9

Allein in dem abscheulich miefenden Raum, untersuchte Sham den Leichnam von Lord Ven. Eine schmutzige Aufgabe, die ihr keineswegs behagte, aber sie musste erledigt werden. Shamera hatte Kerim eingeredet, sie arbeite allein am besten, doch in Wirklichkeit fürchtete sie eher, dass sein Kummer sie abgelenkt hätte. Er versuchte zwar, ihn zu verbergen, aber in der kurzen Zeit, die sie ihn kannte, hatte sie gelernt, tiefer in ihn zu blicken und mehr wahrzunehmen als das, was er öffentlich sehen ließ. Sie rieb sich die Augen und verdrängte derlei Gedanken.

Zuerst das Blut, beschloss sie, nachdem sie sich einen Überblick über die bevorstehende Aufgabe verschafft hatte.

Sie konnte zwar das alte Blut beseitigen, aber kein neues erschaffen, ohne ihre Magie hoffnungslos zu erschöpfen, lange bevor sie fertig wäre. Materie zu erschaffen war ein ausgesprochen kraftraubender Vorgang, und wahre Alchemie, bei der ein Material in ein anderes verwandelt wurde, erschöpfte beinahe genauso sehr. Sham hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, die Küchen aufzusuchen und das Blut eines geschlachteten Schweines oder anderen Tieres zu holen, doch die Gefahr, dass es jemand bemerkte, schien ihr einfach zu groß zu sein.

Sie kniete sich an den Rand der dunklen Lache und achtete nicht auf das leicht mulmige Gefühl in ihrem Bauch, das sich infolge des grauenhaften Geruchs eingestellt hatte. Shamera zog den Dolch aus ihrer Armscheide, die sie zusammen mit dem Rest ihrer Diebeskluft angelegt hatte, und zog einen flachen Schnitt über ihren Daumen. Drei Tropfen frischen Blutes gesellten sich zu dem alten.

Empathische Magie gehörte zu den Zaubern, die sich am einfachsten wirken ließen: Gleich und Gleich gesellte sich gern. Die Verwendung von Blut jedoch kam schwarzer Magie sehr nahe. Viele Magier würden es sogar so bezeichnen, auch wenn sie ihr eigenes Blut benutzte. Sogar Sham selbst fühlte sich ein wenig unrein dabei – allerdings ließ sie sich dadurch nicht davon abhalten.

Sie bückte sich nah zum Boden, blies zart über das frische Blut und murmelte anschließend einen Zauberspruch. Lord Vens Blut begann daraufhin, sich langsam zu dem Muster zu verändern, das ihr Blut vorgab. Lästiger Schweiß trat Sham auf die Stirn, als sie damit kämpfte, die Magie zu wirken und gleichzeitig die Ergebnisse im Auge zu behalten. Das Blut durfte auch nicht zu frisch erscheinen, das war wichtig.

Sie beendete den Zauber, solange die Ränder der größten Lache noch trocken waren. Danach kühlte sie das Blut auf Raumtemperatur ab und nahm in Augenschein, was sie erzielt hatte. Der Geruch von frischem Blut ergänzte die unangenehme, bereits vorherrschende Mischung. Ein wenig unstet richtete sich Sham auf und schritt um die nunmehr wieder feuchte Lache herum, bis sie Lord Vens Leichnam betrachten konnte.

Sie ging nicht das Wagnis ein, in die Schweinerei zu steigen; durch das, was sie mit dem Blut gemacht hatte, waren sämtliche Spuren verwischt worden, die Kerim und sie selbst sowie später Talbot und Dickon darin hinterlassen hatten. Zwar würde die Lache weiter verwischt werden, aber die Mätresse des Vogts hatte nichts in einem Raum mit einer Leiche verloren, und sie wollte nicht, dass unerwünschte Fragen über die Fußabdrücke einer Frau gestellt wurden.

Was sie mit Lord Vens Körper tun musste, ließ sich auch mit etwas Abstand erledigen, und sie verspürte ohnehin nicht den Wunsch, die Leiche anzufassen. Die Aufgabe gestaltete sich einfacher als die Beeinflussung des Blutes, da sie die Steife der Gliedmaßen nur nachzuahmen brauchte, statt sie zu vervielfachen.

