16

Ista eilte unter dem Torbogen hindurch und in den Vorhof und kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der schwitzende und keuchende dy Cabon von seinem Pferd in die Arme eines Soldaten glitt. Der Geistliche taumelte ein paar Schritte weiter, gestützt auf den Krieger, und brach schließlich im schmalen Schatten der Mauer unter dem Mandelbaum zusammen. Besorgt hielt der Soldat eine Hand an dy Cabons Gesicht und sprach mit einem Diener, der eiligst davonrannte. Dy Cabon kämpfte sich aus seinem nur unzureichend tarnenden braunen Überwurf und ließ ihn um sich her auf das blütenblattübersäte Pflaster sinken.

Foix sah beinahe ebenso erhitzt und mitgenommen aus. Er sprang von seinem Pferd, ließ die Zügel fahren und trat an die Seite des Geistlichen.

»Verflucht, Foix«, stieß dy Cabon schnaufend hervor und starrte zu ihm hinauf. »Ich hab Euch doch gesagt, Ihr sollt nicht mit diesem Ding herumspielen!«

»Gut«, knurrte Foix. »Dann reitet doch zurück und legt Euch dort an den Straßenrand, als Futter für die jokonischen Hunde, wenn Euch das lieber ist. Das Rudel könnte einen ganzen Monat davon zehren.«

Der Dienstbote kehrte zurück, und auf einen Wink des Soldaten kippte er einen Eimer Wasser langsam über dy Cabons Kopf, tränkte dessen schmutzige weiße Robe. Dy Cabon wich nicht zurück, und er beschwerte sich nicht. Er saß einfach nur schlaff da, hob das Kinn und öffnete den Mund.

Foix nickte dankbar und nahm einen Blechbecher mit Wasser entgegen, den ein anderer Diener ihm aus einem zweiten Eimer anbot. Er stürzte ihn herunter, schöpfte einen zweiten und einen dritten Becher und wiederholte das Ganze. Mit mürrischer Miene füllte er dann einen weiteren Becher, ließ sich neben dy Cabon nieder und hielt den Becher an die Lippen des Geistlichen. Mit zitternder Hand griff dy Cabon danach und trank lautstark.

Der Soldat grüßte Ista respektvoll, als sie näher kam, und flüsterte ihr zu: »Der Mann steht kurz vor einem Hitzschlag. Ein schlechtes Zeichen, wenn ein so fülliger Mann zu schwitzen aufhört. Aber macht Euch keine Sorgen, Majestät, das bekommen wir schon in Ordnung.«

Foix’ Kopf fuhr herum. »Majestät!«, rief er. »Den Göttern sei Dank! Ich küsse Eure Hände, ich küsse Eure Füße!« Er schob einen weiteren Becher mit Wasser in dy Cabons Hände und ließ sich dann vor Ista auf ein Knie fallen, griff nach ihren Händen und küsste beide Handrücken. »Ah!« Dann drückte er die Hände weniger förmlich, aber in tief empfundener Freude, gegen seine schweißnasse Stirn. Er stand nicht sofort wieder auf, sondern setzte sich keuchend, mit übereinander geschlagenen Beinen, auf den Boden. Für einen kurzen Augenblick der Entspannung ließ er die breiten Schultern sinken.

Er grinste zu Liss empor, die an Istas Seite stand. »So, du hast es also auch hierhin geschafft. Hätte ich wissen sollen.«

Sie erwiderte das Grinsen. »Ja, hättest du.«

»Seit Maradi jagen wir durch die Staubwolke, die du hinterlassen hast. Aus irgendwelchen Gründen waren die schnellsten Pferde immer schon weg.«

Ihr Grinsen wurde fröhlicher.

Er blinzelte. »Hübsches Kleid. Was für eine Veränderung.«

Verlegen zog sie sich ein wenig zurück. »Das ist nur geliehen.«

Hufschlag ertönte. Foix hob den Blick und kämpfte sich auf die Füße. Flankiert von einem weiteren Berittenen trabte Lord Arhys auf seinem gefleckten Grauen durch den Torbogen. Er schwang sich vom Pferd und warf einem Reitknecht die Zügel zu.

»So, Majestät.« Arhys wandte sich Ista zu, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ich denke, Eure Vermissten sind zu Euch zurückgekehrt.«

Foix verneigte sich kurz. »Nur Dank Eurer Hilfe, Herr. Ich hatte keine Zeit, mich da draußen vorzustellen. Foix dy Gura, zu Euren Diensten.«

»Selbst wenn ich nicht bereits Euren Bruder kennen gelernt hätte, wären Euer Schwert und Eure Feinde Empfehlung genug. Arhys dy Lutez, Herr von Porifors. Ich werde noch Gelegenheit haben, Euch höflicher zu begrüßen, aber erst einmal muss ich mich um meine Kundschafter kümmern. Diese Jokoner hätten nicht da draußen auf dieser Straße sein sollen. Zwei von ihnen konnten wir lebend gefangen nehmen. Ich möchte herausfinden, wie sie ungesehen so nahe herankommen konnten.« Er schaute verdrießlich zu Ista hinüber. »Nun vermisse ich Illvin um so mehr — er beherrschte die roknarische Sprache besser als irgendein anderer hier.« Arhys wies auf den Ritter Pejar, der mit halb geschlossener Tunika und schief sitzendem Schwertgurt in den Vorhof stürzte und seinen zurückgekehrten Offizier begrüßte. »Da kommt einer Eurer Männer. Er kann Euch alles Weitere hier erklären.« Er rief einen Dienstboten herbei. »Sieh zu, dass diese beiden alles bekommen, was sie brauchen, bis ich zurückkehre. Was auch immer Pejar oder die Königin verlangen.«

