10

Auf Zedds Gesicht machte sich ein schelmisches Grinsen breit. Er reichte Richard das Gehenk. Das fein gearbeitete Leder war alt und geschmeidig. Die goldene und silberne Schnalle paßte zur Scheide. Sie war zu knapp eingestellt, ihr letzter Besitzer mußte kleiner gewesen sein als Richard. Zedd half ihm, als Richard sich die Scheide über die rechte Schulter schnallte.

Zedd führte sie zwischen langen Schatten von den Bäumen in der Nähe hindurch zum Rand der Wiese, wo zwei kleine Felsahornbäume wuchsen, einer so dick wie Richards Handgelenk, der andere so dick wie Kahlans.

Er wandte sich an Richard. »Zieh das Schwert.« Als das Schwert herausgezogen wurde, füllte das einzigartige Klingen die Luft des späten Nachmittags. Zedd beugte sich vor. »Und jetzt werde ich dir das Wichtigste an dem Schwert zeigen, aber dazu mußt du kurz dein Amt als Sucher niederlegen und mir gestatten, daß ich Kahlan dazu ernenne.«

Kahlan sah Zedd mißtrauisch an. »Ich will kein Sucher sein.«

»Nur um es zu zeigen, meine Liebe.« Er machte Richard ein Zeichen, er solle ihr das Schwert geben. Sie zögerte, dann ergriff sie es mit beiden Händen. Das Gewicht war unangenehm, und sie ließ die Spitze auf den grasbewachsenen Boden sinken. Zedd machte eine ausladende Handbewegung über ihrem Kopf. »Kahlan Amnell, ich ernenne dich zum Sucher.« Sie sah ihn noch immer argwöhnisch an. Zedd legte ihr einen Finger unters Kinn und hob ihren Kopf. Seine Augen hatten etwas Wildes, Stechendes. Er beugte sich zu ihr vor und sprach mit leiser Stimme.

»Als ich die Midlands mit diesem Schwert verließ, benutzte Darken Rahl seine Magie, um den größeren der beiden Bäume hier einzupflanzen — um mich zu zeichnen, damit er zu einem Zeitpunkt seiner Wahl über mich herfallen konnte. Um mich zu töten. Derselbe Darken Rahl, der auch Dennee hat töten lassen.« Ihr Gesicht verdunkelte sich. »Derselbe Darken Rahl, der dich jagt, damit er dich wie deine Schwester töten kann.« Haß flackerte in ihren Augen auf. Sie biß die Zähne aufeinander, bis ihre kräftigen Kiefermuskeln hervortraten. »Dies ist sein Baum. Du mußt ihn stoppen.«

Richard konnte kaum fassen, mit welcher Kraft und Schnelligkeit die Klinge durch die Herbstluft blitzte. Der schwungvolle Schlag durchtrennte den größeren Baum mit einem lauten Krachen, so als brächen tausend Zweige auf einmal. Überall flogen Splitter. Der Baum schien einen Augenblick lang in der Luft zu hängen, dann kippte er krachend, bevor er dicht neben dem zersplitterten Stumpf zu Boden sackte. Richard hätte mindestens zehn Hiebe mit einer guten Axt gebraucht, um den Ahorn zu fällen.

Zedd nahm Kahlan das Schwert aus den Händen. Sie sank auf die Knie, setzte sich auf die Hacken und verbarg das Gesicht mit einem Stöhnen in den Händen. Richard ging sofort neben ihr in die Hocke und stützte sie.

»Kahlan, was ist?«

»Es geht schon.« Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, und er half ihr auf die Beine. Sie war blaß und rang sich ein Lächeln ab. »Aber meinen Posten als Sucher gebe ich auf.«

Richard wirbelte zu dem Zauberer herum. »Zedd, was soll dieser Unsinn? Darken Rahl hat den Baum nicht gepflanzt. Ich habe gesehen, wie du die Bäume gehegt und gepflegt hast. Und wenn du mir die Klinge an den Hals setzt, ich behaupte, du hast sie zum Andenken an deine Frau und deine Tochter dorthin gepflanzt.«

Zedd lächelte nur. »Sehr schön, Richard. Hier ist dein Schwert. Jetzt bist du wieder der Sucher. Und nun, mein Junge, fälle den kleinen Baum, dann werde ich das erklären.«

Unwirsch packte Richard das Schwert mit beiden Händen und spürte, wie ihn der Zorn durchströmte. Er holte mächtig aus und zielte auf den stehengebliebenen Baum. Die Klingenspitze zerschnitt sirrend die Luft. Kurz bevor die Klinge gegen den Baum prallte, blieb sie einfach stehen, als wäre die Luft zu dicht, sie durchzulassen. Richard trat überrascht einen Schritt zurück. Er betrachtete das Schwert und versuchte es erneut. Dasselbe. Der Baum blieb unversehrt. Wütend sah er zu Zedd hinüber. Der stand grinsend da und hielt die Arme verschränkt.

Richard ließ das Schwert zurück in die Scheide gleiten. »Also schön, was geht hier vor?«

Zedd hob seine Brauen und machte ein unschuldiges Gesicht. »Hast du gesehen, mit welcher Leichtigkeit Kahlan den dickeren Baum durchtrennt hat?« Richard runzelte die Stirn. Zedd lächelte. »Es hätte ebensogut Eisen sein können. Die Klinge hätte es genauso durchtrennt. Aber du bist stärker als sie, und du konntest den kleinen Baum nicht einmal ankratzen.«

»Ja. Das habe ich gesehen.«

Zedd runzelte in gespielter Überraschung die Stirn. »Und warum ist das so, was meinst du?«

Richards Gereiztheit war verflogen. Zedd erteilte einem häufig auf diese Weise eine Lektion, indem er einen selber auf die Antwort kommen ließ. »Ich nehme an, es geht um die Absicht. Sie war überzeugt, der Baum sei böse, ich nicht.«

Zedd reckte einen knochigen Finger in die Höhe. »Sehr gut, mein Junge!«

Kahlan faltete die Hände. »Zedd, ich verstehe das nicht. Ich habe den Baum zerstört, aber er war gar nicht böse. Er war unschuldig.«

»Genau das, meine Liebe, hatte ich zeigen wollen. Die Wirklichkeit ist nicht von Belang. Die Wahrnehmung ist alles. Wenn du glaubst, dies ist der Feind, kannst du ihn zerstören, egal ob es stimmt oder nicht. Die Magie legt deine Wahrnehmung lediglich aus. Sie wird nicht zulassen, daß du jemanden verletzt, den du für unschuldig hältst, aber sie wird, innerhalb gewisser Grenzen, denjenigen vernichten, den du als Feind ansiehst. Das Entscheidende ist das, was du glaubst, und nicht etwa die Wahrheit deiner Gedanken.«

Richard war überwältigt. »Das läßt keinen Raum für Irrtümer. Aber was ist, wenn man nicht sicher ist?«

Zedd zog eine Braue hoch. »Das solltest du aber sein, mein Junge, sonst könntest du in jede Menge Schwierigkeiten geraten. Die Magie liest Dinge in deinen Gedanken, von denen du nicht einmal etwas weißt. Es könnte in beide Richtungen danebengehen. Du könntest einen Freund töten oder einen Feind verschonen.«

Richard trommelte mit den Fingern gegen den Griff des Schwertes und dachte nach. Er beobachtete, wie die Sonne golden funkelnd zwischen den Bäumen im Westen unterging. Die Schlangenwolke über ihren Köpfen hatte sich auf einer Seite dunkelrot verfärbt und wurde auf der anderen bereits tiefviolett. Eigentlich spielte es keine Rolle. Er wußte, hinter wem er her war, und es bestand überhaupt kein Zweifel daran, wer der Feind war. Absolut keiner.

