Richards Augen öffneten sich einen winzigen Spalt. Seine Gedanken verschwammen im Nebel. Er lag mit dem Gesicht auf einem kalten Steinfußboden, der von flackerndem Fackelschein erhellt wurde. Die steinernen Mauern hatten keine Fenster, die ihm verraten hätten, ob es Tag war oder Nacht. Er hatte den Geschmack von Kupfer im Mund. Blut. Er versuchte nachzudenken, wo er sein könnte, und warum. Ein stechender Schmerz in seiner Seite ließ ihm den Atem stocken, als er zu tief einatmete. Sein ganzer Körper schmerzte. Alles pochte. Er fühlte sich, als hätte ihn jemand mit einem Knüppel verdroschen.
Die Erinnerung an den Alptraum sickerte zurück in sein Bewußtsein. Beim Gedanken an Denna blitzte sein Ärger auf. Der magische Schmerz ließ ihn keuchend nach Luft schnappen. Bei dem unerwarteten Schock riß er die Knie an den Leib und stöhnte gequält auf. Dann zügelte er seinen Zorn, verbannte ihn aus seinen Gedanken. Er dachte an Kahlan und wie sie ihn geküßt hatte. Der Schmerz schmolz dahin. Verzweifelt versuchte er, sich ganz auf Kahlan zu konzentrieren, noch einmal hätte er die Schmerzen nicht ertragen. Er hielt es einfach nicht aus, schon jetzt tat alles viel zu sehr weh.
Er mußte einen Ausweg finden. Wenn es ihm nicht gelang, seinen Zorn zu beherrschen, hatte er keine Chance. Er mußte an seinen Vater denken, der ihm beigebracht hatte, Zorn sei falsch und wie er ihn den größten Teil seines Lebens hatte im Zaum halten können. Zedd hatte ihm erklärt, daß es Augenblicke gäbe, in denen es gefährlicher war, seine Wut herauszulassen, als sie zu unterdrücken. Dies war so ein Augenblick. Sein ganzes Leben lang hatte er gelernt, seine Wut zu unterdrücken, jetzt mußte er es tun. Der Gedanke gab ihm einen Funken Hoffnung.
Vorsichtig, ohne sich viel zu bewegen, durchdachte er seine Situation. Das Schwert steckte wieder in der Scheide, sein Messer noch in der Hülle, den Stein der Nacht hatte er noch in der Tasche. Sein Rucksack lag an einer fernen Wand. Die linke Seite seines Hemdes war hart von verkrustetem Blut. Sein Kopf pochte vor Schmerzen, fühlte sich aber nicht schlimmer an als der Rest.
Nach einer leichten Drehung des Kopfes sah er Denna. Sie hatte es sich auf einem hölzernen Stuhl bequem gemacht und die Beine untergeschlagen. Ihr linker Ellenbogen ruhte auf einem einfachen Holztisch, und sie löffelte etwas aus einer Schale in sich hinein.
Vielleicht sollte er etwas sagen. »Wo sind deine Männer?«
Denna kaute noch eine Weile weiter und sah ihn an. Endlich setzte sie die Schale ab und zeigte dicht neben sich auf eine Stelle am Boden.
Ihre Stimme klang ruhig, fast freundlich. »Komm, stell dich hierher.«
Richard kam unter großer Mühe auf die Beine und ging zu der Stelle, auf die sie gezeigt hatte. Sie betrachtete ihn teilnahmslos, während er dastand und auf sie herabschaute. Sie erhob sich und schob den Stuhl mit dem Stiefel nach hinten, aus dem Weg. Sie war fast so groß wie er. Sie drehte ihm den Rücken zu, nahm einen Handschuh vom Tisch und zog ihn sich über die rechte Hand, stieß die Finger fest hinein.
Unvermittelt wirbelte sie herum und schlug ihm mit dem Handrücken über den Mund. Die gepanzerte Rückseite des Handschuhs zerfetzte ihm die Oberlippe.
Sofort, noch bevor der Zorn ihn packen konnte, dachte er an einen wunderschönen Ort in den Wäldern Kernlands. Der stechende Schmerz der Platzwunde ließ ihm die Tränen in die Augen treten.
Denna lächelte ihn warm an. »Du hast die Anrede vergessen, mein Kleiner. Ich hab’s dir doch erklärt, du sollst mich mit ›Herrin‹ anreden oder mit Herrin Denna. Du hast Glück, daß ich deine Ausbildung übernommen habe, die meisten Mord-Sith sind nicht so nachsichtig wie ich. Sie hätten bei der ersten Verfehlung den Strafer eingesetzt. Aber ich habe eine Schwäche für gutaussehende Männer. Außerdem muß ich gestehen, daß ich den Handschuh recht gerne benutze, auch wenn er keine besonders wirksame Strafe darstellt. Ich mag den direkten Kontakt. Der Strafer hat etwas Belebendes, aber es gibt keinen Ersatz für den Gebrauch der eigenen Hände, wenn man spüren will, was man tut.« Sie runzelte leicht die Stirn, und ihre Stimme wurde schärfer. »Nimm deine Hand weg.«
Richard nahm die Hand vom Mund. Er spürte, wie ihm das Blut vom Kinn tropfte. Denna bemerkte es mit Genugtuung. Unerwartet beugte sie sich vor und leckte ihm Blut vom Kinn; der Geschmack brachte sie zum Lächeln. Er schien sie zu erregen. Sie schmiegte sich an ihn. Diesmal jedoch saugte sie seine Lippe in den Mund und biß fest in die Platzwunde. Richard kniff die Augen zu, ballte die Fäuste und hielt den Atem an, bis sie von ihm abließ und sich lächelnd das Blut von den Lippen leckte. Er zitterte vor Schmerz, aber das Bild der Wälder Kernlands in seinen Gedanken hielt stand.
»Das war nur eine sachte Vorwarnung, wie du bald herausfinden wirst. Und jetzt wiederhole die Frage, wie es sich gehört.«
Richard beschloß in diesem Augenblick, sie Herrin Denna zu nennen. Es sollte Ausdruck seiner Verachtung sein. Niemals würde er sie einfach Herrin nennen. Das war seine Art, sie zu bekämpfen und den Respekt vor sich selbst aufrechtzuerhalten. Zumindest in seinen eigenen Gedanken.
Richard holte tief Luft. »Wo sind Eure Männer, Herrin Denna?«
»Viel besser«, gurrte sie. »Die meisten Mord-Sith gestatten den Auszubildenden nicht, zu sprechen oder Fragen zu stellen. Ich spreche eigentlich ganz gerne mit meinen Schülern. Wie gesagt, du kannst von Glück reden, daß du mich hast.« Sie lächelte ihn kühl an. »Ich habe meine Männer fortgeschickt. Sie werden nur zum Einfangen benötigt. Sie sollen eine Person festhalten, bis diese ihre Magie gegen mich einsetzt, danach werden sie nicht mehr gebraucht. Es gibt nichts, was du tun könntest, um zu fliehen oder dich zu wehren. Nichts.«
»Und warum habe ich immer noch mein Schwert und mein Messer?«
Dann fiel es ihm ein. Zu spät. Mit einem Arm blockte er ihre Faust vor seinem Gesicht ab. Die Abwehr ließ den magischen Schmerz auflodern. Der Strafer bohrte sich ihm in den Magen. Er wälzte sich vor Schmerzen schreiend auf dem Boden.
»Steh auf!«
Richard würgte seinen Zorn herunter, um den magischen Schmerz auszusperren. Der Schmerz des Strafers ließ weniger rasch nach. Er hatte große Mühe, auf die Beine zu kommen.
»Und jetzt runter auf die Knie. Bitte mich um Vergebung.«
Als er sich für ihr Empfinden nicht schnell genug bewegte, legte sie ihm den Strafer auf die Schulter und drückte ihn damit nach unten. Sein rechter Arm wurde taub vor Schmerz.
»Bitte, Herrin Denna, vergebt mir.«
»Schon besser«, grinste sie endlich. »Steh auf.« Sie sah zu, wie er sich aufrappelte. »Du hast dein Schwert und dein Messer noch, weil sie mir nicht gefährlich werden können. Vielleicht wirst du sie eines Tages dazu benutzen, deine Herrin zu beschützen. Ich habe es lieber, wenn meine Kleinen ihre Waffen behalten. Es erinnert sie unablässig daran, wie hilflos sie mir ausgeliefert sind.«
Sie kehrte ihm den Rücken zu und streifte den Handschuh ab. Was das Schwert anbetraf, hatte sie recht. Es besaß Zauberkraft, und die kontrollierte sie. Aber war das die einzige Möglichkeit? Er mußte es herausfinden. Er versuchte, ihr an die Kehle zu greifen.
Unbeirrt streifte sie weiter langsam den Handschuh ab, während er auf die Knie sackte und unter magischen Schmerzen aufschrie. Verzweifelt konzentrierte er sich auf das Bild von den Wäldern Kernlands. Der Schmerz ließ nach, und er kam wieder auf die Beine, als sie es ihm befahl.