Mit einer angedeuteten Verbeugung bestätigte der Diener den Befehl. Arhys warf einen misstrauischen Blick auf dy Cabon, der immer noch durchnässt auf dem Pflaster saß. Der Geistliche machte eine erschöpfte Bewegung mit der Hand, ein halbherziger Segen, der weitere Höflichkeiten für einen späteren Zeitpunkt ankündigte.

Arhys wandte sich wieder seinem Pferd zu, doch Ista fasste ihn am Ärmel, und er hielt inne. Sie griff empor und berührte seine Tunika, die an der rechten Schulter zerrissen und blutig war. Sie tastete durch den Riss und ließ die Finger über seine kühle, unverletzte Haut gleiten. Dann drehte sie ihre Hand dicht vor seinen Augen um und ließ ihn einen Blick auf die dunkelroten Flecken werfen. »Sobald Ihr einen Augenblick Zeit habt, Graf, solltet Ihr Euch die Verletzung Eures Bruders ansehen. Die neue Verletzung Eures Bruders.«

Erschrocken begegnete er ihrem ausdruckslosen Blick und zuckte zusammen. »Ich verstehe.«

»Bis dahin reitet vorsichtig. Tragt Eure Rüstung.«

»Wir hatten es eilig …« Er betastete den Riss und blickte noch finsterer drein. »Ja, gut.« Mit einem grimmigen Nicken in ihre Richtung schwang er sich wieder auf sein tänzelndes Pferd, bedeutete seinen Männern, ihm zu folgen, und ritt in leichtem Galopp aus der Burg.

Foix blickte sich um und sah zurück auf Pejar. Der schaute besorgt drein. »Ist Ferda hier? Geht es ihm gut?«

»Gut, Herr, aber er ist auf der Suche nach Euch«, antwortete Pejar. »Vermutlich hat er inzwischen Maradi erreicht. Ich nehme an, in einigen Tagen wird er vollends im Kreis geritten sein, hier wieder auftauchen und über die abgenutzten Hufeisen fluchen.«

Foix verzog das Gesicht. »Ich hoffe, er nimmt nicht dieselbe Straße wie wir. Die war nicht ganz so, wie ich es nach den Worten des Grafen von Oby vermutet hätte.«

Warum bist du nicht im Tempel in Maradi?, hätte Ista am liebsten gefragt, stellte es aber zunächst einmal hintan. Foix’ Seele war ebenso kräftig und fest wie die von Liss, doch Istas innerem Auge schien es, als lauere ein bärenförmiger Schatten in seinen Eingeweiden. Die Kreatur spürte offenbar ihren prüfenden Blick, denn sie rollte sich enger zusammen wie zum Winterschlaf. Ista winkte den bereitstehenden Dienstboten heran. »Sieh zu, dass diese Männer Gelegenheit bekommen, sich auszuruhen, insbesondere der Geistliche, und gib ihnen Gemach in meiner Nähe.«

»Jawohl, Majestät.«

An Foix gewandt, fügte Ista hinzu: »Wir müssen uns unterhalten. Lasst euch von Pejar zu mir in den steinernen Innenhof führen, sobald ihr ein wenig zu Kräften gekommen seid.«

»Jawohl«, sagte er eifrig. »Wir müssen unbedingt hören, was Ihr zu erzählen habt. Lord Arhys’ Hinterhalt war gestern in Oby in aller Munde.«

Ista seufzte. »Seither ist so viel Bedeutsames und Unheilvolles geschehen, dass ich diesen Hinterhalt beinahe schon vergessen hätte.«

Er hob die Brauen. »Wenn das so ist, werden wir an Eure Seite eilen.«

Mit einer Verbeugung wandte er sich um und half dem Dienstboten, dy Cabon wieder auf die Füße zu bringen. Foix schien sehr geübt darin, als wäre es ihm zur zweiten Natur geworden, den fülligen Mann hochzuhieven und in Bewegung zu setzen. Der durchnässte Geistliche tropfte nicht so sehr, sondern schien vielmehr zu dampfen. Anscheinend aber erholte er sich allmählich von seiner anfänglichen Erschöpfung.

Cattilaras leichte Schritte erklangen im Torbogen. Die Männer blickten auf. Trotz seiner Überhitzung und Schwäche war dy Cabon von Cattilara anscheinend ebenso eingenommen wie die meisten anderen Männer. Jedenfalls lächelte er ihr gleichermaßen dümmlich zu. Foix blinzelte und erstarrte.

»Wo ist mein Gemahl?«, wollte Cattilara ängstlich wissen.

