Der Herrscher von Ptarth stieg, gefolgt von seinen Höflingen, die Treppe von der Landeplattform seines Palastes hinunter, und die Diener nahmen ihre Plätze hinter ihren königlichen oder edlen Meistern ein. Doch einer blieb ein wenig hinter den anderen zurück. Er bückte sich, zog die Sandale von seinem rechten Fuß und steckte sie schnell in seinen Gürtelbeutel.
Als die Gruppe die unteren Stockwerke des Palastes erreicht hatte, entließ der Jeddak sie mit einer Handbewegung. Niemand bemerkte, daß der aufdringliche Bursche, der vor der Abreise des Prinzen von Helium soviel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, nicht mehr unter den anderen Dienern war.
Die Edlen vom Mars haben in der Regel ein ziemlich umfangreiches Gefolge, und die einzelnen Personen kommen und gehen, wie es den Launen und dem Belieben ihrer Herren entspricht. Niemand machte sich daher die Mühe, ein neues Gesicht genauer anzusehen, und niemand versuchte zu erfahren, zu welchem Herrn dieser aufdringliche Bursche gehörte. Daß ein Mann sich innerhalb der Palastmauern aufhielt, galt als Beweis dafür, daß seine Loyalität gegenüber dem Jeddak nicht in Zweifel zu ziehen war. Jeder, der in den Dienst eines Edlen zu treten versuchte, würde sowieso auf Herz und Nieren geprüft.
Das ist eine ausgezeichnete Regel, und so konnte man dem Gefolge eines zu Besuch weilenden befreundeten Herrschers praktisch uneingeschränktes Vertrauen schenken.
Am späten Morgen des folgenden Tages verließ ein sehr großer Diener im Harnisch eines angesehenen Edlen von Ptarth den Palast und begab sich zur Stadt. Raschen Schrittes ging er eine breite Straße entlang und bog in eine andere ein, und so ging er weiter, bis er die Wohnviertel der Edlen hinter sich hatte und das Ladenviertel erreichte. Hier suchte er ein überaus prächtiges Gebäude auf, das sich mit einem hohen schlanken Turm in den Himmel hob. Die äußeren Mauern waren mit kunstvollen Schnitzereien, Reliefs und sehr komplizierten Mosaikmustern verziert.
Es war der Palast des Friedens, in dem die Vertreter fremder Mächte residieren; besser ausgedrückt: hier hatten die Botschafter befreundeter Mächte ihre Geschäftsräume. In diesem riesigen, überaus prächtigen Palast wohnten sie jedoch nicht, denn jeder von ihnen hatte einen angemessenen Palast im Viertel der Edelleute.
Der Mann suchte den Gesandten von Dusar. Als er dessen Räume betrat, erhob sich ein Mann und kam ihn entgegen.
Als dieser erfuhr, daß der Besucher den Gesandten persönlich zu sprechen wünschte, verlangte er einen Ausweis oder eine Empfehlung. Der große Mann streifte einen einfachen, schmucklosen Armreif über seinen Ellbogen und deutete auf eine Inschrift, die innen angebracht war. Dann wisperte er dem Schreiber ein paar Worte zu.
Die Augen des Mannes wurden riesengroß vor Staunen, und er nahm die Haltung ehrerbietiger Unterwürfigkeit an. Unter zahlreichen Verbeugungen führte er den Fremden zu einem Sitz und eilte, den Armreif in der Hand, weiter zu einem der inneren Räume. Einen Moment später kam er wieder zurück und führte den Besucher in den Geschäftsraum des Gesandten.
Lange Zeit blieben die beiden Männer allein. Als der riesige Mann in der Kleidung eines Dieners das innere Büro schließlich wieder verließ, lächelte er befriedigt. Vom Palast des Friedens aus begab er sich sofort zum Haus des Gesandten von Dusar.
In der folgenden Nacht verließen zwei schnelle Flieger das Dach dieses Palastes. Der eine jagte Helium entgegen, der andere…
Thuvia von Ptarth schlenderte durch die Palastgärten ihres Vaters, denn das tat sie immer, ehe sie sich zur Ruhe begab. Sie hatte Seiden und Pelze um sich gezogen, denn die Marsnacht ist kühl, sobald die Sonne sich nach einer sehr kurzen Dämmerung hinter den westlichen Horizont zurückgezogen hat.
