Sie füllten den Tempel. Ein gutes Zeichen, dachte Mutter Sukra, als sie hinter dem Podiumsvorhang hervorblickte. Die Akoluthen hatten das Wort auf wundersame Weise verbreitet. Die meisten befanden sich, wie sie sah, zum erstenmal hier. Zögernd, nervös, unsicher, aber neugierig. Das war zu erwarten. Die Gemeinde des Heiligen Schachtes war hier noch immer neu und zog vor allem die Jungen an, stets die am leichtesten zu Beeindruckenden, die Armen, die Hungernden, die Verlierer. Die Heilige Priesterin würde das auch wissen und sich über die Neulinge und die nachgewiesene Tüchtigkeit von Mutter Sukras Organisation nach nur wenigen Monaten freuen.
Die Hohepriesterin war erfreut — und aufgeregt, obwohl sie davon in ihrer klassisch stoischen Art nichts merken ließ.
Die Lichter verlöschten; bewegende Musik, subtile, beruhigende Unterschalltöne, stimmten ein, und sanftes Licht umschmeichelte Podium und Zuschauer. Sie warf einen Blick auf Mutter Sukra, die sich ein letztesmal im Spiegel betrachtete, ihr langes, safrangelbes Gewand glättete und ihr langes, braunes Haar ordnete. Genau im richtigen Augenblick trat sie hinaus. Es gab kein Pult, keine Kanzel hoch oben; das hätte die von der Hohepriesterin erwartete Wirkung zerstört.
Auf dem nackten Podium wirkte Mutter Sukra schrecklich allein.
An den Wänden standen die Männer und Frauen in langen Gewändern, die Akoluthen, mit rasierten Köpfen, schlicht gekleidet, auf und verbeugten sich vor ihr. Ein Teil des Publikums folgte dem Beispiel, und bald danach standen fast alle. Jene, die sitzenblieben, waren ohnehin nicht diejenigen, zu denen sie sprechen würde. Später, dachte sie. Später würden alle bereitwillig kommen.
»Seid in Frieden!«verkündete Mutter Sukra und erhob ihre Arme zum Himmel.
»Friede den Wesen des Universums, gleichgültig, in welcher Form«, antworteten die Akoluthen und einige Zuschauer.
»An diesem Abend wird uns die Ehre zuteil, durch die Anwesenheit Ihrer Heiligkeit, der Priesterin Yua von der Mutterkirche, ausgezeichnet zu werden«, teilte Sukra überflüssigerweise mit. Die Neugier nach Yua erklärte die hohe Zahl der Anwesenden. Das Publikum bestand ausschließlich aus Menschen, auch etwas, womit zu rechnen gewesen war. Obwohl der Kom-Bund jetzt nicht weniger als sieben Rassen umfaßte, sah man nur drei oder vier davon in großen Städten auf den von Menschen bewohnten Welten und keine in den Tempeln, die sie als rassisch fremdenfeindlich betrachteten. Die Tempel standen zwar allen Rassen offen, aber die Lehre war keine von der Art, die Nichtmenschen etwas geboten hätte.
Es sei denn, man war ein Olympier.
Jedermann wußte Bescheid über die Olympier, aber gleichzeitig wußte niemand viel über sie. Nur wenige hatten jemals einen gesehen; sie waren schweigsam und blieben unter sich. Ihre Welt war eine, auf der niemand ohne Raumanzug leben konnte, aber die Olympier vermochten auf jeder menschlichen Welt zu leben. Sie betrieben ihre eigene Reederei und steuerten ihre eigenen Raumschiffe; der Handel wurde von einem Unternehmen in olympischer Hand mit menschlichem Personal betrieben.
Solche Bedingungen erzeugten bei den Leuten eine unersättliche Neugier, aber das war noch nicht alles. Es hieß, die Olympier seien unfaßbar schöne Frauen; noch keiner hatte einen Mann gesehen. Schöne Frauen mit Schwänzen wie Pferdeschweife, die, so hieß es, alle gleich aussähen.
Auf dieser Grenzerwelt wartete ein vollbesetztes Haus darauf, ein Wesen der Welt Olympus zu sehen, aus dem einfachen Grund, weil die Gemeinde des Schachtes auf Olympus entstanden war; der Muttertempel befand sich dort; und während Menschen die Gemeinde bildeten und Menschen die Tempel führten, konnten allein die Olympierinnen Hohepriesterinnen der Mutterkirche sein.
Endlich war Mutter Sukra fertig, und ihre Stimme nahm einen ehrfürchtigen Tonfall an.