»Noch etwas. Etwas Wichtiges«, sagte der Zauberer. »Wenn du das Schwert gegen einen Feind erhebst, mußt du einen Preis bezahlen. Nicht wahr, meine Liebe?« Er sah zu ihr hinüber. Kahlan nickte und senkte den Blick. »Je mächtiger der Feind, desto höher ist der Preis. Tut mir leid, daß ich dir das antun mußte, Kahlan, aber dies ist die wichtigste Lektion, die Richard lernen muß.« Sie lächelte ihn kurz an. Ihr war die Notwendigkeit bewußt. Er wandte sich wieder Richard zu.

»Wir beide wissen, manchmal haben wir keine andere Wahl, als zu töten. Ich weiß, niemand braucht dir zu sagen, wie fürchterlich es ist, wenn man jemanden tötet. Du mußt damit leben, und ist es einmal passiert, kann man es nicht ungeschehen machen. Du zahlst einen Preis, und die Tat setzt dich herab.«

Richard nickte. Der Gedanke, den Mann auf dem Schartenberg getötet zu haben, bereitete ihm noch immer Unbehagen. Keinesfalls tat es ihm leid. Er hatte weder Zeit noch eine andere Wahl gehabt.

Trotzdem sah er immer noch das Gesicht des Mannes vor sich, als er in die Tiefe fiel.

Zedds Blick wurde stechend. »Etwas anderes ist es, wenn du mit dem Schwert der Wahrheit tötest, denn das ist Magie. Die Magie erfüllt dir deinen Wunsch und verlangt dann ihren Preis. Nichts ist ausschließlich gut oder böse, schon gar nicht wenn es um Menschen geht. Die besten von uns tragen sich mit bösen Gedanken oder Taten, und die Schlimmsten verfügen über ein gewisses Maß an Tugend. Kein Gegner begeht verabscheuungswürdige Taten um ihrer selbst willen. Er hat immer einen Grund, der ihm als Rechtfertigung dient. Mein Kater frißt Mäuse. Ist er deswegen schlecht? Ich glaube das nicht, und der Kater wird ebenfalls nicht so denken, aber ich würde wetten, die Mäuse sind da anderer Ansicht. Jeder Mörder ist von der Notwendigkeit überzeugt, sein Opfer töten zu müssen.

Ich weiß, du willst das nicht wahrhaben, Richard, aber du mußt zuhören. Darken Rahl tut, was er tut, weil er es für richtig hält. Genau wie du die Dinge tust, die du tust, weil du sie für richtig hältst. In dieser Hinsicht gleicht ihr beiden euch mehr, als du glaubst. Du willst dich an ihm rächen, weil er deinen Vater umgebracht hat, und er will sich an mir rächen, weil ich seinen getötet habe. In deinen Augen ist er böse, in seinen Augen jedoch bist du es, der böse ist. Es ist alles nur eine Frage des Standpunktes. Wer gewinnt, glaubt, er sei im Recht. Der Verlierer wird immer denken, ihm sei Unrecht angetan worden. Mit dem Zauber der Ordnung ist es das gleiche. Die Macht ist einfach da, eine mögliche Anwendung obsiegt über die andere.«

»Das gleiche? Hast du vollkommen den Verstand verloren? Wie kannst du glauben, wir seien in irgendwelcher Weise gleich? Er giert nach Macht! Er würde das Ende der Welt riskieren, um sie zu erlangen. Ich will keine Macht, ich wollte nur in Ruhe gelassen werden! Er hat meinen Vater ermordet! Ihm die Gedärme herausgerissen! Er versucht, uns alle umzubringen! Wie kannst du sagen, wir gleichen uns? Aus deinem Mund hört sich das an, als sei er nicht einmal gefährlich!«

»Hast du nicht gehört, was ich dir gerade beibringen wollte? Ich sagte, ihr gleicht euch, indem ihr beide denkt, ihr seid im Recht. Und das macht ihn gefährlicher, als du dir vorstellen kannst.« Er zeigte nach hinten auf Kahlan. »Hast du nicht aufgepaßt? Hast du nicht gesehen, zu was sie mit dem Schwert fähig war? Und getan hat, was du nicht konntest? Hmm?«

»Der Standpunkt«, sagte Richard mit viel ruhigerer Stimme. »Sie konnte es tun, weil sie überzeugt war, im Recht zu sein.«

Zedd reckte einen Finger in die Luft. »Aha! Der Standpunkt macht die Bedrohung also noch gefährlicher.« Der Zauberer senkte den Finger und bohrte ihn mit jedem Wort in Richards Brust. »Genau … wie … das … Schwert.«

Richard hakte den Daumen unter den Gurt und atmete schwer. Er kam sich vor, als stände er im Treibsand. Immerhin kannte er Zedd schon zu lange, um die Dinge, die er sagte, bloß deswegen abzutun, weil sie schwer zu ergründen waren. Trotzdem, er sehnte sich nach Einfachheit. »Du meinst, nicht nur was er tut, macht ihn gefährlich, sondern auch das, wozu er sich berechtigt fühlt?«

Zedd zuckte mit den Achseln. »Laß es mich anders ausdrücken. Vor wem hättest du mehr Angst: vor einem hundert Kilo schweren Mann, der dir einen Laib Brot wegnehmen will und weiß, daß er im Unrecht ist, oder einer fünfzig Kilo schweren Frau, die fälschlicherweise, doch von ganzem Herzen, davon überzeugt ist, du hättest ihr das Kind gestohlen?«

Richard verschränkte die Arme über der Brust. »Ich würde vor der Frau weglaufen. Sie würde nicht aufgeben. Für vernünftige Argumente hätte sie kein Ohr. Sie wäre zu allem fähig.«

Zedds Blick glühte. »Genau so ist Darken Rahl. Je mehr er überzeugt ist, im Recht zu sein, desto gefährlicher ist er.«

Richard erwiderte den glühenden Blick. »Aber ich bin im Recht.«

Zedds Blick wurde sanfter. »Auch die Maus glaubt, im Recht zu sein, mein Kater frißt sie trotzdem. Ich versuche, dir etwas klarzumachen, Richard. Du sollst nicht in seine Fänge geraten.«

Richard löste die Arme und seufzte. »Ich verstehe, auch wenn es mir nicht gefällt. Wie du immer sagst, nichts ist jemals einfach. Das ist zwar alles interessant, trotzdem kann es mich nicht davon abhalten, das zu tun, was ich tun muß und was ich für rechtens halte. Was also hat es mit dem Preis auf sich, den es kostet, das Schwert der Wahrheit zu benutzen?«

