12 Zu Dusars Rettung

Thuvia von Ptarth, die gegen Javs ungezügelte Lust um mehr als ihr Leben kämpfte, warf einen raschen Blick über die Schulter zum Wald hinüber, aus dem wütendes Brüllen zu hören war. Auch Jav schaute auf.

Was sie sahen, erfüllte ihre Herzen mit schauerlichen Ahnungen. Es war Komal, der Banth-Goot, der ihnen mit weit aufgerissenem Maul entgegenrannte. Wen hatte er sich für seine nächste Mahlzeit ausgesucht? Oder wollte er beide auffressen?

Sie brauchten nicht lange auf die Beantwortung dieser Frage zu warten. Obwohl der Lotharianer immer versuchte, das Mädchen zwischen sich und den Banth zu bringen, fand das große Tier schließlich doch ihn.

Kreischend versuchte er nach Lothar zu fliehen, aber vorher nahm er Thuvia und warf sie buchstäblich dem riesigen Menschenfresser vor die Fänge. Er kam jedoch nicht weit auf seiner Flucht. Mit ein paar Sprüngen hatte Komal ihn erwischt und an Brust und Kehle gepackt, und so schüttelte er ihn voll dämonischer Wut.

Das Mädchen stand wenig später neben ihm. Sie bemühte sich verzweifelt, das fürchterliche Tier von seiner Beute wegzureißen.

Der Banth hörte nicht auf zu knurren und warf Jav hungrige Blicke zu, aber schließlich ließ er sich doch in den Wald zurückbringen.

Thuvia machte sich nun mit ihrem wilden Beschützer an der Seite auf die Suche nach der Passage durch die Klippen. Sie hoffte, das schier Unmögliche zu vollbringen und allein und zu Fuß das ferne Ptarth zu erreichen, das mehr als siebzehntausend Haad entfernt war, und dazu mußte sie noch besonders wildes Gelände durchqueren.

Sie konnte nicht glauben, daß Carthoris sie absichtlich verlassen hatte, und so hielt sie ständig Ausschau nach ihm. Sie hielt sich jedoch bei ihrer Suche nach dem Tunnel zu weit nördlich, und so lief sie an dem Prinzen vorbei, als er auf der Suche nach ihr nach Lothar zurückkehrte.

Thuvia von Ptarth fiel es recht schwer, den genauen Platz des Prinzen von Helium in ihrem Herzen zu bestimmen. Nicht einmal vor sich selbst konnte sie zugeben, daß sie ihn liebte, und doch hatte sie ihm gestattet, sie mit den zärtlichsten Worten anzusprechen, die ein Mädchen auf Barsoom nicht anhören durfte, wenn sie nicht von ihrem Verlobten oder ihrem Ehemann kamen – meine Prinzessin.

Kulan Tith, Jeddak von Kaol, mit dem sie verlobt war, genoß ihrem Respekt und ihre Bewunderung. Hatte sie sich ihres Vaters Wünschen nur deshalb gefügt, weil der gut aussehende Heliumprinz die Anwesenheit am Hof ihres Vaters nicht sofort dazu benützte, um ihre Hand zu bitten? War sie deshalb gekränkt gewesen? Hatte sie nicht darüber nachgedacht und darauf gewartet, seit sie Hand in Hand auf den geschnitzten Sesseln im inneren Hof des Palastgartens von Salensus Oll in Kadabra gesessen hatten?

Liebte sie denn Kulan Tith? Tapfer versuchte sie es sich selbst glauben zu machen, daß sie ihn liebte, aber dabei hielt sie immer nach der hohen, schönen Gestalt eines schwarzhaarigen, grauäugigen und schlankbeinigen Kämpfers Ausschau. Schwarze Haare hatte Kulan Tith, doch seine Augen waren braun, und ganz so schlank war er auch nicht…

Es war schon fast dunkel, als sie endlich den Eingang zum Tunnel fand. Unbehelligt erreichte sie die Hügel auf der anderen Seite, und hier legte sie unter dem hellen Licht der beiden Marsmonde eine Rast ein, um sich einen Plan für die nächste Zukunft zurechtzulegen. Sollte sie hier warten in der Hoffnung, Carthoris möge auf der Suche nach ihr zurückkehren? Oder sollte sie ihren Weg nach Ptarth in nordöstlicher Richtung fortsetzen?

Wohin konnte sich Carthoris gewandt haben, nachdem er das Tal von Lothar verlassen hatte?