»Heute abend, meine Kinder, haben wir die hohe Ehre, Ihre Heiligkeit, die Hohepriesterin unserer Gemeinde, Yua von Olympus, bei uns zu sehen.«
Die Zuschauer setzten sich erwartungsvoll auf, als Mutter Sukra davonging.
Yua wartete eine halbe Minute, um die Spannung zu steigern, dann schritt sie entschlossen hinaus. Die Lichter verdunkelten sich, und ein Scheinwerfer strahlte eine Stelle in der Mitte und ganz vorne an, eine gleißende Aura erzeugend, in der Yua noch übernatürlicher erschien.
Sie hörte das Flüstern. »Da ist sie!«»Das ist also eine Olympierin.«Sie trug einen Umhang aus feinster Seide oder einem entsprechenden Kunstfasergewebe, mit Blattgold durchwirkt. Er verbarg ihren Körper bis zum Boden, aber selbst den ganz hinten Sitzenden fielen die klassische Schönheit ihres Gesichts und das lange, kastanienbraune Haar auf, das bis zu ihren Hüften herabwallte.
»Seid in Frieden, meine Kinder«, begann Yua. Ihre Stimme klang leise, unfaßbar sanft und sinnlich. »Ich bin hier, um diesen Tempel und seine Gemeinde zu segnen und jenen von Euch, die aus Neugier oder Interesse erschienen sind, von unserem Glauben und unserer Lebensart zu erzählen. Ich komme von einem Planeten, den wir Olympus nennen. Unsere Gründermütter entdeckten die Welt, die dem Kom übergeben wurde, da sie ein Ort war, wo man ohne unbezahlbar teure Veränderungen oder luftdichte Kuppeln nicht überleben kann, ganz ähnlich den toten Welten der Markovier. Aber wir konnten dort überleben, bauen, uns ausdehnen und gedeihen, und das haben wir getan.«
Sie spürte, daß die Zuschauer gebannt waren und jedes Wort aufmerksam verfolgten.
»Wir gleichen Euch, und wir sind von Eurem Stamm, aber wir sind nicht wie Ihr. Wir waren für viele Extreme von Kälte und Hitze unempfindlich, konnten Gifte in fremdartigem Wasser und feindseliger Atmosphäre herausfiltern, und wir brauchen dazu keine Schutzanzüge oder eine besondere Ausrüstung. Hört gut zu. Ich werde Euch die Geschichte unseres Volkes, des unsrigen und Eurigen, und unseres Glaubens erzählen.«
Sie machte eine Pause. Ideal. Niemand regte sich.
»Ihr lebt auf einer Grenzwelt«, fuhr sie fort. »Noch rauh, noch roh. Die meisten, wenn nicht alle von Euch sind unter anderen Sternen geboren. Somit seid Ihr im Weltraum alle weit umhergereist. Ihr wißt von den Ruinen der Markovier auf toten Welten, eine rätselhafte Rasse, die tote Computer tief im Inneren ihrer Planeten und Hüllen von Großstädten ohne künstliche Gegenstände hinterließ. Ihr wißt, daß diese Rasse einst fast die ganze Galaxis besiedelte und daß sie verschwand, lange bevor die Menschheit entstand.«
Manche Köpfe nickten. Das Rätsel der Markovier war inzwischen allen wohlbekannt. Man hatte bei der Ausdehnung der Menschheit Hunderte, vielleicht Tausende toter Welten gefunden. Sie waren alt, unfaßbar alt, unmöglich alt, da sie fast bis zur Entstehung des Alls zurückzugehen schienen.
»Sie stellten die erste Zivilisation dar. Sie wuchsen und dehnten sich aus und erlangten Göttlichkeit. Ihre Computer gaben ihnen alles, was sie je begehren konnten, schon, wenn sie es sich wünschten. Und doch war das nicht genug; sie wurden schal, gelangweilt, unfähig, sich des Lebens zu erfreuen. Und so beschlossen sie, ihre Göttlichkeit aufzugeben, als neue Rassen des Universums von vorne zu beginnen. Sie schufen einen ungeheuer großen Computer, den Schacht der Seelen, setzten ihn in den Mittelpunkt des Alls und erschufen auf dieser Computerwelt neue Rassen: aus sich selbst alle Rassen des Universums. Ihre alte Welt verstummte, während ihre Schöpfungen, auf der Schachtwelt erprobt, die neuen Herren der Schöpfung wurden — darunter unser eigenes Volk. Endlich waren alle fort; sie wurden in unsere Vorfahren verwandelt. Die Markovier waren wir, wir die Markovier.«
Eine Anzahl der Gebildeteren nickte dazu. Es war eine alte Theorie, eine von Tausenden, die man aufgestellt hatte, um das Rätsel der Markovier zu erklären.
