7

»Ein Wunder der Logistik, Mister Hendrickson, daß wir das alles in weniger als vier Tagen geschafft haben«, sagte Betty, als sie an den Lastwagen und Wohnanhängern vorbeigingen, die auf dem Betonweg standen.

»Ich würde es ganz anders nennen«, erwiderte Barney. »Aber vor Damen bin ich in der Wahl meiner Worte immer vorsichtig. Wie steht es mit den Checks?«

»Alles in Ordnung. Die einzelnen Abteilungen haben ihre Listen unterschrieben abgeliefert. Sie haben sich wirklich Mühe gegeben.«

»Schön — aber wo sind die Leute alle?«

Sie waren an den meisten Fahrzeugen vorbeigekommen, und Barney hatte bis auf ein paar Fahrer niemand entdeckt.

»Es war, nachdem Sie gestern abend fortgingen, um das Rohmaterial für den Film zu besorgen. Alle saßen herum und wußten nicht, was sie tun sollten, und da führte eben eines zum anderen. Sie wissen schon …«

»Nein, ich weiß nicht. Was führte wozu?«

»Es war ein toller Spaß, und wir haben Sie dabei vermißt. Charley Chang ließ zwei Kasten Bier aus der Kantine bringen, weil er, wie er sagte, seit einem Jahr kein anständiges Bier mehr gehabt hätte, und einige andere besorgten Drinks und Sandwiches, und im Nu war die tollste Party im Gang. Sie dauerte ziemlich lange, und die meisten schlafen sicher noch in den Wohnwagen.«

»Bestimmt? Hat jemand nachgezählt, ob alle da sind?«

»Die Wächter tranken nichts, und sie sagten, keiner hätte das Gelände verlassen.«

Barney sah auf die stumme Reihe der Wohnwagen und zuckte mit den Schultern. »Wird schon stimmen. Wir rufen nach der Ankunft alle Namen auf, und wenn jemand fehlt, können wir ihn ja nachkommen lassen. Es ist ganz gut, wenn sie während der Reise schlafen. Und kriechen Sie ruhig auch in die Falle, wenn Sie die ganze Nacht gefeiert haben.«

»Danke, Boß. Ich bin in Wohnwagen 12, wenn Sie mich brauchen.«

Schnelle Hammerschläge drangen durch die offene Tür herein. Die Zimmerleute nagelten die letzten Bohlen für die Zeitplattform zusammen. Barney stand im Eingang und zündete sich eine Zigarette an. Er versuchte sich für das provisorische Gebilde zu begeistern, das die Filmgesellschaft zu den OrkneyInseln bringen sollte. Man hatte nach den Angaben des Professors einen rechteckigen Rahmen aus UTrägern zusammengeschweißt und dicke Planken darauf genagelt. Sobald die ersten Bretter festsaßen, hatte man auf ihnen einen Kontrollraum mit Fenstern errichtet, und Professor Hewett hatte sein Vremeatron aufgestellt. Es war größer als das Original und wurde von einem Hochleistungs-Dieselmotor betrieben. Unter der Plattform hatte man ein gutes Dutzend dicker Lastwagenreifen befestigt, um jeden Landeschock abzudämpfen. An den Kanten befand sich ein Geländer, und dünne Rohre schlossen die Plattform nach oben hin ab, um die Grenzen des Zeitfeldes anzuzeigen. Das Ganze wirkte gebrechlich und provisorisch, und Barney fand, daß es das beste sei, nicht zu lange darüber nachzudenken.

»Wir können anfangen«, sagte Professor Hewett und kroch mit einem rauchenden Lötkolben hinter seiner Maschine hervor. Der Dieselmotor drehte sich einmal stöhnend herum. Eine blaue Rauchwolke stieg in die Luft. Dann ratterte er gleichmäßig los.

»Wie geht es, Professor?« fragte Barney durch die offene Tür. Hewett schrak zusammen und drehte sich um.