Mund und Kehle waren ihr ausgetrocknet, und dieser Umstand gab den Ausschlag – auf nach Aaanthor, wo es Wasser gab. Nun, sie würde also nach Aaanthor gehen und dort vielleicht mehr vorfinden als das so dringend benötigte Wasser.

Mit Komal an ihrer Seite hatte sie keine Angst, denn er konnte und würde sie vor allen anderen wilden Tieren beschützen. Selbst die großen weißen Affen scheuten die Banths und flohen, wenn sie einen auch nur von weitem sahen. Zu fürchten brauchte sie nur Menschen, aber damit und mit etlichen anderen Widrigkeiten mußte sie sich abfinden, wenn sie den Hof ihres Vaters wieder erreichen wollte.

Als Carthoris sie dann endlich fand, um vom Langschwert eines grünen Kriegers fast erschlagen zu werden, wünschte Thuvia nichts sehnsüchtiger, als daß dasselbe Schicksal sie ereilen möge.

Dann sah sie die Roten Krieger aus den Fliegern springen, und einen Augenblick lang faßte sie neue Hoffnung – daß Carthoris von Helium nur betäubt sein möge und daß diese Männer ihn retten würden. Doch dann sah sie das Metall von Dusar an den Harnischen; ihr wurde klar, daß diese Leute nur sie vor den angreifenden Torquasianern zu retten gedachten – und da gab sie auf.

Auch Komal war tot, und er lag fast in seiner ganzen Länge auf Carthoris. Jetzt war sie ganz allein und hilflos. Sie hatte niemanden mehr, der sie beschützen konnte.

Die Krieger aus Dusar schleppten sie auf das Deck des einen Fliegers, und nun griffen sämtliche grünen Krieger voll neuer Wut an, um sie den Roten wieder zu entreißen.

Schließlich gewannen die wenigen, die im Kampf nicht gefallen waren, die Decks der beiden Schiffe. Die Maschinen brummten und summten, und die Propeller sirrten. Die Schiffe legten blitzschnell ab und schossen himmelwärts.

Thuvia von Ptarth schaute sich um. Neben ihr stand ein Mann und lächelte zu ihr hinunter. Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie ihn erkannte, und sie begrub stöhnend vor Angst und Entsetzen ihr Gesicht in den Händen. In ihrer Verzweiflung ließ sie sich auf das Deck aus poliertem Skeelholz sinken.

Es war Astok, Prinz von Dusar, der sich über sie beugte.

Die Schiffe Astoks von Dusar waren schnell, und es war ungeheuer wichtig, daß sie in kürzester Zeit den Hof ihres Vaters erreichten, denn die Kriegsflotten von Helium, Ptarth und Kaol waren über ganz Barsoom verstreut. Und Astok von Dusar würde es übel ergehen, entdeckte eines dieser Schiffe Thuvia von Ptarth als Gefangene auf dem Privatflieger des Prinzen.

Aaanthor liegt etwa fünfzig Grad südlich und vierzig Grad östlich von Horz, dem nun verlassenen Sitz der ältesten Kultur Barsooms, während Dusar fünfzehn Grad nördlich vom Äquator und zwanzig Grad östlich von Horz zu finden ist.

Die Entfernung ist groß, aber die schnellen Flieger bewältigten sie ohne Zwischenlandung. Lange ehe sie ihren Bestimmungsort erreichten, hatte Thuvia von Ptarth einiges erfahren, das ihre Zweifel zerstreute, die sie so lange gequält hatten. Kaum hatten sie sich nämlich über Aaanthor erhoben, als sie einen aus der Mannschaft als einen Mann jener Schiffsbesatzung erkannte, die sie damals aus ihres Vaters Garten nach Aaanthor entführte. Daß Astok auf diesem Schiff war, beantwortete also die Grundfrage.

Sie war von Beauftragten des Prinzen von Dusar entführt worden und Carthoris von Helium hatte nicht das Geringste damit zu tun.

Astok leugnete auch gar nichts, als sie ihn der Entführung beschuldigte. Er lächelte nur und schwor ihr, er habe es aus Liebe zu ihr getan.

»Eher würde ich mich mit einem weißen Affen zusammentun!« rief sie, als er sie bedrängte.

Astok funkelte sie wütend an.

»Du wirst dich mit mir zusammentun, Thuvia von Ptarth«, knurrte er. »Oder, wenn du weiter widerspenstig bist, dann sollst du – bei meinen ersten Vorfahren schwöre ich es – wirklich einen weißen Affen zum Gefährten erhalten.«

Das Mädchen antwortete nichts, und es gelang ihm während der ganzen Reise nicht, sie in eine Unterhaltung zu ziehen.