Zedd bohrte Richard seinen dünnen Finger in die Brust. »Bezahlt wird mit der Qual, das Böse in dir selbst zu erkennen, mit all deinen Unzulänglichkeiten, mit allem, was wir in uns nicht gerne sehen oder abstreiten wollen. Darüber hinaus erkennst du das Gute in dem, was du getötet hast und büßt die Schuld deiner Tat.« Zedd schüttelte traurig den Kopf. »Bitte glaub mir, Richard, der Schmerz kommt nicht nur aus deinem Innern, sondern, was noch wichtiger ist, aus dem Zauber. Ein sehr mächtiger Zauber, ein gewaltiger Schmerz. Unterschätze ihn nicht. Er ist wirklich und straft deinen Körper ebenso wie deine Seele. Du hast ihn bei Kahlan gesehen, dabei hat sie nur einen Baum getötet. Bei einem Mann wäre er heftiger gewesen. Deswegen ist Wut so wichtig. Zorn ist die einzige Waffe gegen diesen Schmerz, nur so kannst du dich angemessen schützen. Je stärker der Feind, desto größer die Qual. Doch je größer die Qual, um so stärker auch der Schutz. Er nimmt dir ein wenig die Sorge um die Aufrichtigkeit deiner Tat. In manchen Fällen wirst du den Schmerz nicht spüren. Deswegen habe ich auch Kahlan diese fürchterlichen Dinge erzählt, schmerzhafte Dinge, die sie mit Zorn erfüllt haben. Das war zu ihrem Schutz, wenn sie das Schwert gebrauchte. Verstehst du nun, warum ich nicht zugelassen habe, daß du das Schwert benutzt, ohne deinen Zorn benutzen zu können? Du hättest dem Zauber schutzlos gegenübergestanden. Er hätte dich zerrissen.«

Richard machte das ein wenig angst, genau wie der Blick, der in Kahlans Augen gestanden hatte, als sie das Schwert benutzt hatte, doch es änderte nichts an seinem Entschluß. Er sah hinauf zu den Bergen der Grenze. Sie ragten empor und leuchteten blaßrosa im Licht der untergehenden Sonne. Hinter ihnen, von Osten her, zog Dunkelheit herauf. Dunkelheit, die auf sie zuhielt. Er mußte einen Weg über die Grenze finden, hinein in diese Dunkelheit. Das Schwert würde ihm dabei helfen. Das war es, was zählte. Es stand so viel auf dem Spiel. Für alles im Leben mußte ein Preis gezahlt werden. Und er würde ihn ebenfalls zahlen.

Sein alter Freund legte ihm die Hände auf die Schultern und blickte ihm fest in die Augen. Zedds Miene bestärkte die Meinung, die er eben ausgesprochen hatte.

»Ich muß dir etwas verraten, was dir nicht gefallen wird.« Sein Griff wurde fester, fast schmerzhaft. »Gegen Darken Rahl kannst du das Schwert der Wahrheit nicht einsetzen.«

»Was?!«

Zedd rüttelte ihn. »Er ist zu mächtig. Der Zauber der Ordnung schützt ihn während des Jahres seiner Suche. Wenn du versuchst, das Schwert einzusetzen, bist du tot, bevor es ihn trifft.«

»Das ist verrückt! Erst willst du, ich solle der Sucher werden und das Schwert annehmen, und nun erzählst du mir, ich könnte es nicht benutzen.« Richard war außer sich. Er fühlte sich betrogen.

»Nur gegen Darken Rahl nicht, gegen ihn wirkt es nicht! Ich habe den Zauber nicht gemacht, Richard, ich weiß nur, wie er wirkt. Und Darken Rahl weiß es auch. Vielleicht versucht er, dich dazu zu bringen, das Schwert gegen ihn zu erheben. Er weiß, daß dich das tötet. Wenn du deiner Wut nachgibst und das Schwert gegen ihn erhebst, wird er gewinnen. Dann bist du tot, und er hat die Kästchen.«

Kahlan runzelte verzweifelt die Stirn. »Zedd, Richard hat recht. Das macht es unmöglich. Wenn er seine wichtigste Waffe nicht benutzen darf, dann…«

Zedd schnitt ihr das Wort ab. »Nein! Das hier…« er, klopfte Richard mit den Knöcheln auf den Kopf, »das hier ist des Suchers wichtigste Waffe.« Er bohrte Richard seinen langen Finger mitten in die Brust. »Und dies.«

Sie standen einen Augenblick lang da und schwiegen.

»Der Sucher selbst ist die Waffe«, sagte Zedd mit Nachdruck. »Das Schwert ist nur ein Mittel. Du wirst einen anderen Weg finden. Du mußt.«

Eigentlich, dachte Richard, hätte er verärgert sein müssen, wütend, enttäuscht, überwältigt, doch so war es nicht. Er fühlte sich seltsam ruhig und entschlossen.

»Tut mir leid, mein Junge. Ich wünschte, ich könnte den Zauber ändern, aber…«

Richard legte Zedd die Hand auf die Schulter. »Schon gut, mein Freund. Du hast recht. Wir müssen Rahl Einhalt gebieten. Das ist es, was zählt. Um Erfolg zu haben, muß ich die Wahrheit kennen, und du hast sie mir anvertraut. Jetzt ist es an mir, daraus das Beste zu machen. Bekommen wir eines der Kästchen, wird Rahl Gerechtigkeit widerfahren. Ich muß es nicht sehen. Ich muß es nur erledigt wissen. Ich habe gesagt, ich will nicht zum Mörder werden, und ich werde keiner sein. Das Schwert ist von unschätzbarem Wert, dessen bin ich sicher. Aber wie du gesagt hast, es ist nur ein Werkzeug, und in diesem Sinne will ich es verwenden. Der Zauber des Schwertes ist kein Selbstzweck. Diesem Fehler darf ich nicht verfallen, sonst wäre ich nur zum Schein ein Sucher.«

Es begann zu dämmern. Zedd schlug Richard liebevoll auf die Schulter. »Du hast alles verstanden, mein Junge. Alles.« Er brach in ein breites Grinsen aus. »Ich habe den Sucher gut gewählt. Ich bin stolz auf mich.« Richard und Kahlan mußten über Zedds Eigenlob lachen.

Kahlans Lächeln erstarrte. »Zedd, ich habe den Baum gefällt, den du zum Gedenken an deine Frau gepflanzt hast. Das macht mir Sorge. Es tut mir aufrichtig leid.«

»Das muß es nicht, meine Liebe. Ihr Angedenken hat uns geholfen. Sie hat geholfen, dem Sucher die Wahrheit zu zeigen. Eine angemessenere Anerkennung könnte ihr nicht widerfahren.«

Richard hörte sie nicht. Er blickte nach Osten, zu der massiven Wand der Berge hin, und dachte über Lösungen nach. Die Grenze überschreiten, überlegte er, die Grenze überschreiten, ohne sie zu durchqueren. Wie? Was, wenn es unmöglich war? Oder es keinen Weg über die Grenze gab? Saßen sie hier fest, während Darken Rahl nach den Kästchen suchte? Mußten sie sterben, ohne eine Chance zu bekommen? Er wünschte, sie hätten mehr Zeit und mehr Möglichkeiten. Richard verwünschte sich, weil er die Zeit mit Wünschen vergeudete.

Wenn er nur wüßte, es könnte gelingen, dann würde er auch herausfinden, wie. Etwas in seinem Hinterkopf ließ ihm keine Ruhe, beharrte darauf, daß es eine Möglichkeit gab und er die Wahrheit kannte. Es gab einen Weg, es mußte einen geben. Wenn er es nur wüßte.

Ringsum erwachte die Nacht geräuschvoll zum Leben. Frösche quakten an Teichen und Bächen, Nachtvögel riefen von den Bäumen, Insekten aus dem Gras. Von den fernen Hügeln wehte traurig und klagend das Geheul der Wölfe herüber. Irgendwie mußten sie über diese Berge, das Unbekannte, gelangen.

