15 Die Herberge

»Ich weiß, daß Remana sich Sorgen um das Mädchen macht, Yanis, aber der Gedanke, unsere Schiffe so nah bei Nexis aufs Spiel zu setzen, gefällt mir überhaupt nicht«, brummte Idris.

Yanis sah Fional an und zog eine Grimasse. Der junge Führer der Nachtfahrer hatte den übellaunigen, alten Kapitän mit dem verkniffenen Gesicht nie gemocht. Es war wohl unvermeidlich, daß es ausgerechnet Idris war, der versuchte, seinen Plan zu vereiteln, heimlich nach Nexis zurückzukehren und nach Zanna und ihrem Vater zu suchen.

Yanis ballte die Fäuste auf dem sauber geschrubbten, mit Messerstichen übersäten Holz des Ratstisches, der in der großen Küchenhöhle des Verstecks der Nachtfahrer stand und normalerweise für weit weniger erhabene Zwecke gebraucht wurde. Die in hellem Licht erstrahlende Höhle mit ihren langen Reihen großer Kamine war der wärmste Ort in dem Versteck der Schmuggler, und die Versammlung fand Fional zuliebe hier statt. Der junge Bogenschütze, der noch immer nicht ganz aufgetaut war, war an diesem Morgen halb erfroren aus dem heulenden Schneesturm aufgetaucht – mit der erschreckenden Nachricht, daß nach all dieser Zeit weder Vannor noch Hagorn ins Tal zurückgekehrt waren.

Yanis funkelte den aufgebrachten Idris an. »Unsere Schiffe?« fragte der Anführer der Nachtfahrer. »Seit wann sind es denn deine Schiffe, Idris?«

Der knorrige Kapitän sprang auf die Füße und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wage es nicht, so mit mir zu sprechen, du junger Dachs! Ich bin mit deinem Vater gesegelt, jawohl, und auch mit deinem Großvater. Gute Männer, alle beide, und sie wußten, daß das hier eine Gemeinschaft ist. Nur weil du der Sohn deines Vaters bist, heißt es nicht, daß man dich nicht ersetzen könnte.«

»Ach, ersetzen könnte man ihn, wie?« Remana sprach leise, aber mit einem giftigen Unterton. Idris fing ihren Blick auf, schloß augenblicklich den Mund und ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken. Keiner unter den Nachtfahrern würde sich gegen Remana stellen, und das wußte der alte Kapitän. Zu Yanis’ Überraschung blinzelte seine Mutter ihm zu, bevor sie sich wieder an den Bogenschützen wandte. »Fional«, fragte sie, »hast du auch nur die geringste Ahnung, was im Augenblick in Nexis vorgeht?«

Fional schüttelte den Kopf und schenkte sich aus der Kanne, die auf dem Tisch stand, Tailin nach. Dankbar nahm er einen Schluck von dem dampfenden Gebräu, bevor er schließlich fortfuhr. »Nachdem ich Vannors Sohn Dulsina übergeben hatte, brauchte ich wegen dieses fürchterlichen Schnees eine ganze Ewigkeit, um wieder hierherzukommen, und im Tal waren wir außerdem vollkommen isoliert. Ich dachte, eure Informationen müßten frischer sein als unsere.«

»Das glaube ich nicht«, murmelte Yanis. »Nachdem der Erzmagusch die Herrschaft an sich gerissen hat, habe ich auch meine letzten Leute von Nexis abgezogen. Es war mir einfach zu gefährlich, gute Männer dabei zu riskieren. Und vergiß nicht«, fügte er hinzu, »ich habe in letzter Zeit viel über die Dinge nachgedacht. Dieser Wintersommer und die Stürme auf See haben dem Handel fast ein Ende gesetzt, und unsere Vorräte gehen langsam zur Neige. Wir werden bald etwas unternehmen müssen.«

»So schlimm sieht es also aus, hm?« fragte Fional mitleidig. »Weißt du, wenn ihr in Schwierigkeiten kommt, könnt ihr immer noch jemanden ins Tal schicken, zu Dulsina. Wir haben mehr als genug.«

Remana schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht. Du hast erzählt, daß der Winter sich nicht auf das Tal zu erstrecken scheint. Aber wie ist das möglich?«

»Dulsina glaubt, daß wir irgendwie beschützt werden – wahrscheinlich von der Lady Eilin«, erwiderte Fional mit einem Schulterzucken. »Aber wir verstehen einfach nicht, warum sie sich uns nicht zeigt. Vannor sagt, Aurian hätte immer davon gesprochen, daß ihre Mutter eine ausgesprochene Einzelgängerin sei, aber das Ganze kommt mir doch ziemlich merkwürdig vor.«

»Nun, was auch immer der Grund dafür sein mag, ich bin jedenfalls dankbar dafür«, sagte Remana, »aber das bringt uns der Frage nicht näher, wie wir Vannor und Zanna helfen können.« Ein Stirnrunzeln überzog ihr breitknochiges Gesicht. »Ich fühle mich so schuldig. Wenn ich das verflixte Mädchen doch nur besser im Auge behalten hätte …«

Yanis legte ihr tröstend eine Hand auf den Arm. »Mach dir keine Vorwürfe, Mama. Es war meine Schuld, daß Zanna verschwunden ist, und wir alle wissen das. Wenn ich doch nur ihrem Plan zugestimmt hätte, unsere Schiffe Vannor zur Hilfe zu schicken, statt auf Gevan und Idris hier zu hören …« Er warf dem alten Kapitän einen finsteren Blick zu. »Das mindeste, was wir jetzt tun könnten, ist, dabei zu helfen, sie zu finden – und das ist keine Frage, die hier zur Diskussion steht.« Er hielt inne und sah alle Anwesenden der Reihe nach an. »Die Frage ist: Wie sollen wir das schaffen ohne unsere Männer in Nexis?«

Idris machte immer noch ein unglückliches Gesicht. »Na schön. Wenn es sein muß, dann muß es sein, schon allein, um nicht Vannors Freundschaft zu verlieren, die uns so oft weitergeholfen hat. Aber gibt es denn keine Möglichkeit, zu verhindern, daß wir dabei unsere eigenen Leute aufs Spiel setzen?«

Yanis schüttelte den Kopf. »Ich wüßte nicht, wie …«

»Aber ich weiß es!« Remana, die die ganze Zeit über tief in Gedanken versunken gewesen war, unterbrach ihn plötzlich. »Wir brauchen einen Kontaktmann, der schon in Nexis sitzt, und ich weiß genau, an wen wir uns da wenden könnten – an Jarvas, einen alten Freund deines Vaters, der eine Herberge für die Armen der Stadt betreibt.« Sie sah einen nach dem anderen an, und ihre Augen funkelten vor Aufregung. »Sein Haus liegt direkt unten am Fluß, daher können wir nach Einbruch der Dunkelheit leicht dort hineinschleichen und …«

»Also einen Augenblick mal!« rief Yanis. »Was meinst du mit wir? Wenn du glaubst, ich nehme dich mit nach Nexis und setze dich all diesen Gefahren aus, dann hast du dich aber geirrt.«

Remana lächelte süß. »Aber Yanis! Jarvas kennt dich nicht. Er würde einem Fremden niemals vertrauen, schon gar nicht in einer Situation wie der jetzigen.« Ihre Augen zwinkerten schelmisch. »Mich dagegen kennt er.«

Fional, der auf der anderen Seite des Tisches saß, grinste vor sich hin. »Wußtest du eigentlich, Remana, daß du genauso bist wie deine Schwester?«

Yanis verbarg sein Gesicht in seinen Händen und stöhnte.