Denna sah ihn ungehalten an. »Du willst es dir schwermachen, was?« Ihre Züge entspannten sich, das aalglatte Lächeln kehrte zurück. »Eigentlich gefällt es mir, wenn es sich ein Mann schwermacht. Aber du machst es verkehrt. Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst etwas Nettes über mich denken, damit die Schmerzen nachlassen. Aber das tust du nicht. Du denkst an irgendwelche langweiligen Bäume. Das ist meine letzte Warnung. Entweder du denkst etwas Nettes über mich, oder ich werde dich die ganze Nacht über mit Schmerzen verrückt machen. Hast du das verstanden?«
»Ja, Herrin Denna.«
Ihr Grinsen wurde breiter. »Das war sehr gut. Siehst du? Du bist doch ganz gelehrig. Vergiß nicht, denk einfach etwas Nettes über mich.« Sie ergriff seine Hände und legte sie auf ihre Brüste, während sie ihm in die Augen sah. »Ich habe festgestellt, daß die meisten Männer ihre netten Gedanken auf das hier konzentrieren.« Sie beugte sich vor, seine Hände noch immer an sich drückend. Ihre Stimme wurde ungezwungener. »Aber wenn dir irgend etwas besser gefällt, darfst du deine Gedanken gerne auch dorthin wandern lassen.«
Richard entschied auf der Stelle, daß ihr Haar hübsch sei. Es war die einzige Stelle, zu der seine Gedanken wandern würden, wenn er etwas Nettes denken sollte. Der Schmerz riß ihn unerwartet auf die Knie und ließ ihn nicht aus dem Griff, bis er nicht mehr atmen konnte. Er riß den Mund auf, bekam aber keine Luft. Seine Augen quollen hervor.
»So, und jetzt zeig mir, ob du tun kannst, was man dir sagt. Schalte den Schmerz ab, wann immer du willst, aber tue es auf die Weise, die ich dir genannt habe.«
Er schaute zu ihr hoch, auf ihr Haar. Sein Blick verschwamm. Er konzentrierte sich darauf, wie attraktiv er ihren Zopf fand. Er zwang sich, ihn wunderschön zu finden. Der Schmerz ließ nach, und er sackte nach Luft schnappend auf die Seite.
»Steh auf.« Er tat, was sie verlangte, immer noch nach Atem ringend. »So gehört sich das. Denk daran, nur so darfst du es wagen, in Zukunft den Schmerz zu bekämpfen, oder ich verändere den Zauber so, daß du ihn überhaupt nicht mehr entfernen kannst. Hast du das verstanden?«
»Ja, Herrin Denna.« Er schnappte noch immer nach Luft. »Herrin Denna, Ihr habt gesagt, jemand hätte mich verraten. Wer war es?«
»Einer von deinen eigenen Leuten.«
»Keiner meiner Freunde würde so etwas tun, Herrin Denna.«
Sie sah ihn voller Verachtung an. »Dann sind es wohl kaum deine Freunde, oder?«
Er senkte den Blick, hatte einen Kloß in der Kehle. »Nein, Herrin Denna. Aber wer war es?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Meister Rahl hielt es nicht für wichtig genug, es mir mitzuteilen. Im Augenblick brauchst du nur eins zu wissen: niemand wird dich retten. Du wirst nie wieder frei sein. Je schneller du das begreifst, desto leichter wird dir die Ausbildung fallen.«
»Und was ist der Zweck meiner Ausbildung, Herrin Denna?«
Das Lächeln kehrte in ihr Gesicht zurück. »Sie soll dir die Bedeutung von Schmerz nahebringen. Dir beibringen, daß dein Leben nicht mehr dir gehört, sondern mir, und ich damit machen kann, was immer ich will. Alles. Ich kann dir weh tun, wie ich will, solange ich will, und niemand außer mir wird dir helfen. Ich werde dir beibringen, daß du jeden Augenblick ohne Schmerzen ausschließlich mir zu verdanken hast. Du wirst lernen zu tun, was ich sage, und zwar ohne zu fragen, ohne zu zögern, ganz gleich, um was es sich handelt. Du wirst lernen, um alles zu betteln, was du bekommst. Nach ein paar Tagen der Ausbildung hier wirst du ausreichende Fortschritte gemacht haben, dann werde ich dich an einen anderen Ort bringen, wo es andere Mord-Siths gibt, und dort werde ich deine Ausbildung vervollständigen, bis ich fertig bin, egal wie lange es dauert. Ich werde einige der anderen Mord-Siths mit dir spielen lassen, damit du begreifst, wie glücklich du dich schätzen darfst, mich zu haben. Eigentlich mag ich Männer. Einige von den anderen können Männer nicht ausstehen. Ich werde dich ihnen eine Weile lang überlassen, damit du begreifst, wie freundlich ich im Grunde bin.«
»Und was ist das Ziel dieser Ausbildung, Herrin Denna? Welchen Zweck hat sie? Was wollt ihr?«
Sie schien es aufrichtig zu genießen, ihm diese Dinge zu erzählen. »Du bist etwas Besonderes. Meister Rahl hat deine Ausbildung persönlich angeordnet.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Ich könnte mir vorstellen, daß er dir eine Frage stellen möchte. Und du wirst mir keine Schande machen. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du darum betteln, ihm alles zu verraten, was er wissen will. Und wenn er mit dir fertig ist, dann wirst du mir gehören, dein Leben lang. Wie lange das immer sein mag.«
Richard mußte sich auf ihr Haar konzentrieren, mußte kämpfen, um seine Wut im Zaum zu halten. Er wußte, was Darken Rahl wissen wollte, er würde nach dem Buch der Gezählten Schatten fragen. Das Kästchen war in Sicherheit. Kahlan war in Sicherheit. Alles andere war egal. Denna konnte ihn töten, es war ihm egal. Im Grunde würde sie ihm damit einen Gefallen tun.
Denna umkreiste ihn, betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. »Solltest du dich als brauchbar erweisen, mein Kleiner, erwähle ich dich vielleicht sogar zu meinem Gatten.« Sie blieb vor ihm stehen, schob ihr Gesicht ganz dicht an seines heran und grinste ihn mit gespielter Schüchternheit an. »Als lebenslänglichen Gatten einer Mord-Sith.« Durch das Grinsen sah man ihre Zähne. »Ich hatte schon viele Gatten. Aber laß dich von der Aussicht nicht allzusehr erregen, mein Kleiner«, hauchte sie. »Ich bezweifele, daß dir diese Erfahrung Vergnügen bereiten wird. Falls du sie überlebst, was bis jetzt noch keiner geschafft hat. Alle meine Gatten sind nach kurzer Zeit verschieden.«
Deswegen brauchte er sich vermutlich kaum Sorgen zu machen. Darken Rahl wollte das Buch. Falls er keine Möglichkeit fand, zu fliehen, würde Darken Rahl ihn auf die gleiche Weise töten, auf die er auch seinen Vater und Giller getötet hatte. Aus Richards Eingeweiden würde er bestenfalls erfahren, wo das Versteck war, nämlich in seinem Kopf, und wie sehr er sich auch in seine Eingeweide vertiefen mochte, daß er dadurch an das Buch gelangen könnte, war ausgeschlossen. Hoffentlich lebte er lange genug, um Darken Rahls überraschtes Gesicht zu sehen, wenn er seinen verhängnisvollen Fehler erkannte.
Kein Buch. Kein Kästchen. Darken Rahl war ein toter Mann. Das war das einzige, was zählte.
Und was den Verrat an ihm anbetraf, so beschloß er, es einfach nicht zu glauben. Darken Rahl kannte die Gesetze der Magie. Und jetzt wandte er das erste an, um ihm angst zu machen, es könnte tatsächlich so sein. Der erste Schritt zum Glauben. Richard beschloß, sich vom ersten Gesetz der Magie nicht täuschen zu lassen. Er kannte Zedd, Chase und Kahlan. Er würde Darken Rahl niemals mehr Glauben schenken als seinen Freunden.
»Übrigens, wo hast du eigentlich das Schwert der Wahrheit her?«
Er sah ihr geradewegs in die Augen. »Ich habe es seinem Vorbesitzer abgekauft, Herrin Denna.«
»Tatsächlich? Was hast du dafür bezahlen müssen?«
Richard hielt ihrem Blick stand. »Alles, was ich hatte. Wie es scheint, hat es mich auch meine Freiheit und möglicherweise mein Leben gekostet.«
Denna lachte. »Du hast Mumm. Ich liebe es, Männer zu brechen, die Mumm haben. Weißt du, warum Meister Rahl mich ausgesucht hat?«
»Nein, Herrin Denna.«
»Weil ich unbarmherzig bin. Ich bin vielleicht nicht so grausam wie einige der anderen, aber es macht mir Spaß, einen Mann zu brechen. Ich liebe es, meinen Hündchen weh zu tun, mehr als alles andere auf der Welt. Es ist mein Lebenszweck.« Sie zog lächelnd eine Braue hoch. »Ich gebe niemals auf, und ich werde niemals müde und lasse niemals nach. Niemals.«
»Ich fühle mich geehrt, Herrin Denna, mich in den Händen der Besten zu wissen.«
Sie drückte ihm den Strafer an den Riß in der Oberlippe und ließ ihn dort, bis er auf den Knien war und ihm die Tränen aus den Augen liefen. »Das ist die letzte Respektlosigkeit, die ich jemals von dir hören möchte.« Sie nahm den Strafer fort und rammte ihm ihr Knie in den Mund. Er landete mit ausgestreckten Armen auf dem Rücken. »Was hast du jetzt zu sagen?«
»Bitte, Herrin Denna«, brachte er unter größten Mühen hervor, »bitte vergebt mir.«
»Na schön, steh auf. Es wird Zeit, mit deiner Ausbildung zu beginnen.«
Sie ging zum Tisch und holte etwas. Dann zeigte sie auf eine Stelle des Fußbodens. »Stell dich da hin! Sofort!«
Richard bewegte sich, so schnell es ging. Er konnte sich nicht aufrichten, die Schmerzen ließen das nicht zu. Er stellte sich auf die Stelle, schwer atmend, schwitzend. Sie reichte ihm einen Gegenstand, an dem eine Kette befestigt war. Es war ein Halsband aus Leder, in der gleichen Farbe, die auch sie trug.
Ihre Stimme verlor alles Angenehme. »Leg es an.«
Richard war nicht danach, Fragen zu stellen. Er merkte, daß er zu glauben begann, er würde alles tun, nur um nicht mit dem Strafer berührt zu werden. Er schnallte sich das Halsband um den Nacken.
