14

Die Arme der Maschine griffen nach mir, und plötzlich hing ich hilflos einige Meter über dem Boden.

Der Raum war ziemlich groß, düster und mit Plastik ausgekleidet. Er schien leer zu sein; an einer Wand schimmerten mehrere Metallscheiben, und weiter oben befand sich ein Fenster. Durch dieses Fenster starrte mich das Gesicht eines Priesterkönigs an.

»Du sollst im Schleim eines Schleimwurms baden!« rief ich. Ich hoffte, der Bursche hatte ein Übersetzungsgerät.

Zwei lange Metallarme griffen nach mir. Der Priesterkönig hinter der Trennwand schien auf meine Bemerkung nicht zu reagieren.

Während ich hilflos in der Luft hing, machten sich verschiedene andere Vorrichtungen an mir zu schaffen. Eine Anlage schnitt mir säuberlich die Kleidung vom Körper, schnipste sogar die Schnürsenkel meiner Sandalen durch. Ein zweites Gerät stieß mir mit geschickten Bewegungen eine Kapsel in den Hals, die ich schlucken musste.

Angesichts der Größe eines Priesterkönigs und des vergleichsweise kleinen Maßstabs dieser Vorgänge musste die technische Ausrüstung vorzüglich sein. Wie ich später erfahren sollte, enthielt die Stirnwand praktisch einen riesigen Duftdetektor. Aber im Augenblick war ich nicht in der Stimmung, die technischen Talente meiner Eroberer zu bewundern.

»Deine Tentakel mögen vor Fett triefen!« brüllte ich.

Der Priesterkönig erstarrte, und ich frohlockte. Doch im nächsten Augenblick schwangen mich die Metallarme über einen Käfig mit doppeltem Boden; der obere bestand aus Gitterstangen, der untere aus einer breiten Plastikwanne.

Ich wurde fallen gelassen. Ich wollte an den Gitterstäben wieder hochklettern, doch da überkam mich Übelkeit, und ich sank zusammen.

Die Kapsel tat ihre Wirkung, und ich denke nur ungern an die nächsten drei Minuten zurück.

Schließlich glitt die Plastikwanne unter dem Käfig fort und verschwand in einer Wandöffnung.

Ich hatte kaum Zeit zum Atemholen, als sich der ganze Käfig in Bewegung setzte und ebenfalls in den Nebenraum wanderte. Auf der nun folgenden Reise wurde der Käfig nacheinander mehreren Duschen verschiedener Färbung und Temperatur ausgesetzt – eine Prozedur, die ich teilnahmslos über mich ergehen ließ, da mir alles andere als wohl zumute war. Nachdem ich schließlich mehrfach abgebraust und gereinigt und trockengerieben worden war, setzte sich der Käfig wieder in Bewegung und rückte zwischen zwei Öffnungen, die heiße Luft verströmten, um schließlich zwischen einigen summenden Erhöhungen zu landen, die eine Vielzahl von Strahlungen über mich ausschütteten – Strahlungen, die zum größten Teil unsichtbar waren, sich aber auch rot, gelb und grün dem Auge darboten.

Ich erfuhr später, daß die harmlose Bestrahlung verschiedenen Organismen galt, die für Priesterkönige schädlich sind.

Noch ziemlich mitgenommen, schlüpfte ich in eine rote Plastiktunika und kehrte zu meinen Begleitern zurück, die vor dem Portal auf mich warteten.

»Du siehst viel besser aus«, sagte einer.

»Sie haben die Fadenwüchse auf deinem Kopf gelassen«, sagte der andere.

»Haar«, berichtigte ich und lehnte mich gegen das Tor.

»Seltsam«, sagte einer der Sklaven. »Die einzigen Fadenwüchse, die Muls gestattet werden, sind die Augenlider.«

Das hatte sicher mit dem Schutz der Augen vor Partikeln zu tun, und ich fragte mich, ob es hier überhaupt Partikel geben konnte.

»Aber er ist ein Matok«, sagte ein Sklave.

»Stimmt«, erwiderte der andere.

Ich war froh, daß meine Tunika nicht purpurn war, was mich hier unten zu einem Sklaven der Priesterkönige stempelte.