Die Berge waren wie die Grenze, überlegte er. Man konnte nicht hindurch, aber überqueren konnte man sie. Man brauchte bloß einen Paß zu finden. Einen Paß. War es möglich? Gab es so etwas?

Dann traf es ihn wie ein Blitzschlag.

Das Buch.

Richard wirbelte aufgeregt auf dem Absatz herum. Zu seiner Überraschung standen Zedd und Kahlan ruhig da und beobachteten ihn, so als warteten sie auf seine Entscheidung.

»Zedd, hast du jemals einem anderen als dir selbst beim Durchqueren der Grenze geholfen?«

»Wem denn?«

»Irgend wem! Ja oder nein?«

»Nein. Niemandem.«

»Kann außer einem Zauberer jemand einen Menschen durch die Grenze schicken?«

Zedd schüttelte voller Nachdruck den Kopf. »Außer einem Zauberer niemand. Und natürlich Darken Rahl.«

Richard sah ihn stirnrunzelnd an. »Unser Leben hängt davon ab, Zedd. Schwöre. Du hast niemals jemanden außer dir selbst durch die Grenze geschickt? Ist das wahr?«

»So wahr ich hier stehe. Warum? Was hast du dir ausgedacht? Hast du eine Lösung gefunden?«

Richard überging die Frage. Er steckte zu tief in einem Gedankenfluß, um zu antworten. Statt dessen drehte er sich wieder zu den Bergen um. Natürlich, es gab einen Paß über die Berge! Sein Vater hatte ihn gefunden und auch benutzt! Nur so konnte das Buch der Gezählten Schatten nach Westland gelangt sein. Bei seinem Umzug hierher konnte er es nicht mitgebracht haben, und er konnte es nicht in Westland gefunden haben. Das Buch verfügte über einen Zauber, und die Grenze hätte nicht funktioniert, wenn es damals hier Zauberei gegeben hätte. Zauberei konnte nur nach Errichten der Grenze nach Westland gelangt sein.

Sein Vater hatte einen Paß gefunden, war in die Midlands gereist und hatte das Buch zurückgeholt. Richard war gleichzeitig schockiert und aufgeregt. Sein Vater war es gewesen! Er hatte die Grenze überquert! Richard geriet in Hochstimmung. Jetzt wußte er, es gab einen Weg hinüber; es war möglich. Zwar mußte er den Paß noch immer finden, aber das spielte im Augenblick keine Rolle. Es gab einen Paß. Nur das zählte.

Richard drehte sich wieder zu den beiden anderen um. »Gehen wir essen.«

»Ich habe einen Eintopf aufgesetzt, kurz bevor du aufgewacht bist, und es gibt frisches Brot«, bot Kahlan an.

»Verdammt!« Zedd warf seine Vogelscheuchenarme in die Luft. »Wird auch Zeit, daß jemand ans Essen denkt!«

Richard lächelte in die Dunkelheit hinein. »Nach dem Essen werden wir Vorbereitungen treffen. Wir müssen überlegen, was wir mitnehmen, was wir tragen können, unsere Vorräte zusammensuchen und noch heute abend packen. Wir müssen ausgeschlafen sein. Beim ersten Licht brechen wir auf.« Er drehte sich um und ging zum Haus. Der schwache Schein des Feuers aus den Fenstern bot Wärme und Licht.

Zedd reckte einen Arm in die Höhe. »Wohin soll's denn gehen, mein Junge?«

»In die Midlands!« rief Richard über die Schulter.


Zedd hatte die zweite Schale mit Eintopf halb geleert, bevor er es schaffte, lange genug mit dem Essen auszusetzen, um etwas zu sagen. »Und was hast du dir nun überlegt? Gibt es tatsächlich einen Weg über die Grenze?«

»Ja.«

»Bist du sicher? Wie ist das möglich? Wie können wir sie überqueren, ohne sie zu durchschreiten?«

Richard rührte in seiner Suppe und lächelte. »Man muß nicht naß werden, wenn man einen Fluß überquert.«

Kahlan und Zedd runzelten verwirrt die Stirn. Das Licht der Lampe flackerte auf ihren Gesichtern. Kahlan drehte sich um und warf der Katze ein kleines Stückchen Fleisch zu, die, auf den Hinterpfoten sitzend, auf eine milde Gabe wartete. Zedd verdrückte eine weitere Scheibe Brot, bevor er seine nächste Frage stellte.

»Und woher weißt du, daß es einen Weg hinüber gibt?«

»Es gibt einen. Nur das zählt.«

Zedd machte ein unschuldiges Gesicht. »Richard«, er verspeiste noch zwei Löffel Suppe, »wir sind deine Freunde. Zwischen uns gibt es keine Geheimnisse. Du kannst es uns erzählen.«

Richard blickte von einem großen Augenpaar zum anderen und mußte laut lachen. »Ich kenne Fremde, die sich gegenseitig mehr voneinander erzählen.«

Zedd und Kahlan blickten sich angesichts der Abfuhr ein wenig empört an, doch wagte keiner, nochmals zu fragen.

Beim Essen unterhielten sie sich weiter darüber, was ihnen zum Mitnehmen zur Verfügung stand, was sich in der kurzen Zeit vorbereiten ließ, und was am wichtigsten war. Sie schrieben alles auf, was ihnen einfiel, und jeder schlug etwas vor, was mitgenommen werden sollte. Es gab viel zu tun und wenig Zeit. Richard fragte Kahlan, ob sie oft durch die Midlands reiste. Sie erwiderte, sie täte praktisch kaum etwas anderes.

»Und beim Reisen trägst du dieses Kleid?«

»Ja.« Sie zögerte. »Die Leute erkennen mich daran. Ich bleibe nicht in den Wäldern. Wohin ich auch komme, überall gibt man mir zu essen, einen Platz zum Bleiben und alles, um was ich sonst noch bitte.«

Richard fragte sich, wieso. Er hakte nicht nach, doch er wußte, das Kleid hatte sie nicht einfach in einem Geschäft gekauft. »Jetzt, wo wir alle drei gejagt werden, halte ich es nicht für wünschenswert, daß man dich erkennt. Ich denke, wir sollten uns so weit als möglich von den Menschen fernhalten und in den Wäldern bleiben.« Zedd und Kahlan nickten. Sie waren derselben Meinung. »Wir müssen Reisekleidung auftreiben, und Kleidung für den Wald. Hier jedoch gibt es nichts, was dir passen würde. Wir werden unterwegs etwas finden müssen. Ich habe einen Umhang mit Kapuze hier. Der wird dich fürs erste warm halten.«

»Gut«, sagte sie. »Ich bin das Frieren leid. Eins sag ich dir, für den Wald ist ein Kleid nicht das Richtige.«

Kahlan war vor den beiden Männern fertig und stellte ihre noch halbvolle Schale dem Kater hin. Der Kater schien den gleichen Appetit zu haben wie Zedd und fing bereits mit dem Fressen an, bevor die Schale noch auf dem Boden stand.

Sie sprachen über jeden Gegenstand, den sie mitnehmen wollten. Über einige wurde sich geeinigt, auf andere wurde verzichtet. Unmöglich zu sagen, wie lange sie fort sein würden. Westland war groß, und die Midlands noch größer. Richard wäre gerne bei seinem Haus vorbeigegangen. Er ging oft auf lange Wanderungen und besaß die richtigen Gerätschaften, doch das Risiko war zu groß. Lieber wollte er ohne die Dinge, die sie brauchten, losziehen und sie anderswo auftreiben, als dorthin zurückzukehren, wo sie irgendein Unheil erwartete. Noch wußte er nicht, wo sie die Grenze überqueren würden, aber das machte ihm keine Sorgen. Er hatte noch bis zum Morgen Zeit, darüber nachzudenken. Er war einfach erleichtert zu wissen, daß es einen Weg gab.

