Gegen Mittag des nächsten Tages wußte Richard, daß der Stich der Schlingpflanze Fieber hervorrufen würde. Er hatte keinen Appetit. Mal war ihm unerträglich heiß, und die Kleider klebten ihm schweißnaß auf der Haut, dann wieder schüttelte er sich vor Kälte. In seinem Kopf hämmerte der Schmerz, und ihm wurde übel. Es gab nichts, was er hätte tun können, außer Zedd aufzusuchen. Und da sie fast dort waren, beschloß er, Kahlan nichts zu erzählen. Träume hatten seinen Schlaf gestört, ob wegen des Fiebers oder der Dinge, die er erfahren hatte, wußte er nicht. Am meisten beunruhigte ihn, was Shar erzählt hatte: Finde die Antwort oder stirb.
Der Himmel war leicht bewölkt. Das kalte, graue Licht kündigte den Einbruch des Winters an. Dichtstehende, hochgewachsene Bäume hielten den Wind und die Kälte fern und verwandelten den Pfad in eine stille, nach Balsamtannen duftende Oase. Ein Schutz vor dem Hauch des Winters, der über ihren Köpfen hinwegzog.
Sie überquerten einen kleinen Bach in der Nähe eines Biberbaus und stießen auf ein Feld mit späten Wildblumen, deren gelbe und blaue Blüten den Boden einer spärlich bewaldeten Senke bedeckten. Kahlan bückte sich, um einige zu pflücken. Sie fand ein schaufeiförmiges Stück totes Holz und machte sich daran, die Blumen in der Vertiefung des Holzes zu arrangieren. Sie mußte hungrig sein, dachte Richard. In der Nähe stand ein Apfelbaum. Er füllte seinen Rucksack zur Hälfte, während sie sich ihrer Aufgabe widmete. Es war nie verkehrt, Zedd etwas zum Essen mitzubringen.
Richard war eher fertig als Kahlan. An einen Stamm gelehnt, wartete er und fragte sich, was sie tat. Als das Gesteck ihre Zufriedenheit fand, hob sie den Saum ihres Rockes, kniete an dem vom Biberdamm gesteuerten Bach nieder und schob das Stück Holz hinaus aufs Wasser. Sie setzte sich auf die Fersen, legte die gefalteten Hände in den Schoß und verfolgte eine Zeitlang, wie das kleine Blumenfloß auf das stille Wasser hinaustrieb. Als sie sich umdrehte und ihn am Stamm lehnen sah, stand sie auf und kam zu ihm.
»Eine Gabe für die Seelen unserer Mütter«, erklärte sie. »Um sie um Schutz und Hilfe bei der Suche nach dem Zauberer zu bitten.« Kahlan schaute ihm ins Gesicht. Sie wurde besorgt. »Was ist, Richard?«
Er hielt ihr einen Apfel hin. »Nichts. Hier, iß.«
Sofort hatte sie seine Hand zur Seite geschlagen und ihn mit der anderen an der Kehle gepackt. Zorn blitzte in ihren grünen Augen auf. »Warum hast du das getan?« wollte sie wissen.
Der Schock brachte seine Gedanken zum Rasen. Er erstarrte. Irgend etwas riet ihm, sich nicht zu bewegen. »Magst du keine Äpfel? Tut mir leid, ich werde etwas anderes zu essen suchen.«
Die Wut in ihren Augen ließ nach, verwandelte sich in Zweifel. »Wie hast du sie genannt?«
»Äpfel«, sagte er, immer noch, ohne sich zu bewegen. »Kennst du keine Äpfel? Sie schmecken gut, garantiert. Was dachtest du denn, was das ist?«
Sie lockerte ein wenig den Griff. »Du ißt diese … diese Äpfel?«
Richard zwang sich, ruhig zu bleiben. »Ja. Oft.«
Aus Zorn wurde Verlegenheit. Sie ließ von seinem Hals ab und schlug die Hand vor den Mund. »Richard, es tut mir so leid. Ich wußte nicht, daß man diese Dinger essen kann. In den Midlands sind alle roten Früchte tödlich giftig. Ich dachte, du wolltest mich vergiften.«
Richard lachte, und die Anspannung löste sich. Kahlan lachte auch, obwohl sie beteuerte, es sei gar nicht komisch. Er nahm einen Bissen, um es ihr zu beweisen, und bot ihr einen anderen Apfel an. Diesmal nahm sie ihn, besah ihn jedoch lange, bevor sie hineinbiß.