»Wenn du dich sehr anstrengst, wirst du vielleicht noch ein richtiger Mul«, sagte ein Sklave.

»Ja, dann bist du nicht nur im Nest, sondern gehörst auch dazu.«

Ich antwortete nicht, sondern atmete nur mehrmals tief ein.

»Du hast ein Quartier bekommen«, sagte einer der Sklaven, »eine Höhle im Gemach von Misk. Wir bringen dich hin.«

Ich öffnete die Augen. »Eine Höhle?« fragte ich.

»Er fühlt sich nicht wohl«, sagte einer der Sklaven.

»Es ist ganz bequem dort«, sagte der andere, »mit Fungus und Wasser.«

Wieder schüttelte ich den Kopf, aber die beiden nahmen mich an den Armen. Man gewöhnt sich schnell an den Mul-Fungus, der fast geschmacklos ist – ein weißlicher, faseriger, gemüseähnlicher Stoff. Ich kenne keinen, der sich durch den Fungus-Geschmack abgestoßen fühlt oder ihn vorzüglich findet. Sogar die Muls, von denen viele schon im Nest geboren sind, begegnen ihrer Nahrung gleichgültig. Der Fungus wird etwa so achtlos gegessen, wie wir die Luft unseres Planeten atmen.

Muls essen viermal, am Tag, verschiedene Gerichte aus Fungus, bei denen Salz eine besondere Rolle spielt. Wie mir Misk erzählte, haben sich Muls wegen einer Handvoll Salz schon gegenseitig umgebracht.

Der Mul-Fungus unterscheidet sich meinem Gefühl nach nur wenig von den Funguskulturen, die für die Priesterkönige selbst bestimmt sind.

Misk war wütend, als ich ihm sagte, daß ich den Unterschied nicht riechen könnte, und bis heute fällt es mir schwer, die beiden Nahrungsarten auseinander zuhalten.

Trotzdem stellte ich fest, daß mein Geruchssinn mit der Zeit ausgeprägter wurde und ich erfahren musste, daß ich von den reichhaltigen Aromen meiner Umwelt bisher ziemlich wenig mitbekommen hatte. Misk gab mir ein Übersetzungsgerät, und ich sagte goreanische Worte, worauf hin dann in bestimmten Duftpaletten die Übersetzung erfolgte. Nach einiger Zeit lernte ich auf diese Weise gewisse wichtige Gerüche zu erkennen – zuerst Misks Namen, ein Duft, der übrigens mit seinem Körperduft übereinstimmte.

Auch führte ich den Übersetzer an meiner Plastiktunika entlang, um zu erfahren, welche Informationen darauf festgehalten waren. Doch es fanden sich nur mein Name, meine Heimatstadt und die Angabe, daß ich als Matok unter der Aufsicht von Misk stand, daß ich keine Tadel hatte und vielleicht gefährlich war.

Dieser letzte Hinweis belustigte mich.

Ich hatte nicht einmal ein Schwert und wäre leichte Beute für jeden Priesterkönig gewesen, der mich mit seinen kräftigen Kauwerkzeugen oder seinen Hornklingen angegriffen hätte.

Die Höhle, die ich in Misks Unterkunft bewohnen sollte, war erträglich.

Sie kam mir sogar luxuriöser vor als Misks Zimmer, das bis auf den Nahrungstrog und zahlreiche Instrumente, Hebel und Steckdosen leer und kahl zu sein schien. Die Priesterkönige essen und schlafen im Stehen und legen sich niemals hin – außer vielleicht um zu sterben.

Die Kahlheit des Zimmers war natürlich darauf zurückzuführen, daß ich ein visuelles Wesen war und den reichlichen Duftschmuck an den Wänden nicht wahrzunehmen vermochte. Misk sagte mir, seine Wandornamente wären von einem der größten Künstler des Nestes gestaltet worden.

Meine ›Höhle‹ war ein durchsichtiger Plastikwürfel von vielleicht zweieinhalb Metern Kantenlänge, mit Ventilationsöffnungen und einer Schiebetür aus Plastik. Es gab keine Schlösser, und ich durfte kommen und gehen, wann ich wollte.