»Aber obwohl das Wahrheit ist, denn wir wissen alle davon, bleibt ein Rätsel, die ewige, letzte Frage. Die Markovier entstanden bald nach Anbeginn der Zeit; sie waren die erste Rasse, die Eltern all jener, die danach kamen. Und wenn dem so ist, wer hat die Markovier geschaffen? Im Verlauf der Geschichte kannte die Menschheit — und auch die anderen Rassen, mit denen wir in eine Partnerschaft eingetreten sind — viele Religionen. Die eine hat viele Götter, andere haben einen Gott, aber alle besitzen eine übereinstimmende Vorstellung von der Erschaffung der Welt. Alle haben in ihrem Mittelpunkt einen Hauptgott, einen ersten Beweger: denjenigen, der alles andere geschaffen hat. Es gibt IHN, meine Kinder! Es gibt IHN, und ER ist immer noch hier, beobachtet immer noch unsere Fortschritte und urteilt über uns. Unsere Ersten Mütter kannten IHN, und ER führte sie zum Schacht der Seelen, wo sie zweimal wiedergeboren wurden. Durch die Prinzipien des Schachtes wurden diese Ersten Mütter größer als je zuvor gemacht, und sie und ihre Kinder und Kindeskinder wurden hierher zurückgebracht als lebendes Zeichen dafür, daß Gott existiert, daß der Schacht existiert, daß wir Zustände erreichen können, viel höher als jene, in die wir hineingeboren wurden, wenn wir IHN nur suchen. Denn wenn wir die Wahrheit und seine Größe und Allmacht erkennen, wenn wir IHN finden und nur darum bitten, wird für uns hier ein Paradies entstehen. Und es ist möglich, das zu tun, meine Kinder. Es ist möglich, IHN zu finden, wenn wir nur suchen, und das ist es, was wir tun müssen, alle tun müssen, bis ER gefunden ist. Denn Gott ist unter uns, Kinder!«Ihre Stimme schwoll an. »ER hat aus einem nicht bekannten Grund eine Form wie Eure gewählt. ER könnte heute hier sein, heute abend, neben einem von Euch sitzend, darauf wartend, daß ER gefragt wird, daß man IHN erkennt. Wir kennen seinen Namen. Wir brauchen nur zu fragen. Bei den Ersten Müttern nannte ER sich Nathan Brazil!«Sie waren von der Botschaft tief bewegt und halb überzeugt, aber für manche war es eine Enttäuschung. Alles Rationale war mit einem fragwürdigen Punkt der Logik zu einer Glaubenssache gemacht.
»Bist Du da, HERR? Ist einer von Euch Nathan Brazil?«rief sie. Niemand meldete sich oder machte eine Bewegung. Das war besser als andernorts, wo vereinzelte Spaßvögel sich für Gott ausgegeben und den Gottesdienst gestört hatten. Insgeheim war Yua froh, wenn bei solchen Gelegenheiten niemand sich meldete.
»Unsere Ersten Mütter waren einmal menschlich wie Ihr«, fuhr sie fort. »Durch die Gnade von Nathan Brazil und durch den Schacht der Seelen wurden sie zu etwas anderem: zu Olympierinnen. Wir sind immun gegen Eure Krankheiten und kennen keine eigenen. Wir können bei weit unter Null behaglich unbekleidet sein, und für den Siedepunkt des Wassers gilt dasselbe. Wir sehen Farben, die ihr nicht seht, hören Geräusche, die ihr nicht hört, und unsere Stärke ist die von zehn gewöhnlichen Frauen. Wenn die Atmosphäre vorwiegend aus Chlor besteht, atmen wir sie. Wenn sie hauptsächlich aus Kohlenmonoxyd ist, atmen wir sie. Wenn sie aus Wasser besteht, atmen wir sie. Selbst im Vakuum des Weltraums können wir überleben; wir speichern, was wir für stundenlanges Verweilen bei Temperaturen benötigen, die jeden anderen erstarren lassen müßten. Betrachtet die Olympierin, das wahre Kind des Schachtes, und schließt Euch unserem heiligen Kreuzzug an!«
Hier wurde der Umhang zurückgeworfen und gab den Blick auf ihre Nacktheit frei. Das Publikum hielt den Atem an.
Sie war 160 Zentimeter groß und sah aus wie siebzehn, die vollkommenste Siebzehn, die man sich vorstellen konnte. Ihr Körper war die Vollkommenheit selbst, die Vereinigung höchst begehrenswerter körperlicher Attribute, wie nur irgendein heranwachsender Mann sie sich für seine Traumfrau ausgedacht hatte. Es war beinahe unmöglich, solche Vollkommenheit zu betrachten und bei Verstand zu bleiben. Und niemand, männlich oder weiblich, Kultmitglied oder bloßer Zuschauer, vermochte den Blick loszureißen. Sie war Eva noch in Eden und mehr, viel mehr. Sie war undenkbar.