Der Kater hob den Kopf. Er lief zur Tür, blieb auf halbem Weg stehen und stellte die Nackenhaare auf. Alle bemerkten es und wurden still. Im vorderen Fenster war ein Flackern zu erkennen, doch es war kein Widerschein vom Kamin. Es kam von draußen.

»Ich rieche brennendes Pech«, sagte Kahlan.

Im Nu waren die drei auf den Beinen. Richard griff das Schwert von der Stuhllehne und hatte es umgeschnallt, noch bevor er auf den Füßen stand. Er ging zum Fenster, um hinauszusehen. Zedd vergeudete keine Zeit und schoß mit Kahlan im Schlepptau durch die Tür. Richard sah die Fackeln nur kurz, bevor er hinter den beiden hinauseilte.

Vor dem Haus stand ein wilder Haufen von ungefähr fünfzig Männern, im hohen Gras verteilt; einige der Leute trugen Fackeln, die meisten jedoch derbe Waffen, Äxte, Heugabeln, Sicheln oder Axtgriffe. Sie hatten die Kleidung an, in der sie sonst arbeiteten. Richard kannte viele der Gesichter, gute Männer, ehrliche, hart schuftende Männer mit Familien. In dieser Nacht machten sie jedoch keinen friedlichen Eindruck. Sie schienen in übler Laune zu sein, ihre Gesichter waren verbissen und wütend. Zedd stand in der Mitte der Veranda, die Hände in die knochigen Hüften gestemmt, und lächelte sie an. Der rote Schein der Fackeln färbte sein weißes Haar rosa.

»Was gibt es, Leute?« fragte Zedd.

Gemurmel erhob sich, und mehrere Männer in vorderster Reihe traten ein oder zwei Schritte vor. Richard kannte den einen, der für die anderen sprach. John.

»Es hat Ärger gegeben. Ärger, hervorgerufen durch Zauberei! Und der Grund dafür bist du, alter Mann! Du bist eine Hexe!«

»Eine Hexe«, fragte Zedd verwirrt. »Eine Hexe?«

»Genau das habe ich gesagt, eine Hexe!« Johns finsterer Blick wanderte zu Richard und Kahlan. »Euch beide betrifft das nicht. Wir haben mit dem alten Mann zu schaffen. Geht jetzt, oder euch passiert das gleiche wie ihm.« Richard konnte nicht glauben, daß die Männer, die er kannte, dies sagten.

Kahlan trat vor, stellte sich vor Zedd. Die Falten ihres Kleides wirbelten ihr um die Beine, als sie stehenblieb. Sie stemmte die Fäuste in die Seite. »Geht jetzt«, drohte sie, »bevor ihr euren Entschluß bedauert.«

Die Männer sahen sich an. Einige feixten, andere machten leise rüde Bemerkungen, wieder andere lachten. Kahlan setzte sich durch und starrte sie nieder. Das Lachen erstarb.

»So«, meinte John voller Hohn, »wir haben es also mit zwei Hexen zu tun.« Die Männer johlten und grölten, schwenkten ihre Waffen. John mit seinem runden, derben Gesicht grinste trotzig.

Richard stellte sich langsam und entschlossen vor Kahlan und schob sie und Zedd mit einer Handbewegung in den Hintergrund. Seine Stimme blieb ruhig, freundlich. »John. Wie geht es Sara? Ich habe euch beide schon eine Weile nicht mehr gesehen.« John antwortete nicht. Richard betrachtete die anderen Gesichter. »Ich kenne viele von euch, und ich weiß, ihr seid gute Männer. Das ist nicht eure Art.« Er blickte wieder zu John. »Nimm deine Männer und geht zurück zu euren Familien. Bitte, John.«

John zeigte mit seinem Axtgriff auf Zedd. »Dieser Alte ist eine Hexe! Wir werden ihm ein Ende machen.« Er zeigte auf Kahlan. »Und du auch! Wenn du nicht dasselbe willst, Richard, dann verschwinde!« Die Meute johlte. Die Fackeln knisterten und knackten, die Luft stank nach brennendem Pech und Schweiß. Als ihnen klar wurde, daß Richard nicht weichen würde, drängte der Pöbel vorwärts.

Im Nu war das Schwert blank. Die Männer wichen einen Schritt zurück, als das metallische Klirren die Nachtluft füllte. Das Klirren verhallte, und übrig blieb das Knistern brennender Fackeln. Es entstand ein Murren, weil Richard sich zu den beiden der Hexerei Beschuldigten stellte.

John ging zum Angriff über und holte mit dem Axtgriff zum Schlag gegen Richard aus. Das Schwert blitzte in der Luft, zersplitterte Johns Axt mit einem lauten Krachen. Gerade fünf Zentimeter zersplitterten Griffs blieben in seiner Faust. Das abgetrennte Stück wirbelte davon und landete mit einem dumpfen Aufprall irgendwo in der Dunkelheit.

John blieb wie erstarrt stehen, einen Fuß auf der Erde, einen auf der Veranda. Die Spitze des Schwertes der Wahrheit drückte sich ihm unters Kinn. Die polierte Klinge funkelte im Schein der Fackeln. Richard, dessen Muskeln angespannt waren, weil er sich mühsam zurückhalten mußte, beugte sich langsam vor und hob Johns Gesicht mit der Schwertspitze an. Mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern und doch so tödlich kalt war, daß John der Atem stockte, sagte er: »Noch einen Schritt, John, und deinem Kopf geht es genauso.« John rührte sich nicht, atmete nicht. »Zurück«, fauchte Richard.

Der Mann tat, was man von ihm verlangte, faßte aber wieder Mut, als er zwischen seinen Kumpanen stand. »Du kannst uns nicht aufhalten, Richard. Wir sind hier, um unsere Familien zu retten.«

»Vor was denn?« schrie Richard. Er richtete das Schwert auf einen der anderen Männer. »Frank! Als deine Frau krank war, hat Zedd ihr da nicht einen Trank gebracht, durch den sie wieder gesund wurde?« Er zeigte mit dem Schwert auf einen anderen. »Und Bill, bist du nicht gekommen und hast Zedd gefragt, wann der Regen einsetzt, damit ihr eure Ernte einfahren könnt?« Peitschenschnell richtete er die Schwertspitze wieder auf den voreiligsten Angreifer.

