Sham betrat ihr Zimmer mit einem müden Seufzen. Ohne nach der Zofe zu rufen, wie es, wie sie durchaus wusste, den Gepflogenheiten entsprochen hätte, streifte sie hastig das blaue Kleid ab und ließ es dort liegen, wo es hinfiel. An diesem Abend fühlte sie sich zu erschöpft, um bloß für die Zofe Lady Shamera zu spielen. Auf dem Bett lag ein Nachtkleid für sie vorbereitet, das sie dankbar anzog.
Etwas nagte unterschwellig an ihrer Aufmerksamkeit, und sie starrte mit gerunzelter Stirn zum Sims über dem Kamin. Shamera besaß ein sehr gutes Auge für Einzelheiten und ein Gedächtnis, das sie selten im Stich ließ: Der Zierrat auf dem Sims war bewegt worden. Jemand hatte sich in ihrem Zimmer aufgehalten, während sie weg gewesen war.
Schlagartig wachsam bemerkte sie außerdem, dass die Schlüssel im Schloss der Truhe steckten, als hätte jemand versucht, den Deckel zu öffnen. Sham streckte sich und entspannte bewusst die Muskeln. Dies war nicht Fegfeuer, hielt sie sich vor Augen – sie war hier im Palast sicher die einzige Diebin.
Die Diener waren hier gewesen, um den Sims abzustauben, und dabei hatten sie einige der Figürchen und den Zierdolch bewegt. Jenli hatte dann wahrscheinlich versucht, die Truhe zu öffnen, um den Rest der Kleider darin zu verstauen – was ihr aber ohnehin nicht gelungen sein konnte, denn auch ohne hinzusehen, wusste Sham, dass der Verschlusszauber nicht gebrochen war.
Dennoch öffnete sie den Deckel und durchwühlte die restlichen Kleidungsstücke, um sich zu vergewissern, dass nichts durcheinandergebracht worden war. Die Flöte lag da und schien ihre Berührung geradezu zu erwarten. Ihr Lockruf fühlte sich so stark an, dass sich Shamera förmlich zwingen musste, das Instrument wieder mit der Tunika zu verhüllen.
Auch ihr Messer und ihr Dolch fehlten nicht, beide mit schmaler, zu tödlicher Schärfe gewetzter Klinge. Auch das Rüstzeug ihres Diebeshandwerks war vorhanden, ordentlich in seinem kleinen Werkzeugsatz verstaut. Ohne das Instrumentarium fühlte sie sich nackt, obwohl sie es im feinen Umfeld am Hof kaum benötigen würde. Wenn sie morgen erst einmal mit den Durchsuchungen der Häuser der Höflinge begann, konnte sie es jedoch gut gebrauchen.
Sham schloss die Truhe und verriegelte sie, zuerst mit dem Schlüssel, danach mit Magie. Sie ergriff einen an der Wand lehnenden Dochtlöscher mit langem Stiel und begann, eine Kerze nach der anderen zu löschen.
Natürlich hätte sie dafür Magie verwenden können, aber die setzte sie schon aus Gewohnheit stets sparsam ein. Ein Zauberer, der seine Magie auf Kleinigkeiten vergeudete, würde unter Umständen in Notzeiten nichts mehr zur Verfügung haben. Und sollte sich tatsächlich ein Dämon frei in der Feste herumtreiben, würde sie ihre Magie vermutlich noch dringend benötigen – und Sham war überzeugt davon, dass er sich in der Feste befand. Zu den am stärksten ausgeprägten Gaben von Seehundmenschen gehörte dem Vernehmen nach ihre Empfänglichkeit für drohende Gefahren. Wenn Kerims Selkie sagte, der Dämon sei hier, dann war er auch hier.
Als sich Sham auf die Zehenspitzen aufrichtete, um den kleinen Kronleuchter zu erreichen, der in der Mitte des Raums von der Decke hing, lief ihr ein seltsamer Schauder über den Rücken. Das Gefühl ähnelte der Empfindung, die ihr die verschobenen Ziergegenstände auf dem Kaminsims beschert hatten, allerdings gab es in diesem Fall keine so banale Ursache. Unauffällig umkreiste sie den Kronleuchter und ließ den Blick prüfend über die Schatten wandern, die sämtliche Winkel des Raumes verhüllten. Sie konnte nichts sehen, trotzdem war sie überzeugt davon, dass sich etwas bei ihr befand.
Langsam verdunkelte Sham das Zimmer weiter. Sie bewegte sich auf den Kamin zu und löschte die drei großen Kerzen am hinteren Ende des Simses. Dabei musste sie sich zwingen, die Hände ruhig zu halten.
Abwehrzauber wirkten gegen magische Wesen wie Dämonen und Drachen nur, wenn der Bann um das Heim des Zauberers angebracht wurde, und zwar von jemandem, der um die genaue Beschaffenheit der abzuwehrenden Kreatur wusste. Selbst wenn Sham sattelfester in Dämonologie gewesen wäre, als sie es tatsächlich war, so befand sie sich doch inmitten des Jagdgebiets dieses Dämons – und fühlte sich allmählich wie ein Abendessen.