Der Marsch durch die im Schneematsch erstickenden Gassen ging mir größter Eile und Heimlichkeit vor sich. Obwohl Jarvas den stämmigen und schweren Fremden ganz allein trug – Tilda hatte kaum mehr getan, als sein Schwert und das Bündel zu tragen –, hatte die Hure doch größte Schwierigkeiten, mit dem schnellen Schritt des hochgewachsenen Mannes mitzukommen. Bei den Göttern, wie froh sie sein würde, wenn sie erst in Sicherheit waren! Der Schock über ihre Narrheit in der Taverne hatte sich gelegt, und langsam dämmerten ihr die Konsequenzen ihres Verhaltens. »Was habe ich nur getan?« stöhnte sie. »Und warum habe ich es getan?« Einige der Wachen waren nur verwundet gewesen, aber andere waren gewiß tot, und sobald Pendral ihre Beschreibung und die von Jarvas im Umlauf gebracht hatte, konnten sie kaum hoffen, einer Verhaftung noch lange zu entgehen.

Tilda fluchte leise vor sich hin. Das Leben als Straßendirne war wahrhaftig nichts Besonderes, aber immer noch besser als ein Leben auf der Flucht. In der letzten Stunde war ihre ganze Welt in Scherben gegangen. Grimmige und bittere Linien hatten sich in ihr Gesicht gegraben, und sie trottete hinter Jarvas her durch das Labyrinth der Gassen, die zu seinem Heim führten.

Die stabile Palisade ragte über Tildas Kopf auf, und trotz ihres wachsenden Unbehagens war sie beeindruckt. Sie war noch nie zuvor hier gewesen – sie konnte sich um sich selbst kümmern, vielen Dank, und sie war stolz darauf –, aber natürlich hatte sie von diesem Ort gehört. Jarvas und seine guten Taten! dachte sie. Und was haben sie ihm eingebracht? Als sie das schwere Tor erreichten, pfiff der große Mann eine komplizierte Melodie, und kurz darauf hörte man ein hohles, scharrendes Geräusch, als schwere Holzgitter auf der anderen Seite der Tür aus ihren Sockeln gehoben wurden. Das Tor schwang auf, und das leuchtende Fackellicht, das Tilda entgegenschlug, trieb ihr Tränen in die Augen. Dann löste sich eine in Umhang und Kapuze verborgene Gestalt aus dem Nebel.

»Du bist aber früh zurück.« Beim Anblick von Jarvas’ Last geriet die Stimme der Frau ins Schwanken. »Bei den Göttern, was ist passiert?« Tilda sah, wie die kleine Gestalt sich straffte und offensichtlich einen Entschluß faßte. »Ich werde sofort Benziorn holen«, sagte sie energisch und drehte sich auch schon um.

»Gutes Mädchen!« schrie Jarvas hinter ihr her. »Sag ihm, daß wir hier eine Wunde haben, die genäht werden muß.«

»Mach ich.« Die Frau verschwand im wabernden Nebel.

Jarvas trug den verwundeten Fremden in das Lagerhaus, das am nächsten lag. Tilda, die ihm folgte, keuchte vor Überraschung, als sie durch die schmale Öffnung in der massiven Tür schlüpfte. Der Nebel machte es einem schwer, von außen die Größe des Gebäudes zu beurteilen, aber im Innern angelangt, stellte man fest, daß es riesig war: Das Erdgeschoß war ein von lauten, fröhlichen Rufen widerhallendes Gewölbe, und Schatten tanzten auf den Wänden, die von dem Licht der Fackeln herrührten. Diese Fackeln waren an den acht tragenden Steinsäulen befestigt, die sich in Zweierreihen durch die ganze Halle erstreckten. Tildas erster Eindruck war von Wärme und Licht geprägt. Lampen und Kerzen brannten auf Steinvorsprüngen und in Nischen, die man in die rohen Wänden des gekalkten Steins gehauen hatte. Außerdem brannten in regelmäßigen Abständen und auf beiden Seiten des riesigen Raumes Lagerfeuer. Der Qualm des Holzes stieg in unruhigen Wogen auf, füllte den Raum mit einem erstickenden Nebel, der in Tildas Augen brannte und ihr den Atem raubte, so daß sie wieder anfing zu husten. Sie hatte einen flüchtigen Eindruck von Leuten, die sich um sie scharten, und hörte ein Summen vieler fragender Stimmen, aber ihre Augen tränten so sehr, daß es ihr unmöglich war, durch den qualmigen Dunst hindurch etwas deutlich zu erkennen.

»Aus dem Weg! Ich habe hier einen Verletzten!« brüllte Jarvas. »Mögen uns die Götter gnädig sein! Welcher Schwachkopf hat bloß die Fenster geschlossen! He, du da!« Er fing den Blick eines mageren Bengels mit schmutzigem Gesicht auf. »Junge, kannst du klettern?«

»Natürlich kann ich das!« Der schmuddelige, kleine Junge nickte begeistert.

»Gut. Da drüben an der Wand findest du eine Leiter. Klettere zu einem der hohen Fenster hinauf und öffne die Läden, und wenn du das getan hast, tu dasselbe mit dem Fenster gegenüber. Ein kräftiger Durchzug wird diesen Rauch in kürzester Zeit vertreiben.«

»Wird gemacht, Jarvas.« Der Junge stürmte davon und rief seine Freunde herbei, die ihm helfen sollten.

»Und mach keinen Unfug mit der Leiter!« Jarvas drehte sich mit einem kläglichen Grinsen zu der Hure um. »Ich verschwende nur meinen Atem, wenn ich einem Jungen seines Alters so etwas sage. Ist mit dir alles in Ordnung?«

»Rauch!« stieß Tilda mühsam wimmernd hervor.

»Das tut mir leid, aber wir bringen das schnell wieder in Ordnung. Irgend jemand soll Wasser kochen und ein paar saubere Lumpen von irgendwoher auftreiben«, bellte er in das Zimmer hinein, ohne sich an jemand bestimmten zu richten.

Jarvas ging an das andere Ende des Raums, während Tilda sich blind an dem Saum seines Umhangs festklammerte. Dann legte er den Verwundeten auf eine Pritsche in der Nähe des Feuers. »Benziorn sollte sich besser beeilen«, murmelte er, und Tilda machte sich daran, den verletzten Fremden mit einem Lumpen zuzudecken. »Er verliert eine Menge Blut.«

Tilda hörte das Quietschen und Scheppern der Leiter, als sie aufgestellt wurde, und daneben das schrille Geplapper kindlicher Stimmen. Ihre Flüche störten sie nicht; sie war mit solchen Rauheiten auf der Straße aufgewachsen. Nach ein paar Minuten besänftigte die hochwillkommene, frische Luft ihre Lungen. Der Rauch hob sich, aber die Fenster waren so hoch, daß sie den schlimmsten Teil der Kälte aus dem Raum fernhielten.