»Und John, als dein kleines Mädchen sich im Wald verlaufen hatte, war es da nicht Zedd, der die ganze Nacht in den Wolken gelesen hat und dann selber losgezogen ist, sie gefunden und sicher zu dir und Sara zurückgebracht hat?« John und ein paar andere sahen beschämt zu Boden. Verärgert schob Richard das Schwert zurück in die Scheide. »Zedd hat den meisten hier geholfen. Er hat geholfen, das Fieber zu heilen, er hat die verlorengegangenen Lieben wiedergefunden und freimütig seinen ganzen Besitz mit euch geteilt.«

Aus dem Hintergrund schrie jemand: »Das alles kann nur eine Hexe!«

»Er hat keinem einzigen etwas zuleide getan!« Richard lief auf der Veranda auf und ab und starrte die Männer nieder. »Nie hat er einem von euch etwas getan! Er hat den meisten geholfen! Warum wollt ihr einem Freund etwas tun?«

Ein paar Minuten lang herrschte verwirrtes Gemurmel, dann hatten sie zu ihrer Überzeugung zurückgefunden. »Das meiste, was er getan hat, war Zauberei!« schrie John. »Zauberei einer Hexe! Von unseren Familien ist niemand sicher, solange er in der Nähe ist!«

Bevor Richard antworten konnte, zog Zedd ihn am Arm zurück. Er drehte sich um und blickte in das lächelnde Gesicht des Alten. Zedd schien nicht im geringsten besorgt zu sein. Wenn überhaupt, wirkte er amüsiert.

»Sehr eindrucksvoll, ihr beide«, flüsterte er. »Sehr eindrucksvoll. Doch überlaßt dies von jetzt an mir, wenn ihr nichts dagegen habt.« Er zog eine Braue hoch und wandte sich dann an die Männer. »Guten Abend, Gentlemen. Wie nett, euch alle zu sehen.« Einige der Männer erwiderten den Gruß. Ein paar nahmen unsicher die Hüte ab. »Seid doch bitte so nett und laßt mich einen Augenblick mit meinen beiden Freunden hier sprechen, bevor ihr mich fertigmacht.« Alles nickte. Zedd zog Kahlan und Richard ein Stück zurück zum Haus, fort von der Menge, und beugte sich dicht zu ihnen.

»Eine Lektion in Macht, meine Freunde.« Er legte Kahlan seinen knochigen Finger auf die Nase. »Zu wenig.« Als nächstes legte er den Finger Richard auf die Nase. »Zu viel.« Dann legte er ihn sich selber auf die Nase und sagte mit einem Augenzwinkern: »Genau richtig.« Er umfaßte Kahlans Kinn mit der Hand. »Wenn ich dir dies überlassen würde, meine Liebe, wären heute nacht einige Gräber auszuheben. Unsere drei würden dazugehören. Dennoch, sehr nobel. Vielen Dank für deine Sorge um mich.« Er legte Richard die Hand auf die Schulter. »Überließe ich es dir, wären sehr viele auszuheben, und all das Graben bliebe an uns dreien hängen. Ich bin zu alt, um viele Löcher in die Erde zu graben, außerdem haben wir Wichtigeres zu tun. Aber auch du warst sehr nobel. Du hast dich ehrenhaft verhalten.« Er tätschelte Richards Schulter und legte dann einen Finger unter das Kinn eines jeden.

»Und jetzt möchte ich, daß ihr mich die Angelegenheit regeln laßt. Das Problem ist nicht, was ihr diesen Männern erzählt. Das Problem ist, sie hören nicht zu. Man muß ihre Aufmerksamkeit gewinnen, bevor sie einen anhören.« Er zog eine Braue hoch und sah die beiden abwechselnd an. »Gebt acht und lernt, was ihr könnt. Hört auf meine Worte, doch sie werden keine Wirkung auf euch haben.« Er nahm einen Finger fort, schlurfte an ihnen vorbei und winkte den Männern lächelnd zu.

»Gentlemen. Ach, John. Wie geht es deiner Kleinen?«

»Es geht ihr gut«, brummte er, »aber eine meiner Kühe hat ein Kalb mit zwei Köpfen.«

»Tatsächlich? Und wie meinst du, ist das passiert?«

»Ich denke, es ist passiert, weil du eine Hexe bist.«

»Da, jetzt sagst du es wieder.« Zedd schüttelte verwirrt den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Wollt ihr Gentlemen mich töten, weil ihr glaubt, ich würde über Zauberkraft verfügen, oder wollt ihr mich einfach nur herabwürdigen, indem ihr mich als Frau bezeichnet?«

Das gab einige Verwirrung. »Wir haben keine Ahnung, wovon du sprichst«, meinte jemand.

»Nun, das ist ganz einfach. Mädchen sind Hexen. Jungen werden Hexenmeister genannt. Versteht ihr, was ich meine? Wenn ihr mich eine Hexe nennt, wollt ihr mich offenbar ein Mädchen schimpfen. Wenn ihr aber glaubt, ich sei ein Hexenmeister, nun, das ist eine vollkommen andere Beleidigung. Also, was meint ihr nun, Hexe oder Hexenmeister?«

Es entstand eine weitere verwirrte Diskussion, dann ergriff John wütend das Wort. »Wir haben gemeint, daß du ein Hexenmeister bist, und deshalb wollen wir deine Haut!«

»Na, na, na«, sagte Zedd und tippte sich nachdenklich mit dem Finger gegen die Unterlippe. »Nun, ich hatte ja keine Ahnung, was für mutige Männer ihr seid. Wirklich, ihr seid sehr mutig.«

»Wie meinst du das?« wollte John wissen.

Zedd zuckte mit den Achseln. »Nun, was meint ihr, wozu ein Hexenmeister fähig ist?«

Wieder entstand Gerede unter ihnen, Vorschläge wurden gerufen. Er konnte zweiköpfige Kühe machen, es regnen lassen, Leute wiederfinden, die sich verlaufen hatten, Starke schwach machen und dafür sorgen, daß ihre Frauen sie verließen. Irgendwie schien dies noch nicht zu genügen, also wurden weitere Ideen laut. Er konnte Wasser zum Brennen bringen, Leute zu Krüppeln werden lassen, einen Mann in eine Kröte verwandeln, mit einem Blick töten, Dämonen herbeirufen und überhaupt eigentlich alles.

Zedd wartete, bis sie fertig waren, dann streckte er ihnen die Arme entgegen. »Da habt ihr es. Wie ich gesagt habe, ihr Männer seid die mutigsten, die ich je gesehen habe! Man stelle sich vor, bewaffnet nur mit Heugabeln und Axtgriffen kommt ihr, um gegen einen Hexenmeister zu kämpfen, der über solche Kräfte verfügt. Sehr mutig!« Seine Stimme verhallte. Zedd schüttelte verwundert den Kopf. In der Menge machte sich Besorgnis breit.

Zedd fuhr fort, erklärte in monotonem Tonfall die Dinge, die ein Hexenmeister tun konnte, beschrieb in genauesten Einzelheiten verschiedenste Taten, von nicht ganz ernst zu nehmenden bis hin zu fürchterlichen. Die Männer lauschten mit gebannter Aufmerksamkeit. Weiter und weiter redete er, gut eine halbe Stunde lang. Richard und Kahlan hörten zu, traten von einem Fuß auf den anderen, langweilten sich und wurden müde. Die Leute hatten die Augen aufgerissen, keiner zuckte mit den Wimpern. Wie Statuen standen sie da, und die tanzenden Flammen ihrer Fackeln waren das einzige, was sich an den Männern bewegte.

Die Stimmung war umgeschlagen. Der Ärger war längst verflogen. Jetzt regierte Angst. Auch die Stimme des Zauberers hatte sich gewandelt. Sie war nicht mehr nett und freundlich, oder gar langweilig, sondern hart und bedrohlich.

»Was glaubt ihr, Männer, sollen wir nun tun?«

»Wir meinen, du solltest uns ungestraft nach Hause ziehen lassen«, erklang die klägliche Antwort. Die anderen bekundeten nickend ihre Zustimmung.