Nachdem Sham die letzte Kerze gelöscht hatte, lehnte sie den Dochtlöscher neben den Kamin und starrte auf den polierten Boden, als sei sie tief in Gedanken versunken – eher würde das Meer zufrieren, als dass sie ins Bett mit dessen hinderlichen Decken kroch, während sich ein angriffslustiger Dämon bei ihr im Zimmer aufhielt. Es schien nicht der beste Zeitpunkt zu sein, um sich daran zu erinnern, dass ein Mord des Dämons überfällig war.
Sham erhaschte einen flüchtigen Blick von irgendetwas, als sie eine leichte Berührung an der Schulter spürte. Dass es sich um einen Angriff gehandelt hatte, wurde ihr erst klar, als sie die Wärme ihres Blutes spürte, während es ihr den Arm hinablief. Was immer benutzt worden war, um sie zu schneiden, es war so scharf, dass es anfangs nicht wehtat – ein Umstand, der sich jedoch schon kurz darauf änderte.
Sham gelangte zu dem Schluss, dass es Vorteile haben könnte, in ihrer Rolle zu bleiben, und schrie um Hilfe. Sie hoffte, dass die Mauern dünner waren, als sie wirkten, sodass Kerim sie hören könnte. Bislang hatte der Dämon aus nur ihm bekannten Gründen ein öffentliches Auftreten vermieden; Sham musste sich darauf verlassen, dass er dieses Muster beibehalten würde. Ihr ermangelte es noch der Kenntnisse, die man benötigte, um den Dämon zu vernichten, wenngleich sie auch die Flüsterer nach Zauberern suchen ließ, die dazu in der Lage sein könnten. Ohne Hilfe von außen mochte es also durchaus sein, dass sie die Nacht nicht überlebte.
Mit der Hand an der Schulter wirbelte sie herum, hielt verzweifelt nach ihrem Angreifer Ausschau und achtete dabei sorgfältig darauf, das Gebaren beizubehalten, das sie für ihre Rolle als Mätresse des Vogts angenommen hatte. Im Raum herrschte Stille. Er schien so menschenleer zu sein wie vor dem Angriff. Sie konnte nur den eigenen rauen Atem hören.
Wie in der Hütte des Alten Mannes bediente sich der Eindringling keiner der herkömmlichen Methoden, Unsichtbarkeit zu erzeugen. Ganz gleich, wie mächtig ein Sichtvermeidungszauber auch war: Ein Magier, der um die Gegenwart des Bannwirkers wusste, konnte den Zauber überwinden – genau wie bei jeder anderen Sinnestäuschung. Sham konnte nichts Ungewöhnliches sehen. Warme Flüssigkeit troff von ihren Fingern, doch sie blickte nicht zu dem wachsenden Fleck auf dem Boden hinab.
Seinen Hunger hatte er erst in der vergangenen Nacht gestillt, deshalb hatte er nur vor, den Neuankömmling zu beobachten – wenngleich er den Dolch schon für eine mögliche Verwendung auf den Kaminsims gelegt hatte. In seiner ureigenen, körperlosen Form gestaltete es sich schwierig, Waffen zu tragen.
Der Chen Laut atmete tief ein. Der Geruch des Angstschweißes der Frau war erregend – viel zu erregend, um ihm zu widerstehen. Sie war so verwundbar … geradezu mitleiderregend. Dank der Erfahrung eines Jahrtausends, in welchem er die Entdeckung durch Menschen gemieden hatte, war ihm durchaus bewusst, dass er ein unnötiges Wagnis einging. Noch vor einem Jahrzehnt hätte er dem Drang, diesen Menschen zu verletzen, widerstanden – aus Angst davor, sich zu verraten.
Aber die Feste wurde von Narren bevölkert, die weder an Magie noch an Dämonen glaubten: Und diese Frau spielte an einem Ort, an den sie nicht gehörte. Er richtete die Gedanken flüchtig auf den verkrüppelten Menschen, den er auf der anderen Seite der Tür hörte, wie er sich zu dem Stuhl mit Rädern mühte, nur um ihn sogleich zusammen mit dem letzten Rest seiner Vorsicht abzutun.
Beim Betreten des Raumes hatte der Dämon seine Zweitgestalt angenommen und Magie heraufbeschworen, um seinen Körper vor der Frau zu verbergen. Als körperloses Wesen brauchte der Dämon eine leibliche Gestalt, um Gegenstände auf dieser Welt beeinflussen zu können. Der Beschwörer hatte ihm zwei zur Verfügung gestellt. Die erste Gestalt musste geschützt werden; ohne sie wäre der Dämon machtlos und würde auf ewig hilflos umhertreiben. Die zweite Gestalt hingegen war zwar unendlich nützlicher, aber trotzdem nicht zum Überleben erforderlich.