Die Gedanken des Mädchens beschäftigten sich mit ihren bevorstehenden Hochzeitsfeiern, die sie zur Herrscherin von Kaol machen sollten. Und dann dachte sie an den jungen Prinzen von Helium, der ihr am Tag vorher sein Herz zu Füßen gelegt hatte.
Ob es Mitleid oder Bedauern war, das ihre Miene überschattete, als sie nach Süden schaute, wo die Lichter seines Fliegers in der Nacht verschwunden waren, wäre schwer zu sagen gewesen.
Es wäre daher ebenso unmöglich, ihre Gefühle richtig zu schildern, als sie die Lichter eines Fliegers bemerkte, die genau aus jener Richtung kamen, als zögen die intensiven Gedanken der Prinzessin sie an.
Sie sah den Flieger über dem Palast kreisen und tiefer herunterziehen, bis kein Zweifel mehr daran möglich war, daß er zu einer Landung ansetzen wollte.
Dann leuchteten starke Suchscheinwerfer am Bug des Schiffes auf, streiften für einen Augenblick die Landeplattform auf dem Dach des Palastes und hoben die Gestalten der Garden von Ptarth aus dem Dunkel. Die herrlichen Edelsteine an ihren prächtigen Harnischen funkelten im Scheinwerferstrahl.
Dann schwenkte das grelle Auge über die glänzenden Kuppeln und schlanken Minaretts hinunter in den Hof und in den Park und die Gärten und blieb einen Moment länger an der Ersitbank hängen, neben der das Mädchen stand und zum Flieger hinaufschaute.
Ganz kurz leuchtete der Strahl das Gesicht Thuvias aus, dann erlosch er so plötzlich wie er aufgeflammt war. Der Flieger schwebte über sie weg und verschwand hinter einem Gehölz hoher Skeelbäume, das am Rand des Parks lag.
Das Mädchen stand noch eine ganze Weile da, hatte den Kopf gesenkt und schaute nachdenklich zu Boden.
Wer anders als Carthoris konnte das gewesen sein? Sie versuchte zornig zu sein, weil er so zurückgekommen war, um ihr nachzuspionieren, aber sie konnte es nicht. Zorn war nicht das Gefühl, das sie dem Prinzen von Helium entgegenbrachte.
Welche Wahnsinnslaune hatte ihn dazu getrieben, sich so über die Etikette der Nationen hinwegzusetzen? Große Mächte waren aus viel geringeren Gründen schon in den Krieg gezogen.
Die Prinzessin Thuvia von Ptarth war zornig und gekränkt – aber galt das für das Mädchen Thuvia?
Und was war mit den Garden? Offensichtlich waren auch sie sehr überrascht von der unvorhergesehenen Handlungsweise des Fremden, daß sie ihn nicht einmal angerufen, ihm keine Zeichen gegeben hatten. Aber das schien nur so, denn auf der Landeplattform hörte sie im nächsten Moment Motoren surren, und dann schoß ein Patrouillenboot in die Höhe.
Thuvia beobachtete es, wie es nach Osten raste. Also wachten auch andere Augen.
In den dichten Schatten des Skeelwäldchens hing ein Flieger etwa ein Dutzend Fuß hoch über dem Boden in einer kleinen Schneise, die von oben her vom dichten Laub der hohen Bäume verdeckt und daher nicht einzusehen war. Von dessen Deck aus beobachteten scharfe Augen das weitgestreute Suchlicht des Patrouillenbootes. Nicht der leiseste Lichtschein verriet das kleine Schiff, und kein Laut war zu vernehmen. Die Besatzung bestand aus einem halben Dutzend Roter Krieger, die gespannt beobachteten, wie das Patrouillenboot in der Ferne verschwand.
»Die Klugheit unserer Vorfahren ist heute nacht bei uns«, sagte einer mit ganz leiser Stimme.
»Kein Plan ist je besser gelungen«, erwiderte ein anderer.
»Sie verhielten sich ganz genau so, wie der Prinz es vorhergesagt hat.«
Der erste Sprecher wandte sich nun an den Mann, der vor dem Instrumentenbrett hockte.
