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Nach der Geburt seines Kindes war Jorge nicht mehr der Alte. Er redete nicht viel über das Kind, und wenn er es doch einmal tat, schwang in seiner Stimme eine ruhelose Trauer mit. Auch Zorn, aber den drückte er nicht aus. Aus Jorge, dem sorglosen, unbeschwerten Spaßvogel, war ein düsterer und gequälter Mann geworden, der nur selten redete, es sei denn, man sprach ihn unmittelbar an - und manchmal schwieg er sogar dann.

Es war die größte Schlagzeile in der Zeitung gewesen, und sämtliche lokalen Fernsehsender hatten mehrere Tage lang darüber berichtet. Polizei und Sonderermittler sprachen mit jedem, der mit Jorge und Ynez in Kontakt gekommen sein könnte, verhörten Männer und Frauen aus allen Arbeitsschichten, doch nirgends fand sich eine Spur von »F. Hamlin« - der Krankenschwester, die am Empfang gesessen hatte - noch von den beiden Sanitätern, die Ynez und Jorge zu dem anderen Krankenhaus gefahren hatten. Das Waltzer Community Hospital schien gar nicht zu existieren. Die Behörden fanden keine Aufzeichnungen darüber, und unter den Ärzten gab es niemanden, der von diesem Krankenhaus jemals gehört hatte.

Nach und nach veränderte sich deutlich der Tonfall der zahllosen Artikel und Fernsehmeldungen: Aus Empörung wurde zynischer Unglaube - und letztendlich war Jorges Glaubwürdigkeit völlig ruiniert. Gerüchte machten die Runde, es sei nur eine Frage der Zeit, bis Jorge und Ynez wegen der Verstümmelung ihres Neugeborenen und zahlreicher anderer Straftaten vor Gericht gestellt würden.

Hunt und Edward glaubten ihren Freunden selbstverständlich. Ebenso Beth, Joel und Stacy. Die meisten anderen Kollegen aus dem Baumbeschnitt waren ebenfalls auf Jorges Seite. Nur Len - der vielleicht ein bisschen zu viel Wert darauf legte, nicht nur Steves Posten, sondern auch dessen Rolle zu übernehmen - ließ sich kein Mitleid anmerken.

Eine Woche, nachdem Jorge wieder mit der Arbeit angefangen hatte, erschien er am Morgen nicht im Hof der Landschaftspflegeabteilung. Hunt, der gerade seinen Morgenkaffee trank, wurde über Lautsprecher ausgerufen und zu Len ins Büro bestellt. Jorge sei aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt, erklärte Len, und Hunt werde einem anderen Trupp zugeteilt. Bis auf Weiteres werde er mit Mike Flory zusammenarbeiten. Nachdem Edward nun arbeitsunfähig war und Jorge aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt, fehlte es an Arbeitskräften, also musste Hunt mit Mikes Drei-Mann-Trupp zusammen zwei Trupps zu zwei Mann bilden.

Jorge - aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt.

Hatte Jorge dafür eine Zusatzversicherung abgeschlossen?

Hunt versuchte, seinen Freund anzurufen, doch Jorge schien den Hörer neben die Gabel gelegt zu haben. Als Hunt zum Haus der Marquez fuhr, öffnete ihm dort niemand die Tür.

»Lass ihnen einfach ein bisschen Ruhe«, sagte Beth ihm. »Gib ihnen Zeit.«

»Ja«, pflichtete Hunt ihr bei. Doch er dachte an Edward, der jetzt im Bett lag, zur Untätigkeit verdammt, und an Jorge, der »aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt« war.

Zwei sind schon mal erledigt, dachte Hunt. Bleibt noch einer.

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