Der Zauberer drohte ihnen mit seinem langen Finger. »Nein. Das denke ich nicht. Wißt ihr, ihr seid erschienen, um mich zu töten. Mein Leben ist mein kostbarster Besitz, und ihr hattet vor, es mir zu nehmen. Ich kann euch nicht ungestraft gehen lassen.« Angstvolles Zittern ging durch die Menge. Zedd trat an den Rand der Veranda. Die Männer wichen einen Schritt zurück. »Als Strafe für den Versuch, mir das Leben zu nehmen, nehme ich euch nicht euer Leben, sondern das, was euch am kostbarsten, am wertvollsten, am liebsten ist!« Mit großer Geste schwenkte er seine Hand über ihre Köpfe hinweg. Den Männern stockte der Atem. »So. Es ist vollbracht«, verkündete er. Richard und Kahlan, die sich an die Hauswand gelehnt hatten, richteten sich auf.

Einen Augenblick lang rührte sich niemand, dann rammte ein Bursche inmitten der Menge seine Hand in die Tasche und tastete herum. »Mein Gold. Es ist weg.«

Zedd rollte die Augen. »Nein, nein, nein. Ich sagte, das Wertvollste, Liebste. Das, mit dem ihr euch vor allen anderen brüstet.«

Alles stand einen Augenblick lang wie entgeistert da. Dann hoben die ersten bestürzt die Brauen. Der nächste rammte die Hand in die Tasche, fühlte herum, die Augen angstvoll aufgerissen. Er stöhnte auf und sank in Ohnmacht. Die Umstehenden wichen zurück. Kurz darauf steckten andere die Hände in die Taschen und fühlten vorsichtig nach. Immer mehr Stöhnen und Wehklagen, und bald griffen sich alle Männer panikartig in den Schritt. Zedd lächelte zufrieden. Im Pöbel brach ein Höllenlärm aus. Männer sprangen schreiend auf und ab, befühlten sich, rannten im Kreis herum, flehten um Hilfe und fielen schluchzend zu Boden.

»Und nun verschwindet von hier, Männer! Geht!« schrie Zedd. Er drehte sich zu Richard und Kahlan, und ein schelmisches Grinsen kräuselte seine Nase. Er zwinkerte den beiden zu.

»Bitte, Zedd!« riefen ein paar der Männer. »Bitte laß uns nicht in diesem Zustand! Hilf uns, bitte!« Wehklagen ringsum. Zedd wartete ein paar Augenblicke, dann drehte er sich wieder zu ihnen um.

»Was soll das? Meint ihr, ich sei zu hart gewesen?« fragte er mit gespielter Verwunderung. Man war sich rasch einig, genauso sei es. »Und wieso glaubt ihr das? Habt ihr etwas gelernt?«

»Ja!« gellte John. »Jetzt sehen wir, daß Richard recht hatte. Du warst unser Freund. Nie hast du einem von uns Leid zugefügt.« Die Meute stimmte brüllend zu. »Du hast uns lediglich geholfen, und wir haben uns dumm benommen. Wir möchten dich um Verzeihung bitten. Es ist genau, wie Richard gesagt hat. Wir haben uns geirrt. Wir wissen, Zauberei ist nicht immer gleich schlecht. Bitte Zedd, sei auch weiterhin unser Freund. Laß uns jetzt nicht im Stich.« Auch andere flehten lautstark um Gnade.

Zedd tippte sich mit dem Finger gegen die Unterlippe. »Nun.« Er hob nachdenklich den Kopf. »Ich denke, ich könnte alles wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen.« Die Männer rückten näher. »Aber nur, wenn ihr alle mit meinen Bedingungen einverstanden seid. Ich halte sie allerdings für sehr gerecht.« Sie waren mit allem einverstanden. »Also gut. Wenn ihr einverstanden seid, von nun an jedem zu sagen, der die Stimme erhebt, daß Zauberei niemanden schlecht macht, daß nur zählt, was einer tut, und wenn ihr dann zu euren Familien nach Hause geht und ihnen erzählt, daß ihr heute beinahe einen fürchterlichen Fehler gemacht habt, und weshalb ihr euch geirrt habt, dann werdet ihr alle wiederhergestellt. Ist das gerecht?«

Alles nickte. »Mehr als gerecht«, meinte John. »Danke, Zedd.« Die Männer wandten sich um und eilten davon. Zedd wartete.

»Oh, Gentlemen, und noch etwas.« Sie erstarrten. »Bitte nehmt euer Werkzeug mit. Ich bin ein alter Mann. Ich könnte leicht stolpern und mich verletzen.« Ihn nicht aus den Augen lassend, schnappten sie sich hektisch ihre Waffen, machten kehrt und gingen ein Stück, bevor sie anfingen zu rennen.

Richard trat auf der einen Seite neben Zedd, Kahlan auf der anderen. Zedd stand da, die Hände in die knochigen Hüften gestemmt, und verfolgte, wie die Männer abzogen. »Narren«, murmelte er kaum hörbar. Es war dunkel. Das einzige Licht fiel aus dem vorderen Fenster des Hauses hinter ihnen. Richard konnte Zedds Gesicht kaum erkennen, aber immer noch gut genug, um zu sehen, daß er nicht lächelte. »Meine Freunde«, sagte der alte Mann, »diese Suppe wurde uns von verborgener Hand eingebrockt.«

»Zedd«, fragte Kahlan und wendete den Blick von seinem Gesicht, »hast du sie tatsächlich … du weißt schon, ihrer Manneskraft beraubt?«

Zedd lachte in sich hinein. »Das wäre echte Zauberei! Mir zu schwierig, fürchte ich. Nein, meine Liebe, ich habe sie nur dazu gebracht, das zu glauben. Ich habe sie einfach überzeugt, es sei wahr, und den Rest ihrer Phantasie überlassen.«

Richard drehte sich zu dem Zauberer um. »Ein Trick? Es war bloß ein Trick? Ich dachte, du hättest echte Zauberei vollbracht.« Er wirkte irgendwie enttäuscht.

Zedd zuckte mit den Achseln. »Wenn man einen Trick ordentlich ausführt, wirkt er manchmal besser als Zauberei. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, ein guter Trick ist echte Zauberei.«

»Trotzdem, es war bloß ein Trick.«

Der Zauberer hob den Finger. »Ergebnisse, Richard. Das ist es, was zählt. Auf deine Art hätten alle Männer ihre Köpfe verloren.«

Richard mußte grinsen. »Zedd, ich glaube, einigen wäre das lieber gewesen als das, was du ihnen angetan hast.« Zedd lachte. »Das war es also, was wir uns ansehen und von dem wir etwas lernen sollten? Daß ein Trick ebenso wirksam sein kann wie Zauberei?«

»Ja, aber auch noch etwas Wichtigeres. Wie gesagt, diese Suppe wurde uns von verborgener Hand eingebrockt, von Darken Rahls Hand. Aber er hat heute abend einen Fehler gemacht. Es ist falsch, Gewalt nur unzureichend anzuwenden. Damit gibt man seinem Feind eine zweite Chance. Das war die Lektion, die ihr lernen solltet. Lernt sie gut. Wenn eure Zeit kommt, bekommt ihr vielleicht keine zweite Chance.«

Richard runzelte die Stirn. »Dann frage ich mich, warum er es getan hat.«

Zedd zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Vielleicht verfügt er in diesem Land noch nicht über genügend Macht. Aber auch dann war der Versuch ein Fehler, denn er hat uns nur gewarnt.«

Sie wollten zur Tür. Es gab noch reichlich Arbeit, bevor sie schlafen konnten. Richard ging im Kopf die Liste durch, doch ein seltsames Gefühl lenkte ihn ab.

