vielleicht sicherer war. Außerdem waren die Vivariumwächter verschwunden und die anderen Kabinen leer, so daß es nur eine Zeitfrage war, wann der Hunger einsetzte. Ich hatte keine Lust, regelmäßig herzukommen und sie zu versorgen. Wenn es nötig wurde, konnte ich sie sicherlich auch in der Nähe von Misks Hauptquartier einsperren lassen.
Ich wünschte, ich könnte ihr trauen – aber das war natürlich nicht möglich.
»Ich bin gekommen, um dich zu holen, Sklavenmädchen«, sagte ich langsam.
Vika sah mich an. Tränen standen in ihren Augen. »Danke, Herr.«
»Nenn mich Cabot, wie du’s schon getan hast.« Ich lächelte. »Du darfst mich küssen, wenn du willst.«
Mit einem Freudenschrei warf sie sich mir in die Arme. »Ich liebe dich, Herr!« rief sie. »Cabot, mein Herr!«
Ich wusste, daß ihre Worte nicht ehrlich gemeint sein konnten, aber ich berichtigte sie nicht. Ich hatte keine Lust mehr, Vika aus Treve grausam zu behandeln – was sie auch immer im Schilde führen mochte.
Nach einigen Minuten sagte ich ziemlich streng: »Ich habe keine Zeit mehr für solche Spielereien.«
Lachend gab sie mich frei.
Ich machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Höhle, und Vika folgte mir. Wir gingen die Rampe hinab zur Transportscheibe.
Al-Ka beäugte das Mädchen.
»Sie ist sehr gesund«, sagte ich.
»Ihre Beine sehen nicht sehr kräftig aus«, bemerkte Al-Ka.
»Aber das macht mir nichts.«
»Mir auch nicht. Du kannst ihr ja noch ein Laufpensum geben, damit die Muskeln stärker werden.«
»Das ist wahr«, sagte ich.
»Eines Tages werde ich mir wohl auch einen weiblichen Mul holen.« Und er fügte hinzu: »Aber ein Mädchen mit besseren Beinen.«
»Eine gute Idee.«
Al-Ka lenkte die Transportscheibe aus dem Vivarium, und wir begannen unsere Reise zu Misks Hauptquartier, wobei die Gur-Träger über uns Schritt hielten.
Ich legte den Arm um Vika. »Hast du gewußt, daß ich dich holen würde?«
Sie starrte in den dunklen Tunnel. »Nein«, sagte sie. »Ich wußte nur, daß du tun würdest, was dir gefällt.«
Später am gleichen Nachmittag trat auch Mul-Ba-Ta – jetzt nur noch Ba-Ta genannt – in Erscheinung. Er führte einen großen Trupp ehemaliger Muls an. Sie kamen aus den Weidegebieten und Funguskammern, und sie sangen ebenfalls, als sie durch die Tunnel wanderten.
Einige Männer aus den Funguskulturen trugen auf ihrem Rücken große Beutel mit ausgewählten Sporen, andere mühten sich mit riesigen Körben voll frisch geschnittenem Fungus ab, die sie an Pfählen zwischen sich trugen; die Männer von den Weiden trieben mit langen Stöcken riesige graue Gliederwesen vor sich her, das Vieh der Priesterkönige; wieder andere schleppten auf ihren Schultern die tauähnlichen Ranken der schweren Simpflanze, von der sich das Vieh ernährte.
»Wir haben bald Lampen aufgestellt«, sagte Ba-Ta. »Praktisch machen wir nur einen Umzug.«
»Wir haben ausreichend Fungus«, bemerkte einer der Fungus-fachleute, »bis wir die Sporen angebaut und großgezogen haben.«
»Was wir nicht mitnehmen konnten, haben wir verbrannt«, sagte ein anderer.
Misk starrte mich verwundert an, als sich die Männer bei mir vorstellten und weitermarschierten.
»Wir freuen uns über jede Hilfe«, sagte er, »aber ihr müßt den Priesterkönigen gehorchen.«
»Nein«, sagte einer der Männer, »wir gehorchen den Priesterkönigen nicht mehr.«
»Aber«, sagte ein anderer, »wir hören auf die Befehle Tarl Cabots aus Ko-ro-ba.«
»Ich meine, ihr wärt gut beraten, wenn ihr euch aus diesem Krieg zwischen den Priesterkönigen heraushaltet.«
»Euer Krieg ist unser Krieg«, sagte Ba-Ta.
»Ja«, fiel einer der Weidesklaven ein, der seinen Hirtenstab wie einen Speer hielt.
Ein Funguswächter sah Misk an. »Wir sind im Nest geboren«, sagte er, »und es gehört uns ebenso wie euch.«
Misks Fühler krümmten sich.
»Ich glaube, er sagt die Wahrheit«, schaltete ich mich ein.
»Ja«, sagte Misk.
Und so kam es, daß ehemalige Muls, Menschen, die grundlegende Nahrungsvorräte des Nestes mitbrachten, zur Seite des Priester-königs Misk und seiner wenigen Getreuen überzulaufen begannen.