»Na schön. Was soll ich denn diesmal wieder zusammenflicken?« Die Stimme war tief und weich wie Samt, aber der Tonfall war eher streitlustig und von offenkundiger Müdigkeit gezeichnet. »Wieder mal irgendein idiotisches Opfer von einer Schlägerei Betrunkener?«

Tilda blickte auf und sah einen Mann von durchschnittlicher Größe und mittleren Jahren, das blonde Haar durchzogen mit noch helleren, silbrigen Strähnen. Sein ausdrucksvolles Gesicht war, wenn auch erschöpft und von Entbehrungen gezeichnet, doch überaus angenehm und gut geschnitten, aber seine hellblauen Augen blitzten gereizt. Ohne auf eine Antwort zu warten, riß er die Decke, die den Fremden einhüllte, zur Seite und fluchte. »Melisanda sei uns gnädig, was für ein abscheuliches Durcheinander! Seid ihr Schwachköpfe denn so unglaublich blöd, daß ihr nicht einmal einen einfachen Verband zuwege bringt? Ihr hättet den armen Teufel auch genausogut irgendwo verbluten lassen und mir ausnahmsweise einmal eine Nacht lang einen ordentlichen Schlaf gönnen können. So oder so hätte es für diesen armen Tropf hier nichts geändert. Wenigstens ist er bewußtlos, so daß ich mir nicht auch noch seine Schreie anhören muß.«

Die ganze Zeit über, während er geredet hatte, war Benziorn damit beschäftigt gewesen, die Tasche, die er immer bei sich trug, auszupacken und seine Instrumente an das Mädchen weiterzureichen, das ihn herbeigeholt hatte. Nachdem sie sich aus ihrem gewaltigen Umhang befreit hatte, entpuppte sie sich als ein zartes, blondes Mädchen mit einem Hang zu unbarmherziger Tüchtigkeit. Sie tauchte die Instrumente und Verbände in kochendes Wasser, während der Arzt die Wunden des Fremden säuberte, ohne auch nur einen Augenblick lang in seinem gereizten Brummen innezuhalten.

»Seine Brust ist kein Problem, die Wunde ist nur ein Schnitt quer über die Rippen; es ist keine Stichwunde, und sein Lederwams hat ihn offensichtlich vor dem Schlimmsten bewahrt. Allerdings hat er einen Schock von dem Blutverlust – konntet ihr Idioten ihn nicht wärmer halten? Scheußliche Kopfwunde … Wenn ich schnell mache und wir Glück haben, können wir das Ohr vielleicht noch retten … Was ist los mit dir, Emmie?« fragte er, aber das blonde Mädchen reagierte lediglich mit einem Lächeln.

»Ich bin jetzt fertig, Benziorn.«

»Du! Wer immer du bist«, fuhr der Arzt auf. »Hol mir mehr Lichter. Kerzen, Lampen, was auch immer. Und beeil dich!«

Tilda fuhr mit einem Ruck auf, als sie bemerkte, daß er mit ihr sprach. Da sein gereizter Ton keine Frage zuließ, eilte sie davon, um seinen Wunsch zu erfüllen. Als sie zurückkehrte und ihre Handvoll Kerzen wie geheißen um den Kopf des Fremden herum aufstellte, hatte Benziorn bereits begonnen, die Wunde mit schnellen, sparsamen Bewegungen zu nähen. Als sie näher kam, bemerkte Tilda den vertrauten Geruch seines Atems und begriff erschrocken, daß der Arzt getrunken hatte. O ihr Götter, dachte sie, wo bin ich bloß gelandet?


Tarvas betrachtete sein kleines Königtum und ließ seinen Blick über Bilder des Schmutzes und der Armut gleiten. Etwa drei Dutzend Familien hatten ihr Lager in der Halle aufgeschlagen und teilten sich den Raum mit schlaff herunterhängenden Trennwänden aus Lumpen, Säcken oder was immer sie gerade zur Hand hatten. Kinder schliefen wie kleine Hündchen, zusammengedrängt in einem Durcheinander von Nestern aus Decken, während die Mütter in Eintöpfen rührten oder hoffnungslos an Kleidern herumflickten, deren ursprünglicher Stoff unter den vielen regenbogenfarbigen Schichten der Flicken überhaupt nicht mehr zu erkennen war. Alte Leute, eingehüllt in Umhänge und Schals, schnarchten irgendwo in den Ecken oder wetteiferten mit der dampfenden, frisch gewaschenen Wäsche um den Platz am Feuer, während Gruppen von Männern mit überkreuzten Beinen im Lampenlicht saßen und mit Glaskugeln um Kieselsteine spielten. Die topasfarbenen Augen mehrerer Katzen blinzelten und funkelten im Feuerschein. Irgendwo in der Dunkelheit schrie ein Baby. Jedes Gesicht war ausgemergelt und von Hunger und Elend gezeichnet.

Jarvas spürte, daß sich jemand zu ihm gesellte. Tilda stand neben ihm und betrachtete mit einer Mischung aus Entsetzen und Mitleid die Menschen vor ihr.

»Zumindest verhungern sie im Augenblick nicht.« Seine Stimme hatte eine gereizte Note, als wolle er sich verteidigen. »Und sie werden heute nacht nicht irgendwo auf der Straße erfrieren.«

»Aber es sind so viele«, murmelte Tilda. Dann biß sie die Lippen zusammen und wandte den Blick ab. »Dein kostbarer Arzt ist betrunken!« fügte sie hinzu.

Jarvas nickte. »Das ist er meistens. Früher einmal war er der beste Arzt in ganz Nexis. Er hat sich recht behaglich seinen Lebensunterhalt verdient, indem er die Kaufleute und die anderen Reichen behandelt hat – bis zu der Nacht, als diese gräßlichen Ungeheuer zuschlugen.« Er seufzte. »Benziorn war gerade nicht zu Hause gewesen, weil er sich irgendwo um einen Kranken kümmern mußte, als eins der Geschöpfe in sein Haus eingedrungen war und seine Frau und seine Kinder ermordet hatte. Seit diesem Tag trinkt er. Es hat ihn sein Haus und seinen Lebensunterhalt gekostet. Als ich ihn von der Straße geholt hatte, war er nur noch ein stinkendes, halb verhungertes Wrack.« Jarvas zuckte mit den Schultern. »Aber wir können uns glücklich schätzen, ihn zu haben. Betrunken oder nüchtern, er ist immer noch der Beste.«

»Das freut mich zu hören.« Eine Spur Bitterkeit schwang in Tildas Stimme mit. »Es würde mir überhaupt nicht gefallen, wenn wir unseren Hals für irgendeinen Fremden riskiert hätten, nur damit ein betrunkener Arzt ihm schließlich den Rest gibt. Warum haben wir es überhaupt getan? Wir müssen Verrückte gewesen sein!« Tiefe Verzweiflung klang durch ihre Wort hindurch.