»Hmm, schmeckt wirklich gut.« Kahlan machte ein besorgtes Gesicht und legte ihm die Hand auf die Stirn. »Mit dir stimmt doch was nicht. Du glühst vor Fieber.«
»Ich weiß. Aber wir können nichts unternehmen, bis wir bei Zedd sind. Wir haben es fast geschafft.«
Ein kurzes Stück weiter den Pfad hinauf kam Zedds gedrungenes Haus in Sicht. Ein einzelnes Brett aus dem mit Gras bedeckten Dach diente seiner alten Katze als Rampe, die besser im Hinauf- als im Hinabklettern war. Innen vor den Fenstern hingen weiße Spitzengardinen, davor Blumenkästen. Die Blumen waren vertrocknet und verwelkt. Die Holzwände waren mit der Zeit trist und grau geworden, doch den Besucher empfing eine leuchtend blaue Tür. Abgesehen von der Tür machte das Haus den Eindruck, als wolle es in den Gräsern ringsum versinken, unbemerkt bleiben. Groß war das Haus nicht, aber über die ganze Breite der Vorderseite zog sich eine Veranda.
Zedds ›Denkstuhl‹ war leer. Zedd saß immer so lange in seinem Denkstuhl, bis er das Problem gelöst hatte, das ihn gerade beschäftigte. Einmal hatte er drei Tage hintereinander dort gesessen und dahinterzukommen versucht, warum die Menschen ständig über die Zahl der Sterne stritten. Ihm war das egal. Er fand das unwichtig und fragte sich nur, wieso die Menschen sich solange bei diesem Thema aufhielten. Schließlich war er aufgestanden und hatte verkündet, der Grund sei der, daß jeder zu diesem Punkt seiner tiefsten Überzeugung Ausdruck verleihen könne, ohne befürchten zu müssen, man könne ihn widerlegen. Denn niemand konnte die Antwort wissen. Diese Narren brauchten keinen Widerspruch zu fürchten, wenn sie sich als Experten ausgaben. Die Frage war geklärt, und Zedd war anschließend ins Haus gegangen und hatte glatt drei Stunden lang gespeist.
Richard rief nach ihm, bekam aber keine Antwort. Er lächelte Kahlan an. »Ich wette, er steckt hinten auf seinem Wolkenstein, wo er die neuesten Wolkenformationen studiert.«
»Wolkenstein?« fragte Kahlan.
»Dort steht er am liebsten, wenn er die Wolken beobachtet. Frag mich nicht, warum. Seit ich ihn kenne, läuft er los, sobald er eine interessante Wolke sieht, und beobachtet sie von diesem Felsen aus.« Richard war mit diesem Felsen aufgewachsen und fand das Verhalten nicht seltsam. Es gehörte einfach zu dem Alten dazu. Aber Zedd hatte auch seine Überspanntheiten.
Die beiden liefen durch das hohe, wilde Gras, das das Haus umgab, dann einen Hang hinauf zur Kuppe eines kleinen, kahlen Hügels, auf dem der Wolkenstein stand. Zedd stand, mit dem gekrümmten Rücken zu ihnen, auf dem flachen Felsen und streckte seine spindeldürren Arme aus. Sein welliges, weißes Haar fiel hinten herab, da er den Kopf mit prüfendem Blick in den Nacken gelegt hatte.
Zedd war splitternackt.
Richard verdrehte die Augen, Kahlan senkte den Blick. Seine blasse, ledrige Haut, die lose über die vorspringenden Knochen drapiert schien, verlieh ihm das Aussehen eines trockenen, spröden Ästchens. Aber wie Richard wußte, war er alles andere als spröde. Seine Hinterbacken ließen jede Polsterung vermissen, und die Haut dort hing schlaff herab.
Er hob einen knorrigen Finger und deutete in den Himmel. »Ich wußte, du würdest kommen, Richard.« Seine Stimme war so dünn wie alles an ihm.
Der schlichte, schmucklose Umhang, der seine einzige Kleidung bildete, lag hinter ihm. Richard bückte sich und hob ihn auf, während Kahlan sich umdrehte, um jede weitere Peinlichkeit zu vermeiden. »Zedd, wir sind nicht allein. Zieh dich an.«
»Weißt du, woher ich das wußte?« Noch immer rührte er sich nicht.