Und selbst ihre Bewegungen waren vollkommen, erotisch, fließend und katzenartig. Ihr wallendes, kastanienbraunes Haar schien bis zum Boden zu reichen. Sie drehte sich nach links und rechts, damit alle sie gut sehen konnten.
»Seht das Zeichen der Wahrheit dieser Botschaft!«verkündete sie.
Sie besaß wirklich einen Pferdeschweif. Trotz alledem paßte er auf irgendeine Weise genau zu ihr und schien einfach dorthin zu gehören. Er war lang und buschig und so seidenweich wie das Haar, das darauf herunterfiel. Sie wippte damit ein paarmal, wie um jeden Zweifel an seiner Echtheit zu verscheuchen, obwohl keiner, der ihn sah, auch nur im mindesten daran zweifelte.
»Es gibt keinen anderen Weg, uns zu erklären, keinen anderen Weg, unser Dasein zu akzeptieren, als durch die Annahme der Wahrheit«, erklärte sie. »Kommt also! Kommt zu uns! Sucht Gott und findet IHN, und ER wird Euch das Paradies schenken! Deshalb sind wir hier. Wir von Olympus sind menschlicher Herkunft, aber wir sind zu wenige, viel zu wenige. Nathan Brazil existiert! Selbst unsere Verleumder und der Kom räumen das ein. ER ist nach ihren Unterlagen der älteste lebende Mensch. Ihr könnt das selbst nachprüfen. Kommt zu uns! Schließt Euch unserem Glauben an! Lernt, IHN zu erkennen, IHN zu suchen, und eine Zukunft ewigen Glücks ist Euch sicher!«
Die Zyniker kamen wieder zu sich, obwohl sie den Blick von solch überwältigender Schönheit nicht abwenden konnten.
»Ich verlasse Euch jetzt«, sagte sie. »Geht in Frieden und schließt Euch unserer heiligen Sache an.«
Die Akoluthen schwärmten aus. Später mochten die Beeindruckbaren, die Impulsiven, mit kühler Luft im Gesicht und Zeit zum Überlegen, zu zögern beginnen. Bei ihnen mußte man sofort zupacken. »Sprecht mit den Akoluthen und kommt zu uns, noch heute abend. Ihr könnt Euch die Belohnung kaum vorstellen!«
Und sie war fort. Nur ihr Umhang blieb liegen. Sie ging nicht davon, sie bewegte keinen Muskel — sie verblaßte nur, bis man sie nicht mehr sehen konnte. Nur ihre Stimme blieb zurück.
»Jetzt gleich, meine Kinder! Jetzt! Ich segne Euch alle!«
Die Leute setzten sich in Bewegung. Zuerst vereinzelte, dann mehrere, schließlich viele. Die Bekehrten, das frische Blut, den Weg zu einer Vollkommenheit suchend, wie sie ihnen begegnet war. Ein Teil der Zuschauer ging natürlich — aber die meisten blieben sitzen.
Der Scheinwerfer erlosch. Es blieb auf dem Podium kurze Zeit dunkel, dann verbreitete sich sanftes Licht. Mutter Sukra kam zurück, um jene anzuweisen, die den Wunsch hatten, beizutreten. Von der Hohepriesterin war nichts zu sehen.
Yua, hinter der Bühne, schaute auf die Menge hinaus und spürte Schauder, als sie sah, wie viele Menschen auf die Akoluthen zustrebten. Sie fühlte sich innerlich wohl, so, als hätte sie sehr viel bewirkt. Manchmal sank einem der Mut, wenn trotz allem nur wenige zum Handeln bewegen wurden, aber heute abend weilte der Geist in ihr, und der Geist bewegte die Menschen. Er war gut.
Sie wartete, bis die Luft rein war, dann eilte sie zu ihrer Wohnung unter dem Saal. Sie fühlte sich erschöpft, wie immer nach einer Versammlung.
Auch das junge Paar vor dem Akoluthen ließ den betäubten Fanatismus der anderen Bekehrten erkennen. Noch keine zwanzig, entschied der Tempeldiener, der für solche Dinge ausgebildet war.
»Ihr wollt unserer heiligen Sache beitreten?«fragte er ernsthaft. »Ein Schritt, den man nicht unüberlegt tun darf, aber der erste zur Erlösung.«
»O ja«, stießen sie hervor. »Wir sind bereit.«
»Habt Ihr eine Familie, die für Euch verantwortlich ist?«fragte er.