»Er ist wieder mit seinen Kundschaftern ausgeritten«, sagte Ista. »Wie es scheint, hat der Speerstoß, den wir beobachten konnten, ein anderes Ziel gefunden.«

Cattilara riss die Augen auf und drehte den Kopf in Richtung des steinernen Innenhofs.

»Ja«, sagte Ista. »Wie auch immer, er ist jetzt versorgt.«

»Oh. Gut.«

Cattilaras erleichterter Seufzer kam nach Istas Ansicht ein wenig voreilig. Das Mädchen hatte nicht alles zu Ende gedacht. Aber das würde sie noch. »Lord Arhys wird bis zur Mittagsstunde zurückkehren, kein Zweifel.«

Cattilara schaute sie kurz an, die Lippen zusammengekniffen.

Ista fuhr fort: »Lady Cattilara dy Lutez, Gräfin von Porifors, darf ich Euch meinen geistlichen Beistand vorstellen, Hochwürden Chivar dy Cabon, und Foix dy Gura, einen Ritter aus dem Orden der Tochter. Seinen Hauptmann und Bruder Ferda habt Ihr bereits kennen gelernt.«

»O ja.« Cattilara machte einen Knicks. »Willkommen auf Porifors.« Sie erwiderte Foix’ unsicheren Blick. Einen Augenblick standen sie einander gegenüber wie zwei Katzen mit gesträubtem Fell. In Istas Gegenwart waren die beiden dämonischen Schatten in ihrem Innern so dicht zusammengeballt, dass man kaum sagen konnte, wie sie auf die gegenseitige Nähe reagierten. Aber es schien nicht eben eine erfreute Begrüßung zu sein. Liss’ Gesicht hellte sich ein wenig auf, als sie bemerkte, dass Foix nicht die übliche männliche Reaktion auf die hübsche Gräfin zeigte.

Ista fügte mit einer Geste zu den abwartenden Dienstboten und in wohl überlegter Betonung hinzu: »Lord Arhys hat diesen Mann angewiesen, sich um die Bedürfnisse der neuen Gäste zu kümmern. Der Geistliche ist sehr erschöpft und von der Hitze geschwächt. Man sollte sich sofort seiner annehmen.«

»O ja«, stimmte Cattilara zu. »Bitte fahrt fort. Ich werde … Euch später noch angemessen willkommen heißen.« Sie vollführte einen Knicks, und Foix brachte eine Verbeugung zustande. Dann eilte sie die Treppe hinauf und verschwand. Foix und dy Cabon folgten dem Dienstboten und Pejar durch den Torbogen, vermutlich dahin, wo die Ritter der Tochter untergebracht waren.

Voller Unbehagen beobachtete Ista Cattilaras Abgang. Plötzlich fühlte sie sich an Lord dy Cazarils Aussage erinnert, dass den Dämonen langsamere Möglichkeiten zu Gebote standen, ihren Wirt zu ermorden. Tumore zum Beispiel. War vielleicht schon einer im Wachstum begriffen? Sie suchte in Cattilaras Seelensubstanz danach, nach irgendeinem schwarzen Fleck, voll Chaos und Verfall. Die Seele des Mädchens war derart aufgewühlt, dass man kaum sicher sein konnte. Ista stellte sich vor, was geschehen konnte — wie die leidenschaftliche Cattilara, verrückt vor verzweifelter Hoffnung, darauf bestand, dass die Symptome Anzeichen ihrer ersehnten Schwangerschaft waren. Wie sie eifersüchtig einen Leib behütete, der zusehends anschwoll, aber nicht vor Leben, sondern vor Tod … Ista erschauerte.

Illvin hat Recht. Wir müssen einen besseren Weg finden. Und zwar bald.

Es dauerte nicht einmal eine Stunde, bis die beiden Herumtreiber wieder bei Ista im steinernen Innenhof waren. Beide wirkten merklich erholt. Offensichtlich hatten sie ein behelfsmäßiges Bad erhalten, mit Güssen aus Eimern und häufigem Untertauchen. Ista zu Ehren hatten sie sich ein wenig zurechtgemacht, auch wenn sie immer noch abgerissen wirkten, mit nassen gekämmten Haaren und in trockener Kleidung, die zwar nicht gerade sauber war, aber zumindest weniger schweißbefleckt.

Ista winkte den Geistlichen auf eine steinerne Bank im Schatten des Säulengangs und ließ sich an seiner Seite nieder. Foix und Liss nahmen zu ihren Füßen Platz. Einen Augenblick verbrachte Liss damit, die ihr unvertrauten Röcke ein wenig ordentlicher zurechtzuzupfen.

»Majestät, erzählt uns von der Schlacht«, begann Foix eifrig.