Denna ergriff die Kette. An deren Ende befand sich ein Metallring, den sie über eine Strebe der Stuhllehne gleiten ließ.
»Die Magie wird dich dafür bestrafen, gegen meinen Willen zu handeln. Wenn ich diese Kette irgendwo befestige, dann ist es mein Wunsch, daß sie dort bleibt, bis ich sie wieder abnehme.« Sie zeigte auf die offenstehende Tür. »Für die nächste Stunde möchte ich, daß du alles daransetzt, durch diese Tür zu gelangen. Wenn du nicht dein Bestes gibst, wirst du für den Rest der Stunde folgendes tun.« Sie drückte ihm den Strafer seitlich an den Hals, bis er vor Schmerzen schreiend auf die Knie sackte und sie anflehte, aufzuhören. Sie nahm den Strafer fort und befahl ihm, anzufangen. Dann lehnte sie sich an die Wand und verschränkte die Arme.
Als erstes versuchte er einfach, zur Tür zu gehen. Der Schmerz knickte ihm die Beine unter dem Körper weg, bevor er die Kette auch nur ein winziges bißchen unter Spannung setzen konnte, und ließ erst wieder nach, als es ihm gelang, rückwärts zurück zum Stuhl zu kriechen.
Richard versuchte den Ring zu greifen. Der magische Schmerz verkrampfte seinen Arm, bis er vor Anstrengung, den Ring packen zu wollen, zu zittern begann. Der Schweiß rann ihm übers Gesicht. Er versuchte, rückwärts an den Stuhl heranzukommen und sich dann umzudrehen, aber bevor seine Finger den Ring erreicht hatten, riß ihn der Schmerz wieder zu Boden. Er kämpfte gegen die Schmerzen an, reckte sich, wollte den Stuhl greifen, doch er kam nicht gegen die Schmerzen an. Vor Anstrengung brach er Blut spuckend zusammen. Als es vorbei war, hielt er sich mit einer Hand aufrecht. Tränen tropften ihm vom Gesicht, während er sich mit der anderen Hand zitternd den Bauch hielt. Aus den Augenwinkeln sah er, daß Denna die Arme löste und sich aufrichtete. Er versuchte es ein weiteres Mal.
Sein Plan war eindeutig zum Scheitern verurteilt. Er mußte sich etwas anderes einfallen lassen. Er zog das Schwert, in der Absicht, damit die Kette ein Stück anzuheben. Für einen winzigen Augenblick gelang es ihm unter größten Mühen, die Kette mit der Klinge zu berühren. Der Schmerz zwang ihn, das Schwert fallen zu lassen. Nur durch das Zurückstecken des Schwertes in die Scheide ließ sich der Schmerz unterbinden.
Er hatte eine Idee. Er legte sich auf den Boden und trat den Stuhl unter der Kette weg, bevor der Schmerz ihn paralysieren konnte. Der Stuhl schlitterte über den Boden, prallte gegen den Tisch und kippte um. Die Kette war frei. Das Siegesgefühl dauerte nur einen winzigen Augenblick. Jetzt, wo die Kette vom Stuhl heruntergeglitten war, erreichte der Schmerz einen ungekannten Grad. Schwer atmend, keuchend, zog er sich mit letzter Kraft an den Fingernägeln über den Steinboden. Mit jedem Zentimeter wuchs die Pein, bis er von ihr geblendet wurde. Seine Augen schienen aus dem Kopf gedrückt zu werden. Er war gerade mal einen halben Meter weit gekommen. Er wußte nicht, was er machen sollte. Der Schmerz verhinderte jede Bewegung, jeden Gedanken.
»Bitte, Herrin Denna«, brachte er unter größter Anstrengung hervor, »helft mir. Bitte helft mir.« Er stellte fest, daß er weinte, aber das war ihm egal. Er wollte nur, daß die Kette wieder auf dem Stuhl hing, damit der Schmerz nachließ.
Er hörte, wie ihre Stiefel auf ihn zukamen. Sie bückte sich, hob den Stuhl hoch, stellte ihn wieder hin und hängte den Ring wieder an den Stuhl. Der Schmerz ließ nach, und er wälzte sich auf den Rücken. Aber aufhören zu weinen konnte er nicht.
Sie stand über ihm, die Hände in die Hüften gestemmt. »Das waren erst fünfzehn Minuten, aber weil ich dir helfen mußte, fängt die Stunde von vorne an. Wenn ich dir noch mal helfen muß, werden es zwei Stunden werden.« Sie bückte sich und bohrte ihm den Strafer in den Magen. Schmerz schoß ihm durch den Unterleib. »Verstanden?«
»Ja, Herrin Denna«, greinte er. Er hatte Angst, daß es eine Möglichkeit gab, hatte Angst, was geschehen würde, wenn er sie fand, Angst, es unversucht zu lassen. Wenn es am Ende der Stunde einen Weg gab, dann hatte er ihn nicht gefunden.
Sie kam und stellte sich über ihn. Er stützte sich auf Hände und Knie. »Hast du es jetzt kapiert? Begreifst du jetzt, was geschehen wird, wenn du versuchst, zu fliehen?«
»Ja, Herrin Denna.« Er hatte tatsächlich verstanden. Es gab keine Möglichkeit zur Flucht für ihn. Hoffnungslosigkeit hüllte ihn ein, schien ihn ersticken zu wollen. Er wollte sterben. Dann dachte er an das Messer in seinem Gürtel.
»Steh auf.« Sie sprach leise, als könnte sie seine Gedanken lesen. »Falls du glaubst, du könntest deine Zeit als mein Spielzeug beenden, denk noch einmal nach. Die Magie wird es verhindern, genauso wie sie verhindert, daß du die Kette vom Stuhl nehmen kannst.« Richard blinzelte sie stumpfsinnig an. »Du kannst mir nicht entkommen, nicht einmal durch deinen Tod. Du wirst mir gehören, solange es mir beliebt, dich leben zu lassen.«
»Das wird nicht lange dauern, Herrin Denna. Darken Rahl wird mich töten.«
»Vielleicht. Aber selbst wenn, wird er es erst tun, nachdem du ihm verraten hast, was er wissen will. Ich will, daß du seine Fragen beantwortest, und du wirst tun, was ich verlange, ohne zu zögern.« Ihre braunen Augen waren hart wie Stahl. »Vielleicht glaubst du das im Augenblick nicht, aber du hast keine Vorstellung, wie gut ich im Abrichten von Menschen bin. Ich habe noch jeden Mann gebrochen. Vielleicht glaubst du, du könntest der erste sein, aber schon bald wirst du darum betteln, mir gefallen zu dürfen.«
Der erste Tag mit ihr war noch nicht vorüber, und schon wußte Richard, daß er fast alles tun würde, was sie verlangte. Sie hatte noch wochenlang Zeit, ihn abzurichten. Hätte er kraft seines Willens auf der Stelle sterben können, er hätte es getan. Das schlimmste war, er wußte, daß sie recht hatte. Er konnte nichts tun. Er war ihrer Gnade ausgeliefert, und sie schien keinen Funken davon zu besitzen.
»Ich verstehe, Herrin Denna. Ich glaube Euch.« Ihr süßliches Lächeln zwang ihn, daran zu denken, wie hübsch ihr Zopf war.
»Gut. Und jetzt zieh dein Hemd aus.« Ihr Lächeln wurde breiter, als sie sein verwirrtes Gesicht sah und er sich dennoch sein Hemd aufzuknöpfen begann. Sie hielt ihm den Strafer vors Gesicht. »Es wird Zeit, daß ich dir beibringe, was der Strafer alles kann. Wenn du es anläßt, wird es völlig blutverschmiert sein, und ich finde keine unberührte Stelle mehr. Du wirst sehen, warum meine Kleidung diese Farbe hat.«
Er zerrte seinen Hemdzipfel heraus. Sein Atem ging schwer. Richard stand kurz davor, durchzudrehen. »Aber Herrin Denna, was habe ich denn falsch gemacht?«
Sie legte ihm in gespielter Sorge zärtlich die Hand an die Wange. »Was, das weißt du nicht?« Er schüttelte den Kopf und würgte den Kloß in seinem Hals hinunter. »Du hast dich von einer Mord-Sith fangen lassen. Du hättest alle meine Männer mit deinem Schwert töten sollen. Ich glaube, du hättest es schaffen können. Du warst recht eindrucksvoll bis dahin. Dann hättest du mich mit deinem Messer oder mit den bloßen Händen umbringen müssen, bevor ich deine Magie kontrollieren konnte. Du hättest niemals zulassen dürfen, daß ich dir die Kontrolle über die Zauberkraft abnehme. Du hättest sie niemals gegen mich richten dürfen.«
»Aber warum mußt du mich jetzt mit dem Strafer traktieren?«
Sie lachte. »Weil du etwas lernen sollst. Ich kann tun, was immer mir gefällt, und du hast keine Möglichkeit, mich daran zu hindern. Dir muß klarwerden, daß du vollkommen hilflos bist und daß du jeden Augenblick ohne Schmerzen einzig und allein mir zu verdanken hast. Und nicht dir.« Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. Sie ging zum Tisch und kam mit einem Paar Handschellen zurück, die mit einer Kette verbunden waren. »Mich nervt, daß du ständig hinfällst. Das werden wir ändern. Leg sie an.«
Sie warf ihm die Handschellen zu. Er hatte Mühe, seinen Atem zu kontrollieren, als er die beiden Bandeisen um die zitternden Handgelenke klicken ließ. Denna schleifte den Stuhl zu einem Balken und zwang ihn, sich darunter zu stellen. Sie stieg auf den Stuhl und hakte die Kette an einen Eisendorn.
