Durbis, an der Küste von Flotish

Er ging in der dunkelnden Abenddämmerung langsam und zuversichtlich den Kai entlang. Er griff in eine Tasche, zog eine Packung Zigaretten heraus und zündete sich mit einem Feuerzeug eine an. Seine Stiefel polterten dumpf auf den Brettern, als er zu einem Steg ging und sich das dort vor Anker liegende Schiff ansah.

»Hallo, an Bord!«rief er.

Das Schiff, ein schlanker Zweimast-Schoner, schien verlassen zu sein.

»Hallo!«schrie er noch einmal. »Ist jemand an Bord?«

Ein schuppenbesetztes Horrorgesicht guckte ihn über die Reling an. Fischaugen betrachteten ihn argwöhnisch, ohne Zucken.

»Selber hallo«, krächzte das Wesen. »Wer, zum Teufel, bist du, und was willst du?«

»Ich habe mich mit Ihrer Botschaft in Zone in Verbindung gesetzt«, rief er hinauf. »Ich höre, daß Sie Charter annehmen.«

»Kommen Sie an Bord!«sagte das Wesen scharf.

Er ging selbstsicher die Laufplanke hinauf und betrat das Schiff. Das Wesen wandte sich ihm zu, die beiden runden Augen auf den Fremden gerichtet.

Das Wesen war ein Flotish; humanoid insoweit, als es Kopf, Arme und Beine an den richtigen Stellen besaß, sonst jedoch völlig fremdartig. Es war ein Meereswesen, daran gab es keinen Zweifel; der dicke, schuppenbesetzte Körper sah gepanzert aus, wie Schuppen auf einem Außenskelett; Hände und Füße besaßen Schwimmhäute und Klauen und waren für den Körper viel zu groß. Das Gesicht mit lidlosen, großen, gelben Augen wirkte wie ein Schreckbild. Es hatte an mehreren Stellen Flossen, am Rücken eine Dorsalflosse. Es hatte hier nichts zu suchen, nicht in der Luft, und in der Tat atmete es gewöhnlich durch Kiemen, obschon es mehrere Stunden in der Luft existieren konnte, bevor es schließlich ersticken mußte. Es löste sein Atmungsproblem ganz einfach mit einem kleinen Apparat, helmartig um die Kiemen befestigt, über der Rückenflosse. Für lange Zeiträume war das zwar nicht geeignet, es gestattete dem Wesen in der Atmosphäre aber doch ein gewisses Maß an Bequemlichkeit.

»Kommen Sie in die Hauptkabine«, sagte der Flotish. »Ich habe dort einen Tank, in dem mir wohler ist.«

Er folgte ihm und sah, daß dem so war; der Tank machte es dem Wesen möglich, sich in Meereswasser zu entspannen, während es den Kopf im Freien hielt. Es gab natürlicherweise keine Möbel, die zu dem Mann paßten, so daß er sich auf eine Tischkante setzte und das Meeresgeschöpf ansah.

»Es kommt nicht oft vor, daß ich Wasseratmer mit Oberflächenschiffen sehe«, sagte er.

»Sie gehen in unseren Gewässern unter, wir nehmen sie, reparieren sie, machen sie wieder schwimmfähig und verkaufen sie mit Gewinn«, erwiderte der Flotish. »Ein gutes Geschäft, vor allem das Bergen, wenn man auf vier Seiten von Land umgrenzt ist.«

Er nickte.

»Ich möchte das hier kaufen«, sagte er zu dem Wesen.

»Zahlungsmittel?«

Er lächelte.

»Gold, wenn Sie wollen, oder Diamanten. Selbst wenn Sie das Zahlungsmittel nicht selbst benutzen, ist es für den Tauschhandel nützlich.«

»Angenommen wird beides«, sagte der Flotish. »Wir schließen mit Gold ab. Das Schiff ist völlig neu ausgestattet. Es ist in bestem Zustand und ging nur unter, weil ein unfähiger Kapitän in einem Sturm zuließ, daß es vollief. Keine Beschädigung am Rumpf; in zwei Tagen hatten wir es wieder schwimmfähig. Gutes Hartholz, sehr solide.«

Er nickte.

»Es gefällt mir. Hat es einen Hilfsmotor?«

»Dampf«, sagte das Meereswesen. »Ganz neu, kein Bergegut. Sie sehen hinten den kleinen Schornstein. Nützlich aber nur in Notfällen. Sie könnten keine zwei Knoten damit machen. Das Schiff bekommt erst richtig Fahrt, wenn Sie bei steifem Wind die Segel setzen. Achtzehn, zwanzig Knoten. Ein hervorragendes Schiff. Wie gesehen, siebenundvierzig Kilo.«

Der Mann lachte.

»Sie machen Witze. Siebenundvierzig Kilogramm Gold? Dafür bekommt man ein Schlachtschiff.«

»Aber Schlachtschiffe brauchen Unterlagen«, gab der Flotish zurück. »Das hier nicht. Keine Unterlagen, keine Rechnung, und trotzdem alles legal und ordentlich. Nicht verfolgbar, weil es sich um repariertes Bergegut handelt.«

»Für die Hälfte bekomme ich ein neues«, sagte der Mann.

»Für weniger«, bestätigte das Wesen. »Aber wenn das Ihr wichtigstes Kriterium wäre, säßen Sie nicht hier. Ich weiß nicht, was Sie vorhaben — Schmuggel, Piraterie oder was sonst. Aber wir würden uns nicht so treffen, wenn es etwas Ehrliches wäre, und das wissen Sie. Sie bekommen, was Sie bezahlen, und was Sie bezahlen, ist ein großartiges Schiff und keine Fragen.«

Der Besucher lachte leise.

»So schlimm ist es nicht«, sagte er. »Es geht um Bequemlichkeit. Flotish ist in der Nähe der Gegend, wo ich hinmuß, und der Zeitplan ist wichtiger als eine Registrierung im verborgenen. Zwanzig Kilo, und das ist schon Raub an mir.«

Das Wesen gluckste hämisch.

»Mit zwanzig bekommen Sie kein Rettungsboot. Vierzig.«

So ging es eine Weile hin und her. Beide gaben ein wenig nach, bis sie schließlich um Gramm und nicht mehr Kilogramm verhandelten.

»Einunddreißig, mein letztes Angebot«, sagte der Mann zum Flotish. »Damit ist Schluß. Noch ein Gramm mehr, und ich nehme mir etwas mehr Zeit und gehe hinauf nach Vergutz.«

Das Wesen spuckte aus.

»Da verkauft man Ihnen Dreck. Aber — in Ordnung! Einunddreißig. Machen Sie das Geschäft über Zone?«

Er nickte.

»Sie werden den Namen erkennen. Niemand sonst verwendet einen auch nur ähnlichen. Jetzt brauche ich eine Besatzung. Vielseitige, gute Seeleute, auf dieser Art von Schiff erfahren. Männer, die, wenn man sie sehr teuer einkauft, auch eingekauft bleiben.«

Der Flotish wurde nachdenklich.

»Ich glaube, da läßt sich etwas machen.«

»Davon bin ich überzeugt«, erwiderte Zigeuner.

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