»Euer Bruder hat mehr davon erlebt. Lasst es Euch von ihm berichten, wenn er zurückkehrt. Ich würde gern zuerst Eure Geschichte hören. Was ist geschehen, nachdem wir Euch auf der Straße zurückgelassen haben?«

»Zurückgelassen? Das würde ich nicht sagen«, widersprach dy Cabon. »Sagt lieber gerettet. Euer Versteck hat funktioniert, oder der Gott hat die Gebete in meinem Herzen erhört. Und in meinen Eingeweiden. Ich habe nicht einmal laut zu flüstern gewagt.«

Foix schnaubte zustimmend. »Ja. Das war eine hässliche Stunde, als wir in dem kalten Wasser kauerten. Jetzt im Rückblick wirkt das viel angenehmer. Wir hörten, wie die Jokoner über uns hinwegdonnerten. Schließlich krochen wir aus dem Durchlassrohr heraus und schlugen uns ins Gebüsch. Wir haben versucht, Euch zu folgen und zugleich außer Sichtweite der Straße zu bleiben. Das war eine Kletterei! Als wir das Dorf an der Kreuzung erreichten, war es bereits dunkel, und die bedauernswerten Dorfbewohner schlichen eben erst zu ihren Häusern zurück. Ein gutes Stück ärmer, nachdem die Heuschrecken aus Jokona durchgezogen waren, aber es hätte auch viel schlimmer kommen können. Zuerst hatten sie Liss offenbar für eine Verrückte gehalten, aber zu der Zeit fingen sie schon an, sie als Heilige zu preisen, die von der Tochter selbst geschickt worden war.«

Liss grinste. »Ich habe mich bestimmt wie eine Wahnsinnige angehört, als ich zuerst kreischend ins Dorf geritten kam. Den Göttern sei Dank für meinen Wappenrock der Kanzlei. Ich bin froh, dass sie auf mich gehört haben. Ich habe nicht abgewartet, um mich zu vergewissern.«

»Das haben wir gehört. Dy Cabon war fast am Ende, als wir eintrafen …«

»Ihr wart auch nicht viel besser dran«, murmelte der Geistliche.

»… also haben wir für die Nacht ihre Gastfreundschaft in Anspruch genommen. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie Leute, die selbst so wenig haben, das Wenige noch mit Fremden teilen. Die fünf Götter mögen sie dafür segnen.

Ich konnte sie überreden, dem Geistlichen ein Maultier zu leihen. Sie schickten allerdings einen Jungen mit, um sicherzugehen, dass sie das Tier wieder sehen. Wir brachen dann am Morgen nach Maradi auf, hinter Liss her. Ich wäre lieber Euch gefolgt, Majestät, aber nicht so schlecht ausgerüstet, wie wir waren. Ich wollte eine Armee. Die Göttin muss mich erhört haben, denn einige Stunden später fanden wir eine, die uns die Straße entlang entgegenkam. Der Herzog von Tolnoxo stellte uns Reittiere zur Verfügung. Ihr könnt mir glauben — ich war wie begeistert, mich seiner Truppe anzuschließen. Wir hätten einige Schritte sparen können, hätten wir im Dorf auf sie gewartet, denn am Nachmittag kamen wir dorthin zurück. Brachten ihnen ihr Maultier wieder, was den Eigentümer sehr freute.« Er blickte dy Cabon an. »Vielleicht hätte ich dy Cabon zum Tempel in Maradi schicken sollen. Er hätte dort womöglich Liss einholen können. Aber er wollte sich nicht von mir trennen.«

Dy Cabon nickte zustimmend und sagte widerstrebend und leise: »Zwei jämmerliche Tage habe ich in dy Tolnoxos Tross verschwendet. Anschließend waren sämtliche Körperteile von mir, die mit dem Sattel in Berührung kamen, wund geklopft. Aber selbst ich konnte merken, dass wir zu langsam vorankamen.«

»Allerdings, so sehr ich mich auch darüber beklagt habe.« Foix verzog das Gesicht. »An der Grenze gaben die Tolnoxer auf. Sie behaupteten, die Truppe aus Jokona würde sich in Dutzende von Grüppchen aufteilen und überall verstreuen, und nur die Männer aus Caribastos, die sich in ihrem eigenen Land auskannten, könnten sie noch einfangen. Ich führte an, dass wir nur einer einzigen Gruppe folgen müssten. Dy Tolnoxo stellte es mir frei, mir ein Pferd zu nehmen und es zu versuchen. Ich hätte es beinahe getan, nur um ihn zu beschämen. Hätte ich vielleicht tun sollen — ich wäre womöglich rechtzeitig zu Lord Arhys’ Willkommensfeier erschienen. Aber der Geistliche war verrückt danach, mich zurück nach Maradi zu schaffen. Und ich war besorgt wegen Liss, daher ließ ich mich überreden.«

»Nicht verrückt«, stritt dy Cabon ab. »Ebenfalls besorgt, und das zu Recht. Ich habe diese Fliegen gesehen.«

Foix schmollte erbost. »Wann hört Ihr endlich von diesen verflixten Fliegen auf? Das waren nicht die geliebten Haustiere von irgendwem. Auf dem Misthaufen, von dem sie kamen, gibt es noch Millionen mehr. Es herrscht kein Mangel an Fliegen in Tolnoxo. Kein Grund, sie zu rationieren!«

»Darum geht es nicht, und das wisst Ihr genau.«

»Fliegen …?«, fragte Liss verwirrt.