»Streck dich. Das reicht noch nicht.« Er mußte sich recken und auf die Zehenspitzen stellen, bevor sie sie einhaken konnte. »Das wäre geschafft«, lächelte sie. »Jetzt wird uns dein dauerndes Hinfallen keinen Ärger mehr machen.«
Richard hing an der Kette und versuchte, seine entsetzliche Angst zu bändigen. Die Bandeisen schnitten ihm mit dem ganzen Gewicht seines Körpers in die Handgelenke. Er hatte schon vorher gewußt, daß er ihr vollkommen ausgeliefert war, aber das hier war etwas anderes, es verstärkte seine Hilflosigkeit und brachte ihm noch deutlicher zu Bewußtsein, daß er keine Chance hatte, sich zu wehren. Denna zog ihre Handschuhe über und ging, den Strafer in die andere Hand klatschend, ein paarmal um ihn herum, um seine Beklemmung zu steigern.
Wenn er doch nur bei dem Versuch, Darken Rahl aufzuhalten, getötet worden wäre! Auf dieses Opfer war er vorbereitet. Doch das hier war etwas anderes. Dies war der Tod, ohne zu sterben. Der Tod am lebendigen Leib. Ihm blieb nicht einmal die Würde, sich wehren zu können. Er wußte, wie sich der Strafer anfühlte. Sie brauchte ihm nichts mehr zu zeigen. Sie wollte nichts, als ihm den Stolz nehmen, seinen Respekt vor sich selbst. Sie wollte ihn brechen.
Denna umkreiste ihn weiter und tippte immer wieder mit dem Strafer an seine Brust. Jede Berührung war wie ein Dolch, der sich in seinen Leib bohrte. Jede Berührung ließ ihn gequält aufschreien. Er wand sich an der Kette und wußte doch, daß sie noch nicht einmal richtig angefangen hatte. Der erste Tag war noch nicht vorbei, und viele würden folgen. Seine Hilflosigkeit trieb ihm die Tränen in die Augen.
Richard stellte sich sein Selbstwertgefühl, seine Würde als ein lebendes Wesen vor und sah es vor seinem inneren Auge. Er stellte sich einen Raum vor. Einen Raum, der ihn gegen alles schützte, gegen jeden Schmerz. In diesen Raum brachte er seine Würde, seinen Respekt vor sich selbst, und verriegelte die Tür. Für diese Tür besaß niemand einen Schlüssel, Denna nicht, Darken Rahl nicht. Nur er selbst. Was immer ihn erwartete, wie lange es auch dauerte, er würde es über sich ergehen lassen, ohne den Respekt vor sich zu verlieren. Er würde tun, was er tun mußte, und eines Tages würde er die Tür aufschließen und wieder er selbst sein, und sei es im Tod. Im Augenblick jedoch war er ihr Sklave. Jetzt, aber nicht für immer. Eines Tages würde es vorbei sein.
Denna nahm sein Gesicht in beide Hände und küßte ihn grob. So grob, daß seine aufgeplatzte Lippe pochte und brannte. Sie genoß den Kuß um so mehr, als sie sicher war, daß sie ihm damit weh tat. Mit vor Wonne großen Augen löste sie ihr Gesicht von seinem. »Sollen wir anfangen, mein Kleiner?« flüsterte sie.
»Bitte, Herrin Denna«, hauchte er. »Tut das bitte nicht.« Ihr Lächeln wurde strahlender. »Genau das wollte ich hören.« Denna begann, ihm die Möglichkeiten des Strafers vorzuführen. Wie ein leichtes Streicheln mit dem Folterinstrument Striemen auf der Haut hervortreten ließ, die sich, wenn sie ein wenig fester drückte, mit Blut füllten. Wenn sie sich etwas mehr anstrengte, spürte er eine warme Feuchtigkeit auf seiner schweißnassen Haut. Sie konnte sogar denselben Schmerz erzeugen, ohne eine Narbe zu hinterlassen. Seine Zähne schmerzten, so sehr biß er sie zusammen. Ab und zu stellte sie sich hinter ihn, wartete, bis er nicht achtgab, und berührte ihn erst dann. Als sie das leid war, zwang sie ihn, die Augen zu schließen und geschlossen zu halten, während sie Richard umkreiste, den Strafer in seinen Körper bohrte, ihn über seine Brust strich. Sie lachte, wenn er seinen Körper in der Erwartung der nächsten Berührung anspannte, die dann nicht kam. Ein besonders scharfer Stoß riß ihm die Augen auf und gab ihr Gelegenheit, den Handschuh einzusetzen. Sie zwang ihn, um Vergebung zu betteln, weil er die Augen unaufgefordert geöffnet hatte. Die Bandeisen schnitten sich blutig in seine Handgelenke. Es war ihm unmöglich, nicht mit seinem vollen Gewicht in ihnen zu hängen.
Nur ein einziges Mal entfuhr ihm sein Zorn: als sie ihm den Strafer in die Achselhöhle preßte. Mit höhnischem Grinsen verfolgte sie, wie er sich bei dem Versuch wand, an ihr Haar zu denken. Die Berührung mit dem Strafer an dieser Stelle zwang ihn, seinen Ärger entfliehen zu lassen, also konzentrierte sie sich lange auf diesen Punkt. Aber ein zweites Mal beging er diesen Fehler nicht. Er löste den magischen Schmerz nicht mehr aus, also tat sie es für ihn. Sosehr er es auch versuchte, er konnte ihn nicht abstellen. Er mußte sie anflehen, es für ihn zu tun. Manchmal stellte sie sich vor ihn und sah zu, wie er nach Atem rang. Ein paarmal preßte sie sich an ihn, schlang ihm die Arme um die Brust und drückte zu. Das harte Leder ließ den Schmerz jeder Wunde erneut auflodern.
Richard hatte keine Ahnung, wie lange es dauerte. Die meiste Zeit nahm er nichts wahr außer den Schmerzen, so als wären sie ein lebendes Wesen. Er wußte nur noch eins, an einem gewissen Punkt würde er alles tun, was sie verlangte, wenn sie nur damit aufhörte, ihm weh zu tun. Er weigerte sich, den Strafer anzusehen. Sein bloßer Anblick trieb ihm die Tränen in die Augen. Denna hatte sich richtig beschrieben, sie wurde nicht leid, was sie tat, es wurde ihr niemals langweilig. Es schien sie fortwährend zu faszinieren, hielt sie bei Laune, befriedigte sie. Nur eins schien sie noch glücklicher zu machen, als ihm weh zu tun: wenn er sie anflehte, aufzuhören. Er hätte sie viel häufiger angefleht, um sie glücklich zu machen, meist jedoch brachte er einfach kein Wort hervor. Schon das Luftholen überforderte ihn fast.
Längst versuchte er nicht mehr, die Handgelenke zu entlasten. Er ließ sich schlaff hängen, im Delirium. Einmal glaubte er, sie hätte für einen kurzen Augenblick aufgehört, aber da tat ihm alles schon so weh, daß er nicht sicher war. Der Schweiß in seinen Augen blendete ihn, der Schweiß, der in seine Wunden rann, ätzte.
Als sein Kopf wieder etwas klarer war, kehrte sie zurück und ging hinter ihm auf und ab. Er wußte, was kam, und spannte sich an. Statt dessen griff sie in sein Haar und riß seinen Kopf nach hinten.
»Und jetzt, mein Kleiner, werde ich dir etwas Neues zeigen. Ich werde dir zeigen, was für eine nette Herrin ich eigentlich bin.« Sie riß seinen Kopf hart nach hinten, bis er seine Nackenmuskeln anspannte, um sich gegen den Druck zu sperren. Sie drückte ihm den Strafer an die Kehle. »Hör auf, dich zu wehren, sonst nehme ich ihn nicht weg.«
Das Blut sickerte in seinen Mund, und er entspannte die Nackenmuskeln, damit sie ziehen konnte, so fest sie wollte.
»Und jetzt hör gut zu, mein Kleiner. Ich werde dir den Strafer in dein rechtes Ohr stecken.« Richard erstickte fast vor Angst. Sie riß ihm den Kopf nach hinten. »Das ist anders, als wenn man ihn irgendwo anders hinsteckt. Es ist sehr viel schmerzhafter. Aber du mußt genau tun, was ich sage.« Ihr Mund befand sich dicht an seinem Ohr, sie flüsterte ihm zu wie einem Geliebten. »Früher, wenn eine andere Mord-Sith-Schwester bei mir war, haben wir unsere Strafer einem Mann in beide Ohren gleichzeitig gesteckt. Dann hat er geschrien, wie noch niemand je geschrien hat. Das ist berauschend anzuhören. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Allerdings ist es auch tödlich. Die Anwendung zweier Strafer auf diese Weise zur gleichen Zeit hatte nie Erfolg. Die Männer starben jedesmal. Wir haben es immer wieder versucht, aber sie sind immer gestorben. Du kannst dankbar sein, daß ich deine Herrin bin. Es gibt andere, die es noch immer versuchen.«
»Danke, Herrin Denna.« Er wußte nicht genau, wofür er ihr dankte, aber er wollte nicht, daß sie tat, was immer sie vorhatte.