Es war ja nun Tatsache, daß es Astok ziemlich ungemütlich zumute war, wenn er daran dachte, welche Ausmaße der Konflikt inzwischen angenommen hatte. Er hätte nie geglaubt, daß eine Entführung so schwerwiegende Folgen haben könnte, und die Verantwortung, die er sich mit einer solchen Gefangenen auflud, machte ihm erheblich zu schaffen.

Sein einziger Gedanke war also der, sie nach Dusar zu bringen und alles weitere dann seinem Vater zu überlassen. Inzwischen wollte er sorgfältig alles vermeiden, was sie kränken oder herausfordern konnte, denn er mußte damit rechnen, daß sie alle in Gefangenschaft kommen würden. Selbstverständlich mußte er dann auch Rechenschaft ablegen über die Behandlung des Mädchens, das ja schließlich die Tochter eines der mächtigsten Jeddaks war.

So kamen sie schließlich nach Dusar, wo Astok seine Gefangene in einem Geheimgemach hoch oben im Ostturm seines privaten Palastes versteckte. Seine Männer hatten ihm Schweigen schwören müssen, und keiner von ihnen durfte über die Identität des Mädchens aussagen; erst wollte er mit seinem Vater Nutus, Jeddak von Dusar, sprechen, ehe jemand erfahren durfte, wen er vom Süden mitgebracht hatte.

Als er jedoch im großen Audienzsaal vor dem Mann mit den grausamen Lippen erschien, der sein Vater war, schwand sein ganzer Mut dahin, und er wagte nicht von der Prinzessin zu sprechen, die er in seinem Palast versteckt hielt. Er zog es vor, erst einmal seines Vaters Einstellung zu diesem Fall kennenzulernen, und so erzählte er eine Geschichte des Inhalts, daß er jemanden gefangengenommen habe, der behaupte, den Aufenthaltsort der Prinzessin Thuvia von Ptarth zu kennen.

»Und wenn du, Sire, es befiehlst«, schloß er sein Märchen,

»dann werde ich mich sofort auf den Weg machen, sie entführen und hierher nach Dusar bringen.«

Nutus runzelte die Brauen und schüttelte den Kopf.

»Du hast schon genug angestellt! Erfährt man erst etwas über deine Beteiligung an der Entführung der Prinzessin von Ptarth, dann gehen alle drei gleichzeitig auf uns los – Ptarth, Kaol und Helium. Du hattest Glück, als du die Schuld an der Entführung dem Prinzen von Helium in die Schuhe schieben konntest, und strategisch hast du das meisterhaft gemacht. Sobald aber das Mädchen die Wahrheit erfährt und falls sie je wieder an den Hof ihres Vaters nach Ptarth zurückkehrt, muß Dusar eine unglaublich hohe Strafe bezahlen. Sie hier bei uns als Gefangene zu halten, wäre ein Schuldeingeständnis, und vor dessen Folgen könnte uns nichts mehr retten. Astok, so etwas würde mich den Thron kosten, und ich habe nicht die Absicht, ihn aufs Spiel zu setzen.

Wenn wir sie hier hätten…« Der ältere Mann überlegte laut und wiederholte mehrfach diesen Satz. »Wenn wir sie hier hätten…

Ah! Wenn wir sie hier hätten und niemand wüßte es«, rief er fast begeistert von seinem Gedanken, »und gar niemand wüßte es, daß sie hier ist…! Sohn, kannst du dir das nicht vorstellen? Mit ihren Knochen wäre dann die Schuld Dusars für ewige Zeiten begraben«, schloß er wie ein Verschwörer flüsternd.

Astok Prinz von Dusar überlief es eiskalt.

Er war schwach und durchtrieben; das war er ohne Zweifel, doch der nur dürftig verschleierte Vorschlag seines Vaters erfüllte ihn mit Grauen.

Grausam ihren Feinden gegenüber sind die Menschen auf dem Mars, aber das Wort >Feind< wird ausschließlich auf den Mann angewandt. Mord ist in den großen Städten auf Barsoom an der Tagesordnung, doch der Mord an einer Frau ist ein Verbrechen, dessen sich nicht einmal harte, ausgekochte Berufsmörder schuldig machen würden. Vor einem solchen Vorschlag zuckt selbst der verworfenste aller Meuchelmörder zurück.

Nutus schien das Entsetzen seines Sohnes nicht zu bemerken, und er hielt sich auch wegen seines Vorschlages noch einiges zugute.

»Du sagst, du wüßtest, wo das Mädchen versteckt gehalten wird«, fuhr er fort. »Sie wurde ja deinen Leuten in Aaanthor weggenommen. Sollte sie von einer der drei Mächte gefunden werden, so würde ihre durch nichts gestützte Geschichte ausreichen, alle drei gegen uns zu wenden.