Im Würfel fand ich Kanister mit Mul-Fungus, eine Schale, eine Kelle, ein hölzernes Fungus-Messer, eine Röhre mit Fungus-Tabletten, einem Vitaminzusatz für die Grundnahrung, und einen großen Wasserkrug, an dem eine kleine Schale befestigt war, die stets gefüllt blieb.

In einer Ecke der Höhle befand sich ein großes rundes Kissen aus einer rötlichen Moosart, ein sehr bequemes Lager. Das Moos wurde jeden Tag gewechselt.

An diese Kabine schlössen sich eine Toilette und eine Waschzelle an.

Die Waschzelle erinnerte mich sehr an die Duschen, die ich von der Erde her kannte – nur ließ sich der Wasserstrahl nicht regulieren. Wenn man die kleine Zelle betritt, beginnt das Wasser zu fließen, und Wassermenge und Temperatur werden automatisch kontrolliert. Ich hatte natürlich angenommen, daß reines Wasser aus der Leitung kam, und hatte einmal versucht, meine Schale für die Morgenmahlzeit dort zu füllen. Mit brennendem Mund spuckte ich die Flüssigkeit sofort wieder aus.

»Dein Glück, daß du nichts geschluckt hast«, sagte Misk. »Das Wasser enthält eine Reinigungsflüssigkeit, die für den menschlichen Organismus schädlich ist.«

Nach einigen kleinen Reibereien kamen Misk und ich gut miteinander aus – vor allem ging es zunächst um die Salzrationen und die Anzahl der Waschungen, die ich am Tag vorzunehmen hatte. Als Mul hätte ich einen Tadel bekommen, wenn ich nicht jeden Tag zwölfmal die Waschzelle benutzt hätte. Duschen finden sich überhaupt in allen Mul-Höhlen und überall im Tunnelsystem, auf Plätzen, in Rasierläden, Pillenstellen und bei Fungusausteilern. Da ich ein Matok war, bestand ich darauf, von der Pflicht der Zwölf Freuden – wie das Waschen genannt wurde – entbunden zu werden. Zunächst hielt ich eine Dusche am Tag für ausreichend, doch der arme Misk geriet derart außer sich, daß ich mein Angebot auf zwei erhöhte. Das brachte uns jedoch nicht weiter, da Misk darauf bestehen wollte, daß ich mindestens zehnmal am Tag unter die Dusche trat. Wir einigten uns schließlich auf sechs Waschungen täglich, was mir zusätzlich zwei Salzpäckchen einbrachte. Er selbst benutzte natürlich keine Dusche, sondern kämmte und säuberte sich auf die überlieferte Art der Priesterkönige – mit Säuberungshaken und Kiefer.

Ich begann mich sehr an Misk zu gewöhnen.

»Wusstest du«, fragte er mich einmal, »daß die Menschen zu den intelligentesten der niederen Rassen gehören?«

»Das freut mich zu hören.«

Misk schwieg, und seine Fühler zitterten sentimental.

»Ich hatte einmal ein kleines Mul-Haustier«, sagte er.

»Was wurde aus ihm?« fragte ich.

»Es war ein kleines Weibchen«, sagte Misk. »Sarm hat sie umgebracht.«

Ich spürte die Anspannung in den Vorderbeinen Misks, als stählte er sich zum Kampf.

»Warum?«

Misk schwieg lange Zeit. Dann sagte er. »Es war meine Schuld. Sie wollte ihre Fadengewächse auf dem Kopf wachsen lassen; sie war nicht im Nest geboren.« Tonlos klang die Stimme aus dem Übersetzungsgerät, doch ich wusste, daß Misk die Worte sehr schwer fielen. »Ich habe sie gewähren lassen – und damit besiegelte ich ihren Tod. Ich bin daran schuld!«

»Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Du wolltest nur nett zu ihr sein.«

»Und es geschah ausgerechnet an dem Tag, da sie mir das Leben rettete«, sagte Misk.