Langsam fasste Sham mit einer Hand hinter sich und tastete zwischen den Gerätschaften herum, die an Haken in der Nähe des Kamins hingen. Mit ihrer Magie würde sie das Wesen vermutlich nicht verletzen können, bis sie besser verstand, gegen was sie eigentlich kämpfte – daher beschloss sie, etwas anderes zu versuchen. Das offensichtlichste Werkzeug, zu dem eine verängstigte Frau greifen würde, war der Schürhaken. Doch sie hatte nicht die Absicht, dem Dämon nah genug zu kommen, um eine derart wirkungsarme Waffe einzusetzen. Sham stieß den Schürhaken absichtlich laut zu Boden und schnappte sich stattdessen die kleine Schaufel, als hätte sie ihr Ziel verfehlt. Sie hielt den Eisengriff mit einer Unbeholfenheit, die sie nicht spielte; ihre Schulter schmerzte.
Zu ihrer Rechten ertönte ein leises Geräusch, als schabe etwas Hartes über einen Abschnitt des Bodens, der nicht von Teppich bedeckt war. Sie war überzeugt davon, dass der Dämon genauso in der Lage wäre, Laute zu verschleiern, wie Sham selbst es konnte: Er köderte sie.
Das nächste Geräusch erklang lauter und zu ihrer Rechten. Sie drehte sich dem Feuer zu und tauchte die Schaufel in die heißen Kohlen. Ohne in der Drehung innezuhalten, schleuderte sie die glühenden Klumpen in die allgemeine Richtung des zweiten Geräuschs.
Als sie hinschaute, erkannte Sham ansatzweise die Gestalt ihres Angreifers. Wenngleich die Magie sein Gesicht verbarg, schien es sich um einen Mann zu handeln. Sie musste ihn mit einigen der Kohlen getroffen haben, denn er kreischte in unmenschlich hohen Tönen. Als der Lärm erstarb, hörte sie, wie jemand am Riegel der Tür zu Kerims Zimmer rüttelte.
Als sich Sham der Tür zudrehte, packte der Eindringling sie an den Schultern und stieß sie in Richtung der gegenüberliegenden Wand. Sie landete auf dem polierten Nachttisch, was weder ihrem Wohlbefinden noch dem des kleinen, vormals robusten Möbelstücks zuträglich war. Da sie an Straßenkämpfe gewöhnt war, auch wenn sie noch nie jemand quer durch einen Raum geschleudert hatte, gelang es ihr, sich abzurollen und auf die Füße zu kommen. Gleichzeitig schüttelte sie Holzsplitter von sich ab.
Der Dämon hatte die Schatten um sich gebündelt, indem er denselben Zauber benutzte, den Sham gern auf den dunklen Straßen von Fegfeuer einsetzte. In dem düsteren Raum verhüllten die unnatürlichen Schatten den gesamten Bereich, bis Sham nur noch die Kohlen sehen konnte, die auf den Bettlaken gelandet waren und begannen, den Stoff zu entzünden.
Als sie in die Finsternis spähte, entlockte ihr der Dämon einen überraschten Aufschrei, indem er ihr einen Schnitt an der nackten Wade versetzte. Sie schaute hinab, bevor der Streich vollendet war, und erhaschte in der Dunkelheit einen flüchtigen Blick auf etwas Metallisches – die vermaledeite Kreatur benutzte ein Messer!
Aus unerfindlichem Grund ließ diese Erkenntnis ihre Angst in Wut umschlagen. Sie wurde von einem Dämon angegriffen, einer sagenumwobenen Gestalt aus Liedern und Geschichten – und das Wesen bediente sich eines Messers wie ein gewöhnlicher Dieb.
Knurrend kauerte sie sich hin, aber der sonderbare Schattenschleier verhüllte den gesamten Raum, und die Gegenwart des Dämons erwies sich als zu stark, um sie auf eine bestimmte Stelle fixieren zu können. Rauch von den kleinen Brandherden zwischen dem Bettzeug und den Teppichen erfüllte allmählich die Kammer. Er brachte ihre Augen zum Tränen, und sie bekam eine weitere Wunde verpasst, diesmal am Oberschenkel. Sham grunzte vor hilfloser Wut.
Ein ohrenbetäubendes Krachen hallte im Raum wider, gefolgt von verschiedenen Geräuschen, darunter das Öffnen und Schließen der Außentür, als der Eindringling in die Namenlosigkeit der Gänge draußen flüchtete.
Der Dämon rannte vorsichtig durch die Korridore, bis er sich weit von möglichen Verfolgern entfernt wähnte. Dem Vogt würde eher daran gelegen sein, die Frau zu beschützen, als ihren Angreifer zu finden. In den Schatten eines unbenutzten Raumes untersuchte er den ihn beherbergenden Körper. Der von den Kohlen verursachte Schaden erwies sich als gering, obwohl er eine beträchtliche Menge an Macht würde aufwenden müssen, um den Golem völlig wiederherzustellen. Die leichte Verärgerung, die er über die Mätresse des Vogts empfand, flammte kurzzeitig zu glühender Wut auf. Er beruhigte sich, indem er beschloss, dass diese Frau seine nächste Mahlzeit werden sollte. In sieben Tagen. Bis dahin konnte sie wenig Schaden anrichten.