Jarvas schüttelte den Kopf. »Wenn ich das nur wüßte!« In dem Augenblick, als er eingegriffen hatte, war es ihm als die einzige Möglichkeit erschienen, aber indem er diesem einen Mann geholfen hatte, hatte er wahrscheinlich den Untergang seiner Herberge besiegelt und damit Not und Leid über viele andere Menschen gebracht. »Pendral wird vielleicht ein oder zwei Tage brauchen, um herauszufinden, wer ich bin«, fuhr er grimmig fort, »aber dann werden sie hierherkommen, das steht fest.« Er seufzte. »Ruh dich jetzt etwas aus, Tilda. Morgen früh werde ich gleich als erstes Emmie hinausschicken, damit sie deinen Sohn holt – und dann müssen wir anfangen, darüber nachzudenken, wie wir hier herauskommen.«


Tildas Zuhause war ein Schweinestall in einer schmutzigen Gasse flußaufwärts, jenseits der großen, weißen Brücke, die in der Nähe des Felsens der Akademie über den Fluß reichte. Emmie, die Tarvas ausgeschickt hatte, um den Sohn der Straßendirne zu holen, ging mit schnellen Schritten durch das verwirrenden Labyrinth und zitterte in der Kälte einer feuchten, grauen Morgendämmerung. Heute kam ihr der dicke Stock, den sie immer zum Schutz bei sich trug, gut zustatten und wurde ausnahmsweise einmal zu dem Zweck benutzt, zu dem er ursprünglich gedacht war, denn ihre gut beschuhten Füße rutschten in dem dicken Schneematsch, der die Pflastersteine jetzt mit einer schlüpfrigen Schicht überzog, immer wieder aus. Die Gassen stanken nach Verwesung, Moder und Verfall, nach menschlichem Schmutz und Exkrementen. Emmie kannte ihn nur allzugut – diesen Geruch tiefster Armut.

Die dunklen Stumpen feuchter, halb verfallener Gebäude mit zugenagelten Fenstern ragten zu beiden Seiten neben ihr auf und verschluckten den größten Teil des bleiernen Morgenlichts, so daß sie die schmalen Gassen in bedrohliche, düstere Tunnel verwandelten. Links und rechts von ihr waren Eingänge, einige davon mit zersplitterten, vermodernden Türen versehen, die schief und wie betrunken an einer einzigen rostigen Angel hingen; andere waren lediglich dunkle, klaffende Löcher, hinter denen sich alle möglichen Gefahren verbergen konnten.

Vor allem an diesen eilte Emmie schnell vorbei. Ihre Nerven waren angespannt, und sie verfluchte Jarvas, weil er sie mit einer solchen Aufgabe betraut hatte. Das war die sicherste Zeit, um diese von Armut geschlagenen Schlupfwinkel aufzusuchen, denn der Großteil ihrer Bewohner würde jetzt nach den verzweifelten Taten der vergangenen Nacht noch schlafen. Trotzdem fühlte Emmie sich unwohl. Obwohl die Gassen vollkommen verlassen schienen, wähnte sie in jedem dieser offenen Eingänge feindliche Augen. Wachsam sah sie sich um und überprüfte noch einmal das Messer in ihrem Gürtel. Dann zog sie sich ihre Kapuze noch fester über das Gewirr ihrer blaßgoldenen Locken und ging weiter, wobei sie Tildas Beschreibungen wieder und wieder vor sich hin murmelte. Die Götter stehen uns bei! dachte sie. Was für ein entsetzlicher Ort, um ein Kind aufzuziehen!

Plötzlich hörte Emmie ein Knurren, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Eine der schief hängenden Türen vor ihr flog auf und gab eine gewaltige, zottelige, weiße Gestalt frei, deren Lippen zurückgezogen waren und eine Reihe wilder, vergilbter Reißzähne entblößten. Das Tier sabberte, und in seinen Augen stand ein drohendes Feuer. Ohne auch nur einen Augenblick lang diese funkelnden, roten Augen von ihr abzuwenden, glitt der Hund hinaus auf die Straße, offensichtlich voller Angst, aber auch fest entschlossen, ihr den Weg nach vorn zu versperren, wobei er ein lautes, kehliges Bellen ausstieß.

Emmie blieb wie angewurzelt stehen, ihr Herz hämmerte,, und ihre Finger schlossen sich noch fester um ihren Stock. Die Zeit schien sich unendlich auszudehnen, während sie die Schwellungen am Leib des Hundes bemerkte, die Knochen, die durch das schmutzige, glatte, weiße Fell des Tieres hervorstachen, und die Reihe geschwollener Zitzen, die von seinem ausgemergelten Leib herabhingen. Trotz der Gefahr spürte sie, wie ihr Herz sich vor Mitleid zusammenzog angesichts dieser armen, abgemagerten Mutter, die einen Wurf hungriger, junger Hunde zu futtern hatte.

Emmie verstand den Instinkt einer Mutter. Sie hatte selbst einmal ein kleines Mädchen gehabt, und ein anderes Kind war unterwegs gewesen, als ihr Mann Devral, ein junger Geschichtenerzähler, von den Soldaten des Erzmagusch aufgegriffen worden war und für alle Zeit aus ihrem Leben verschwand. Das Entsetzen und die Trauer über seinen Verlust hatten dazu geführt, daß sie auch noch ihr Baby verlor, und in der Not der folgenden Wochen war ihre kleine Tochter an einem Fieber gestorben. Plötzlich überflutete sie eine Woge der Verbundenheit mit der erbärmlichen Kreatur, die da vor ihr stand.

Trotz ihrer Größe war die Hündin offensichtlich noch sehr jung – zu jung, um Mutter zu sein, dachte Emmie und ließ ihren Blick über die schlaksige Gestalt und die gewaltigen Pfoten gleiten, die noch auf weiteres Wachstum hinzudeuten schienen. Dies war offensichtlich ihr erster Wurf. Trotz ihres knochigen, schmutzigen Aussehens waren ihre Augen klar und ihr glattes Fell dicht. Außerdem wies sie keine Anzeichen von Räude oder Tollwut auf. Der Beutel an Emmies Gürtel enthielt Nahrung – Brot, Käse und Fleisch –, ursprünglich bestimmt für Tildas Sohn. Zweifellos hatte das Tier ihre Vorräte gewittert, und die Verzweiflung hatte es zum Angriff getrieben.

»Du armes Ding«, murmelte Emmie. Nun, sie war sicher, daß Tildas Gör mit dem Essen warten konnte, bis sie ihn wieder in der Herberge hatte. Vorsichtig kroch ihre freie Hand zu dem Beutel an ihrem Gürtel, aber die Bewegung war unüberlegt gewesen. Ein lauter werdendes Fauchen stieg aus der Kehle der Tieres auf, und es sprang auf sie zu. Als Emmies Stock mit einem unangenehmen Krachen auf den Rippen des Tieres landete, zog sich die Hündin mit einem gequälten Jaulen zurück. Winselnd und besiegt schlich sie wieder in den Eingang, aus dem sie gekommen war, wobei sie immer wieder zurückblickte, als versuche sie, den Mut zu finden, noch einmal anzugreifen.