»Erzähl.«

»Ich war für Sarm unterwegs«, begann Misk, »und kam in einen wenig begangenen Tunnel. Dabei nahm ich das Mädchen mit. Wir stießen auf einen Goldenen Käfer, obwohl in dieser Gegend noch nie einer gesehen worden war, und ich wollte zu dem Käfer gehen und neigte den Kopf und ging los, aber das Mädchen nahm meine Antenne und zerrte mich fort.

Der Schmerz war natürlich schlimm, aber ich musste ihr folgen, obwohl es mich zu dem Käfer zog, aber nach einer Ahn ließ das Gefühl nach, und ich wusste, daß sie mir das Leben gerettet hatte. Am gleichen Tag ordnete Sarm an, daß, sie wegen ihres Kopfbewuchses fünf Tadel bekommen und vernichtet werden musste.«

»Gibt es dafür immer gleich fünf Tadel?« fragte ich.

»Nein«, sagte Misk. »Ich weiß nicht, warum Sarm so streng war.«

»Dann solltest du dir ihren Tod nicht vorwerfen. Sarm ist der Schuldige.«

»Nein«, sagte Misk. »Ich war zu großzügig.«

»Ist es nicht möglich, daß Sarm deinen Tod durch den Goldenen Käfer gewollt hat?«

»Natürlich«, sagte Misk, »natürlich war das seine Absicht.«

Ich fragte mich, warum Sarm an Misks Beseitigung gelegen war.

Zweifellos bestand eine Art Rivalität zwischen ihnen. Für mich als Mensch war die Tatsache, daß Sarm womöglich Misks Tod vorbereitet hatte, nichts Ungewöhnliches. Erst später wurde mir bewußt, daß eine solche Vorstellung zwischen Priesterkönigen gänzlich unmöglich ist und daß Misk – obwohl er die Tatsache vor Augen hatte – doch nicht recht daran glauben konnte. Waren denn nicht er und Sarm Angehörige des Nestes? Wäre eine solche Handlung nicht ein Verstoß gegen das Nestvertrauen?

»Sarm ist der Erstgeborene«, sagte Misk, »während ich nur der Fünftgeborene bin. Die ersten fünf Kinder der Mutter bilden den Hohen Rat des Nestes. Der Zweit –, Dritt- und Viertgeborene sind bereits der Wonne des Goldenen Käfers erlegen. Von den Fünf sind nur noch Sarm und ich am Leben.«

»Er will deinen Tod«, sagte ich, »damit er das einzige Mitglied des Rates ist und die absolute Macht gewinnt.«

»Die Mutter ist größer als er«, sagte Misk.

»Trotzdem wäre seine Macht erheblich ausgeweitet.«

Misk starrte mich an, und seine Antennen wirkten schlaff. Ihre goldenen Härchen schienen an Glanz eingebüßt zu haben.

»Du bist traurig«, sagte ich.

Misk beugte sich in meine Richtung. Er legte mir sanft die Fühler auf die Schultern.

»Du darfst diese Dinge nicht mit deinen Augen sehen«, sagte Misk.

»Hier ist alles anders.«

»Kommt mir nicht so vor.«

»Nein«, sagte Misk. »Du verstehst die Lage nicht. Aber du wirst sie verstehen.«

Der Priesterkönig richtete sich auf und trat an meine Höhle. Mit seinen zwei Vorderbeinen hob er den Würfel mühelos zur Seite. Darunter kam ein flacher Stein mit eingelassenem Ring zum Vorschein. Misk hob den Ring an.

»Ich habe diese Kammer selbst ausgehöhlt«, sagte er, »und im Laufe von Lebensspannen haben zahlreiche Muls kleine Felsstücke und Aushub mitgenommen und ihn irgendwo im Tunnelsystem verstreut.

Die Anlage ist primitiv – die Tür bewegt sich nur mechanisch.«

Er trat an eine Wandvertiefung und nahm einen schwarzen Stab heraus.

Er brach das Ende ab, das mit bläulichem Schein zu brennen begann.

»Das ist eine Mul-Fackel«, sagte der Priesterkönig. »Sie wird unten in den verdunkelten Funguskolonien verwendet.«

Ich wusste, daß der Priesterkönig kein Licht brauchte.

»Bitte«, sagte Misk und deutete auf die Öffnung.

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