Als sich die unnatürlichen Schatten auflösten, sah Shamera, dass die Tür neben dem Kamin in der Mitte entzweigebrochen war. Die Hälfte mit dem Riegel lag auf dem Boden, verheddert in den Wandbehängen, die den Durchgang verborgen hatten; die obere Angel klammerte sich beharrlich am Türblatt fest. Fahle Holzsplitter legten Zeugnis von der Kraft ab, die sie vom Rahmen gerissen hatte. Die andere Hälfte baumelte schief an der unteren Angel.
Shamera wandte ihren Blick von der Tür zum Vogt. Er trug Nachtgewänder und hielt eine verheerend aussehende Streitaxt in einer Hand; seinen Stuhl hatte er seitwärts neben den Türrahmen gelenkt, um mit voller Wucht zuschlagen zu können. Sie bedachte ihn mit einem Grinsen schierer Erleichterung.
»Freut mich, dass du’s einrichten konntest«, zog sie ihn auf, wenngleich ihre Stimme dabei nicht ganz so fest klang, wie sie es gern gehabt hätte.
»Wenn man eine Einladung in sein Schlafgemach ausspricht, entspricht es üblicherweise den Gepflogenheiten, dafür zu sorgen, dass die Tür unversperrt ist«, gab er ansatzlos zurück. Er schaute an ihr vorbei und fügte hinzu: »Es entspricht außerdem den Gepflogenheiten, zu warten, bis der Partner eintrifft, bevor man es heiß zwischen den Laken werden lässt.«
Sie drehte sich um und stellte fest, dass die schwelenden Decken mittlerweile in Flammen standen. Feuer war die zweite Magie, in die ein Lehrling eingeweiht wurde, da Feuer das am einfachsten heraufzubeschwörende Element darstellte. Als erste Magie jedoch lernte man, wie man Feuer löschte. Sie riss die Laken auf den Boden neben ihr. Da Kerim ja nicht an Magie glaubte, nahm sie an, dass er davon ausging, das Feuer durch das Gewicht der Decken erstickt zu sehen.
Sham konnte ihr Erstaunen über das anhaltende Gefühl, dass sie den Vogt mochte, obwohl er Cybeller war, nicht verstehen – allerdings wusste sie nicht, ob sie ihm auch vertrauen konnte. Vor zwölf Jahren hatte sie gelernt, dass Angst ein grausamer Feind sein konnte, und sie beschloss, ihm noch ein Weilchen länger keinen unwiderlegbaren Beweis für die Existenz von Magie zu liefern.
»Tut mir leid«, witzelte sie unbeschwert, »ich bin nicht vertraut mit der Etikette, die für Mätressen gilt. Nächstes Mal werde ich darauf achten, dass du im Bett liegst, bevor ich heiße Kohlen hineinwerfe.«
Kerim brummte anerkennend und schwang die Axt in einem kurzen Bogen, der die verbliebene Angel traf. Die obere Hälfte der Tür fiel zu Boden. Durch den einfachen Behelf, sich an beiden Seiten des Durchgangs festzuhalten und zu ziehen, hievte er den sperrigen Stuhl durch die nunmehr geräumte Öffnung in ihr Gemach.
»Was ist passiert?«, wollte er wissen.
»Erinnerst du dich an den Dämon, von dem Talbot und ich schon mehrfach gesprochen haben?«
»Den mutmaßlichen Dämon, der den Grund dafür darstellt, dass du hier bist?«, fragte er und rollte mit dem Stuhl langsam zu ihr.
Sie nickte. »Genau der. Er hat beschlossen, auch mal einen Blick auf mich zu werfen. Eine größere Gesellschaft schien ihm nicht zu behagen, deshalb hat er das Weite gesucht, sobald offensichtlich wurde, dass du hereinkommen würdest.«
Als er sich nah genug befand, um das Blut in den Schatten des Raumes auszumachen, erkundigte er sich: »Wie schwer bist du verletzt?«
»Nicht sehr, es sei denn, der Schnitt an meiner Schulter ist schlimmer, als er aussieht.«
Er fasste nach oben und schob ihr Haar beiseite, damit er einen eingehenden Blick auf ihre Schulter werfen konnte. »Ich habe zwar schon Schlimmeres gesehen, aber die Wunde ist tief genug, um genäht werden zu müssen. Dickon ist ziemlich gut darin.«
»Dickon?«
Der Vogt lachte über die Ungläubigkeit, die in ihrem Tonfall mitschwang. »Er war Soldat, bevor er Kammerdiener wurde, und er flickt aufgerissene Haut besser zusammen als die meisten Heiler.« Er betrachtete ihre Schulter erneut und zog nachdenklich die Brauen zusammen. »Sieht wie eine Messerwunde aus.«
Sham nickte. »Und zwar ein verflixt scharfes Messer.«
Kerim lachte. »Deiner Verärgerung entnehme ich, dass du auf Klauen und Fänge gehofft hattest, richtig?«
Sie lächelte und schloss die Augen, um das Schwindelgefühl zu lindern, dass der Blutverlust auslöste. »Da könnte was dran sein.«
»Komm mit, und erzähl mir, was genau passiert ist.« Damit rollte er zurück zum Durchgang und zog seinen Stuhl über die Schwelle der Tür.