»Ich würde sagen, es hat etwas mit der Wolke zu tun, die mir die letzten paar Tage gefolgt ist. Hier, ich helfe dir beim Anziehen.«
Zedd fuchtelte aufgeregt mit den Armen herum. »Tage! Blödsinn! Richard, diese Wolke folgt dir schon seit drei Wochen, seit dem Tod deines Vaters! Ich habe dich seit Georges Tode nicht mehr gesehen. Wo hast du gesteckt? Ich habe überall nach dir gesucht. Wenn du es dir in den Kopf gesetzt hast, dich zu verstecken, findet man eher eine Nadel in einem Heuhaufen als dich!«
»Ich hatte zu tun. Halt die Arme hoch, damit ich dir das anziehen kann.« Richard stülpte den Umhang über Zedds ausgestreckte Arme und half ihm, den faltigen Stoff über den schmächtigen Körper zu ziehen, während der alte Mann sich in das Kleidungsstück wand.
»Du hattest zu tun! Und du konntest nicht einmal ab und an einen Blick in den Himmel werfen? Verdammt, Richard. Weißt du, woher diese Wolke kommt?« Zedd hatte die Augen besorgt aufgerissen, die Brauen hochgezogen und die Stirn in Falten gelegt.
»Laß das Fluchen«, sagte Richard. »Ich würde sagen, die Wolke kommt aus D'Hara.«
Zedd riß die Arme in die Höhe. »D'Hara! Eben! Sehr gut, mein Junge! Und jetzt verrate mir, woran du das siehst. An ihrer Substanz? Ihrer Dichte?« Zedd wurde immer aufgeregter, zappelte in seinem Umhang herum, der einfach nicht richtig sitzen wollte.
»Weder noch. Diese Vermutung beruht auf anderem Wissen, wie schon gesagt, Zedd, wir haben Gesellschaft.«
»Ja, ja. Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden.« Die Angelegenheit war mit einer Handbewegung erledigt. »Anderes Wissen, sagst du.« Er strich über sein glattes Kinn. »Das ist gut! Wirklich ausgezeichnet! Hat dir dieses Wissen auch verraten, was für eine üble Geschichte dies ist? Ja, natürlich, das hat es«, beantwortete er die Frage gleich selbst. »Wieso schwitzt du so?« Er legte Richard seine astdürren Finger auf die Stirn. »Du hast Fieber«, verkündete er. »Hast du mir was zu essen mitgebracht?«
Richard hatte bereits einen Apfel in der Hand. Er hatte gewußt, Zedd würde Hunger haben. Zedd hatte immer Hunger. Wie besessen schlug der Alte seine Zähne in den Apfel.
»Zedd, bitte hör zu. Ich brauche deine Hilfe.«
Zedd legte Richard seine dürren Finger an die Schläfe und hob mit dem Daumen ein Lid, derweil er auf einem Apfelbissen herumkaute. Er beugte sein scharfgeschnittenes Gesicht vor, linste Richard ins Auge, dann wiederholte den Vorgang mit dem anderen. »Ich höre dir immer zu, Richard.« Er nahm Richards Handgelenk und fühlte seinen Puls. »Ich gebe dir recht, du steckst in Schwierigkeiten. In drei, vielleicht vier Stunden, mehr nicht, wirst du das Bewußtsein verlieren.«
Richard war bestürzt, und auch Kahlan wirkte besorgt. Zedd kannte sich mit Fieber aus und stellte nie solche präzisen Prognosen, wenn sie sich nicht erfüllten. Richards Beine hatten sich schwach angefühlt, seit er unter Frösteln aufgewacht war. Von allein würde es nicht besser werden. »Kannst du mir helfen?«
»Vielleicht. Kommt auf die Ursache an. Und jetzt benimm dich endlich und stell mich deiner Freundin vor.«
»Zedd, das ist Kahlan Amnell. Wir sind Freunde…«
Der Alte sah ihm tief in die Augen. »Ach? Dann habe ich mich also geirrt? Sie ist gar kein richtiges Mädchen?« Zedd lachte kehlig. Über seinen Scherz grinsend, schlurfte er zu Kahlan, verbeugte sich dramatisch bis zur Hüfte, hob ihre Hand ein winziges Stück, küßte sie ganz leicht und sagte »Zeddicus Zu'l Zorander, ganz Euer ergebener Diener, meine liebe junge Lady«. Er richtete sich auf und sah ihr ins Gesicht. Als sich ihre Augen trafen, verdampfte sein Lächeln, und seine Augen weiteten sich. Sein lebhaftes Gesicht wurde wütend. Er ließ ihre Hand los, als hätte er versehentlich eine giftige Schlange berührt. Zedd wirbelte zu Richard herum.