Dy Cabon wandte sich ihr zu und erklärte: »Es geschah, nachdem wir dy Tolnoxos Truppe verlassen hatten und die Einrichtungen des Tempels in Maradi erreichten. Am Morgen darauf. Ich kam in Foix’ Schlafgemach und sah, wie er ein Dutzend Fliegen drillte.«

Liss rümpfte die Nase. »Igitt. Wurden sie nicht zerquetscht?«

»Nein, sie marschierten herum. In Paradeformation, vor und zurück über den Tisch. In Reih und Glied.«

»Fleißige Fliegen«, warf Foix halblaut ein.

»Er machte Versuche mit seinem Dämon«, stellte dy Cabon fest. »Obwohl ich ihm klipp und klar gesagt hatte, er solle die Finger davon lassen!«

»Es waren nur Fliegen.« Foix’ verlegenes Grinsen war ein wenig verzerrt. »Obwohl sie sich besser hielten als manche Rekruten, die ich ausgebildet habe.«

»Ihr habt mit Zauberei herumgepfuscht!« Der Geistliche blickte finster. »Und Ihr habt nicht damit aufgehört. Wie habt Ihr die Pferde der Jokoner zum Stolpern gebracht?«

»Ich habe nichts getan, was der Natur des Dämons zuwiderläuft. Ich habe Eure Belehrungen deutlich verstanden — die Götter wissen, dass Ihr sie oft genug wiederholt habt! Ihr könnt nicht behaupten, der Dämon habe nicht willig für so einen Aufruhr und ein solches Chaos gesorgt — was für ein großartiges Durcheinander! Und niemand kann sagen, dass es keinem guten Zweck gedient hätte! Wenn die Zauberer Eures Ordens das tun können, warum dann nicht ich?«

»Die werden ordentlich überwacht und unterwiesen!«

»Die fünf Götter wissen, dass Ihr auch mich überwacht. Zumindest spioniert Ihr mir nach, was auf dasselbe hinausläuft.« Foix zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder seiner Geschichte zu: »In Maradi haben sie uns erzählt, dass Liss zu der Festung Oby geritten ist, in Caribastos, weil sie vermutete, dass sie dort am ehesten auf die Königin stoßen würde — zumindest auf jemanden, der bereit war, hinter ihr herzukommen. Wir folgten ihr also, so schnell ich dy Cabon nur reiten lassen konnte. Zwei Tage, nachdem Liss wieder aufgebrochen war, trafen wir ein, erfuhren aber, dass die Königin gerettet worden war und sich sicher in Porifors aufhielt. Also machten wir einen Tag Rast, damit sich die wund und weich geklopften Körperteile des Geistlichen erholen konnten …«

»Und die Euren«, murmelte dy Cabon.

»Dann machten auch wir uns auf den Weg nach Porifors«, überging Foix den Einwand, »auf einer Straße, die uns der Graf von Oby als vollkommen sicher und nicht zu verfehlen beschrieb. Der zweite Teil seiner Versicherung erwies sich als zutreffend. Bei den Tränen der Tochter, ich dachte schon, die Jokoner wären zurückgekehrt und wollten Revanche, und wir würden diesmal das Rennen verlieren, schon in Sichtweite unserer Zuflucht.«

Mit einer müden Geste rieb dy Cabon sich die Stirn. Ista fragte sich, ob er nach dem gefährlichen Flüssigkeitsverlust an diesem Morgen noch an Kopfschmerzen litt.

»Ich bin besorgt wegen Foix’ Dämon«, sagte sie.

»Ich ebenfalls«, erwiderte dy Cabon. »Ich dachte, der Tempel könnte sich seiner annehmen, aber das sollte nicht sein. Die Kirche des Bastards hat ihre Heilige in Rauma verloren.«

»Wen?«, fragte Ista.

»Die Geweihte des Gottes in Rauma. Das ist eine Stadt in Ibra, nicht weit von den Bergen an der Grenze. Sie war die lebende Vermittlerin des Gottes für das Wunder — Ihr erinnert Euch an das Frettchen, Majestät? Und was ich Euch darüber erzählt habe?«

»Ja.«

»Bei ungeformten Dämonen, die von Tieren Besitz ergreifen, reicht es aus, das Tier in Anwesenheit eines sterbenden Geistlichen zu töten. Der Dämon wechselt auf den Geistlichen über, und der nimmt ihn dann mit zu seinem Gott.«

»Und das war das Ende des Frettchens«, sagte Ista.

»Armes Ding«, murmelte Liss.

»So ist es«, räumte dy Cabon ein. »Schlimm für das unschuldige Tier, aber was soll man tun? Normalerweise kommt so etwas sehr selten vor.« Er holte tief Luft. »Im vierfältigen Glauben wird man auf eine ganz ähnliche Weise die Zauberer los. Ein Heilmittel, das schlimmer ist als die Krankheit. Aber gelegentlich, sehr selten, gibt es einen Heiligen, der vom Gott mit der Gabe gesegnet ist.«

»Mit welcher Gabe?«, wollte Ista wissen.