»Jetzt!« flüsterte er. Sonst wurde kein Befehl gegeben. Jeder schien genau zu wissen, was er zu tun hatte, ohne daß noch ein Wort nötig gewesen wäre. Lautlos bewegte sich der dunkle Rumpf unter den hohen Bogen des dunklen, schweigend daliegenden Gehölzes.
Thuvia von Ptarth schaute nach Osten, sah den dunkleren Fleck vor der Schwärze der Bäume, als der Flieger über die hohe Parkmauer schwebte. Und dann beobachtete sie, wie der dunkle Fleck sich sanft dem scharlachfarbenen Rasen des Gartens entgegenneigte.
Sie wußte, daß Männer mit ehrenhaften Absichten nicht auf diese Art irgendwo ankamen. Doch sie schrie nicht laut Alarm, und sie floh auch nicht in die Sicherheit des Palastes.
Warum?
Ich sehe förmlich, wie sie ihre reizenden Schultern hebt und die uralte, weltenweite Antwort der Frauen gibt, die den Grund ihres Handelns nicht kennen oder verraten wollen:
Ach, deshalb!
Kaum hatte der Flieger den Boden berührt, als vier Männer vom Deck sprangen. Sie rannten auf das Mädchen zu.
Noch immer stand sie wie hypnotisiert da und schlug nicht Alarm. Oder hätte es vielleicht sein können, daß sie einen willkommenen Besucher erwartete?
Sie bewegte sich erst, als die vier Männer schon ganz in ihrer Nähe waren. Der nahe Mond goß sein helles Licht auf ihre Gesichter und tauchte alles in seinen strahlenden Schein.
Thuvia von Ptarth sah nur Fremde – Krieger im Harnisch von Dusar. Jetzt bekam sie Angst. Es war aber viel zu spät!
Ehe sie auch nur einen einzigen Schrei ausstoßen konnte, wurde sie von groben, kräftigen Händen gepackt. Um ihren Kopf wurde ein dichter Seidenschal gewunden. Starke Arme hoben sie auf und trugen sie zum Flieger. Kaum war sie an Deck, als Propeller surrten; dann spürte sie gegen ihren Körper einen kalten Luftzug, und unter ihr schrien die Garden und Palastwächter.
Ein anderer Flieger raste in südlicher Richtung Helium entgegen. In der Kabine beugte sich ein großer, Roter Mann über die weiche Sohle einer Sandale. Mit den feinsten Instrumenten maß er den schwachen Abdruck eines kleinen Gegenstandes, der sich dort abzeichnete. Auf einem Notizblock, den er neben sich liegen hatte, war der Umriß eines Schlüssel zu erkennen, und hier notierte er die Zahlen seiner Meßarbeit.
Um seine Lippen lag ein triumphierendes Lächeln, als er mit dieser Arbeit fertig war und sich dem Mann zuwandte, der ihm gegenüber an der anderen Tischseite saß.
»Der Mann ist ein Genie«, bemerkte er.
»Nur ein Genie konnte ein solches Schloß entwickeln. Hier, Larok, nimm die Skizze und setz’ dein eigenes Genie restlos ein, um diese Zeichnung in hartes Metall umzusetzen.«
Der Krieger mit der großen Handfertigkeit verbeugte sich.
»Der Mensch kann nichts bauen, was nicht ein anderer wieder zerstören könnte«, sagte er. Dann verließ er mit der Skizze die Kabine.
Als die Dämmerung hereinbrach über den hohen Türmen, die das Kennzeichen der Zwillingsstädte von Helium sind – der scharlachrote Turm der einen und der gelbe Turm der anderen Stadt – schwebte gemütlich vom Norden ein Flieger heran.
Am Bug funkelte das Emblem eines Geschlechts vom niederen Adel einer abgelegenen Stadt Heliums. Die schläfrigen Wächter schöpften nicht den geringsten Verdacht, denn die Selbstverständlichkeit und Sicherheit, mit der sich das Schiff näherte, erweckte nicht ihr Mißtrauen. Ihre Wache näherte sich dem Ende, und sie dachten nur daran, daß man sie jetzt bald ablösen würde.
In ganz Helium herrschte tiefster Frieden. Helium hatte keine Feinde, und nichts stellte diesen Frieden in Frage. Es war auch nichts zu fürchten.