»Was hast du mit diesem Wesen zu schaffen?«
Kahlan blieb gelassen. Richard war entsetzt. »Aber Zedd…«
»Hat sie dich berührt?«
»Na ja, ich…« Richard versuchte sich zu erinnern, wie sie ihn berührt hatte, als Zedd ihn erneut unterbrach.
»Nein, natürlich nicht. Das hat sie nicht, das sehe ich. Richard, weißt du, was sie ist?« Er drehte sich zu ihr. »Sie ist eine…«
Kahlan warf Zedd einen kaltwütigen Blick zu, und er verstummte auf der Stelle.
Richard sprach ruhig, aber entschieden. »Ich weiß genau, was sie ist, sie ist eine Freundin von mir. Eine Freundin, die mich gestern davor bewahrt hat, ermordet zu werden wie mein Vater, und die mir dann noch einmal gegen ein Monster namens Gar das Leben gerettet hat.« Kahlans Gesicht entspannte sich. Der Alte starrte sie noch eine Weile an, bevor er sich wieder Richard zuwandte. »Zedd, Kahlan ist eine Freundin. Wir stecken beide tief in Schwierigkeiten und sind aufeinander angewiesen.«
Zedd stand da und schwieg, sah Richard suchend in die Augen. Er nickte. »Schwierigkeiten, in der Tat.«
»Zedd, wir brauchen deine Hilfe. Bitte.« Kahlan trat vor und stellte sich neben ihn. »Wir haben nicht viel Zeit.« Zedd erweckte nicht den Eindruck, als wollte er etwas damit zu tun haben. Richard fuhr dennoch fort und beobachtete Zedds Augen. »Nachdem ich sie gestern gefunden hatte, wurde sie von einem Quadron attackiert. Bald wird das nächste kommen.« Er fand, wonach er gesucht hatte: ein rasches Aufblitzen von Haß, das sich in Mitgefühl verwandelte.
Zedd betrachtete Kahlan, als sähe er sie zum ersten Mal. Lange standen die beiden sich gegenüber. Als das Quadron erwähnt wurde, bekam ihr Gesichtsausdruck etwas Gequältes. Zedd trat zu ihr, legte seine spindeldürren Arme schützend um sie und drückte ihren Kopf sacht an seine Schulter. Sie umarmte ihn dankbar und vergrub ihren Kopf in seinem Gewand, um ihre Tränen zu verbergen. »Schon gut, meine Liebe, hier bist du sicher«, sagte er sanft. »Gehen wir hinunter zum Haus, dann kannst du mir von den Schwierigkeiten erzählen. Danach müssen wir uns um Richards Fieber kümmern.« Sie nickte, den Kopf noch immer an seiner Schulter.
Kahlan löste sich von ihm. »Zeddicus Zu'l Zorander. Einen solchen Namen habe ich noch nie gehört.«
Er lächelte stolz; seine schmalen Lippen legten seine Wangen in tiefe Falten. »Davon bin ich überzeugt, meine Liebe, davon bin ich überzeugt. Übrigens, kannst du kochen?« Er legte ihr den Arm um die Schulter und drückte sie an sich, während sie den Hang hinuntergingen. »Ich bin hungrig und habe schon seit Jahren nicht mehr vernünftig warm gegessen.« Er warf einen Blick hinter sich. »Komm, Richard. Solange du noch kannst.«
»Wenn du Richard gegen das Fieber hilfst, mache ich dir einen großen Topf Gewürzsuppe«, bot sie an.
»Gewürzsuppe!« Zedd war entzückt. »Seit Jahren hatte ich keine richtige Gewürzsuppe mehr. Richards ist katastrophal schlecht.«
Richard trottete hinterher. Die emotionale Anspannung hatte ihm die letzte Kraft geraubt. Zedds lässiger Umgang mit dem Fieber machte ihm angst, auch wenn sein alter Freund ihm auf diese Weise die Furcht von der Ernsthaftigkeit der Angelegenheit nehmen wollte. Er spürte den Pulsschlag in seiner entzündeten Hand.
Zedd stammte aus den Midlands, daher hatte Richard angenommen, er könnte durch die Erwähnung des Quadrons sein Mitgefühl gewinnen. Er war erleichtert, wenn auch ein wenig überrascht, daß die beiden plötzlich so freundlich zueinander waren. Im Gehen berührte er den Zahn, um sich zu vergewissern, ob er noch da war.