»Die Gabe, einen Dämon aus einem menschlichen Wirt herauszureißen und ihn zum Gott zurückzuschicken, und dabei den Menschen am Leben zu lassen. Und das bei unbeschädigter Seele und heilem Verstand … oder zumindest beinahe, wenn alles gut geht.«

»Und was ist der Kniff dabei?«

Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«

Istas Stimme wurde scharf. »Habt Ihr damals auf dem Seminar in Casilchas eigentlich alle Lehrstunden verschlafen, dy Cabon? Ihr sollt mein spiritueller Führer sein! Aber Ihr könnt nicht mal eine Schreibfeder von einer Seite des Blattes zur anderen führen!«

»Da ist kein Kniff dabei!«, sagte er gequält. »Es ist ein Wunder. Man kann Wunder nicht aus Büchern lernen, oder mit Sprüchen herbeirufen.«

Ista biss die Zähne zusammen, zornig und schamerfüllt zugleich. »Ja«, sagte sie leise. »Ich weiß.« Sie lehnte sich zurück. »Also … was geschah mit der Heiligen?«

»Sie wurde ermordet. Von demselben Haufe jokonischer Plünderer, der uns auf der Straße in Tolnoxo überholt hat.«

»Ah«, hauchte Ista. »Diese Geistliche. Ich habe davon gehört. Die uneheliche Halbschwester des Grafen von Rauma, erzählte mir eine der Mitgefangenen.« Vergewaltigt, gefoltert und dann lebendig in den Trümmern des Turmes des Bastards verbrannt. So lohnen die Götter es ihren Dienern.

»Ist sie das?«, sagte dy Cabon interessiert. »Ich meine, war sie …«

Empört warf Liss ein: »Wie lästerlich, eine Heilige zu töten! Lord Arhys meinte, dass von den dreihundert Männern, die aus Jokona aufgebrochen sind, nicht mehr als drei lebend zurückgekehrt sind. Jetzt wissen wir warum!«

»Was für eine Verschwendung.« Der Geistliche schlug die heiligen Zeichen. »Aber wenn das so ist, wurde sie gewiss gerächt.«

»Ich wäre sehr viel mehr beeindruckt von Eurem Gott, dy Cabon«, stieß Ista zwischen den Zähnen hervor, »hätte er im Voraus für den Schutz eines einzigen Lebens sorgen können, anstatt dreihundert Leben im Nachhinein in maßloser Rache zu opfern.« Sie tat einen langen, tiefen Atemzug. »Mein zweites Gesicht ist zurückgekehrt.«

Sein Kopf ruckte herum, und wie gebannt schaute er sie an. »Wie kam es dazu? Und wann?«

Ista schnaubte. »Ihr wart dabei … zumindest beinahe. Ich bezweifle, dass Ihr diesen Traum vergessen habt.«

Sein überhitztes und gerötetes Gesicht wurde noch röter; dann erbleichte er. Was immer er sagen wollte, bekam er nicht heraus. Er setzte erneut an. »Der Traum war wirklich

Ista berührte ihre Stirn. »Der Bastard küsste mich hier, auf die Stirn, wie es einst seine Mutter tat, und betraute mich dabei mit dieser unerwünschten Bürde. Ich hatte Euch gesagt, dass Dinge von äußerster Tragweite hier geschehen sind. Das ist noch das Mindeste davon. Habt Ihr in Oby Gerüchte über eine Prinzessin Umerue gehört, die vor zwei oder drei Monaten hier in Porifors von einem ihrer eigenen Höflinge aus Eifersucht ermordet wurde? Und darüber, wie Sir Illvin dy Arbanos niedergestochen wurde?«

»O ja«, sagte Foix. »Das war der größte Tratsch dort, nächst dem Klatsch über Eure Rettung. Lord dy Oby sagte, es hätte ihm sehr Leid getan, von der Sache mit Lord Illvin zu hören, und dass Lord Arhys ihn sehr vermissen muss. Er kannte die Brüder schon lange, meinte er, schon bevor er Lord Arhys’ Schwiegervater wurde. Er sagte, sie steuerten stets gemeinsam durch diese Region von Caribastos, seit mittlerweile zwanzig Jahren, wie die rechte und die linke Hand eines Mannes an ein und demselben Zügel.«

»Nun, Ihr kennt nicht die wahre Geschichte dieses Verbrechens.«

Foix blickte interessiert, wenn auch zweifelnd drein. Dy Cabon schien besorgt.

»Drei Tage lang habe ich mich durch Lügen und Täuschung gekämpft. Umerue mag vielleicht einmal Prinzessin gewesen sein, doch als sie hierher kam, war sie eine Zauberin, vollkommen verzehrt von einem Dämon. Ausgeschickt, so wurde mir gesagt, um Porifors zum Abfall zu bewegen und einer Person auszuliefern, die dem Hof von Jokona angehört oder ihm nahe steht. Welche Auswirkung das auf den bevorstehenden Feldzug gegen Visping gehabt haben mag — besonders, wenn dieser Verrat erst im ungünstigsten Augenblick enthüllt worden wäre —, überlasse ich Eurer militärischen Vorstellungskraft, Foix.«