»Hast du mit deinem Stallmeister schon darüber geredet, dieses Ding ändern zu lassen?«, erkundigte sich Shamera, als sie ihm in seine Kammer folgte.
»Er und einer der Zimmerleute arbeiten bereits an einem neuen Stuhl«, antwortete der Vogt. Er deutete auf einen Sitz. »Nimm Platz, bevor du noch umkippst. Ich hole Dickon, und nachdem er dich versorgt hat, kannst du mir erzählen, was sich zugetragen hat.«
Dankbar kam sie seiner Aufforderung nach und ließ den Kopf auf die Knie sinken. Dickon musste in der Nähe geschlafen haben, denn der Vogt kehrte alsbald mit ihm zurück. Sie wusste nicht, wie ihm Kerim die Wunden erklärt hatte, aber Dickon gab sich so wortkarg wie immer, als er den Schnitt an ihrer Schulter erst säuberte und dann mit kleinen, gleichmäßigen Stichen nähte. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Verletzung am Oberschenkel nur einem Kratzer gleichkam, beugte sich der Diener hinab, um einen genaueren Blick auf den Schnitt an der Wade zu werfen.
»Mein Herr sagt, dass sich der Magier von gestern Abend auf Alchemie verstand«, meinte Dickon, als er die Haut an der Wade zusammenzog, um auch diese Wunde zu nähen.
»Es gibt ein weißes Gestein, das nördlich der Glaswüste abgebaut wird. Mischt man es mit Wasser, kann man die Wasseroberfläche entzünden, wenn man eine offene Flamme nur nah genug ranhält«, erklärte Sham und bemühte sich, nicht auf das Ziehen der Nadel im Fleisch zu achten. »Ich konnte die Urnen zwar nicht deutlich sehen, aber es schien sich um die Art von Feuer zu handeln, die das weiße Gestein verursacht. Wie der violette Rauch zustande kam, weiß ich nicht.«
Dickon hielt beim Nähen kurz inne, um überrascht zu ihr aufzuschauen. Dann trat ein kurzes Lächeln über ihr Friedensangebot auf seine Lippen. »Ich habe schon von den Tauben im Topf gehört, aber ich habe noch nie einen gesehen, der groß genug gewesen wäre, um einen Fischadler zu beherbergen.«
»Dann muss wohl Magie am Werk gewesen sein«, meinte Sham augenzwinkernd.
Dickon schnaubte ungläubig und band den Faden sauber ab. Er holte Verbände aus dem Kästchen hervor, das er mitgebracht hatte, und begann, ihre Wade damit zu umwickeln.
»Ich habe noch keine Magie zu Gesicht bekommen, die sich nicht mit ein wenig Arbeit nachahmen ließe«, sagte der Kammerdiener, als er seine Hände penibel sauber wischte.
Sham nickte bejahend. »Ich bin sicher, das ist wahr.«
Dickon warf ihr einen argwöhnischen Blick zu, und sie lächelte.
»Ist das dann alles, Herr?«, fragte er Kerim.
»Bitte sorg dafür, dass der Bezug von Lady Shameras Bett unauffällig gewechselt und die verbrannten Laken vernichtet werden.«
»Sehr wohl, Herr.«
»Dickon?«, sagte Shamera. »Danke.«
»Sehr wohl, Herrin.« Dickon entfernte sich unter Verneigungen rücklings aus dem Raum und schloss die Tür.
»Wie hast du erklärt, dass deine Mätresse mitten in der Nacht genäht werden musste?«, fragte Shamera und schob sich mit einer leicht zittrigen Hand die Haare aus den Augen.
»Gar nicht. Fühlst du dich gut genug, um mir zu erzählen, was passiert ist?«
Sie zuckte mit den Schultern und bereute es sofort, als die Naht an ihrer Schulter zu ziehen begann. »Es ist eher schmerzhaft als wirklich gesundheitsschädigend. Es geht mir gut. Ich war gerade dabei, die Kerzen zu löschen, als mich etwas von hinten angegriffen hat.«
»Du bist immer noch sicher, dass es ein Dämon war? Einer, der ein Messer benutzt hat?« Er klang, als wolle er ihr unterschwellig nahelegen, besser eine vernünftige Antwort zu geben.