Trotz allem beunruhigte ihn, was er gerade erfahren hatte.
An einer der hinteren Ecken des Hauses stand ein Tisch, an dem Zedd bei gutem Wetter gerne seine Mahlzeiten zu sich nahm. Auf diese Weise konnte er beim Essen die Wolken im Auge behalten. Zedd setzte die beiden nebeneinander auf eine Bank und ging ins Haus, um Karotten, Beeren, Käse und Apfelsaft zu holen. Er stellte alles auf den durch jahrelangen Gebrauch glattgeschliffenen Tisch und setzte sich ihnen gegenüber auf die Bank. Er reichte Richard einen Krug mit einer braunen, dicken, nach Mandeln riechenden Flüssigkeit und sagte ihm, er solle sie langsam trinken.
Er sah Richard an. »Erzähl mir von den Schwierigkeiten.«
Richard erzählte, wie er von der Schlingpflanze gestochen worden war, wie er Kahlan am Trunt Lake gesehen hatte, verfolgt von den vier Männern. Er erzählte die Geschichte in allen Einzelheiten, an die er sich erinnern konnte. Zedd wollte immer alle Einzelheiten wissen, ganz gleich, wie unbedeutend sie schienen. Gelegentlich unterbrach sich Richard, um einen Schluck aus dem Krug zu trinken. Kahlan aß ein paar Karotten und Beeren, trank den Apfelsaft, doch den Teller mit dem Käse schob sie von sich. Sie nickte oder bot ihre Hilfe an, wenn er sich an ein bestimmtes Detail nicht mehr erinnern konnte. Nur was Kahlan ihm erzählt hatte, ließ er aus. Er hielt es für besser, wenn sie es mit ihren eigenen Worten erzählte. Am Schluß wollte Zedd wissen, was Richard überhaupt im Ven Forest zu suchen hatte.
»Als ich nach dem Mord zum Haus meines Vaters ging, habe ich in der Vase nach einer Nachricht gesucht. Sie war so ungefähr das einzige, was nicht zerbrochen war. Darin steckte ein Stück Schlingpflanze. Und das habe ich die letzten drei Wochen gemacht. Ich habe nach der Schlingpflanze gesucht, um herauszufinden, was die letzte Nachricht meines Vaters bedeutet. Und als ich sie fand, nun, da hat sie mich gestochen.« Er war froh, daß er endlich fertig war. Seine Zunge fühlte sich geschwollen an.
Zedd biß nachdenklich ein Stück Karotte ab. »Wie sah die Schlingpflanze aus?«
»Sie war … warte, ich habe ein Stück in meiner Tasche.« Er holte den Zweig hervor und warf ihn auf den Tisch.
»Verdammt!« flüsterte Zedd. »Das ist eine Schlangenpflanze!«
Richard wurde eiskalt. Er kannte den Namen aus dem Geheimen Buch. Hoffentlich erfüllten sich nicht seine schlimmsten Befürchtungen.
Zedd lehnte sich zurück. »Nun, das Gute ist, ich kenne die Wurzel, mit der man das Fieber heilen kann. Das Schlechte ist, ich muß sie erst finden.« Zedd bat Kahlan, ihren Teil der Geschichte zu erzählen, es aber kurz zu machen, da er einiges zu erledigen hatte und nicht viel Zeit blieb. Richard mußte an die Geschichte denken, die sie ihm am Vorabend unter dem Baum erzählt hatte, und fragte sich, wieviel kürzer sie sie wohl machen konnte.
»Darken Rahl, der Sohn von Panis Rahl, hat die drei Kästchen der Ordnung ins Spiel gebracht«, sagte Kahlan schlicht. »Ich bin gekommen, um den großen Zauberer zu suchen.«
Richard war wie vom Donner gerührt.
Aus dem Geheimen Buch, dem Buch der Gezählten Schatten, jenem Buch, das sein Vater ihn hatte auswendig lernen lassen, bevor sie es zerstört hatten, sprang ihm die Zeile ins Gedächtnis: Und wenn die drei Kastchen der Ordnung ins Spiel gebracht werden, wird die Schlangenpflanze wachsen. Richards schlimmste Alpträume schienen lebendig zu werden. Die schlimmsten Alpträume, die man sich nur denken konnte.