Foix nickte bedächtig. Offensichtlich hatte er wenig Schwierigkeiten, diesem ersten Teil der Geschichte zu folgen. Was den nächsten betraf …

»In einer geheimen, verworrenen Balgerei wurden sowohl Umerue wie auch Lord Arhys getötet.«

Dy Cabon blinzelte. »Ihr meint doch nicht etwa Lord Illvin, Majestät? Lord Arhys haben wir gerade gesehen.«

»Ganz recht! Der Dämon ging auf Arhys’ Ehefrau über — aus seiner Sicht war das ein Fehler, wie es scheint, denn sie zwang ihn gleich unter ihre Herrschaft und befahl ihm, Arhys’ losgelöste Seele zurück in dessen Körper zu stecken. Dabei raubte sie die Lebenskraft seines jüngeren Bruders Illvin, um den Leichnam in Bewegung zu halten. Irgendeine verdrehte Art des Todeszaubers — Ihr als Geistlicher mögt die religiöse Bedeutung des Ganzen erläutern, sobald es Euch beliebt. Die Gräfin gab anschließend vor, dass Illvin verletzt worden war, und dass der jokonische Sekretär der Prinzessin diese ermordet hatte. Den Mann schüchterte sie ein, bis er die Flucht ergriff.«

»Das also habe ich gefühlt, als ich sie sah«, flüsterte Foix. Es klang, als wäre ihm eben eine Erleuchtung zuteil geworden. »Ein anderer Dämon.«

»Ich war bei den Aussagen jedes Beteiligten zugegen«, bestätigte Liss. »Es ist alles wahr. Wir haben sogar den Dämon befragt, obwohl es nicht viel erbracht hat. Als Lord Arhys heute Morgen im Kampf von dem jokonischen Lanzenreiter verletzt wurde, erschien der Schnitt an Lord Illvins Körper. Es war unheimlich … Furcht erregend.«

Ista blickte zur Sonne empor und schätzte die kürzer werdenden Schatten im steinernen Innenhof ab. »Bald werdet Ihr mit allen Beteiligten reden und es selbst bezeugen können. Aber hört zu, dy Cabon. Ich weiß nicht, weshalb Euer Gott mich zu diesem leidgeplagten Haus geführt hat. Ich weiß nicht, was oder wen man aus dieser grausigen Entwicklung noch retten kann. Ich weiß allerdings, dass man irgendwann, auf die eine oder andere Weise, diesen Dämon aus Lady Cattilara bannen muss. Er ist begierig zu fliehen, wenn es geht, mit ihrem Körper, doch er würde sie töten, um in einen anderen Leib zu gelangen, wenn er die Gelegenheit dazu erhält. Arhys’ Körper und Geist verfallen bereits. Schlimmer noch, seine Seele könnte bereits verloren sein. Lord Illvin stirbt langsam, denn die Zauberei entzieht ihm mehr Lebenskraft, als sein Körper ersetzen kann. Wenn er stirbt, geht auch sein Bruder, und Cattilara, glaube ich, wird von ihrem Dämon überwältigt.«

Sie hielt inne und holte tief Luft; dann blickte sie in die erschrockenen Gesichter, die sie anstarrten. Keiner von ihnen, wurde ihr mit einem Frösteln klar, starrte sie an, als wäre sie verrückt geworden. Sie alle blickten, als müsse sie ihnen sagen, was als Nächstes zu tun sei.

Das Pochen schwerer Stiefel hallte im Torbogen. Ista schaute auf und sah Lord Arhys eintreten. Er bemerkte sie und ihr kleines Gefolge, trat näher, hielt an, verbeugte sich vor ihr und wirkte überrascht, als alle seine neuen Gäste ihn verunsichert und prüfend musterten.

»Lord Arhys.« Mit einem Nicken nahm sie seine Verbeugung zur Kenntnis. »Ich habe den stellvertretenden Hauptmann meiner Wache und meinen geistlichen Beistand über den wahren Stand der Dinge auf Porifors in Kenntnis gesetzt. Sie müssen Bescheid wissen, damit sie mich auf die bestmögliche Weise beschützen und beraten können.«

»Ich verstehe.« Mit Mühe verwandelte er seine Grimasse zu einem gequälten Lächeln. Er zögerte einen Augenblick, als würde er überlegen, was er sagen sollte — sich für seinen Tod entschuldigen, vielleicht? Dann wechselte er verlegen zu näher liegenden Angelegenheiten. »Ich habe die Kundschafter ausgesandt, aber sie sind noch nicht zurück. Unsere Gefangenen sind zu keiner Zusammenarbeit bereit. Es sieht allerdings so aus, als wäre ihre Patrouille die Vorhut einer größeren Streitmacht. Offenbar hatten sie die Aufgabe, den Austausch von Nachrichten auf der Straße zwischen Porifors und Oby zu unterbinden. Der Angriff auf dy Gura und den Geistlichen war wohl ein wenig voreilig, doch Genaueres konnten wir nicht aus ihnen herauspressen. Wir ergreifen Vorsichtsmaßnahmen … decken die Zisternen ab, warnen die Stadt und schicken Reiter aus, um das Umland zu warnen und zur Wachsamkeit aufzurufen. Von meinen eigenen Leuten, die ich entlang der Grenze postiert habe, habe ich nichts von einer derartigen jokonischen Streitmacht gehört, aber … ich war in den letzten paar Tagen sehr von meinen Pflichten abgelenkt.«

Ista schürzte die Lippen und stieß die Luft aus. »Ein Angriff aus Jokona? Weshalb jetzt?«

Er zuckte die Schultern. »Eine verspätete Vergeltung für den Tod ihrer Prinzessin, vielleicht? Oder ein weniger verspäteter Versuch, die kostbare Beute wiederzuerlangen, die kürzlich verloren gegangen ist.« Ernst blickte er sie an.