Deshalb gibt es hier nur eine Möglichkeit, Astok. Du mußt sofort zu ihrem Versteck zurückkehren und sie in aller Heimlichkeit hierher bringen. Und paß auf! Wage es ja nicht, ohne sie nach Dusar zu kommen! Der Tod wäre dir sicher!«

Astok, Prinz von Dusar, kannte die Launen seines königlichen Vaters recht genau. Er wußte, daß im Herzen des Tyrannen nicht ein Funken Gefühl für irgendeine Kreatur Platz hatte.

Astoks Mutter war eine Sklavin gewesen. Nutus hatte sie niemals geliebt, aber er hatte auch keine andere Frau je geliebt.

In jungen Jahren hatte er wohl versucht, an den Höfen einiger seiner mächtigen Nachbarn eine Frau zu finden, doch keine einzige Frau wollte ihn haben.

Nachdem ein Dutzend Töchter von Edlen seines eigenen Landes lieber den Freitod gewählt hatten als ihn zu heiraten, hatte er die Suche aufgegeben. Da hatte er dann richtig legal eine seiner Sklavinnen geheiratet, so daß er wenigstens einen Sohn bekäme, der nach seinem hoffentlich recht späten Tod unter den Jeds stand, aus denen der neue Jeddak gewählt wurde.

Langsam entzog sich Astok der Nähe seines Vaters. Totenblaß und am ganzen Leib zitternd kehrte er in seinen eigenen Palast zurück. Als er den Hof überquerte, fiel sein Blick auf den hohen Ostturm, der dunkel vor dem blauen Himmel stand.

Am ganzen Körper brach ihm kalter Schweiß aus.

Issus! Diese schreckliche Tat konnte er keiner anderen Hand überlassen; die mußte er selbst ausführen. Mit den eigenen Fingern mußte er das Leben aus dieser wundervollen, glatten Kehle pressen oder die scharfe Klinge in das rote, edle Herz stoßen.

Ihr Herz! Und er hatte gehofft, dieses Herz möge vor Liebe zu ihm überfließen…

War es soweit gekommen? Er erinnerte sich der hochmütigen Verachtung, mit der seine Liebesschwüre beantwortet worden waren. Es überlief ihn eiskalt, und dann wurde ihm siedend heiß, wenn er daran dachte. Und dann nahm allmählich der Gedanke an Rache von ihm Besitz und löschte alle feineren Gefühle in ihm aus. Fast hätte er den guten Instinkten nachgegeben, die er von seiner Mutter, der Sklavin, geerbt hatte. Das böse, verdorbene Blut seines Vaters siegte jedoch über das gute seiner Mutter, und so geht es doch eigentlich immer und überall.

Ein kaltes Lächeln verdrängte die Angst, die ihm den kalten Schweiß auf die Stirn getrieben hatte. Er ging zum Turm.

Natürlich wollte er sie noch einmal sehen, ehe er sich auf jene Reise begab, die seinem Vater Sand in die Augen streuen sollte.

Die Tatsache, daß das Mädchen sich bereits in Dusar befand, durfte auf gar keinen Fall durchsickern.

Er schlüpfte durch einen Geheimeingang in den Turm und stieg die Spiralrampe hinauf zu jenem Raum, in dem die Prinzessin von Ptarth gefangen war.

Als er eintrat, lehnte das Mädchen am Fensterbrett der Ostseite des Turms und schaute über die Dächer von Dusar in die Richtung, in der Ptarth lag. Er haßte Ptarth. Der Gedanke daran erfüllt ihn mit Wut. Warum sollte er sie nicht jetzt gleich erledigen, damit er die Sache möglichst schnell hinter sich hatte?

Als sie seine Schritte vernahm, drehte sie sich rasch zu ihm um. Ah, wie schön sie doch war! Seine Entschlossenheit, sie zu töten, schmolz im glorreichen Licht ihrer erlesenen Schönheit zu einem Nichts zusammen. Er wollte warten, bis er von seiner kleinen Täuschungsreise zurückkehrte; vielleicht ergab sich bis dahin auch ein Ausweg. Vielleicht eine andere Hand, die den Stoß führte, andere Finger, die ihre Kehle zudrückten. Mit diesem Gesicht, diesen Augen… Nein, er konnte es nicht tun! Das wußte er nur allzu genau. Immer hatte er sich auf seine Grausamkeit einiges eingebildet, aber so grausam war er schließlich auch wieder nicht. Bei Issus, nein! Er mußte einen anderen Mann finden, der das für ihn erledigte, einen, dem er vertrauen konnte.