Ohne jede Hast beschrieb der nächste Patrouillenflieger einen weitgezogenen Bogen und näherte sich dem Fremden. Als sie sich auf Sprechdistanz genähert hatten, rief der Decksoffizier den fremden Flieger an.
Ein freudiges »Kaor!« und die verständliche und glaubhafte Erklärung, der Besitzer des Fliegers sei für ein paar Tage aus einem Randgebiet zur Hauptstadt gekommen, um ein wenig deren Fröhlichkeit zu genießen, genügte. Die Luftpatrouille drehte ab und setze ihre Runde fort. Der fremde Flieger steuerte eine öffentliche Landeplattform an, wo er sich langsam niederließ und schließlich aufsetzte.
Ungefähr um die gleiche Zeit betrat ein Krieger die Kabine.
»Es ist gelungen, Vas Kor«, sagte er und händigte dem großen Edlen einen kleinen Metallschlüssel aus. Der große Mann hatte sich eben von seinen Schlafseiden und Pelzen erhoben.
»Gut!« rief dieser. »Du mußt ja die ganze Nacht daran gearbeitet haben, Larok.«
Der Krieger nickte.
»Und jetzt bring mir das Heliummetall, an dem du vor einigen Tagen gearbeitet hast«, befahl Vas Kor.
Das tat der Krieger, und nun half er seinem Herren, das schöne, mit zahlreichen Juwelen besetzte Metall seines Harnisches abzunehmen und durch die einfachen Ornamente eines gewöhnlichen Kämpfers von Helium zu ersetzen. Dazu kamen dann noch die Insignien jenes Hauses, dessen Emblem der Bug des Fliegers trug.
Vas Kor frühstückte an Bord; dann trat er auf die Landeplattform hinaus und fuhr mit einem Lift zur Straße hinunter. Die Arbeiter der ersten Morgenschicht eilten ihren täglichen Pflichten entgegen, und so fiel er nicht auf.
Ein paar Hosen sind am Broadway in New York sicher nicht auffälliger als die Waffengehänge eines Kriegers in einer Stadt auf Barsoom. Alle Marsmänner sind schließlich Krieger – außer den wenigen, die aus körperlichen Gründen keine Waffen tragen können. Der Händler und sein Schreiber klappern beide mit ihren kriegerischen Attributen, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen. Der Schuljunge, der ja fast als Erwachsener auf die Welt kommt, wenn er die schneeweiße Schale verläßt, die seine Entwicklung fünf Jahre lang geschützt und behütet hat, kennt das Leben nur mit einem Schwert an der Seite, und er würde sich nackt und als Krüppel vorkommen, hätte er keines; er würde sich etwa so fühlen, wie ein halbwüchsiger Erdenjunge, der ohne Hosen in die Schule geschickt wird.
Vas Kors Ziel lag in Groß-Helium, das etwa fünf Meilen von Klein-Helium entfernt liegt. Dazwischen gibt es nur eine Ebene. Er war deshalb in Klein-Helium gelandet, weil dort die Luftpatrouillen und die Wächter nicht ganz so aufmerksam und mißtrauisch sind wie über der größeren Metropole, in der ja der Palast des Jeddaks liegt. Mit der Menge ließ er sich durch die parkähnliche Straßenschlucht schieben. Die Marsstadt erwachte allmählich zu intensivem Leben. Die Häuser, die für die Nacht auf schlanken Stahlsäulen in die Höhe gehoben worden waren, senkten sich für den Tag. Kinder spielten schon auf dem scharlachfarbenen Rasen, der jedes Haus umgab, und gemütliche Frauen schwatzten und lachten mit den Nachbarinnen, während sie für die Vasen in ihren Häusern Stengel und Zweige mit den herrlichen Blüten sammelten, die hier üppig wucherten.
Überall und von allen Seiten klang das freundliche, fröhliche »Kaor!« mit dem sich Freunde und Nachbarn begrüßten, die ihren Pflichten nachgingen.
Das Viertel, in dem Vas Kor gelandet war, wurde von wohlhabenden Kaufleuten bewohnt. Die Zeichen von Luxus und Reichtum waren nicht zu übersehen. Sklaven erschienen mit großartigen Seiden und teuren Pelzen auf den Hausdächern, wo sie in die Sonne zum Lüften ausgelegt wurden. Edelsteinfunkelnde Frauen ließen es sich schon um diese frühe Morgenstunde auf den reichgeschmückten Balkonen vor ihren Schlafwohnungen wohl sein. Ein wenig später würden sie sich dann auf die Hausdächer zurückziehen, wo die Sklaven schon weiche Sofas und überdachte Polsterschaukeln aufstellten.