»Ach, Mist!« murmelte Emmie. Sie zitterte, und ein ganz unvernünftiges Schuldgefühl quälte sie. Schnell durchstöberte sie ihren Beutel und zog das Päckchen mit dem Essen heraus. »Hier, mein Mädchen!« rief sie und warf ihren Vorrat dem hungrigen Tier hin. Die Hündin stürzte sich sabbernd auf das Päckchen und blickte plötzlich mit strahlenden Augen zu ihrem Gönner auf. Der zottelige, weißgescheckte Schwanz wackelte kurz, als wolle das Tier sich bedanken. Dann packte es das Essen mit der Schnauze und war verschwunden. Aus dem Gebäude drang lautstarkes, schrilles Winseln, das die Rückkehr der Mutter zu ihren Jungen verriet.

Emmie, die sich innerlich über ihre Weichherzigkeit lustig machte, setzte ihren Weg fort und hielt nur noch einmal kurz inne, um sich über die Augen zu wischen, die sich unerklärlicherweise mit Tränen gefüllt hatten. »Du Idiotin«, schalt sie sich. »Hast du nicht genug menschliches Leiden gesehen, daß du einen hungrigen Hund mit Eintopf fütterst?« Sie konnte sich genau vorstellen, was Jarvas sagen würde, falls er je herausfand, daß sie etwas von ihren mageren und kostbaren Vorräten an einen verdammten Köter verfüttert hatte. Dennoch erwärmte sich ihr Herz angesichts der offensichtlichen Dankbarkeit des Hundes; und Emmie wußte, daß sie sich wieder genauso verhalten würde, wenn sie noch einmal zu entscheiden hätte.


»Grince? Grince, bist du da drin? Deine Mutter hat mich geschickt, damit ich dich hole.« Emmie schlug kräftig auf die nicht besonders stabil wirkende Tür und krümmte sich innerlich, als sie den unvorteilhaften Namen des armen Kindes rief. (»Ich habe ihn nach seinem Vater genannt«, hatte Tilda zu ihrer Verteidigung gesagt. »Zumindest bin ich beinahe sicher, daß das sein Vater war.«) Emmie schüttelte resigniert den Kopf und klopfte noch einmal. Sie hatte schon eine ganze Weile auf das unnachgiebige Holz gehämmert, als sie ein knirschendes Geräusch auf der anderen Seite hörte, als hätte jemand einen schweren Gegenstand von der Tür weggezerrt. Dann öffnete sich die Tür einen Spaltbreit, und ein dunkles, argwöhnisches Auge spähte hindurch. »Meine Ma hat gesagt, ich soll niemandem die verdammte Tür aufmachen!«

Die junge Frau hatte gerade noch Zeit, ihren Stock in den Spalt zu stecken, bevor die Tür wieder zugeschlagen wurde. Von dem Zehnjährigen auf der anderen Seite kam ein solcher Schwall von Flüchen, daß Emmie zusammenzuckte, obwohl sie glaubte, gegen die Gossensprache immun geworden zu sein. Trotz seiner gespielten Tapferkeit konnte sie spüren, daß das Kind große Angst hatte – und nicht ohne Grund; immerhin war seine Mutter die ganze Nacht über nicht nach Hause gekommen.

»Sei nicht dumm«, sagte sie energisch. »Tilda hatte gestern abend etwas Ärger, und das ist der Grund, warum sie nicht nach Hause gekommen ist. Aber keine Angst, sie ist jetzt sicher bei Freunden. Mein Name ist Emmie. Sie hat mich geschickt, um dich zu holen, damit du auch in Sicherheit bist.« Mit diesen Worten erzwang sie sich den Weg in das Zimmer.

»Geh weg!« heulte das Kind. »Ich komme nicht mit dir. Wo ist meine Mama?« Es hockte in der hintersten Ecke eines einzigen Raumes, in einem Nest verlauster Lumpen, die offensichtlich sein Bett darstellten; seine dunklen Augen blickten hinter einem zotteligen, schwarzen Pony zu ihr auf.

»Na, komm schon, Grince«, versucht Emmie ihn zu überreden. »Sieh mal, wir dürfen keine Zeit verschwenden. Deine Mutter macht sich Sorgen um dich.« Voller Mitleid blickte sie auf den kleinen, mageren Jungen herab und verfluchte Tilda innerlich. Wahrhaftig, das Kind sah vollkommen vernachlässigt aus und genauso unterernährt wie dieser arme, streunende Hund vorhin.

»Na, komm schon.« Sie trat vor sein Bett, kniet sich hin und erstarrte vor Entsetzen, als sich das grausame Glitzern eines Messers in der Hand des kleines Jungen sah.

»Verzieh dich!« schrie er mit schriller Stimme. »Komm bloß nicht näher, sonst schlitz ich dich auf!«

Er meinte es ernst, soviel stand fest. Emmie schauderte. Was mußte das für ein Leben sein, das einem Kind so etwas antun konnte? Ihre Gedanken überschlugen sich. Wenn sie ihn doch nur dazu bringen konnte, ihr zu vertrauen. Einen flüchtigen Augenblick lang bedauerte sie es, daß sie den Eintopf dem hungernden Hund gegeben hatte. Der Hund! Emmie schenkte dem Jungen ihr strahlendstes Lächeln. »Ach, vergessen wir die alte Tilda. Die kann warten. Möchtest du vielleicht lieber ein paar Hündchen sehen?« fragte sie entwaffnend.

Grinces Gesicht erstrahlte wie ein Leuchtfeuer. »Hündchen? Wirklich? Gehören sie dir? Kann ich eins haben?« Dann kehrte das Stirnrunzeln wieder zurück. »Aber meine Mama wird das nicht erlauben«, fügte er schmollend hinzu.

Emmie grinste und ging auf die Sprache des Jungen ein. »Deine Mama kann uns mal«, sagte sie fröhlich. »Wenn du das Messer da weglegst und mit mir kommst, kannst du die ganze verdammte Meute haben!«

Zuerst hatte Emmie Angst, daß die Hündin feindselig sein könnte. Als sie sich mit dem aufgeregten Kind im Schlepptau dem Gebäude näherte, befahl sie Grince, draußen zu warten, und schlich sich ängstlich hinein. Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Die weiße Hündin freute sich, sie zu sehen; wahrscheinlich, so dachte Emmie, hoffte sie, daß sie ihr noch mehr zu essen bringen würde.

»Guter Hund«, sagte sie sanft und streckte die Hand aus, um ihn hinter seinen weichen, weißen Ohren zu kraulen. Zur Belohnung erhielt sie ein Winseln und heftiges Schwanzwackeln, während das Tier sich fest an sie drückte und ihre Hand leckte. Ein gutmütiges Tier, dachte die junge Frau, während sie sich darüber freute, daß ihre Einschätzung der jungen Hundemutter zutraf. Früher einmal hatte dieses Tier einen freundlichen Besitzer gehabt, aber was war aus ihm geworden? Eine schnelle Durchsuchung des Zimmers gab ihr die Antwort. Der Besitzer war in der Hütte gestorben – höchst wahrscheinlich an Alter oder an einer Krankheit –, und der Hund hatte sich seither von der Leiche ernährt.

»Nun?« fragte Emmie sich. »Was hätte sie auch tun sollen? Schließlich mußte sie ihre Jungen füttern.« Dennoch mußte sie heftig gegen einen Brechreiz ankämpfen, während sie eine alte Decke nahm und den Haufen säuberlich abgenagter Knochen verhüllte, bevor sie das Kind in das Zimmer rief.