Shamera seufzte genervter, als sie sich in Wirklichkeit fühlte. Es wäre ungerecht gewesen, von ihm zu erwarten, ihre Ansichten hinzunehmen, ohne ihm Beweise dafür zuzugestehen, dass es wahre Magie gab.
»Ich hab es dir schon gesagt«, erwiderte sie, »ich weiß noch nicht genug. Die Gestalt hat wie ein Mann ausgesehen, aber ich konnte keinen einzigen Blick auf das Gesicht erhaschen.«
»Warum schließt du die Möglichkeit aus, dass der Mörder menschlich sein könnte?« Er klang aufrichtig neugierig.
Sie fühlte sich zwar schuldig dafür, ihn vorsätzlich mit der Wahrheit in die Irre geführt zu haben, aber von nichts als leichten Schuldgefühlen hatte sie sich noch nie von ihrem Kurs abbringen lassen. »Weil er mich einfach hochgehoben und quer durch das Zimmer geschleudert hat. Ich habe schon viele Kämpfe bestritten. Einige davon gegen Männer noch kräftiger, als du es bist. Diese Kreatur war viel stärker und schneller. Und ich konnte sie nicht sehen.«
»Es war dunkel«, warf er geduldig ein.
»Das ist richtig«, pflichtete sie ihm genauso geduldig bei.
»Du hast gesagt, die Gestalt hätte wie ein Mann ausgesehen« – er legte eine bedeutungsvolle Pause ein – »in der Dunkelheit.«
»So ist es.«
»Aber es war ein Dämon.«
»Ja.« Sham schloss die Augen und gähnte.
Sie hörte das Quietschen der Räder des Stuhls, als sich der Vogt herumbewegte, doch sie fühlte sich plötzlich zu erschöpft, um nachzusehen, was er trieb. Der Mann besaß eine so einnehmende Ausstrahlung, dass sie Dämonen trotz des Pochens in ihrer Schulter ins Reich der Märchen verbannte. Shamera lächelte bei sich und begann, nach und nach einzudösen, als sie eine plötzliche Erinnerung aufsitzen und die Augen öffnen ließ.
»Das Messer war im Zimmer, als ich es heute Abend betreten habe.«
Kerim hatte die zerbrochenen Holztrümmer der Tür gegen die Wand gelehnt. Bei ihren Worten hielt er inne und schaute auf. »Welches Messer?«
»Das Messer, das der Dämon benutzt hat. Es lag auf dem Kaminsims neben dem Silber und dem Porzellanhund. Mir ist aufgefallen, dass die Ziergegenstände auf dem Sims gegenüber heute Morgen verändert worden waren, aber ich habe anfangs nicht bemerkt, dass der Dolch neu war.«
Kerim bahnte sich den Weg zurück in ihre Kammer. Kopfschüttelnd kehrte er zurück. »Jetzt ist kein Messer mehr da. Wie hat es ausgesehen?«
Shamera schloss die Augen und versuchte, es sich deutlich vorzustellen. »Es war verziert wie die im Saal ausgestellten Schwerter – ganz so, als wäre es eher als Schmuckgegenstand gedacht. Der Griff bestand aus Holz, und am Knauf war er mit einem dunklen Stein besetzt. Rubin … nein, Saphir. Ein dunkelblauer Saphir so groß wie mein Daumen.«
»Mit gravierter Klinge?«
»Du kennst das Messer?«, fragte sie überrascht. »Wem gehört es?«
»Meinem Halbbruder«, antwortete er mit einem müden Seufzen. »Ich glaube nicht, dass dein Angreifer ein Dämon war.«
Sham spürte, dass sie unwillkürlich die Augenbrauen darüber hochzog, wie unaufgeregt er die Schuld seines Bruders als gegeben hinnahm. »Es war nicht Lord Ven«, platzte sie hervor, ohne nachzudenken.
Kerim drehte sich ihr zu. »Ach ja?«
»Hör mal …«, sagte sie schließlich und rieb mit den Händen kräftig über ihre Wangen, um sich aufzuwecken. »Was immer in mein Zimmer gekommen ist, hat es getan, ohne die Tür zu öffnen. Die Angeln knarren. Glaub mir, ich hätte es gehört, wenn sie jemand normal aufgemacht hätte.«
»Es gibt einen Geheimgang in den Raum, ähnlich dem Gang hierher.«
Sham schüttelte den Kopf. »Ich stand neben dem Kamin, als die Kreatur hereingekommen ist. Alle Türen waren geschlossen.«
»Du glaubst also, dass jemand Magie benutzt hat, um dein Zimmer zu betreten.«
Ihr war nicht bewusst gewesen, wie einfach man ein so kleines Wort wie etwas Unanständiges klingen lassen konnte. »Ja, das tue ich. Es ist ausgeschlossen, dass die Kreatur, die mich angegriffen hat, dein Bruder war.«
Der Vogt schloss kurz die Augen. »Heute Nacht ist es zu spät für solche Dinge.«
Shamera gähnte und begann, sich zu strecken, bevor sie an das zarte Seidenunterhemd dachte, das sie trug, und sie verfluchte ihre blasse Haut, als sich jähe Hitze darin ausbreitete, obwohl Kerim keine Anzeichen erkennen ließ, dass er ihren leicht bekleideten Zustand bemerkt hatte. »Ich lege mich schlafen. Brauchst du Hilfe dabei, zurück ins Bett zu gelangen?«
»Ich schaffe das schon«, gab er zurück. »Ich denke, wir sollten Stillschweigen über den Angriff heute Nacht bewahren. Ich will nicht, dass sich die Panik noch schneller ausbreitet, als sie es ohnehin bereits schleichend tut.«
Shamera nickte und trat den Weg zurück in ihr Zimmer an. Sie bedachte die verheerte Tür im Vorbeigehen mit einem schiefen Blick. Sosehr es ihr widerstrebte, es zuzugeben: Sie gab ihre Ungestörtheit gern im Austausch für die Sicherheit auf, die ihr Kerims Gegenwart vermittelte. Verkrüppelt hin, verkrüppelt her, der Mann war ein Krieger.