Trotz der Hitze schauderte Ista. »Ein solches Ungemach würde ich auf keinen Gastgeber herabbeschwören wollen, am wenigsten auf Euch. Vielleicht sollte ich mich nach Oby zurückziehen.« Davonlaufen? Eine enttäuschend vernünftige Feigheit wäre das. Die Burg hinter sich lassen, die Verwicklungen, die gequälten und umnachteten Seelen, damit sie unter dem wachsenden Gewicht ihrer Fehlentscheidungen, ihres Jammers und ihrer Liebe versanken … Sie konnte davonlaufen. Sie konnte es.

»Vielleicht.« Er nickte ihr vieldeutig zu. »Aber nur, wenn wir uns sicher sein können, dass auf der Straße keine Gefahr mehr droht. Sonst würden wir Euch als bereits ausgepacktes Geschenk in die Hände der Jokoner geben. Ich muss heute Nachmittag noch einmal reiten — ich kann jetzt nicht alles hinter mir lassen. Das müsst Ihr einsehen.« Mit eigentümlichem Ernst fügte er hinzu: »Ihr dürft mich jetzt nicht aufhalten.«

»Da ich nicht einmal wüsste wie«, sagte sie seufzend, »seid Ihr davor erst einmal sicher. Was Euch sonst widerfahren mag, kann ich allerdings nicht sagen.«

»Ich werde mich bald wieder ausruhen müssen …«

»Illvin muss eine Gelegenheit zum Essen erhalten, besonders jetzt«, sagte sie warnend.

»Ich wünsche nichts anderes. Aber zunächst einmal würde ich mir gern seine neue Verletzung anschauen.«

»Das wäre klug.«

Offenbar erwartete er, dass sie ihn begleitete. Also erhob sie sich und stieg hinter ihm die Treppen hinauf. Ihre Leute folgten mit unverhohlener Neugier. Als so viele Personen ins Gemach traten, war Goram beunruhigt. Ista versuchte, ihn mit sanften Worten zu beschwichtigen, doch als Liss ihm freundlich auf die Schulter klopfte, schien ihn das mehr zu trösten. Auf Anweisung des Grafen wickelte er Illvins neuen Verband ab. Die Untersuchung Arhys’ war kurz und sachkundig. Foix und dy Cabon betrachteten mit schüchterner Aufmerksamkeit den blutigen Riss in Arhys’ Tunika. Als der Graf sich abwandte, versammelten sie sich an der Bettkante und lauschten den geflüsterten Erklärungen von Liss.

Arhys’ Hand krampfte sich um den Schwertgriff und löste sich wieder. Er stand mit Ista ein Stück abseits von den anderen und flüsterte ihr zu: »Ich muss gestehen, ich war nicht ganz unglücklich, als diese jokonischen Krieger heute Morgen auf meiner Straße erschienen. Ein Teil von mir hoffte auf einen besseren Tod. Nicht so schmählich wie der erste … weniger schändlich für die Ehre und das Andenken meines Vaters. Nun sehe ich, dass es damit ein Problem gibt.«

»Ja«, sagte Ista.

»Ich fühle mich, als wäre ich in einem finsteren Labyrinth gefangen und könnte nicht mehr den Weg nach draußen finden.«

»Ja«, sagte Ista. »Aber zumindest seid Ihr nicht mehr allein in diesem Labyrinth.«

Sein Lächeln flackerte wieder auf. Er drückte ihre Hand.

»Allerdings. Meine Gesellschaft wächst zusehends, seit die Götter Euch hierher geleitet haben. Das ist ein größerer Trost, als ich erwartet hatte.«

Das Tablett mit den Speisen wurde gebracht. Lord Arhys entschuldigte sich. Ista verließ sich darauf, dass er sicher zu seinem Bett finden würde, ehe sein mittäglicher Zusammenbruch ihn überwältigte. Sie brachte ihre eigenen Leute wieder nach draußen, um Goram Zeit für die notwendigen Arbeiten zu geben. Dy Cabon allerdings wies sie an zu bleiben, zu helfen und zu beobachten.

Sie stützte sich aufs Geländer und verfolgte, wie Lord Arhys unter ihr verschwand, wobei er seine sich auflösende Seele eine feine Rauchwolke hinter sich her zog. Sie rieb sich die Handfläche, die immer noch prickelte, wo er sie berührt hatte.

Ich könnte davonlaufen. Kein anderer hier kann das, aber ich schon.

Wenn ich will.

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