Grince brach angesichts der jungen Hündchen in Entzückensschreie aus – eine kunterbunte Schar: ein Tier weiß wie seine Mutter und die andern mit schwarzen Flecken gesprenkelt. Als Emmie die Hand ausstreckte, um die kleinen Geschöpfe zu nehmen, reagierte die Hündin, die vom Hunger sichtbar geschwächt war, mit einem Vertrauen, das ihr ans Herz griff. Als sie gemeinsam die Hütte verließen, tanzte Grince, der seine Aufregung nicht verbergen konnte, fröhlich um sie herum. »Gehören sie mir?« fragte er sie mit weit aufgerissenen Augen. »Kann ich alle behalten?«

»Natürlich kannst du das«, antwortete Emmie leichtsinnig. Dann legte sie ihr freie Hand auf den breiten, weichen Kopf der Hündin, die neben ihr herlief, und lächelte. »Aber der große Hund gehört mir«, fügte sie mit fester Stimme hinzu. Plötzlich war sie fröhlicher und zufriedener, als sie es nach Devrals Tod je gewesen war.

Es war schon fast Mittag, als sie müde in die Herberge zurückkehrten. Die fünf zappligen Hundebabys, die noch nicht einmal die Augen öffnen konnten, hatte sie vorsichtig in einen großen Beutel verfrachtet, den sie aus ihren Unterröcken gemacht hatte. Grince, den ihr Einfallsreichtum gewaltig beeindruckt hatte – das und die Tatsache, daß sie ihr Versprechen gehalten hatte –, klammerte sich fest an ihre freie Hand, und der große, weiße Hund folgte ihr vertrauensvoll auf dem Fuß. Die Götter mögen mir beistehen, dachte Emmie und stellte sich vor, wie die Hure wohl reagieren würde, wenn man ihr nicht nur einen, sondern gleich fünf junge Hunde präsentierte – Tilda steht ein Schock bevor. Und was, um alles in der Welt, wird Jarvas sagen, wenn er diese Menagerie sieht?

»Was, zum Kuckuck, ist das?« Der entsetzte Ausdruck auf Jarvas’ Gesicht beim Anblick des weißen Hundes war nicht besonders ermutigend. Grince versteckte sich ängstlich hinter Emmies Röcken. Sie drückte seine Hand und hob trotzig das Kinn, aber der Junge konnte spüren, daß sie zitterte. »Es ist nur ein Hund, um Himmels willen!« protestierte sie.

»Ein Hund? Für mich sieht er mehr wie ein verdammtes Pferd aus!« schnaubte Jarvas. »Emmie, du hättest mehr Verstand haben sollen, als dieses Geschöpf hierherzubringen. Haben wir nicht schon genug Sorgen nach meiner Wahnsinnstat von gestern abend? Steht uns nicht schon genug Ärger bevor? Und wie, im Namen aller Götter, willst du das verflixte Tier füttern? Wir haben schon für die Menschen kaum genug.«

Und meine Hündchen! dachte Grince. Er hatte plötzlich einen Kloß in der Kehle und mußte schlucken. Noch nie in seinem kurzen Leben hatte er etwas gehabt, das wirklich ihm gehörte – und noch nie zuvor hatte er sich etwas mehr gewünscht als diese fünf winzigen Lebewesen. Über seinen Kopf hinweg ging der Streit weiter.

»Ich werde sie von meiner Ration füttern«, erwiderte Emmie entschlossen.

»Und genau das wirst du eben nicht!« fuhr Jarvas sie an. »Du ißt sowieso nicht annähernd genug, auch ohne zusätzlich noch einen räudigen Hund von deiner Ration verpflegen zu müssen. Ich sage dir, Emmie, ich werde es nicht erlauben.«

Grince sah, daß seine neue Freundin in die vertrauensvollen Augen des Hundes blickte. Dann holte sie zitternd Luft. »Na schön«, sagte sie mit gepreßter Stimme. »Wenn wir hier nicht willkommen sind, gehen wir woanders hin.«

»Nein!« Das Protestgeheul kam von Grince. »Du kannst nicht weggehen. Was wird dann aus meinen Hündchen?« Bevor Emmie noch etwas tun konnte, schoß er hinter ihr hervor, trat Jarvas kräftig gegen das Schienbein und ging dann wieder hinter ihr in Deckung. »Laß sie in Ruhe, du widerliches, altes Schwein!« schrie er. »Es ist ihr Hund, und die Hündchen gehören mir, und wir werden sie behalten. So!«

Ein langer Arm schoß nach vorn, und der große Mann zog Grince hinter Emmies Röcken hervor. So sehr der Junge sich auch wand und krümmte, er konnte dem qualvoll festen Griff dieser starken Finger nicht entkommen. Jarvas Augen funkelten vor Zorn.

»Es ist alles gut, mein Sohn.« Die weiche, tiefe Stimme war fest und beruhigend. »Jarvas, ist das wirklich nötig?«

Jarvas ließ den Jungen los und wandte sich dem Mann mit dem silbergoldenen Haar zu, der plötzlich hinter ihm aufgetaucht war. Auf dem dick verschneiten Boden hatte man ihn überhaupt nicht kommen hören.

»Du hast kein Recht, Benziorn …«, begann der große Mann wütend, aber der andere faßte ihn am Arm und zog ihn ein Stück fort, so daß man nicht mehr hören konnte, was er zu ihm sagte. Grince blickte zu Emmie auf. Zu seinem Erstaunen huschte ein Lächeln über ihre Lippen.

»Benziorn ist ein guter Arzt«, sagte sie zu dem Jungen, »und wir brauchen ihn hier. Wenn irgend jemand Jarvas dazu bringen kann, seine Meinung zu ändern, dann er.«

Grince sah zu, wie die beiden Männer miteinander sprachen, und biß sich ängstlich auf die Lippen. So froh er über Benziorns Einmischung gewesen war, konnte er jetzt nur noch hoffen, daß es dem Arzt gelingen würde, Jarvas zugunsten seiner Hündchen umzustimmen. Es sah so aus, als dächte Emmie dasselbe. Sie kniete auf dem Boden nieder und legte ihre Arme um den mit dichten Pelz bewachsenen Hals des weißen Hundes. »Es ist alles gut«, hörte der Junge sie dem Tier zuflüstern. »Bei mir wirst du ein Zuhause finden, ganz gleich, was Jarvas sagt.«

Nach einer Zeit, die Grince wie eine Ewigkeit erschien, stampfte Jarvas mürrisch vor sich hin grummelnd davon, während Benziorn kopfschüttelnd zu der wartenden kleinen Gruppe zurückkehrte. »Wenigstens habe ich immer noch ein wenig Überzeugungskraft. Wirklich, wenn du nicht so eine gute Assistentin wärst …« sagte der Arzt in gespielt tadelndem Tonfall zu Emmie.