»Gute Nacht, Shamera«, sagte der Vogt hinter ihr.
»Oder was davon übrig ist«, erwiderte sie und schleppte sich zu ihrem Bett.
Shamera erwachte am nächsten Morgen von einem zarten Klopfen an der Tür.
»Einen Augenblick«, rief sie, warf die Decke zurück und setzte sich auf.
Hätte sie Zweifel an den Ereignissen der vergangenen Nacht gehabt, so hätte die Schmerzhaftigkeit der verschiedenen Wunden diese flugs beseitigt. Nach kurzer Überlegung verschleierte sie die Verletzungen mit einem Trugbann. Dickons Nichte mochte vertrauenswürdig sein, aber wenn Kerim den Angriff geheim halten wollte, schien es Shamera besser zu sein, dass so wenige Menschen wie möglich von ihren Wunden wussten. Sie schaute in den kleinen Spiegel, um sich zu vergewissern, dass sie das gesamte Blut von letzter Nacht abgewaschen hatte. Erst als sie sich davon überzeugt hatte, dass sie nicht schlimmer als an einem sonstigen Morgen aussah, hieß sie die Zofe einzutreten.
Jenli kam nicht allein herein. Drei kräftige Lakaien trugen eine Truhe und zwei Körbe in den Raum. Sie achteten darauf, die Blicke von Sham abgewendet zu lassen, als sie ihre Last in der Nähe der Tür abstellten, und gingen wieder. Der Letzte errötete heftig.
Was jedoch nicht an Shams leicht bekleidetem Zustand liegen konnte, denn die Lakaien hatten nicht einmal ansatzweise in die Richtung des Bettes geschaut. Sham runzelte nachdenklich die Stirn und betrachtete die Gerätschaften des Kamins, die über die Teppiche verstreut lagen. Porzellanscherben und Holzsplitter lagen immer noch auf dem Boden, wo der nächtliche Kampf sie hingespritzt hatte. Über den Durchgang zu den Gemächern des Vogts war wieder ein Wandteppich gehängt worden. Wenngleich er etwas Abgeschiedenheit bot, konnte er doch nicht die Tatsache verbergen, dass es keine Tür mehr gab.
Diese Ermittlungen würden interessante Nebenwirkungen für den Ruf des Vogts haben, dachte Sham belustigt.
»Eine Lieferung für Euch von der Schneiderin, Herrin«, sagte Jenli und deutete auf das frisch eingetroffene Gepäck. Ein unterdrücktes Lächeln kämpfte darum, sich zu zeigen, als die Zofe mit geweiteten Augen die Schäden im Raum betrachtete.
»Gut«, erwiderte Sham und ließ den Blick nachdenklich über die neue Kleidung wandern. »Ich habe Kerim gesagt, dass ich keine für den Hof geeignete Garderobe besitze, und er hat mir großzügig die Mittel zur Verfügung gestellt, um mich einzukleiden.« Sie wollte nicht, dass Jenli Fragen darüber stellte, weshalb ihre Garderobe ausschließlich aus neuen Kleidungsstücken bestand.
Shamera entschied sich für ein dunkelgrünes Samtkleid, schwer behangen mit Glasjuwelen und -perlen. Es handelte sich um ein mehrere Jahrzehnte altes Kleid, das sie im Lagerbereich der Schneiderin hängen gesehen hatte, wo es darauf wartete, des wiederverwendbaren Putzes entledigt zu werden.
Der Samt war an den Stellen, wo die Ärmel und die Seiten des Kleides aneinandergerieben hatten, fadenscheinig geworden, weshalb sie den Stoff dort hatte entfernen und die Ränder mit Goldlitzen veredeln lassen. Das Kleid ließ ihre Flanken somit von den Unterarmen bis halb hinunter zur Hüfte nackt und verließ sich allein auf das Gewicht des Stoffes, um zu verhindern, dass mehr als annehmbar offenbart wurde. Der Rock war auf ähnliche Weise kunstvoll geschlitzt.