Die Erkenntnis überkam ihn wie ein kalter Guß. Ihm stockte der Atem. Er wirbelte herum, die Augen aufgerissen, und packte eine Handvoll von Zedds Gewand.

»Wir müssen fort von hier! Jetzt gleich!«

»Was?«

»Zedd! Darken Rahl ist nicht dumm! Er will, daß wir uns sicher fühlen, uns in Zuversicht wiegen! Er wußte, wir wären gerissen genug, um diese Männer auf die eine oder andere Art zu besiegen. Genau das wollte er sogar, damit wir anschließend herumsitzen, uns auf die Schulter klopfen, während er uns holt. Er hat keine Angst vor dir. Du hast selbst gesagt, er sei stärker als ein Zauberer, er habe keine Angst vor dem Schwert und auch vor Kahlan nicht. Er ist in diesem Augenblick auf dem Weg hierher! Er will uns alle, hier und jetzt, in dieser Nacht schnappen! Er hat einen Fehler gemacht, dies war sein Plan. Du hast es selber gesagt, ein Trick wirkt manchmal besser als Zauberei. Und genau das hat er getan. All dies war ein Trick, um uns abzulenken!«

Kahlan wurde bleich. »Zedd, Richard hat recht. Das ist genau seine Denkweise, daran erkennt man ihn. Er erledigt die Dinge gerne auf die Art, die man nicht erwartet. Wir müssen augenblicklich fort von hier.«

»Verdammt! Ich war ein alter Narr! Ihr habt recht. Wir müssen sofort aufbrechen, doch ohne meinen Felsen kann ich nicht fort.« Er schoß los, ums Haus herum.

»Zedd, wir haben keine Zeit!«

Der Alte lief bereits mit fliegendem Gewand und Haaren den Hügel hinauf, hinein in die Dunkelheit. Kahlan folgte Richard ins Haus. Sie hatten sich bis zur Trägheit einlullen lassen. Er konnte kaum glauben, wie dumm er gewesen war, Rahl zu unterschätzen. Er riß seinen Rucksack aus der Ecke neben dem Kamin, eilte ins Zimmer und tastete unter seinem Hemd nach dem Zahn. Er fand ihn und kehrte mit seinem Waldgewand zurück. Er warf es Kahlan um die Schultern und sah sich rasch um, ob er noch etwas anderes mitnehmen könnte. Doch es gab weder Zeit zum Nachdenken noch irgend etwas, für das es sich gelohnt hätte, das Leben zu riskieren. Er packte sie am Arm und schoß zur Tür. Zedd war bereits wieder da und stand keuchend draußen im Gras vor dem Haus.

»Und der Felsen?« wollte Richard wissen. Ausgeschlossen, daß Zedd ihn heben, geschweige denn tragen konnte.

»In meiner Tasche«, erwiderte der Zauberer mit einem Lächeln. Richard hatte keine Zeit, sich darüber zu wundern. Plötzlich war der Kater da. Irgendwie hatte er ihre Hektik mitbekommen und strich ihnen um die Beine. Zedd nahm ihn auf den Arm. »Ich kann dich nicht hierlassen, Kater. Uns steht Ärger ins Haus.« Zedd hob die Klappe von Richards Rucksack hoch und stopfte den Kater hinein.

Richard hatte ein ungutes Gefühl. Er sah sich um, ließ den Blick durch die Dunkelheit schweifen, auf der Suche nach etwas, das nicht an seinem Ort oder im Verborgenen war. Er entdeckte nichts, spürte jedoch, daß er beobachtet wurde.

Kahlan bemerkte, wie er die Gegend absuchte. »Was ist?«

Er konnte zwar nichts sehen, fühlte aber die Blicke. Es mußte die Angst sein. »Nichts. Gehen wir.«

Richard führte sie durch ein lichtes Waldgebiet, das er gut genug kannte, um es blind zu durchqueren, bis zu dem Pfad, den er suchte. Dort bogen sie nach Süden ab. Schweigend gingen sie rasch weiter, nur Zedd murmelte gelegentlich, wie dumm er gewesen war. Nach einer Weile sagte ihm Kahlan, er macht sich zu viele Vorwürfe. Sie alle seien getäuscht worden, und jeder einzelne spüre den Dorn der Schuld, aber sie wären sicher entkommen, und das sei alles, was zähle.

Der Pfad war gut begehbar, fast eine Straße, und die Dreiergruppe eine Seite an Seite, Richard in der Mitte, Zedd zu seiner Linken, Kahlan zu seiner Rechten. Der Kater steckte seinen Kopf aus Richards Rucksack heraus und sah sich um. Diese Art zu reisen hatte er schon als kleines Kätzchen genossen. Der Mond war hell und beleuchtete den Weg. Richard entdeckte einige vor dem Nachthimmel aufragende Launenfichten, aber anhalten kam nicht in Frage. Sie mußten fort von hier. Es war kalt, doch weil sie so schnell gingen, wurde ihm bald warm. Kahlan zog ihren Umhang fest um sich.

Nach ungefähr einer halben Stunde ließ Zedd sie anhalten. Er griff in sein Gewand und holte eine kleine Handvoll Pulver hervor. Er warf es nach hinten auf den Pfad, den sie gekommen waren. Silbrige Funken stoben aus seiner Hand und folgten ihrem Pfad zurück in die Dunkelheit. Leise klingelnd verschwanden sie um eine Biegung.

Richard wollte zurück. »Was war das?«

»Nur ein wenig Zauberstaub. Er wird unsere Spur verdecken, damit Rahl nicht weiß, wo wir entlanggegangen sind.«

»Er kann uns immer noch mit der Wolke verfolgen.«

»Ja, aber die verrät ihm nur grob die Gegend. Solange wir uns bewegen, wird sie ihm wenig nutzen. Nur wenn man irgendwo bleibt, wie du in meinem Haus, kann er einen jagen.«

Sie liefen weiter Richtung Süden. Der Pfad führte sie durch süß duftende Fichten und höher hinauf in das hügelige Land. Auf einer Anhöhe ließ sie ein Donner hinter ihnen plötzlich herumfahren. Hinter dem weiten Dunkel des Waldes sahen sie in der Ferne eine gewaltige Feuersäule gen Himmel schießen, rotes und gelbes Licht erhellte die Dunkelheit.

»Das ist mein Haus. Darken Rahl ist dort.« Zedd lächelte. »Sieht aus, als sei er verärgert.«

Kahlan berührte ihn an der Schulter. »Tut mir leid, Zedd.«

»Laß nur, meine Liebe. Es ist bloß ein altes Haus. Das hätten wir sein können.«

Kahlan drehte sich zu Richard, als sie weitergingen. »Weißt du, wohin wir gehen?«

Plötzlich wurde Richard klar, daß er es tatsächlich wußte. »Ja.« Er lächelte innerlich, war froh, die Wahrheit auszusprechen.

Die drei Gestalten flohen in die dunklen Schatten des Pfades, hinein in die Nacht.

Hoch über ihren Köpfen sahen zwei riesige, geflügelte Monster mit grün glühenden Augen zu. Sie warfen sich in einen steilen, geräuschlosen Sturzflug. Die Flügel des Tempos wegen eingezogen, stürzten sie hinab auf ihre Opfer.

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