»Wir sind verheiratet«, versicherte ihm die junge Frau. »Wir haben eine kleine Farm bei Tabak.«
»Sie wollen unabhängig und aus freien Stücken in die Gemeinschaft eintreten?«fuhr der Akoluth fort.
»Das wollen wir«, versicherten die beiden im Chor. »Werden wir… reisen?«setzte der junge Mann hinzu.
Der Akoluth nickte.
»Sie werden viele Orte sehen und vieles erleben.«
»Werden… werden wir sie wiedersehen?«Die Frau seufzte beinah.
»Sie oder ihre Schwestern sind als unsere Lehrerinnen und Führerinnen bei uns«, sagte der Akoluth bejahend.
Das Paar wurde rasch angenommen und an einen förmlicher wirkenden Bearbeiter weitergereicht, der in der Hauptsache dafür verantwortlich war, ihren Schwur zusammen mit ihren Daumenabdrücken auf ein Blatt Papier zu bringen.
Der Vertrag war kein einfacher; fast niemand las ihn durch, und keiner der Akoluthen konnte sich erinnern, daß jemand das Angebot ruhiger Lektüre irgendwann genutzt hätte.
Es kam oft vor, daß die Verträge angefochten wurden, vor allem von Verwandten und Freunden außerhalb der Sekte. Die neuen Mitglieder überschrieben praktisch ihre ganze Habe für alle Ewigkeit der Mutter Kirche. Nach den Kom-Gesetzen konnte ein solcher Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist für nichtig erklärt werden; danach war er bindend, und selbst wenn man später austrat, behielt die Kirche alles.
Es fiel nicht schwer, sich in die Sekte einzufügen. Die schlechten Angewohnheiten, beim Essen wie anderswo, wurden scheel betrachtet, und der Druck der anderen trug zur Anpassung bei, obschon nichts verboten war. Abgesehen von der Einführungszeit brauchte man auch nicht keusch zu bleiben.
Und man tat gute Werke. Für jeden Bekehrer in den Straßen und um die Raumflughäfen der tausend menschlichen Kom-Welten arbeiteten fünf in den ärmsten Nachbarschaften und verschafften den Notleidenden Nahrung, Kleidung und Unterkunft, ohne Fragen zu stellen oder irgendein Vorurteil erkennen zu lassen.
Am achten Tag würde das junge Paar sich einer heiligen und feierlichen Zeremonie unterziehen; in einem heiligen Feuer, das angeblich von Olympus selbst stammte, würde man ihre Kleidung und die alten Habseligkeiten verbrennen, sie würden sich Köpfe und Leiber rasieren lassen und die wallenden Akoluthengewänder anlegen. Danach folgte das religiöse Studium, unterstützt durch Hypnose und alle anderen der Sekte zur Verfügung stehenden Mittel, bis sie sich in die Lehre so vertieft hatten und von der Mutterkirche selbst für die grundlegendsten Dinge so abhängig waren, daß sie sich eine andere Lebensweise nicht mehr vorstellen konnten. Dann würden sie auf die Straßen gehen und jeden Fremden fragen können, ob er — oder sogar sie — Nathan Brazil sei, und die guten Werke der Kirche ausführen.
Der Glaube breitete sich aus, gewiß, aber entmutigend langsam von Welt zu Welt, so langsam, daß keine der Olympierinnen glaubte, innerhalb der eigenen langen Lebensspanne ihn als wahrhaft vorherrschende Kraft zu erleben. Die nicht-menschlichen Rassen zeigten überhaupt kein Interesse; die Vorstellung, daß der eine, wahre Gott es vorziehen sollte, als Mensch herumzulaufen, war überaus beleidigend.
Regierung und Presse fanden am Verhalten der Sekte nichts zu beanstanden und machten sich wegen des langsamen Wachstums auch kaum Sorgen. Man dachte zwar fragend an Olympus und daran, ob diese fremdartigen Superfrauen, deren Welt für niemanden zugänglich war, es mit ihrer Religion ernst meinten oder eine neue und langsame, aber wirkungsvolle Form der Eroberung erprobten, aber selbst wenn dem so sein sollte, würde niemand den Ausgang erleben. Das Problem würde sich anderen stellen, falls nicht etwas geschah, das eine massive Vermehrung der Sektenmitglieder hervorrief. Das räumten selbst die Olympierinnen ein.
Noch keine von ihnen hatte bislang von den Dreel gehört, geschweige denn die mögliche Entwicklung durch sie bedenken können. Noch nicht…