»Benziorn, wie kann ich dir nur danken?« erwiderte Emmie überglücklich. »Ich hatte ja damit gerechnet, daß Jarvas nicht begeistert sein würde, aber …«

»Mach ihm nicht zu große Vorwürfe, Emmie.« Der Arzt seufzte. »Jarvas hat heute zu viele andere Sorgen, um sich um einen streunenden Hund zu kümmern. Er …«

»Es ist nicht einfach nur irgendein streunender Hund«, piepste Grince empört dazwischen. »Was ist mit meinen verdammten Hündchen?«

»Grince!« schimpfte Emmie. »Wir werden wohl etwas wegen deiner Sprache unternehmen müssen!«

»Welche Sprache?« erkundigte sich der Junge unschuldig.

Benziorn hockte sich neben ihn und runzelte die Stirn. »Ich glaube, du weißt genau, welche verdammte Sprache gemeint ist, du kleiner Racker. Also, Jarvas erlaubt es nicht, daß man hier flucht – und schon gar nicht vor Damen wie Emmie. Daher solltest du dich besser bei ihr entschuldigen, sonst könnte sie vielleicht auf die Idee kommen, dir diese Hündchen wieder wegzunehmen.« Er sah Grince so wild an, daß dieser ängstlich schluckte.

»Ich … Es tut mir leid, Emmie«, sagte er kleinlaut.

»So ist es schon besser.« Benziorn lächelte und zerzauste ihm das Haar. »Jetzt wollen wir aber zusehen, daß wir deine kleinen Hunde irgendwo gut unterbringen. Solange wir noch Zeit dazu haben.« Die letzten Worte sagte er mit so leiser, besorgter Stimme, daß der aufgeregte Junge sie kaum hörte.


Nachdem Jarvas es Emmie überlassen hatte – schließlich war es ganz allein ihre Schuld –, mit Tildas hysterischem Anfall angesichts von fünf jungen Hunden fertigzuwerden, durchquerte er das Lagerhaus und blickte düster auf den verletzten Soldaten hinab, der ihm so viel Ärger bereitet hatte. Er zuckte zusammen, als eine Stimme hinter ihm sagte: »Die Kopfverletzung unseres mysteriösen Fremden ist vielleicht doch ernster, als ich gedacht habe. Er hätte mittlerweile längst das Bewußtsein wiedererlangen müssen.«

»Mußt du dich heute andauernd von hinten an mich heranschleichen?« fuhr Jarvas auf, aber seine Gereiztheit schwand dahin, als er in das hagere, besorgte Gesicht des Arztes blickte. Zum ersten Mal, seit sie einander begegnet waren, war Benziorn nüchtern. »Ist es wirklich so ernst?« fragte Jarvas, dem plötzlich sehr kalt war. »Bei allen Göttern, wenn ich hier alle in Gefahr gebracht habe, um ihn zu retten, und er uns dann einfach wegstirbt …«

Der Arzt kniete neben seinem Patienten nieder. »Sein Puls scheint ein wenig stärker zu sein«, sagte er hoffnungsvoll. »Vielleicht liegt es nur an seinem Alter und an dem Blutverlust – ganz davon zu schweigen, daß man ihn in dieser grausamen Kälte und mit dieser schweren Verletzung auch noch durch die Straßen geschleift hat!« Nachdem er sich mühsam wieder aufgerappelt hatte, legte er Jarvas eine Hand auf den Arm. »Kann ich irgendwie helfen?« fragte er leise.

»Helfen? Wie?« Die Stimme des großen Mannes war rauh vor Verbitterung. »Ich habe diese Sache wirklich gründlich verpfuscht, Benziorn. Sieh dir diese Leute doch nur mal an! Was wird aus ihnen werden, wenn die Soldaten kommen? Bisher haben wir kaum Aufmerksamkeit erregt – was haben wir schon, daß irgend jemand sich für uns interessieren sollte? Aber jetzt?« Er streckte den Arm aus, als wolle er seine zerzauste, kleine Schar bettelarmer Nexianer umfassen. »Es ist nur eine Frage der Zeit, daß Pendrals Soldaten herausfinden, wer ich bin. Ein Gesicht wie meins ist ziemlich leicht wiederzuerkennen.«

»Und von da ist es nur ein kleiner Schritt, und sie behandeln diese Herberge, als wäre sie bis obenhin voll von Spionen und Verrätern. Und was das bedeutet, wissen wir ja.« Benziorn sah Jarvas offen an. »Mein Freund, ich glaube, wir sollten uns darauf vorbereiten, von hier zu verschwinden.«

Der große Mann zuckte bei Benziorns Worten zusammen. »Aber …« Sein Protest verstummte jedoch, als der Arzt die Augenbrauen hob, und er seufzte. »Du hast recht. Ich weiß, daß wir das tun sollten. Ich bin nicht dumm. Aber mit anzusehen, wie das alles hier kaputtgeht …«

Er warf abermals einen Blick über die lärmende, überfüllte, rauchige Halle. Da waren sie nun, die in den Ecken zusammengekauerten Alten, die seit langer Zeit endlich wieder etwas zu essen und ein sicheres Dach über dem Kopf hatten; die Kleinen, die zwischen den Feuern spielten und denen die Tatsache, daß sie für den Augenblick frei von Schmutz, Hunger und Krankheiten waren, die Energie gab, allen anderen mit ihren wilden Spielen auf die Nerven zu gehen. Würde das das Ende von Vannors Traum bedeuten? Und von seinem eigenen Traum? Nicht, solange Jarvas noch einen einzigen Atemzug in seinem Körper spürte. Mit neuer Entschlossenheit wandte er sich wieder an Benziorn. »Es gibt jedoch«, sagte er gelassen, »noch eine andere Möglichkeit: Ich könnte mich stellen.«

»Nein, du Narr! Das kannst du nicht.« Benziorn, der die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen hatte, hielt Jarvas am Arm fest, als müsse er ihn mit Gewalt aufhalten. »Was ist mit Tilda? Was ist mit dem Fremden, für den du solche Risiken eingegangen bist? Pendral muß wissen, daß du nicht allein warst bei dem, was du getan hast.« Seine Finger gruben sich schmerzhaft in den Arm des großen Mannes. »Jarvas, sie werden dich foltern, um herauszufinden, wo sich die anderen aufhalten – und am Ende wirst du keine andere Wahl haben, als sie zu verraten. Glaub mir, was du da vorschlägst, ist keine Lösung.«

»Was kann ich denn dann tun?« rief Jarvas. »Niemand kann heutzutage Nexis ohne Erlaubnis verlassen. Soll ich einfach meine Leute hier zurück in die Armenviertel jagen?«

»Dort sind sie im Augenblick vielleicht sicherer als hier«, erinnerte Benziorn ihn vorsichtig. »Wenn erst Gras über diese Sache gewachsen ist, können sie vielleicht zurückkehren – aber ich denke, du solltest ihnen sagen, daß sie jetzt besser anfangen, ihre Sachen zusammenzupacken. Falls sich die Notwendigkeit dazu ergeben sollte, müssen sie zum Aufbruch bereit sein. Ich würde mich an deiner Stelle auch um die Befestigung deiner Palisade kümmern und die vernünftigeren der Jungen hinaus auf die Straße schicken, damit sie uns warnen, wenn die Soldaten kommen. Anschließend wäre es vielleicht klug, heute nach Einbruch der Dunkelheit deine Leute von hier wegzubringen.«

Jarvas wußte, daß der Arzt recht hatte. Niemals seit seiner Kindheit war er den Tränen so nah gewesen. Es dauerte jedoch nicht lange, da erwiesen sich Benziorns Vorsichtsmaßnahmen als gerechtfertigt. Als es dunkel wurde, standen die Soldaten vor dem Tor.