»Guten Morgen, Mister Hendrickson. Ich nehme an, Sie wollen sich nach meinem Vremeatron Nummer Zwei erkundigen. Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, daß alle Stromkreise überprüft sind und der Reise nichts mehr im Wege steht.«

Barney sah die Zimmerleute an, die die letzten Planken festmachten, und stieß mit dem Fuß ein Stück Holz von der Plattform. »Wir müssen sofort starten — außer Sie haben das Rückkehrproblem anders gelöst.«

Hewett schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich habe mit dem Vremeatron experimentiert, um zu sehen, ob diese Barriere überwunden werden kann, aber es ist unmöglich. Wenn wir in unsere Zeit zurückkehren, schneiden wir einen Bogen durch das Kontinuum. Wir brauchen Energie, um unsere eigenen Zeitlinien von den Weltzeitlinien abzuzweigen. Die Rückreise nach einem Besuch in der Vergangenheit, ganz gleich, wie lange er sich hingezogen hat, ist eine Reise entlang dem gleichen Zeitvektor, der durch die erste Zeitbewegung errichtet wurde. Man könnte die Rückreise gewissermaßen endotemporär nennen, eine Absorption der Zeitenergie, so wie die Hinreise in die Vergangenheit exotemporär war. Wir können deshalb nicht zu einem Punkt zurückkehren, der hinter unserem Ausgangspunkt liegt — ebensowenig wie ein Ball, den man zu Boden prellt, beim zweiten Mal nicht höher als beim ersten Mal springen kann. Verstehen Sie das?«

»Kein Wort.«

Professor Hewett nahm ein kleines Fichtenbrettchen vom Boden, feuchtete seinen Kugelschreiber an und zeichnete ein paar Linien darauf.


»Sehen Sie sich das an«, sagte er, »dann wird Ihnen alles klar. Die Linie A1Z1 ist die Weltzeitlinie, wobei A1 die Vergangenheit und Z1 die Zukunft bedeutet. Der Punkt B ist unser augenblicklicher Standort in der Zeit. Die Linie AZ ist die Zeitlinie des Vremeatrons, wenn es eine Zeitreise vollführt, oder auch unsere eigene Zeitlinie, da wir ja mitreisen. Sie sehen also, daß wir die Weltlinie bei Punkt B verlassen und in einem Bogen durch das extratemporäre Kontinuum zurückgehen, um, sagen wir im Jahre 1000, bei Punkt C anzukommen. Der Bogen BC ist also unsere Reise. Wir treffen bei C wieder auf die Weltzeitlinie und bleiben eine Zeitlang darauf, solange wir uns in der Vergangenheit aufhalten. Die Dauer unseres Besuches wird also von der Linie CD dargestellt. Können Sie mir folgen?«

»Bis jetzt schon«, sagte Barney und zog die Linien mit dem Finger nach. »Reden Sie schnell weiter, solange ich den Faden noch nicht verloren habe.«

»Gewiß. Nun sehen Sie sich den Bogen DE an, unsere Rückreise in der Zeit zu einem Punkt, der hinter dem Startpunkt B liegt. Ich kann diesen Punkt E bis zu dem Bruchteil einer Sekunde hinter B setzen, aber niemals vor B. Die Reihenfolge muß immer BE sein.«

»Weshalb?«

»Ich bin froh, daß Sie diese Frage stellen, denn das ist das Kernproblem. Sehen Sie sich nun einmal Punkt K an. Das ist die Schnittstelle der beiden Bögen BC und DE. Dieser Punkt K muß existieren, sonst wäre eine Rückreise unmöglich, denn bei K erfolgt der Energieaustausch, der das Gleichgewicht der Zeit wieder herstellt. Wenn man Punkt E zwischen D und B setzt, kreuzen sich die Bögen nicht, ganz gleich, wie nahe sie aneinander kommen. Also gleicht sich auch die Energie nicht aus, und die Reise kommt nicht zustande.«

Barney glättete seine Stirn. »Kurz gesagt, wir können nicht zu einem Punkt zurück, der vor unserer Abreise liegt.«

»Richtig.«

»Dann ist also die Zeit, die wir für die Vorbereitungen verbraucht haben, endgültig vorbei?«

»Richtig.«

»Wenn wir also den Film am Montag um zehn Uhr vormittags fertig haben wollen, müssen wir jetzt in die Vergangenheit starten und dürfen nicht mehr zurückkommen, bis alles erledigt ist?«

»Ich hätte es selbst nicht deutlicher formulieren können.«

»Dann fangen wir schleunigst an. Schließlich haben wir schon Samstagvormittag. Die Zimmerleute sind fertig, es steht uns nichts mehr im Wege.«

Das erste Fahrzeug der Kolonne war ein Jeep. Tex lag schlafend auf den Vordersitzen und Dallas auf der Rückbank. Barney beugte sich in den Wagen und wollte auf die Hupe drücken, doch plötzlich starrte er in den Lauf eines Revolvers. Tex hielt ihn mit zitternder Hand.

»Ich habe Kopfschmerzen«, sagte er mit belegter Stimme. »Sie sollten das nicht tun.« Langsam ließ er die Waffe in das Halfter gleiten.