In Anbetracht der vielen Nahrungsmittel, die Sarm zur Verfügung hatte, hing der Ausgang der Schlacht weitgehend von der Feuerkraft der Silberröhren ab, von denen Misk nur wenige hatte; aber ich hoffte, daß die Fähigkeiten und der Mut der ehemaligen Muls doch noch zum Kampf beitragen konnten.
Wie Al-Ka prophezeit hatte, flammten die Energielampen des Nests bald wieder auf. Ehemalige Mul-lngenieure, von Priesterkönigen ausgebildet, hatten eine Hilfskraftstation konstruiert und sie an das Hauptsystem angeschlossen.
Als es hell wurde, herrschte großer Jubel unter den Menschen in Misks Lager – mit Ausnahme der Gur-Träger, für die die Energie –lampen nicht weiter von Bedeutung waren.
Angetan von der Härte des Plastikbaustoffes, den ich im Vivarium kennengelernt hatte, wandte ich mich an Misk. Zusammen rüsteten wir eine Flotte von Transportscheiben mit Plastikpanzern aus, die mit einer fest eingebauten Silberröhre zu einer unschlagbaren Angriffswaffe wurde. Sogar dem Gegenfeuer anderer Silberröhren hielt das Plastik stand, wenn es nicht zu lange den direkten Strahlen ausgesetzt war.
In der dritten Kriegswoche begannen wir mit unseren gepanzerten Transportscheiben die Kämpfe in das Gebiet Sarms zu tragen. Unsere Spionageorganisation war weitaus besser, und das System der Ventilationsschächte erlaubte es den schnellen Männern aus den Funguskulturen und den unheimlichen Gur-Trägern, in jeden gewünschten Teil des Nests vorzudringen. Außerdem waren alle früheren Muls in duftfreie Tuniken gekleidet, was sie der Wahrnehmung der gegnerischen – wie auch der eigenen – Priesterkönige völlig entzog.
Dies barg seine Gefahren; deshalb gingen Misks Priesterkönige – im Anfang widerwillig, dann aber mit Begeisterung – dazu über, sich auf Brust und Rücken einen großen Buchstaben malen zu lassen, den Buchstaben, der im Goreanischen den Anfangsbuchstaben des Namens Misk bildet. Es konnte passieren, daß ein Priesterkönig ahnungslos wenige Zentimeter an einem Kämpfer aus den Fungushöhlen vorbeiging oder sonstwie in die Nähe von Menschen geriet, die er geruchsmäßig nicht wahrnahm. Da wurde durch die Kennzeichnung jede Fehlreaktion ausgeschlossen.
Zusammen bildeten die Menschen und die Miskschen Priesterkönige nun eine kampfstarke Streitmacht. Was den Wahrnehmungen der Fühler entging, wurde von scharfäugigen Menschen bestimmt wahrgenommen.
Und im Verlauf des Kampfes wuchs auch der gegenseitige Respekt, und man begann sich immer mehr aufeinander zu verlassen – die beste Grundlage für eine nachhaltige Freundschaft.
Tatsächlich bestand Sarms größter Fehler in diesem Krieg darin, daß er die Muls so ungnädig behandelte.
Als er merkte, daß die Gur-Träger und die Muls aus den Funguskammern und Weidenhöhlen zu Misk überliefen, sah er automatisch alle Muls im Nest als Feinde an – eine Haltung, die ich nicht begriff. Entsprechend machte er sich an die systematische Vernichtung aller Muls, die zufällig in den Bereich seiner Silberröhren gerieten. Dies trieb weitere Muls, die vielleicht gleichgültig geblieben wären oder ihm gern weiter gedient hätten, auf unsere Seite.
Mit diesen neuen Muls, die nun aus dem eigentlichen Nestbereich stammten, kamen auch neue Fähigkeiten und Talente. Außerdem erfuhren wir, daß Sarms Nahrungsvorräte nicht so groß waren, wie wir angenommen hatten: Angeblich ernährten sich auch die Priesterkönige schon von einfachem Fungus, den sonst nur Muls vorgesetzt bekamen.
Gerüchten zufolge hatte Sarm nur die Muls nicht umgebracht, die ein Netz eingepflanzt bekommen hatten. Zu diesen gehörte Parp, den ich bei meinem Eintritt in das Reich der Priesterkönige kennengelernt hatte.
Einen der großartigsten Einfälle hatte Misk, der mich mit einem ganz anderen Gebiet fortschrittlicher Technik bekannt machte: »Wäre es nicht ganz nützlich, wenn unsere gepanzerten Transportscheiben fliegen könnten?« fragte er.
Ich dachte, er mache Witze, aber ich antwortete: »Ja, das wäre sehr nützlich.«
»Dann sorgen wir dafür. Du hast doch sicher die ungewöhnliche Leichtigkeit der Transportscheiben bemerkt, nicht wahr?«
»Ja.«
»Das liegt daran, daß sie aus einem teilweise schwerkraftabstoßenden Metall gebaut sind.«
Ich lachte.
»Warum erheiterst du dich?« fragte Misk.