»Paß auf«, flüsterte sie heiser. Ihre Stimme wurde wieder sanfter. »Wenn ich es tue, darfst du dich nicht bewegen. Wenn du dich bewegst, wird es etwas in dir zerstören. Umbringen wird es dich nicht, aber es wird dich unwiderruflich zum Krüppel machen. Manche Männer werden blind, wenn sie sich bewegen, andere werden halbseitig gelähmt, wieder andere können nicht mehr sprechen oder gehen. In jedem, der sich bewegt, wird etwas zerstört. Ich will, daß du voll funktionsfähig bleibst. Grausamere Mord-Siths als ich sagen ihren Spielzeugen nicht, daß sie sich nicht bewegen dürfen, sie tun es einfach, ohne sie zu warnen. Siehst du? Ich bin gar nicht so grausam, wie du gedacht hast. Trotzdem gelingt es nur wenigen Männern, mit denen ich es mache, sich nicht zu bewegen. Sie zucken, obwohl ich sie gewarnt habe.«
Richard konnte seine Tränen nicht zurückhalten. »Bitte, Herrin Denna, tut es nicht, bitte.«
Er spürte ihren Atem, als sie lächelte. Sie bohrte ihm ihre feuchte Zunge ins Ohr, küßte es. »Aber ich will es, mein Kleiner. Vergiß nicht, halte still, beweg dich nicht.«
Richard biß die Zähne zusammen, aber nichts hätte ihn auf das vorbereiten können, was jetzt kam. Sein Kopf fühlte sich an, als sei er zu Glas geworden, das in tausend Splitter zerspringt. Seine Fingernägel krallten sich in seine Handflächen. Jedes Zeitgefühl zersplitterte wie alles andere auch. Er befand sich in einer Wüste aus Qualen. Ohne Anfang, ohne Ende. Jeder Nerv in seinem Körper brannte vor rasiermesserscharfem, gleißendem Elend. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie den Strafer dort ließ, aber als sie ihn herauszog, hallten seine Schreie von den steinernen Wänden wider.
Als er endlich zusammensackte, küßte sie sein Ohr und hauchte atemlos hinein. »Das war ein geradezu köstlicher Schrei, mein Kleiner. Ich habe noch nie einen schöneren gehört. Außer einem Todesschrei natürlich. Du hast das sehr gut gemacht, mein Kleiner, du hast dich kein Stück gerührt.« Zart küßte sie seinen Hals, dann wieder sein Ohr. »Wollen wir jetzt die andere Seite probieren?«
Richard ließ sich in die Kette sacken. Nicht einmal weinen konnte er mehr. Sie riß seinen Kopf noch fester nach hinten und begab sich auf seine andere Seite.
Als sie endlich mit ihm fertig war und die Kette vom Haken löste, brach er auf dem Boden zusammen. Er glaubte, zu keiner Bewegung mehr fähig zu sein, doch als sie ihm mit dem Strafer das Zeichen zum Aufstehen gab, gehorchte er.
»Das wäre für heute alles, mein Kleiner.« Richard hätte vor Freude sterben können. »Ich werde jetzt etwas schlafen. Heute war nur ein halber Tag, morgen werden wir dich den ganzen Tag ausbilden. Ein ganzer Tag wird dir qualvoller erscheinen.«
Richard war zu erschöpft, um sich um den nächsten Tag zu scheren. Er wollte sich nur hinlegen. Selbst der Steinboden würde ihm wie das beste Bett vorkommen, in dem er je geschlafen hatte. Er betrachtete ihn sehnsüchtig.
Denna zog den Stuhl heran, nahm die Kette, die an seinem Halsband befestigt war, und hakte sie an den Eisendorn am Balken. Verwirrt beobachtete er sie, zu matt, ihre Absicht zu erkennen. Als sie fertig war, ging sie zur Tür. Richard stellte fest, daß die Kette zu kurz war, um sich hinzulegen.
»Herrin Denna, wie soll ich schlafen?«
Sie drehte sich um und lächelte ihn herablassend an. »Schlafen? Ich kann mich nicht erinnern, dir das Schlafen erlaubt zu haben. Schlaf ist eine Gunst, die man sich verdienen muß. Das hast du nicht getan. Hast du schon vergessen? Heute morgen wolltest du mich noch mit deinem Schwert töten. Hast du schon vergessen, wie ich dir gesagt habe, es würde dir noch leid tun? Gute Nacht, mein Kleiner.« Sie wollte schon gehen, drehte sich aber noch einmal um. »Und solltest du auf die Idee kommen, die Kette vom Haken zu ziehen, damit du vor Schmerzen ohnmächtig wirst, das würde ich an deiner Stelle nicht versuchen. Ich habe den Zauber verändert. Du kannst nicht mehr in Ohnmacht fallen. Wenn du die Kette abziehst oder aus Versehen vom Stuhl fällst, werde ich nicht da sein, um dir zu helfen. Dann wirst du die ganze Nacht über mit deinen Schmerzen alleine sein. Denke darüber nach, wenn du schläfrig wirst.«
Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging. Die Fackel nahm sie mit.
Richard stand in der Dunkelheit und weinte. Nach einer Weile zwang er sich, damit aufzuhören und dachte an Kahlan. Das war etwas, was Denna ihm nicht nehmen konnte. Wenigstens nicht heute abend. Kahlan war in Sicherheit und hatte Leute, die sie beschützten. Der Gedanke tat Richard gut. Er sah sie vor sich, in diesem Augenblick, irgendwo bei einem Nachtlager, mit Siddin und Rachel, um die sie sich kümmerte, denen sie Geschichten erzählte, die sie zum Lachen brachte. Die Vorstellung brachte ihn zum Lächeln. Er genoß die Erinnerung an ihren Kuß, das Gefühl ihres Körpers, der sich an seinen schmiegte. Kahlan brachte ihn selbst dann noch zum Lächeln und machte ihn glücklich, wenn er nicht bei ihr war. Was aus ihm wurde, spielte keine Rolle. Sie war in Sicherheit. Nichts sonst zählte. Kahlan, Zedd und Chase waren in Sicherheit, und sie hatten das letzte Kästchen. Darken Rahl würde sterben und Kahlan überleben.
Was spielte es für eine Rolle, was aus ihm wurde, wenn erst alles vorbei war? Er konnte ebensogut tot sein. Dafür würden Denna und Darken Rahl schon sorgen. Er mußte nur die Schmerzen aushalten, bis es soweit war. Das war zu schaffen. Was spielte es für eine Rolle? Nichts, was Denna tat, kam der Qual gleich, zu wissen, nicht bei Kahlan sein zu können. Der Frau, die er liebte. Der Frau, die er liebte und die einen anderen erwählen würde. Er war froh, daß er tot sein würde, wenn es soweit war. Vielleicht ließ sich die Sache beschleunigen. Denna wütend zu machen, war schließlich nicht schwer. Wenn er sich beim nächsten Mal bewegte, wenn sie ihm den Strafer ins Ohr bohrte, wäre er für immer geschädigt. Vielleicht wäre er dann nutzlos für sie. Vielleicht würde sie ihn dann töten. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so allein gefühlt.
»Ich liebe dich, Kahlan«, flüsterte er in die Dunkelheit.
Wie Denna versprochen hatte, wurde der nächste Tag schlimmer. Sie wirkte ausgeruht und schien darauf bedacht, einen Teil ihrer Kraft darauf zu verschwenden, ihn abzurichten. Er wußte, daß er auf eine Sache Einfluß hatte. Er wartete darauf, daß sie den Strafer wieder an sein Ohr legte, damit er mit aller Kraft seinen Kopf herumreißen und sich ernsthaften Schaden zufügen konnte. Doch sie tat es nicht, ganz so als spürte sie, was er vorhatte. Das gab ihm einen Funken Hoffnung. In diesem Punkt konnte er sie beeinflussen. Er hatte sie dazu gebracht, den Strafer nicht auf diese Weise zu benutzen. Sie besaß nicht die vollkommene Kontrolle, die sie zu haben glaubte, er konnte sie noch immer zwingen, etwas nach seinem Willen zu tun. Das machte ihm Mut. Der Gedanke, daß er seinen Selbstrespekt, seine Würde in seine geheime Kammer gesperrt hatte, verlieh ihm die Kraft, das zu tun, was erforderlich war. Er überließ sich ganz ihren Wünschen.
Nur wenn sie sich zum Essen an den Tisch setzte, legte Denna ein paarmal Pause ein. Sie beobachtete ihn, während sie langsam Obst aß, und lächelte vor sich hin, wenn er stöhnte. Er bekam nichts zu essen, nur Wasser aus einer Tasse, die sie ihm hinhielt, nachdem sie mit dem Essen fertig war.
Am Ende des Tages hakte sie die Kette wieder an den Balken und zwang ihn, die Nacht im Stehen zu verbringen. Er gab sich nicht die Mühe, nach dem Warum zu fragen, es war egal. Sie machte, was sie wollte, und er konnte nichts dagegen tun.
Als sie am Morgen mit der Fackel zurückkehrte, konnte er sich gerade noch auf den Beinen halten. Sie schien guter Laune zu sein.
»Ich möchte ein fröhliches ›Guten Morgen‹ hören«, lächelte sie. »Zeig mir, wie glücklich du bist, deine Herrin zu sehen.«
Er gab sein Bestes, mußte sich aber darauf konzentrieren, wie wunderschön ihr Zopf war. Sie umarmte ihn, und an den Stellen, wo sie sich an ihm rieb, flammte der Schmerz wieder auf. Als sie fertig war und er vor Schmerzen zitterte, zog sie die Kette von dem Dorn und warf sie auf den Boden.
»Du lernst, ein gutes Schoßhündchen zu sein. Du hast dir zwei Stunden Schlaf verdient.«
Er brach auf dem Boden zusammen und war eingeschlafen, bevor ihre Schritte verhallten.
Mit dem Strafer geweckt zu werden, war ein Alptraum ganz eigener Art. Der kurze Schlaf hatte nur wenig zu seiner Erholung beigetragen. Er brauchte viel mehr, als sie ihm zugestanden hatte. Er schwor sich, alles daranzusetzen, diesen Tag ohne einen Fehler zu überstehen. Vielleicht würde sie ihm dann erlauben, eine ganze Nacht zu schlafen. Er gab sich alle Mühe, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, und hoffte, sie zu erfreuen. Außerdem hoffte er, etwas zu essen zu bekommen. Er hatte nichts mehr gegessen, seit er gefangengenommen worden war. Er überlegte, was er sich mehr wünschte, Schlaf oder etwas zu essen. Am meisten jedoch wünschte er sich das Ende der Schmerzen. Oder den Tod.