Er sah sie noch immer an, und sie stand aufrecht und furchtlos vor ihm. Die heiße Leidenschaft seiner Liebe zu ihr schlug hohe Wogen. Sollte er es nicht noch einmal versuchen? Ließ sie sich erweichen, dann wurde noch alles gut. Selbst wenn er seinen Vater nicht dazu überreden konnte, dann würde er eben nach Ptarth fliegen und die ganze Schuld an der Schurkerei der Entführung und an der Intrige, die vier Nationen in einen blutigen Krieg gestürzt hatte, seinem Vater Nutus auf die Schultern laden.

Und wer würde an der Wahrheit einer solchen Anschuldigung zweifeln?

»Thuvia«, sagte er, »ich komme zum letztenmal, um dir mein Herz zu Füßen zu legen. Ptarth und Kaol und Dusar liegen mit Helium im Krieg – nur deinetwegen. Heirate mich, Thuvia, und alles wird wieder so, wie es sein soll.«

Das Mädchen schüttelte den Kopf.

»Warte!« befahl er, ehe sie sprechen konnte. »Du sollst die volle Wahrheit erfahren, ehe du die Worte sprichst, die nicht nur dein Schicksal besiegeln werden, sondern auch das vieler tausend tapferer Krieger, die deinetwegen Krieg führen.

Wenn du dich weigerst, mich freiwillig zu heiraten und Dusar in Trümmer gelegt wird, weil Ptarth, Kaol und Helium die Wahrheit erfahren, dann ist auch über dein Schicksal das Los gefallen. Die anderen würden unsere Städte ausradieren und keinen Stein auf dem anderen lassen. Sie würden unser Volk in alle Winde zerstreuen, vom eisigen Norden bis in den eisigen Süden, man würde sie jagen und erschlagen, wo man sie fände, bis von dieser großen Nation nichts mehr übrig wäre als eine gehaßte Erinnerung.

Während sie aber die Nation von Dusar ausrotten, gehen viele Tausende der eigenen Krieger zugrunde, und alle müssen nur deshalb sterben, weil eine einzige Frau sich trotzig weigert, den Prinzen zu heiraten, der sie liebt.

Weigere dich, Thuvia von Ptarth, dann gibt es nur eine einzige Alternative – kein Mensch darf je von deinem Schicksal erfahren.

Nur mein königlicher Vater und eine Handvoll treuer Männer und ich selbst wissen es, daß du aus den Gärten deines Palastes in Ptarth entführt wurdest und da der Entführer kein anderer war als Astok, Prinz von Dusar. Und niemand weiß bis jetzt, daß du als Gefangene in meinem Palast bist.

Weigere dich, Thuvia von Ptarth, und du mußt sterben, um Dusar zu retten. Es gibt keine andere Möglichkeit. Nutus, der Jeddak, hat es bestimmt. Ich habe gesprochen, und du hast mich gehört.«

Lange ließ das Mädchen den Blick auf dem Gesicht von Astok, Prinz von Dusar ruhen. Dann sprach sie. Sie sagte nur wenige Worte und ihr leidenschaftsloser Ton verriet unmeßbare Tiefen kalter Verachtung.

»Besser als du bist, ist alles, was du mir angedroht hast.«

Dann drehte sie ihm den Rücken zu und schaute nun wieder zum Ostfenster hinaus in die Richtung, in der das ferne Ptarth lag.

Astok wirbelte herum und verließ den Raum, kam aber nach kurzer Zeit mit Essen und Trinken zurück.

»Hier«, sagte er. »Iß und trink bis ich wieder zurückkehre.

Der nächste Mensch, der diesen Raum betritt, wird dein Henker sein. Empfiehl dich also deinen Vorfahren, Thuvia von Ptarth, denn in wenigen Tagen wirst du bei ihnen sein.«

Dann verschwand er.

Eine halbe Stunde später sprach er mit einem hohen Offizier der Flotte von Dusar.

»Wohin ging Vas Kor?« fragte er. »Er ist nicht in seinem Palast.«

»Er ging nach Süden zu dem großen Wasserweg, der Torquas einschließt«, erwiderte der andere. »Sein Sohn Hai Vas ist Dwar der dortigen Straße, und dorthin ist Vas Kor gegangen, um unter den Farmarbeitern Rekruten zu werben.«

»Gut«, antwortete Astok, und eine weitere halbe Stunde später befand er sich in seinem schnellsten Flieger über Dusar.

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