Da und dort klang aus einem offenen Fenster fröhliche Musik.
Die Marsleute haben das Problem gelöst, sich allmählich und auf angenehme Art aus dem Schlaf in den Tag mit seinen vielfältigen Pflichten gleiten zu lassen. Die Erdenmenschen können das noch in den seltensten Fällen, und deshalb ist die Pflicht für sie auch so oft nichts anderes als ein hartes Muß.
Über ihm rasten die lange, leichten Verkehrsflieger dahin. Für jede Kategorie gab es eine eigene Ebene, und die Landeplattformen für den Fahrgastverkehr waren sehr zahlreich.
Die meisten befanden sich auf hohen Häusern oder Türmen, besonders die der internationalen Verkehrslinien. Frachter bewegen sich in der Regel auf niederer Ebene, etwa zwei- oder dreihundert Fuß über dem Boden. Kein Flieger darf es wagen, aus seiner ihm zugewiesenen Ebene höher oder tiefer zu gehen oder nur in ganz bestimmten genau umrissenen Gebieten, in denen ein Horizontalverkehr überhaupt untersagt ist.
Die ganzen breiten Avenuen zwischen den hohen Häusern waren mit scharlachrotem Rasen bedeckt, den man sehr pflegte und immer kurz geschoren hielt. Hier bewegten sich die Grundflieger. Die meisten von ihnen rasten in sehr niedriger Höhe über dem Boden dahin, und nur wenige behielten ständig Grundberührung. Wenn sie ein vor ihnen sich bewegendes Fahrzeug überholen wollten, zogen sie in einem anmutigen Bogen nach oben und setzten sich in gebührendem Abstand wieder vor dem Langsamfahrenden in dessen Ebene. An Straßenkreuzungen hat grundsätzlich der Nord-Süd-Verkehr Vorfahrt, und der Ost-West-Verkehr muß ihn überfliegen.
Von vielen privaten Hangars auf den Hausdächern bogen zahlreiche Privatflieger zu den Luftstraßen ab, um sich in den Verkehr einzureihen. Fröhliche Lebewohlrufe und frauliche Mahnungen zur Vorsicht im Verkehr mischten sich mit dem Brummen der Motoren, dem Surren von Propellern und dem gedämpften Lärm einer großen Stadt.
Trotz des ungemein lebhaften Verkehrs und der regen Geschäftigkeit war der vorherrschende Eindruck doch der einer fast lautlosen, luxuriösen und äußerst eleganten Behaglichkeit.
Die Marsmenschen mögen keinen Lärm und hassen unnötige Geräusche. Waffenlärm und Kriegsgeräusche sind die einzigen, die sie ertragen können – und bis zu einem gewissen Grad sogar absichtlich und reichlich erzeugen. Wenn zwei riesige Schiffe mit ungeheurem Krach in der Luft zusammenstoßen, so macht ihnen das nichts aus, vorausgesetzt, es handelt sich um Kampfschiffe.
Solcher Lärm ist für sie angenehmer als die süßeste Musik.
An der Kreuzung von zwei breiten Avenuen trat Vas Kor von der Straße herunter zu einer der großen pneumatischen Stationen der Stadt. Vor einem Schalter bezahlte er den Fahrpreis zu seinem Ziel und brauchte dafür nur ein paar der matten ovalen Münzen von Helium herzugeben.
Jenseits des Schalters kam er zu einer sich langsam bewegenden Reihe von Gegenständen, die ein Erdenmensch als etwa acht Fuß lange Geschosse mit kegelförmiger Nase bezeichnet hätte, die für eine riesige Kanone bestimmt sind.
Diese Dinger bewegten sich langsam über versenkte Geleise.
Eine Anzahl Helfer waren anwesend, die den Fahrgästen beim Einsteigen zur Seite standen und diese Dinger dann in die gewünschte Richtung dirigierten.