Er war am Ende seiner Kräfte und spürte, wie ihm das Leben entglitt. Er sehnte das Ende immer mehr herbei. Denna schien zu spüren, daß seine Widerstandskraft nachließ, und trat etwas kürzer. Sie ließ ihm mehr Zeit, sich zu erholen, machte längere Pausen. Ihm war es egal. Er wußte, es würde niemals enden, er war verloren. Er gab seinen Lebenswillen auf, seinen Willen weiterzumachen, durchzuhalten. Sie gurrte ihm tröstliche Worte ins Ohr, streichelte sein Gesicht, während er in den Bandeisen hing und sich ausruhte. Sie redete ihm aufmunternd zu, riet ihm, nicht aufzugeben, und versprach, es würde einfacher werden, wenn er erst gebrochen war. Er hörte einfach nur zu, nicht einmal weinen konnte er mehr.
Als sie endlich die Fesseln vom Balken löste, glaubte er, es müsse wieder Nacht sein. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Er wartete darauf, daß sie die Kette entweder einhakte oder auf den Boden warf und ihm sagte, er könne schlafen. Sie tat nichts dergleichen. Statt dessen hakte sie sie über den Stuhl, befahl ihm, sich hinzustellen, und ging. Als sie wiederkam, hatte sie einen Eimer in der Hand.
»Auf die Knie, Kleiner.« Sie setzte sich neben ihm auf einen Stuhl, holte eine Bürste aus dem heißen Seifenwasser und begann, ihn abzuschrubben. Die harten Borsten erzeugten einen ganz eigenen Schmerz, wenn sie sich in seine Wunden bohrten. »Wir haben eine Einladung zum Abendessen. Ich muß dich zurechtmachen. Eigentlich gefällt mir der Geruch von deinem Schweiß und deiner Angst, aber ich fürchte, das könnte die Gäste beleidigen.« Sie ging mit einer seltsamen Zärtlichkeit zu Werke. Er fühlte sich daran erinnert, wie sich jemand um seinen Hund sorgen würde. Er kippte gegen sie, unfähig, sich aufrecht zu halten. Wenn er die Kraft gehabt hätte, er hätte sich nicht an sie gelehnt, aber er hatte sie nicht. Sie ließ ihn, wo er war, und schrubbte weiter. Er überlegte, von wem die Einladung zum Abendessen stammen mochte, fragte aber nicht nach.
Denna sagte es ihm trotzdem. »Königin Milena hat uns höchstpersönlich gebeten, ihr und ihren Gästen beim Abendessen Gesellschaft zu leisten. Eine ziemliche Ehre für eine niedere Kreatur wie dich, meinst du nicht auch?«
Er nickte bloß. Zum Sprechen fehlte ihm die Kraft.
Königin Milena. Sie befanden sich also in ihrem Schloß. Eigentlich keine Überraschung. Wohin sonst hätten sie ihn in der kurzen Zeit bringen können? Als sie fertig war, erlaubte sie ihm, eine Stunde zu schlafen, um sich für das Abendessen auszuruhen. Er schlief zu ihren Füßen.
Statt mit dem Strafer weckte sie ihn mit dem Stiefel. Fast hätte er angesichts ihrer Barmherzigkeit losgeheult, und er hörte sich selbst überschwenglich für ihre Liebenswürdigkeit danken. Sie gab ihm Anweisungen, wie er sich zu verhalten hatte. Seine Kette würde an ihrem Gürtel festgehakt sein, er hatte sie im Blick zu behalten, durfte mit niemandem sprechen, es sei denn, er würde gefragt, und auch dann nur, wenn er sich erst mit einem Blick zu ihr ihres Einverständnisses versichert hatte. Am Tisch durfte er nicht sitzen, sondern hatte sich auf den Boden zu hocken, und wenn er sich benahm, würde er etwas zu essen bekommen.
Er versprach, alles zu tun, was sie verlangte. Die Vorstellung, auf dem Boden sitzen zu dürfen, erschien ihm wundervoll. Er könnte sich ausruhen, brauchte nicht zu stehen, niemand würde ihm weh tun. Und endlich würde er etwas zu essen bekommen. Er nahm sich vor, alles zu tun, um nicht ihr Mißfallen zu erregen oder sie daran zu hindern, ihm etwas zu essen zu geben.
Richards Hirn war wie im Nebel, als er Denna folgte, mit ihr verbunden durch die Kette an seinem Halsband. Er konzentrierte sich darauf, die Kette in angemessener Weise durchhängen zu lassen. Sie hatte ihm die Handschellen abgenommen, doch die Schnitte waren rot und geschwollen und pochten schmerzhaft. Vage erinnerte er sich an einige der Räume, die sie durchquerten.
Denna ging in dem Raum mit den anderen Leuten umher, blieb stehen und unterhielt sich kurz mit fein gekleideten Herrschaften. Richard heftete den Blick auf ihren Zopf. Sie mußte ihn zurechtgemacht haben, während sie ihn hatte schlafen lassen. Er ertappte sich dabei, wie er darüber nachdachte, daß ihr Haar wirklich wundervoll war, daß sie eleganter aussah als irgendeine der anderen Frauen. Er wußte, die Leute starrten ihn und sein Schwert an, während er an Halsband und Kette herumgeführt wurde. Er erinnerte sich daran, daß er seinen Stolz im Augenblick fortgesperrt hatte. Jetzt ging es darum, sich auszuruhen, etwas zu essen und sich eine Weile nicht von ihr quälen zu lassen.
Richard verbeugte sich und verharrte in dieser Stellung, während Denna mit der Königin sprach. Die Königin und die Mord-Sith verneigten sich nur knapp voreinander. Die Prinzessin stand neben der Königin. Richard mußte daran denken, wie Prinzessin Violet Rachel behandelt hatte, und sah sich gezwungen, seine Gedanken wieder auf Dennas Zopf zu konzentrieren.
Als sie am Tisch saß, schnippte Denna mit den Fingern und zeigte auf den Fußboden hinter ihrem Stuhl. Er wußte, was sie wollte, und hockte sich im Schneidersitz auf den Boden. Denna saß links neben der Königin und rechts neben Prinzessin Violet, die ihn kalt von oben herab ansah. Richard erkannte einige der Berater der Königin. Mit einem verstohlenen Lächeln registrierte er, daß der Hofmaler nicht unter ihnen war. Die Tafel der Königin stand höher als die anderen Tische, aber auf dem Boden sitzend konnte Richard nicht viel von den versammelten Gästen sehen.
»Da Ihr kein Fleisch eßt«, meinte die Königin zu Denna, »habe ich die Köche angewiesen, Euch eine spezielle Mahlzeit zuzubereiten, die Euch zusagen wird. Einige herrliche Suppen und Gemüse sowie ein paar seltene Früchte.«
Denna bedankte sich mit einem Lächeln. Ein Diener brachte ihr eine einfache Schale, während sie aß.
»Für mein Schoßhündchen«, erklärte sie, ihre Unterhaltung nur kurz unterbrechend.
Der Mann nahm die Schale vom Tablett und reichte sie Richard. Es war irgendein Brei, doch Richard, der die Schale in seinen zitternden Händen hielt und sich daranmachte, ihn hinunterzuschlingen, kam es vor wie die köstlichste Mahlzeit, die er je zu Gesicht bekommen hatte.
»Wenn er dein Schoßhündchen ist«, meinte Prinzessin Violet, »wieso erlaubst du ihm dann, so zu essen?«
Denna sah die Prinzessin an. »Was meint Ihr damit?«
»Na ja, wenn er Euer Schoßhündchen ist«, griente die Prinzessin, »dann sollte er vom Boden fressen, ohne seine Hände.«
Denna grinste, ein Funkeln in ihren Augen. »Tu, was sie sagt.«
»Stell sie auf den Boden«, befahl Prinzessin Violet, »und friß wie ein Hund, so, daß wir alle es sehen können. Jeder soll sehen, daß der Sucher nicht besser ist als ein Köter.«
Richard war zu hungrig, um sein Essen zu riskieren. Er konzentrierte sich auf das Bild von Dennas Zopf in seinem Kopf und stellte die Schale auf den Boden und aß den Brei unter allgemeinem Gelächter. Er leckte die Schale sauber und redete sich ein, daß er die Kraft brauchte. Vielleicht bekam er einmal Gelegenheit, sie zu benutzen.
Als die Königin und ihre Gäste mit dem Essen fertig waren, brachte man einen Mann in Ketten herein und zwang ihn, sich mitten in den Raum zu stellen. Richard erkannte ihn wieder. Es war einer der Männer aus dem Verlies, die Kahlan befreit hatte. Sie wechselten einen kurzen verzweifelten Blick.
Man sprach von Verbrechen und üblen Vergehen. Richard tat alles, um nicht darauf zu achten. Er wußte, daß es nur ein Vorwand war. Die Königin hielt eine kurze Ansprache über die Verbrechen des Mannes, dann wandte sie sich an die Prinzessin.
»Vielleicht möchte die Prinzessin die Strafe dieses Mannes verkünden?«
Prinzessin Violet erhob sich strahlend. »Für seine Verbrechen gegen die Krone einhundert Peitschenhiebe. Für seine Verbrechen gegen das Volk seinen Kopf.«
Zustimmendes Gemurmel wurde laut. Richard war übel, gleichzeitig wünschte er sich, mit dem Mann tauschen zu können. Die hundert Hiebe waren ein leichtes, und danach wartete das Beil.
Als sie sich wieder hinsetzte, wandte sich Prinzessin Violet an Denna. »Ich würde gerne einmal zusehen, wie Ihr Eure Bestrafungen durchführt.«
»Schaut vorbei, wann immer es Euch beliebt.« Denna warf kurz einen Blick über die Schulter.