»Nervös heute morgen, was?« fragte Barney. »Du brauchst ein bißchen frische Meeresluft. Es geht los.«

Tex startete den Jeep, während Dallas auf die Plattform hinüberstolperte und zwei Metallrampen zurechtrückte. Sobald Tex über die Rampen gefahren war, zog er sie nach.

»Das ist alles für die erste Reise«, sagte Barney. »Wir suchen einen ebenen Platz und holen dann die anderen ab. Also, Professor, stellen Sie den gleichen Landeplatz wie beim ersten Mal ein, nur acht Wochen später.«

Hewett stellte murmelnd die Instrumente ein, und das Vremeatron trat in Aktion. Modell Zwei war eine Verbesserung, weil die Reise viel schneller vor sich ging als beim ersten Modell. Kaum war das Gelände der Filmgesellschaft verschwunden, als ihnen auch schon salziger Sprühnebel ins Gesicht wehte. Tex stöhnte leise und zog den Reißverschluß seiner Jacke hoch.

»Die Wiese da drüben scheint nicht schlecht zu sein«, sagte Barney. Er deutete auf ein verhältnismäßig flaches Feld, das sich bis zum Strand erstreckte. »Tex, du fährst mich hinüber. Dallas bleibt beim Professor.«

Der Jeep knatterte über den Boden, und Möwen flogen kreischend hoch.

»Sieht groß genug aus«, meinte Barney und stieß mit dem Fuß gegen ein Grasbüschel. »Du kannst zurückfahren und dem Professor ausrichten, daß er die Plattform hierherbringen soll.«

Barney setzte sich und holte ein Paket Zigaretten aus der Tasche, aber es war leer. Er knüllte es zusammen und warf es weg, während Tex den Jeep im Kreis wendete und zurück zur Plattform raste. Die Rampen waren immer noch unten, und der Jeep erklomm sie ruckend. Barney sah noch genau, wie der Professor sich ans Vremeatron wandte und Dallas die Rampen einzog.

»He …«, sagte Barney, als plötzlich alles verschwand und nur noch die Jeepspuren im Sand zu sehen waren. Er hatte angenommen, daß Tex zurückkommen würde.

Die Sonne verschwand hinter einer Wolke, und ihn fror. Die Möwen ließen sich wieder am Rand des Wassers nieder, und der einzige Laut war nun das ferne Rauschen der Brandung. Barney warf einen Blick auf das Zigarettenpaket, das einzige vertraute Ding in der Umgebung.

Er hatte nicht auf die Uhr gesehen, aber bestimmt war er nicht länger als eine oder zwei Minuten hier. Dennoch konnte er in dieser kurzen Zeit nachempfinden, was Charley Chang gefühlt hatte, als er plötzlich allein auf Santa Catalina mit den vielen fremden Tieren gewesen war. Er hoffte nur, daß Jens Lyn seinen zweimonatigen Aufenthalt gut überstanden hatte. Wenn er nicht im Laufe der vielen Jahre beim Film sein Gewissen abgeschafft hätte, so hätten die Männer ihm vielleicht leid getan. Aber so hatte er nur mit sich selbst Mitleid. Die Wolke verschwand, und die Sonne schien warm auf ihn herunter, aber er fror immer noch. In diesen wenigen Minuten kam er sich so allein und verlassen wie noch nie im Leben vor.

Die Plattform erschien und landete Zentimeter neben ihm auf der Wiese.

»Wird höchste Zeit«, sagte er, und sein Mut kehrte wieder. »Wo wart ihr denn so lange?«

»Im zwanzigsten Jahrhundert, wo sonst?« erwiderte der Professor. »Sie haben doch Punkt K nicht vergessen? Wie lange hat es übrigens von Ihrer Zeit aus gedauert?«

»Ich weiß nicht genau, schätzungsweise ein paar Minuten.«

»Gar nicht schlecht für eine Reise durch zweitausend Jahre. Sagen wir fünf Minuten — das ergäbe eine mikroskopisch kleine Abweichung von …«

»Schon gut, Professor, das können Sie in Ihrer Freizeit ausrechnen. Wir wollen die Leute endlich an die Arbeit bringen. Fahrt den Jeep auf die Seite. Ihr beide bleibt hier und bringt die ankommenden Fahrzeuge sofort weg, damit genug Platz für die nachfolgenden entsteht.«

Diesmal kehrte Barney mit der Plattform zurück, und ihm kam auch keinen Augenblick lang der Gedanke, wie den beiden Männern nun zumute sein mochte.