Vas Kor ging auf eines zu, das leer war. An der Nase befand sich ein Zifferblatt mit einem Zeiger. Er setzte den Zeiger für eine Station in Groß-Helium, hob einen gewölbten Deckel hoch, stieg hinein und legte sich auf den dick gepolsterten Boden. Ein Helfer schloß den Deckel, der beim Einschnappen leicht klickte, und das Ding schob sich langsam weiter.
Wenig später bog es automatisch auf eine andere Spur ein und verschwand gleich darauf in einer der vielen nebeneinanderlie-genden dunklen Röhren.
Sowie die gesamte Länge innerhalb der schwarzen Röhre war, schoß das Ding mit der Geschwindigkeit einer Gewehrkugel vorwärts. Dann pfiff es leise, kam sehr schnell, gleichzeitig aber auch weich zum Stehen und schob sich langsam wieder auf eine Plattform. Hier öffnete ein Helfer den Deckel, und Vas Kor stieg an der Station unter dem Zentrum von Groß-Helium aus. Diese Station war fünfundsiebzig Meilen von dem Punkt entfernt, an dem er dieses Ding bestiegen hatte.
Hier begab er sich nun wieder auf Straßenhöhe hinauf und betrat sofort einen Grundflieger. Mit dem Sklaven, der den Fahrersitz innehatte, sprach er kein Wort. Es war also anzunehmen, daß man ihn erwartet hatte und daß der Sklave seine Instruktionen kannte, ehe er hierher aufgebrochen war.
Vas Kor hatte noch kaum den Sitz eingenommen, als der Flieger sich schon in Bewegung setzte. Er bog von der breiten Avenue mit ihrem dichten Verkehr in eine weniger verstopfte Straße ein, wo man schneller vorwärtskommen konnte. Bald hatte er dieses Viertel hinter sich, und nun befand er sich in einer Straße mit kleinen Läden. Einen davon betrat er. Dieser hatte über der Tür das Händlerzeichen für ausländische Seiden.
Der Raum war niedrig. Am anderen Ende saß ein Mann an einem Tisch. Er winkte Vas Kor zu, er solle zu einem innenliegenden Raum weitergehen, ließ aber nicht im geringsten erkennen, ob er den Besucher kannte oder nicht. Dann folgte er ihm und schloß hinter sich die Tür.
Im Innenraum sah er seinen Gast an und salutierte ehrfürchtig.
»Edelster…« begann er, aber Vas Kor gebot ihm mit einer Geste Schweigen.
»Keine Formalitäten«, sagte er. »Wir müssen vergessen, daß ich mehr bin als einer deiner Sklaven. Wenn alles so ausgeführt ist, wie es geplant wurde, dann haben wir jetzt keine Zeit zu verlieren. Wir sollten eigentlich schon zum Sklavenmarkt unterwegs sein. Bist du fertig?«
Der Kaufmann nickte, wandte sich zu einer großen Truhe um und entnahm ihr den schmucklosen Harnisch eines Sklaven. Den legte Vas Kor sofort an. Dann verließen die beiden den Laden durch eine Hintertür, folgten einer kleinen, gewundenen Straße, die zu einer breiten Avenue führte, und dort bestiegen sie einen Flieger, der auf sie gewartet hatte.
Fünf Minuten später führte der Kaufmann seinen Sklaven zum öffentlichen Markt, wo eine große Menschenmenge sich vor dem Sklavenblock eingefunden hatte.
Es waren deshalb so zahlreiche Menschen erschienen, weil Carthoris, der Prinz von Helium, mehrere Sklaven erstehen wollte.
Ein Herr nach dem anderen bestieg die Bühne neben dem Sklavenblock, auf dem ihr Hab und Gut stand. Kurz und klar, manchmal natürlich auch ein wenig überschwänglich, beschrieben sie die Tugenden und Fähigkeiten der angebotenen Sklaven.
Als alle vorgeführt wären, kam der Majordomo des Prinzen von Helium und rief jene Sklaven zum Block zurück, die einen guten Eindruck auf ihn gemacht hatten. Für die gab er dann ein gutes Angebot ab.
Wegen des Preises wurde kaum gefeilscht, schon gar nicht, als Vas Kor auf dem Block stand. Sein Herr nahm das erste Angebot an, das für ihn abgegeben wurde, und so wurde ein Edler aus Dusar Sklave im Haushalt von Carthoris.