Als sie wieder in der steinernen Kammer waren, hatte Denna es eilig, ihm das Hemd auszuziehen, und kurz darauf hing er wieder an dem Balken. Kühl teilte sie ihm mit, er hätte seine Blicke beim Abendessen zu viel umherschweifen lassen. Richard verließ der Mut. Wieder schnitten ihm die Bandeisen an den Handgelenken ins Fleisch. Dank Dennas Geschick war er im Nu wieder schweißgebadet, rang nach Luft, schrie vor Schmerzen. Sie meinte, es sei noch früh, und sie müsse ihn heute noch ein wenig ausbilden.
Richards Muskeln zuckten, es riß ihn vom Boden, als Denna ihm den Strafer in den Rücken drückte. Er flehte sie an, aufzuhören, aber sie tat es nicht. Als er ein weiteres Mal schlaff in den Bandeisen hing, entdeckte er die Umrisse einer Gestalt im Türrahmen.
»Es gefällt mir, wie du ihn dazu bringst, dich anzuwinseln«, meinte Prinzessin Violet.
Die Mord-Sith sah sie lächelnd an. »Kommt näher, meine Liebe, dann zeige ich Euch noch mehr.«
Denna schlang einen Arm um ihn und preßte sich in seine Wunden. Sie küßte ihn aufs Ohr und flüsterte ihm zu: »Wollen wir der Prinzessin jetzt mal zeigen, wie schön du winseln kannst?«
Richard schwor sich, es nicht zu tun, aber es dauerte nicht lange, bis er seinen Schwur brechen mußte. Denna führte für Prinzessin Violet eine Demonstration durch und zeigte ihr die verschiedenen Arten, wie sie ihm weh tun konnte. Sie schien stolz zu sein, ihre Fähigkeiten zeigen zu können.
»Darf ich auch mal?« fragte die Prinzessin.
Denna sah sie einen Augenblick an. »Warum nicht, natürlich, meine Liebe. Ich bin sicher, mein Kleiner hat nichts dagegen.« Sie lächelte ihn an. »Oder?«
»Bitte, Herrin Denna, das dürft Ihr nicht zulassen. Bitte. Sie ist doch nur ein kleines Mädchen. Ich tue alles, was Ihr verlangt, aber laßt das nicht zu. Bitte.«
»Seht Ihr, meine Liebe, es macht ihm überhaupt nichts aus.«
Denna reichte ihr den Strafer.
Prinzessin Violet stand grinsend vor ihm und befingerte den Strafer. Versuchsweise piekste sie ihn damit in den Oberschenkel und war ganz aufgeregt, als er vor Schmerz zusammenzuckte. Mit dem Ergebnis zufrieden, ging sie um ihn herum und bohrte ihm den Strafer ins Fleisch.
»Ist ganz einfach!« staunte sie. »Ich hätte nie gedacht, daß es so einfach ist, jemanden zum Bluten zu bringen.«
Denna hatte die Arme vor der Brust verschränkt und verfolgte amüsiert, wie die Prinzessin immer beherzter zur Sache ging. Es dauerte nicht lange, bis ihre Grausamkeit vollständig an die Oberfläche trat. Das neue Spiel machte ihr einen Heidenspaß.
»Weißt du noch, was du mir angetan hast?« fragte sie ihn und stieß ihm den Strafer in die Flanke. »Wie du mich blamiert hast? Jetzt bekommst du, was du verdienst, meinst du nicht auch?« Richard hielt die Zähne fest zusammengebissen. »Antworte! Meinst du nicht auch, daß du das verdient hast?«
Richard kniff die Augen zu und versuchte, nicht die Beherrschung über den Schmerz zu verlieren.
»Antworte! Und dann bitte mich, aufzuhören. Ich will dich quälen, während du mich anflehst.«
»Du solltest ihr antworten«, meinte Denna. »Sie scheint ein Naturtalent zu sein.«
»Bitte, Herrin Denna, bringt ihr das nicht bei. Was Ihr ihr antut, ist schlimmer als das, was Ihr mit mir macht. Sie ist doch noch ein kleines Mädchen. Bitte, tut ihr das nicht an. Bringt ihr diese Dinge nicht bei.«
»Ich lerne, was mir gefällt. Fang an zu betteln. Und zwar jetzt gleich!«
Richard wußte, daß er es nur schlimmer für sich machte, trotzdem wartete er mit seiner Antwort, bis er es absolut nicht mehr ertragen konnte. »Entschuldigt, Prinzessin Violet«, keuchte er. »Bitte vergebt mir. Ich habe mich getäuscht.«
Richard mußte erkennen, daß ihr zu antworten ein Fehler war, es schien sie nur noch mehr zu erregen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis sie gelernt hatte, ihn zum Betteln — und zum Weinen — zu bringen, obwohl er sich dagegen sperrte. Die Widersinnigkeit, daß ein kleines Mädchen das tat und sogar Spaß daran hatte, erschien ihm unfaßbar. Der reine Irrsinn.
Sie drückte ihm den Strafer leicht in den Magen und grinste ihn lüstern von unten herauf an. »Aber ein Konfessor hat noch viel Schlimmeres verdient. Eines Tages wird sie noch viel mehr leiden. Und zwar von meiner Hand. Meine Mutter hat gesagt, ich darf das machen, wenn sie zurückkommt. Ich will, daß du mich anbettelst, ihr weh zu tun. Los, sag es, bettele darum, daß ich der Mutter Konfessor den Kopf abschlage.«
Richard wußte nicht, was es war, aber irgend etwas erwachte in ihm zum Leben.
Prinzessin Violet biß die Zähne zusammen und rammte ihm den Strafer, so fest sie konnte, in die Eingeweide und drehte ihn einmal herum. »Sag bitte! Bitte mich darum, diese häßliche Kahlan umzubringen!«
Der Schmerz ließ Richard aus vollem Halse kreischen.
Denna trat zwischen die beiden und riß Prinzessin Violet den Strafer aus der Hand. »Das reicht! Ihr bringt ihn noch um, wenn Ihr mit dem Stab so umgeht.«
»Danke, Herrin Denna«, keuchte er. Er empfand eine seltsame Zuneigung zu ihr, weil sie zu seinem Schutz dazwischen gegangen war.
Prinzessin Violet trat einen Schritt zurück, ihr Gesicht war wutverzerrt. »Ist mir egal, wenn ich ihn umbringe.«
Dennas Stimme wurde kühl und gebieterisch. »Aber mir nicht. Er ist zu wertvoll, um ihn auf diese Weise zu vergeuden.« Es war eindeutig Denna, die hier das Sagen hatte. Nicht die Prinzessin, nicht einmal die Königin. Denna war eine Agentin von Darken Rahl.
Prinzessin Violet funkelte ihn wütend an. »Meine Mutter hat gesagt, wenn Konfessor Kahlan das nächste Mal herkommt, haben wir eine Überraschung für sie. Ich will bloß, daß du das weißt, weil meine Mutter gesagt hat, bis dahin bist du sowieso tot. Meine Mutter hat gesagt, ich darf mir selbst aussuchen, was ich mit ihr mache. Als erstes werde ich ihr die Haare abschneiden.« Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt, ihr Gesicht war rot. »Und dann lasse ich sie von allen Wachen vergewaltigen, von jedem einzelnen! Und dann werfe ich sie für ein paar Jahre ins Verlies, damit sie dort jemanden zum Spielen haben! Und wenn ich es dann leid bin, sie zu quälen, werde ich ihr den Kopf abschlagen lassen und ihn auf einen Pfahl stecken, wo ich zusehen kann, wie er verfault!«
Im Grunde tat Richard die kleine Prinzessin leid. Die Traurigkeit schwappte wie eine Woge über ihn. Zu seiner Überraschung brachte diese Empfindung dieses Etwas, das in ihm erwacht war, an die Oberfläche.
Prinzessin Violet kniff die Augen zusammen und streckte ihre Zunge heraus, so weit sie konnte.
Wie eine rote Flagge.
Die Wucht seiner erwachten Kraft explodierte in seinem ganzen Körper.
Er spürte, wie ihr Kiefer zersplitterte wie ein Kristallpokal auf steinernem Boden, als er seinen Stiefel darunter rammte. Der Tritt hob die Prinzessin in die Luft. Sie zerbiß sich die Zunge mit ihren eigenen Zähnen, bevor auch sie zerplatzten. Sie landete ein Stück weit entfernt auf dem Rücken und versuchte, durch das hervorsprudelnde Blut hindurch zu schreien.
Dennas Blick traf ihn. Einen winzigen Augenblick lang entdeckte er dort einen Anflug von Angst. Richard hatte keine Ahnung, wie er das geschafft hatte, wieso die Magie ihn nicht daran gehindert hatte. Der Ausdruck in Dennas Gesicht verriet ihm, daß er nicht dazu hätte in der Lage sein dürfen.
»Ich habe sie gewarnt«, meinte Richard, ohne Dennas Blick auszuweichen. »Ich halte, was ich verspreche.« Er grinste. »Danke, Herrin Denna, daß Ihr mir das Leben gerettet habt. Ich bin Euch etwas schuldig.«
Sie starrte ihn einen Augenblick lang an, bevor ihr Gesicht sich verfinsterte. Sie stolzierte aus der Kammer. In den Bandeisen hängend, beobachtete er, wie die Prinzessin sich auf dem Fußboden krümmte.
»Dreh dich um, Violet, dreh dich um, oder du ertrinkst in deinem eigenen Blut. Dreh dich um!«
Es gelang der Prinzessin, sich herumzuwerfen. Unter ihr breitete sich eine rote Lache aus. Männer kamen herbeigeeilt und kümmerten sich um sie. Denna sah zu. Sie hoben sie vorsichtig an und trugen sie fort. Er hörte, wie ihre dringlichen Stimmen leiser wurden und in der Tiefe des Ganges verhallten.