»Weil es solch ein Metall nicht geben kann.«
»Aber denk an die Transportscheibe!«
Ja, darum kam ich nicht herum.
»Auf deiner alten Welt«, sagte Misk, »ist die Schwerkraft ein ebenso unerforschtes Naturphänomen, wie es die Elektrizität und der Magnetismus früher waren – beide Gebiete beherrscht ihr nun einigermaßen – und wir Priesterkönige beherrschen bis zu einem gewissen Grade die Schwerkraft.«
»Man kann die Schwerkraft nicht kontrollieren«, sagte ich. »Die Prinzipien sind anders; es ist eine Kraft, mit der man rechnen muß.«
»Was ist Schwerkraft?« fragte Misk.
Ich überlegte eine Zeitlang. »Ich weiß es nicht«, sagte ich schließlich.
»Aber ich«, sagte Misk. »Machen wir uns an die Arbeit.«
In der vierten Woche des Nestkrieges war unser Schiff ausgerüstet und bewaffnet. Ich fürchte, das Fahrzeug war recht primitiv, abgesehen von den Prinzipien, nach denen es funktionierte und die einem Stand der Technik entsprachen, wie er auf der Erde noch unbekannt war. Das Schiff war schlicht eine Transportscheibe, deren Unterseite mit Käfigplastik überzogen war und deren Oberseite aus einer durchsichtigen Kuppel des gleichen Materials bestand. Die Kontrollen befanden sich im vorderen Teil des Schiffes. Propeller oder Düsen oder Raketen gab es nicht, so daß ich Mühe haben werde, den Antrieb zu beschreiben. Jedenfalls wurden die Kräfte der Schwerkraft auf solche Weise gegen sich selbst eingesetzt, daß die »Menge« des Gravitations-Ur – der goreanische Ausdruck für die Schwerkrafteinheit – konstant bleibt, auch wenn sie neuverteilt wird. Kurz gesagt funktionierte das kombinierte Antriebs- und Lenksystem der Scheibe so, daß Gravitationssensoren auf bestimmte materielle Objekte gerichtet und die Schwerkraftanziehung dieser Objekte ausgenutzt wurde, während die Anziehung anderer Objekte effektiv zur Abschirmung kam. Ich hätte eine solche Konstruktion nicht für möglich gehalten, doch hätte ich Mühe gehabt, die Argumente meiner überholten irdischen Physik gegen die Tatsache von Misks Erfolg zu verteidigen.
Tatsächlich haben die Priesterkönige vor langer Zeit ihre Welt durch Schwerkraftkontrolle in unser System gebracht – eine Ingenieursleistung, die ohne solche Vorkenntnisse unmöglich gewesen wäre.
Die Scheibe selbst fliegt unglaublich ruhig, und man hat das Gefühl, als bewege sich die Welt ringsum und nicht der Gleiter. Wenn man das Fahrzeug startet, scheint der Boden unter einem fortzufallen, und bewegt man sich horizontal, rast der Horizont auf einen zu.
Die Besatzung des ersten Schiffes bestand aus mir, Al-Ka und Ba-Ta.
Ab und zu setzte sich auch Misk ans Steuer, aber bei diesen Gelegenheiten war es ziemlich eng im Schiff. Ein Priesterkönig, wenn er nicht stehen kann, wird sehr schnell nervös, und da Misk das Schiff nicht von vornherein groß genug konstruiert hatte, hatte er sich wohl nicht mit dem Gedanken getragen, selbst an den Kämpfen gegen seine früheren Artgenossen teilzunehmen. Außerdem war das Schiff in seiner kleineren Form viel wendiger in den Tunneln.
Als wir mit dem Bau des Schiffes fertig waren, hatten wir das Gefühl, eine Waffe in der Hand zu haben, die den seltsamen unterirdischen Kampf entscheiden konnte. Das Feuer aus den Silberröhren konnte das Schiff beschädigen, doch das Käfigplastik bot ausreichend Schutz für die Besatzung.
Wir beschlossen, dem Gegner noch ein Ultimatum zu stellen und das Schiff nach Möglichkeit gar nicht einzusetzen. Wir beratschlagten noch über unser Vorgehen, als plötzlich ohne Vorwarnung eine Wand von Misks Hauptquartier zu verschwimmen schien. Sie hob sich an und verwandelte sich lautlos in Pulver, Misk griff nach mir und zerrte mich mit dem unglaublichen Tempo eines Priesterkönigs mit, stieß meine Kabine zur Seite, öffnete die Falltür und ließ sich hindurchfallen.
»Was ist das?« fragte ich.
»Schwerkraftsprengung«, sagte Misk. »Das ist sogar Priesterkönigen verboten. Sarm könnte den ganzen Planeten damit vernichten Wir lauschten auf die Schreie, die von draußen hereindrangen.
Wir hörten keine Gebäude zusammenstürzen, sondern nur die Geräusche der Menschen, und die Furcht und das Entsetzen, die darin schwangen, war uns Anzeichen genug für die Vernichtungswelle, die oben tobte.