Der Transport ging schnell voran. Nach den ersten Verschiebungen klappte alles wie am Schnürchen. Ein Traktor mit Motorbootanhänger und der Tiefkühlwagen bildeten die letzte Ladung, und Barney kletterte auf die Plattform. Er nahm mit einem letzten Blick Abschied vom kalifornischen Sonnenschein und winkte dem Professor, die Maschine zu starten. Seine Uhr zeigte drei Minuten vor zwölf an, als das zwanzigste Jahrhundert verschwand und das elfte vor ihm auftauchte. Er atmete erleichtert auf. Jetzt würde die Zeit im zwanzigsten Jahrhundert stillstehen, wenigstens für ihn und seine Leute. Wenn sie mit dem Film zurückkehrten, war es immer nochSamstagnachmittag, und sie hatten zwei volle Tage bis zum Montag Zeit. Zum erstenmal war der Druck von ihm genommen.

Etwa vier Sekunden entspannte sich Barney. Dann fiel ihm ein, daß er noch einen ganzen Film zu drehen hatte, und seine Schultern sackten wieder nach vorn.

Das Dröhnen des Traktors schreckte ihn auf. Die Maschine erfüllte die klare Luft mit ihrem Gestank. Barney ging dem Bootsanhänger aus dem Weg und warf einen Blick über die Wiese. Die Lastwagen und Wohnwagen standen wild verstreut da, doch man fuhr bereits die ersten zu einer Wagenburg zusammen. Einige Leute waren zu sehen. Die meisten schienen allerdings noch zu schlafen. Barney war auch müde, aber er wußte, daß er kein Auge zutun konnte, auch wenn er es wollte. Also konnte er ebensogut mit der Arbeit beginnen.

Tex und Dallas hatten sich eben Kissen aus dem Jeep geholt und wollten sich ins Gras setzen, als er herankam. »Fang«, sagte der zu Dallas und warf ihm einen Dollar zu. Dallas holte ihn geschickt aus der Luft. »Ihr könnt selbst losen. Einer von euch begleitet mich zu Jens Lyn, während der andere seinen Schönheitsschlaf nachholen darf.«

»Du gehst mit«, sagte Dallas zu Tex, doch dann fluchte er, als er George Washingtons Porträt sah. Tex lachte einmal kurz auf und legte sich dann hin.

»Ich weiß noch nicht einmal, wo wir sind«, beschwerte sich Dallas.

»Auf den Orkney-Inseln«, erwiderte Barney und beobachtete die Möwen, die vor ihnen in die Luft schnellten.

»In Geographie war ich schon immer schwach.«

»Die Orkneys sind eine kleine Inselgruppe nördlich von Schottland — etwa auf dem gleichen Breitengrad wie Stockholm.«

»Nördlich von Schottland — das glauben Sie selbst nicht! Ich war im Krieg in Schottland stationiert, und da sah ich die Sonne ein einziges Mal durch ein Wolkenloch. Außerdem war es eiskalt.«

»Gewiß, gewiß, aber das war im zwanzigsten Jahrhundert. Wir befinden uns jetzt im elften Jahrhundert und mitten in einer optimalen Klimalage. Zumindest behauptet das der Professor, und du kannst ihn ja fragen, wenn du mehr darüber wissen willst. Das Wetter war — oder ist — wärmer, darauf läuft es hinaus.«

»Kaum zu glauben«, meinte Dallas und sah mißtrauisch die Sonne an, als erwartete er, sie würde jeden Moment erlöschen.

Das Haus hatte sich seit ihrem letzten Besuch nicht verändert, und einer der Diener saß an der Tür und wetzte ein Messer, als sie näherkamen. Er sah verwundert auf, ließ den Wetzstein fallen und rannte ins Haus. Einen Augenblick später erschien Ottar und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.

»Willkommen«, rief er, als der Jeep bremste. »Freut mich, daß ihr hier seid. Wo ist Jack Daniels?«

»Der Sprachunterricht scheint geklappt zu haben«, meinte Dallas. »Aber den Durst hat er behalten.«

»Es ist genug zu trinken da«, versicherte ihm Barney. »Aber ich möchte zuerst mit Dr. Lyn sprechen.«

»Er ist hinten«, sagte Ottar. Dann hob er die Stimme zu einem Brüllen. »Jens — kom hingat!«[11]

Jens Lyn schlurfte müde um die Ecke des Hauses. Er schleppte einen primitiven Holzeimer. Seine Füße waren nackt, und er war bis zu den Hüften lehmverschmiert. Bekleidet war er mit einem zerlumpten Sack, der um die Hüften von einem Streifen Rohleder festgehalten wurde. Sein Haar war schulterlang und sein Bart ebenso eindrucksvoll wie der von Ottar. Als er den Jeep sah, blieb er stocksteif stehen. Seine Augen weiteten sich, er stieß einen rauhen Schrei aus, wirbelte den Eimer über dem Kopf und rannte auf sie zu. Dallas sprang aus dem Jeep.