Wachen, die die schmerzlich vertraute Uniform der Garnison trugen, zerrten Vannor die Spiraltreppe des Turms hinauf, und ihre Stiefel hallten auf dem kalten, harten Marmor laut wider. Aber selbst das Treppenhaus war viel wärmer als die Kälte draußen … Der Kaufmann spürte, wie er langsam in schläfrigem Vergessen versank, und kämpfte mit aller Kraft darum, einen klaren Verstand zu behalten, wachsam zu bleiben, sich nicht unterkriegen zu lassen; aber seine Arme und Beine waren gefesselt und ohnehin zu taub, um ihm noch zu gehorchen. Er war vollkommen hilflos – und wieder einmal in Miathans Gewalt.

Vannor wurde in das Gemach des Erzmagusch gebracht und gezwungen, auf einem üppigen, blutroten Teppich niederzuknien. Miathan, der die Wachen beiseite gescheucht hatte, stand schweigend vor ihm und blickte mit den glitzernden, ausdruckslosen Juwelen, die ihm als Augen dienten, auf den Gefangenen herab. Vannor schauderte. Miathans Gesicht hatte sich verändert. Die harte Arroganz seiner früheren Tage war in den tieferen Linien der Verbitterung und Grausamkeit noch deutlicher zu erkennen. Die Haut seines Gesichts wirkte wächsern und ungesund; um seine ausgebrannten Augen herum hatte sie sich zu leuchtendroten Narben zusammengezogen. Nur seine klauenartigen Hände, die er kaum stillhalten konnte, verrieten seinen Triumph. Der Kaufmann verspürte eine Angst, wie er sie noch nie zuvor erfahren hatte. Nicht einmal die Todesgeister, die Forral ermordet hatten, hatten ihn mit solchem Entsetzen erfüllt, einem Entsetzen, das seiner Hoffnung Hohn sprach und ihm seinen Mut raubte, als würde ihm unablässig das Blut aus den Adern gesogen.

»So«, flüsterte Miathan. »Endlich habe ich dich.«

»Du wirst mich nicht lange haben, du Bastard!« Vannor spuckte dem Erzmagusch vor die Füße.

»Vannor, wenn du nicht so erbärmlich wärest, könntest du wirklich amüsant sein«, höhnte der Erzmagusch. »Ich muß jedoch zugeben, daß du recht hast: deine Anwesenheit wird mich nicht langen stören. In deinem Falle wird das Ende viel früher kommen, als du glaubst. Denn wer könnte dir jetzt noch helfen?« Er lächelte kalt. »Da wären wir nun also, an demselben Punkt, an dem wir begonnen haben, aber diesmal gibt es keinen Forral, der dir hilft, und keine Aurian, die sich einmischt. Deine Freunde von der Garnison sind aus Nexis verschwunden oder tot. Du hast niemanden, Vannor, niemanden außer mir. Und bevor ich mit dir fertig bin, wirst du tausendmal um den Tod betteln. Aber zuerst möchte ich ein paar Antworten haben, wie zum Beispiel die Namen deiner Kameraden und den Ort, an dem sie sich aufhalten.«

Die zischende Stimme und der bösartige Gesichtsausdruck Miathans ließen Vannor frösteln. Der Kaufmann biß die Zähne zusammen und schloß die Augen, aber gegen Miathans heimtückische, hämische Stimme konnte er sich nicht verschließen, und ihm wurde bis in die tiefsten Tiefen seiner Seele übel vor Verachtung und Zorn. Das schlimmste an seiner Angst war nicht die Furcht vor seinem eigenen Schicksal – das (so versprach er sich und versuchte mit aller Macht, es zu glauben) konnte er ertragen. Aber er wußte, daß er früher oder später dem Erzmagusch alles sagen würde, was dieser wissen wollte.

Vannor schauderte. Geblendet von der Liebe zu seiner Tochter, hatte er seine Freunde verraten. Mit sterblichen Männern hätte er fertig werden können, aber dieses Ungeheuer verfügte über Kräfte, die Vannors schlimmste Phantasien überstiegen. Eine Woge der Übelkeit überwältigte ihn, als er sich an die gräßlichen Geschöpfe erinnerte, die seinen alten Freund Forral ermordet hatten, und nur der hartnäckige Funke der Entschlossenheit, der ihm während eines rauhen, harten Lebens treu gedient hatte, verhinderte, daß er am ganzen Leibe zitterte. Wenn nicht ein Wunder geschah, würde sein Leben höchstens noch Tage dauern. Vannor wußte, daß diese Tage wahrhaft furchtbar werden würden.

Dennoch würde er nicht einfach kampflos aufgeben. Mit finsterem Blick sah er in Miathans ausdruckslose Augen. »Warum?« knurrte er. »Du bist der verdammte Erzmagusch. Du weiß ganz genau, daß du jede Information, die du haben willst, einfach aus meinen Gedanken nehmen kannst wie ein Stück aus dieser Schale da hinten. Ja, tatsächlich …« Ein neuerliches Schaudern wogte über ihn hinweg. »Tatsächlich, du könntest es bereits getan haben.« Stimmte das? War das wirklich möglich? Während er zitternd Atem holte, versuchte er, seine sich überschlagenden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. »Du bedrohst mich also mit Folter?«

»Das ist meine Rache.« Miathans Lächeln erinnerte Vannor an den wütend knurrenden Wolf, den er vor so langer Zeit im Tal gesehen hatte. »Rache für all die Jahre, in denen du mich gehemmt und behindert und mir im Rat widersprochen hast. Und dein Leiden wird bei weitem größer sein, wenn du die Worte, die deine Kameraden verraten, von deinen eigenen Lippen kommen hörst – und wissen wirst, daß du sie im Stich gelassen hast.«

Da war es wieder, dieses wölfische Grinsen. »Aber es geht mir nicht nur um die Rache allein, mein lieber Vannor. Bedenke die Quellen magischer Kraft. Die Abwendung vom Magusch-Kodex hat mir gewisse – Möglichkeiten eingetragen. Vergiß keinen Augenblick lang, wenn du in Qualen stirbst, daß dein Entsetzen, deine Schmerzen und dein Zorn dazu dienen, meine Magie zu schüren und meine Macht zu vergrößern.«

Mit diesen Worten hob er die Hand. Jeder Nerv und jeder Muskel in Vannors Körper verfiel in krampfartige Zuckungen, als ein Strom des Schmerzes das Rückgrat des Kaufmanns wie heißes Feuer zu verschlingen begann. Er stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden und krümmte sich auf dem blutroten Teppich, während seine Wirbelsäule sich wie ein gespannter Bogen zurückwölbte. Obwohl er sich auf die Zunge biß, um nicht laut aufzuschreien, war das letzte, was er hörte, bevor ihm die Sinne schwanden, seine eigenen gequälten Schreie.

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