Er war alleine mit Denna.
Die stählernen Angeln knarrten, als sie die Tür mit dem langen Nagel eines Fingers zudrückte. Während der letzten paar Tage hatte Richard erkannt, daß Denna eine ebenso aufrichtige wie perverse Zuneigung für ihn hegte. Er hatte gelernt, die Art zu deuten, wie sie den Strafer gebrauchte, ihre Stimmung durch ihn hindurch zu erkennen. Gelegentlich, wenn sie ihn quälte, spürte er, wie sie sich aus einer verdrehten Fürsorge für ihn zurückhielt. Es war Irrsinn, dennoch spürte er, wie sie ihm manchmal ihre Zuneigung dadurch vermitteln wollte, daß sie nicht das Schlimmstmögliche tat, und zu anderen Zeiten eben genau dadurch. Ihm war ebenso klar, daß sie ihm heute abend das Schlimmste antun würde.
Sie stand an der Tür und musterte ihn. Ihre Stimme war sanft. »Du bist ein seltener Mensch, Richard Cypher. Meister Rahl hat mich vor dir gewarnt. Ich soll auf dich achtgeben; die Prophezeiungen sprechen von dir.« Ihre Schritte hallten vom Steinboden wider, als sie langsam auf ihn zukam und dicht vor ihm stehenblieb. Sie sah ihm mit einem leichten Stirnrunzeln in die Augen. Ihr Atem auf seinem Gesicht ging schneller als normal. »Das war ziemlich außergewöhnlich«, flüsterte sie. »Wirklich aufregend.« Ihre Augen suchten gierig sein Gesicht ab. »Ich habe beschlossen«, sagte sie atemlos, »dich zu meinem Gatten zu erwählen.«
Richard sackte angesichts dieses Wahnsinns hilflos in die Ketten.
Er hatte keine Ahnung, woher die Kraft stammte, die in ihm erwacht war, oder wie er sie zurückrufen konnte. Er versuchte es. Nichts geschah.
Denna schien Kontrolle über etwas zu haben, das er nicht verstand, ganz so, als nähme sie den Mut zusammen für etwas, das sie ebenso fürchtete wie herbeisehnte. Ihr Atem wurde schneller, ihre Brust hob sich, als sie ihm in die Augen blickte. Ungläubig entdeckte er etwas, auf das die Häßlichkeit ihrer Grausamkeit bislang immer den Blick verstellt hatte. Sie war schön. Atemberaubend, phantastisch schön. Er glaubte, den Verstand zu verlieren.
Schockiert und mit eigenartiger Besorgnis verfolgte Richard, wie sie sich den Strafer langsam zwischen die Zähne klemmte. An der augenblicklichen Weitung ihrer Pupillen erkannte er, daß es ihr weh tat. Ihre Haut erbleichte. Sie sog scharf den Atem ein und zitterte ganz leicht. Denna grub ihre Finger hinten in seine Haare und hielt seinen Kopf. Langsam drückte sie ihre Lippen auf seinen Mund. Sie küßte ihn tief und leidenschaftlich und teilte den Schmerz des Strafers mit ihm, den sie mit der Zunge zwischen ihre beiden Lippen hielt. Ihr Kuß war wild und bestialisch. Sie rieb ihren Körper an ihm.
Jede Faser seines Seins brannte unter der Tortur. Keuchend saugten sie sich gegenseitig den Atem aus den Lungen. Sie bekamen keine Luft, außer der des anderen. Der Schmerz ließ ihn alles außer ihr vergessen. Er zog plündernd durch seinen Verstand. Von den Geräuschen, die sie von sich gab, wußte er, daß sie die gleichen Qualen durchlitt wie er. Ihre Finger in seinem Haar ballten sich vor Schmerz zu Fäusten. Sie stöhnte gequält auf. Ihre Muskeln spannten sich an. Der Schmerz tobte durch ihre beiden Leiber.
Ohne das Warum zu begreifen, erwiderte er ihren Kuß mit der gleichen Leidenschaft und Wildheit. Der Schmerz veränderte seine Wahrnehmung für alles. Mit derartiger Lust hatte er noch niemanden geküßt. Verzweifelt hoffte er, sie würde aufhören. Verzweifelt wünschte er, sie würde weitermachen.
Die seltsame Kraft erwachte ein zweites Mal. Er versuchte, sie zu pakken, sie festzuhalten. Aber sie entglitt seinem Zugriff und war verschwunden.
Der Schmerz überwältigte ihn, als Denna ihre Lippen mit dem Strafer zwischen ihnen auf seine preßte, daß ihre Zähne knirschend aneinanderrieben. Sie preßte ihren Körper an ihn, hakte ein Bein um seins, klammerte sich an ihn. Ihre gequälten Schreie wurden verzweifelter. Er verging sich danach, sie zu umarmen. Als er das Bewußtsein zu verlieren drohte, ließ sie von ihm ab, ihre Fäuste noch immer in sein Haar gekrallt. Tränen liefen ihr über das Gesicht, als sie ihm aus kaum fünf Zentimeter Entfernung in die Augen sah. Sie rollte den Strafer mit der Zunge herum und hielt ihn vor Schmerzen zitternd mit den Zähnen fest, so als wollte sie ihm beweisen, daß sie stärker war als er. Langsam erschien ihre Hand und nahm den Strafer fort. Erleichtert verdrehte sie die Augen nach oben. Sie schnappte nach Luft.
Und kräuselte die Stirn. Tränen des Schmerzes und eines anderen Gefühls strömten ihr aus den Augen. Sie gab ihm einen Kuß. Die Zartheit und Sanftheit schockierte ihn.
»Jetzt sind wir miteinander verbunden«, hauchte sie zärtlich. »Verbunden im Schmerz durch den Strafer. Tut mir leid, Richard.« Mit zitternden Fingern strich sie ihm über die Wange, ihre Augen immer noch glasig vom Schmerz. »Es tut mir leid, was ich dir antun werde. Du bist mein Gatte auf Lebenszeit.«
Das Mitgefühl in ihrer Stimme verblüffte Richard. »Bitte, Herrin Denna. Bitte, laßt mich gehen. Oder helft mir wenigstens, Darken Rahl aufzuhalten. Ich verspreche Euch, ich werde bereitwillig Euer Gatte auf Lebenszeit, wenn Ihr mir helft, ihn aufzuhalten. Ich schwöre bei meinem Leben, wenn Ihr mir helft, werde ich bleiben, ohne daß die Magie mich hält. Für immer.«
Sie legte ihm eine Hand auf die Brust, um sich abzustützen, während sie sich erholte. »Glaubst du vielleicht, ich wüßte nicht, was ich dir antue?« Ihre Augen hatten einen leeren Glanz. »Deine Ausbildung und deine Dienste werden nur noch wenige Wochen dauern, dann stirbst du. Die Ausbildung einer Mord-Sith dauert Jahre. Alles, was ich dir angetan habe, und mehr, ist auch mir angetan worden, tausendfach. Eine Mord-Sith muß ihren Strafer besser kennen als sich selbst. Mein erster Lehrer hat mich zu seiner Gemahlin gemacht, als ich fünfzehn war, nachdem er mich seit meinem zwölften Lebensjahr ausgebildet hatte. Völlig ausgeschlossen, daß ich jemals sein Ausmaß an Grausamkeit oder seine Fähigkeit erlangen könnte, jemanden auf dem schmalen Grad zwischen Leben und Tod zu halten. Er hat mich ausgebildet, bis ich achtzehn war und ihn getötet habe. Dafür bin ich die darauffolgenden zwei Jahre jeden Tag mit dem Strafer gequält worden. Diesem hier. Genau derselbe, den ich bei dir benutze, wurde auch für meine Ausbildung benutzt. Er wurde mir mit meiner Ernennung zur Mord-Sith überreicht. Mein einziger Lebenszweck besteht darin, ihn zu benutzen.«
»Herrin Denna«, flüsterte er. »Das tut mir leid.«
Ihr Blick wurde wieder stählern. Sie nickte. »Das wird es allerdings. Es gibt niemanden, der dir helfen wird. Mich eingeschlossen. Du wirst feststellen, daß du als Gatte einer Mord-Sith keine zusätzlichen Privilegien gewinnst, nur zusätzliche Schmerzen.«
Richard hing hilflos in den Bandeisen, die Ungeheuerlichkeit all dessen hatte ihn überwältigt. Sie ein wenig zu verstehen, vergrößerte nur seine Hoffnungslosigkeit. Es gab für ihn kein Entrinnen. Er war der Gemahl einer Wahnsinnigen.
Sie gewann ihr Lächeln und Stirnrunzeln zurück. »Wieso warst du so dumm, das zu tun? Du mußt doch wissen, daß ich dich dafür quälen werde.«
Einen Augenblick lang betrachtete er ihr verwirrtes Gesicht. »Welchen Unterschied macht das, Herrin Denna? Quälen werdet Ihr mich sowieso. Ich kann mir nicht vorstellen, was Ihr mir noch Schlimmeres antun könntet.«
Sie verzog spöttisch den Mund. »Oh, mein Geliebter, deine Phantasie ist sehr begrenzt.«
Er spürte, wie sie seine Gürtelschnalle aufriß.
Sie knirschte mit den Zähnen. »Es wird Zeit, daß wir ein paar neue Stellen an deinem Körper finden, wo ich dir weh tun kann. Es wird Zeit, festzustellen, woraus du wirklich gemacht bist.« Der Blick in ihren Augen ließ ihn gefrieren. »Danke, mein Geliebter, daß du mir einen Grund dafür gegeben hast. Einem anderen habe ich das noch nie angetan, aber mir ist es oft genug angetan worden. Das war es, was mich im Alter von vierzehn Jahren zerbrochen hat. Heute nacht«, hauchte sie, »wird keiner von uns beiden Schlaf finden.«