Vorsichtig duckte sie sich unter dem Wandteppich hindurch und ging in Kerims Zimmer. Dabei bereitete ihr weniger Sorgen, wer dort sein könnte, als vielmehr, wie viel das Kleid preisgab, wenn sie sich bückte. Sie schaffte es hindurch, ohne etwas Unzüchtiges zur Schau zu stellen, und lächelte Dickon an, der allein in dem Raum mit einem abgedeckten Warmhalteteller wartete, der ihr Frühstück enthielt.
»Guten Morgen, Lady Shamera«, begrüßte der Diener sie, ohne sich anmerken zu lassen, dass er in der Nacht zuvor ihre Schulter genäht hatte. »Der Vogt hat mir aufgetragen, Euch auszurichten, dass er sich heute mit verschiedenen Antragstellern trifft, und bedauert, nicht in der Lage zu sein, Euch zu unterhalten. Er dachte, Ihr könntet es vielleicht aufschlussreich finden, die Höflinge zu besuchen. Er wird sich dann zum Abendmahl zu Euch gesellen.«
»Guten Morgen, Dickon. Danke.«
Nachdem Dickon gegangen war, aß Sham, danach trat sie allein einen Streifzug durch die Gänge an. Ihr Richtungssinn leistete ihr gute Dienste, und so hatte sie keine Schwierigkeiten, den öffentlichen Raum ohne fremde Hilfe zu finden. Diese östlichen Adeligen verkörperten einen wahrhaft müßiggängerischen Menschenschlag, wenn sie von früh bis spät nichts anderes taten, als die Ränke des Hofs zu schmieden. Sham zuckte in Gedanken mit den Schultern, setzte ein strahlendes Lächeln auf und stolzierte in den Raum.
Lord Ven, Kerims Bruder, näherte sich ihr als Erster, verneigte sich tief und küsste ihre Finger. »Ah, Lady, neben Euch verblassen die Sterne.«
Shamera wechselte zu einer verwirrten Miene und schüttelte den Kopf. »Das hatte ich nicht beabsichtigt. Ich mag die Sterne.«
Er verharrte kurz, bevor er sich aufrichtete. »Ich meinte damit nur, dass Eure Schönheit selbst die Sterne überstrahlt.«
»Oh«, machte sie, dann lächelte sie begreifend. »Euch gefällt mein Kleid. Ist es nicht wunderschön? Und es hat nur zehn Goldstücke gekostet. Kerim hatte nichts dagegen. Er mag meine Kleider.«
Lord Ven wirkte ein wenig verstört. Sham vermutete, dass es an der öffentlichen Erwähnung der Kosten des Kleides lag.
»Habt Ihr etwas gegessen, das Euch nicht bekommen hat?«, erkundigte sich Sham, die rundum Spaß hatte. »Ich habe festgestellt, dass ich mich durch Wintergrünöl besser fühle, wenn ich etwas gegessen habe, von dem mir schlecht wird.«
Vor weiterem Geschwätz wurde Lord Ven durch die Ankunft eines jungen Mannes bewahrt, dessen blonde Haare ihn als Südwäldler auswiesen. Sham schätzte ihn auf ein gutes Jahrzehnt jünger als sie.
»Ach, schöne Frau, erweist mir die Ehre, ein Stück mit mir zu spazieren. Lord Halvok hat mich ersucht, Euch zu unterhalten, da er gezwungen ist, Euch heute der Gesellschaft des Vogts zu berauben.«
Sham bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln. »Selbstverständlich. Sind wir uns gestern begegnet?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin Siven, Lord Halvoks Pflegekind, Lord Chanfords jüngster Sohn.«
Sham ließ sich von dem Jungen wegführen und bemerkte, dass Lord Ven den Raum unauffällig hinter ihr verließ. Sie hängte sich bei Siven ein und plauderte mit ihm über belanglose Dinge.
Er verließ sie, als sie sich mit Lady Sky über Mode unterhielt, doch als sich die schwangere Dame entschuldigte, um sich in ihre Gemächer zurückzuziehen, heftete sich ein zweites Pflegekind an Sham. Anscheinend hatten Lord Halvok und sein Umfeld beschlossen, sie aus Schwierigkeiten herauszuhalten, wenn der Vogt sie nicht im Auge hatte. Es konnte nur Gutes daraus entstehen, eine Frau aus Südwald als Mätresse des Vogts zu haben.
Als Sham vor dem Abendessen in ihr Zimmer zurückkehrte, erwartete sie dort eine Botschaft. Sie war mit Wachs versiegelt, um zu verhindern, dass Bedienstete, die zufällig lesen konnten, einen Blick daraufwarfen. Zufrieden lächelte sie, als sie die Auskünfte überflog, die ihr die Flüsterer über die Adeligen des Hofes hatten zukommen lassen. In dieser Nacht würde sie drei oder vier ihrer Heime besuchen, um zu sehen, was es dort zu entdecken gab.