»Langsam, Doc«, sagte er. »Legen Sie den Eimer weg, bevor Sie jemand damit verletzen.«

Die Worte oder vielleicht auch die Haltung des Revolvermannes drangen langsam durch die Wut des Philologen. Er blieb stehen und senkte den Eimer. »Was ist los?« schrie er. »Wo wart ihr so lange?«

»Wir haben natürlich alles für den Film vorbereitet«, sagte Barney. »Wir schafften es in ein paar Tagen, aber natürlich, für Sie waren es zwei Monate …«

»Zwei Monate!« brüllte Lyn. »Mehr als ein Jahr! Wie konnte das geschehen?«

Barney zuckte mit den Schultern. »Ich schätze, der Professor hat einen Fehler gemacht. Die vielen Instrumente …«

Jens Lyn knirschte mit den Zähnen, daß man es bis in den Jeep hörte. »Ein Fehler — damit ist die Sache für Sie abgetan! Während ich bei diesen verlausten Barbaren gefangen war und ihre dreckigen Tiere versorgen mußte! Fünf Minuten, nachdem Sie fort waren, versetzte mir Ottar einen Schlag auf den Schädel und nahm mir alle Kleider, Vorräte und natürlich auch den Whisky weg.«

»Weshalb für Whisky arbeiten, wenn Whisky auch so da?« fragte Ottar in schönster Wikingerlogik.

»Es ist nun mal geschehen«, sagte Barney. »Sie haben ein hartes Jahr hinter sich, aber ich werde dafür sorgen, daß man Sie entschädigt. Ihr Vertrag wird selbstverständlich auf ein Jahr verlängert. Das ist eine hübsche Summe, und außerdem haben Sie dann noch Ihr Universitätsjahr frei, weil im zwanzigsten Jahrhundert inzwischen nur ein paar Tage vergangen sind. Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt und Ottar Englisch beigebracht …«

»Das haben Sie nur seinem Durst zu verdanken. Er war fast einen Monat lang abscheulich betrunken, und als er wieder zu sich kam, erinnerte er sich an die Englischlektionen. Ich mußte ihm täglich etwas beibringen, damit er von Ihnen Whisky verlangen könne, sobald Sie ankämen.«

»Ottar spricht gut, wirklich. Wo ist Whisky?«

»Wir haben genug, beruhige dich nur«, sagte Barney und wandte sich wieder an Jens. Der Gedanke an Paragraphen und Gerichtsverhandlungen machte ihm zu schaffen. »Was halten Sie davon, wenn wir die Sache auf sich beruhen lassen, Doc? Ein Jahresgehalt dafür, daß Sie Ottar Englisch beigebracht haben und weitere Prämien für Ihre Mitarbeit während des Films. Ich bin sicher, daß es ein interessantes Erlebnis war …«

»Aaaarh!«

»Sie werden es bestimmt nicht so schnell vergessen. Außerdem haben Sie garantiert eine Menge Altnordisch gelernt …«

»Weit mehr, als mir lieb war.«

»Wir sind also quitt, nicht wahr?«

Jens Lyn stand lange Zeit mit geballten Fäusten da, dann warf er den Eimer zu Boden und zertrampelte ihn wild.

»Gut«, sagte er schließlich. »Ich habe ja keine andere Wahl. Aber ich rühre keinen Finger, bevor ich ein anständiges Bad, eine Entlausung und neue Kleider bekomme.«

»Sicher, Doc. Wir fahren Sie gleich zu unserer Gesellschaft. Wir sind hinter der Landzunge …«

»Danke, ich finde selbst hin«, sagte er und stapfte zum Strand hinunter.

»Whisky«, sagte Ottar.

»Arbeite«, erklärte ihm Barney. »Wenn du Whisky haben willst, mußt du ihn dir verdienen. Wir fangen morgen mit den Dreharbeiten an, und ich brauche ein paar Informationen.«

»Gut. Komm ins Haus.«

»Um Himmels willen.« Barney trat einen Schritt zurück. »Ich weiß noch, was mit dem letzten Knaben geschah, der deine Einladung annahm.«

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