Als sie ihren Zauber beendete, trat sie vom Tatort zurück. Sie wischte sich an der sauberen Bluse die Hände ab, als wären sie besudelt – obwohl sie nichts mit ihnen berührt hatte –, drehte um, bahnte sich den Weg zur Täfelung, wo die Öffnung zu den Geheimgängen sich befand, und verließ den Raum.


Die drei Männer schauten auf, als sie die Gemächer des Vogts betrat.

»Es ist erledigt«, verkündete sie. Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren so rau und wund, wie sie sich fühlte. »Aber wenn er zu lange aufgebahrt wird, könnte jemand bemerken, dass ich eingegriffen habe: Lord Vens Leichenstarre wird sich nämlich eine Woche oder sogar länger nicht lösen.«

Kerim nickte. »Ich kümmere mich darum.«

Talbot rief mehrere Männer herein, die den Weg zum Altis-Tempel antreten sollten, auf dass sich die Priester Lord Vens annahmen. Bis zu ihrem Eintreffen bewachte Talbot die Tür zu Vens Todesstätte, während Dickon den Geheimzugang in der Täfelung übernahm.

Sham zog sich in ihre Kammer zurück, um sich umzuziehen, und achtete darauf, die Truhe zu versiegeln, nachdem sie ihre Diebeskluft darin verstaut hatte. Nach einer umfassenden Durchsuchung des Schranks fand sie ein Kleid, das sie ohne fremde Hilfe anlegen konnte.

In ihrer Tarnung als Mätresse des Vogts kehrte sie zu Kerim in dessen Zimmer zurück, wo sie auf die Ankunft der Priester warteten, ohne sich zu unterhalten. Sham wusste nicht, was der Grund für Kerims Schweigen war, doch sie blieb stumm, weil sie sich für alles andere zu müde fühlte. Es würde ein langer Tag werden, bevor die Erschöpfung ihrer Magie sie verließ.

Dickon betrat den Raum und nickte Kerim zu.

»Sag den Priestern, sie sollen einen Augenblick hereinkommen, bevor sie ihre Pflichten in Angriff nehmen.« Kerims Bariton hatte sich zu einem rauen Bass gesenkt, entweder vor Erschöpfung oder vor Gram.

Dickon nickte und kehrte mit fünf Männern in den braunen Roben der niedrigeren Diener Altis’ zurück. Vier der Roben waren mit blauen Schnürbändern gegürtet, der fünfte Priester besaß ein gelbes Band.

Kerim wandte sich an den Mann mit Gelb. »Mögt Ihr gesegnet sein, Brüder.«

»Und Ihr, Lord Kerim«, erwiderte der gelb Gegürtete.

»Der Tote ist mein Bruder.«

»Das wurde uns von Meister Talbot mitgeteilt.«

Kerim nickte ungeduldig. »Die meinem Bruder als Gemahlin versprochene Dame ist in anderen Umständen und musste vergangenes Jahr bereits den Tod ihres ersten Ehemannes ertragen. Ich möchte ihr weiteren Kummer ersparen, und Vens Überreste sind ohnehin in keinem Zustand, um sie zur Schau zu stellen. Ich befehle hiermit, dass sein Körper umgehend mit Leichentüchern zu verhüllen ist, und bei Sonnenuntergang hat auf dem Hof der Feste ein Scheiterhaufen für seine Verbrennung bereitzustehen.«

»So soll es geschehen, Lord Kerim«, willigte der Priester mit ernster Miene ein.

Kerim beobachtete, wie sie den Raum verließen. Sham wandte den Blick von dem Ausdruck in seinem Gesicht ab. Als sie wieder zu ihm schaute, schickte er Dickon gerade los, um einige Hofpagen zu holen, die Botschaften überbringen sollten.

Er selbst machte sich daran, an seinem Schreibtisch kurze Nachrichten zu verfassen. Als Dickon mit einer Schar junger Knaben zurückkehrte, die aussahen, als wären sie aus dem Schlaf gerissen worden, ehe sie eiligst in ihre Kleider schlüpfen mussten, entsandte sie der Vogt zu Lord Vens engsten Freunden, zu Lady Sky und seiner Mutter.

Als der letzte Bote aufgebrochen war, sah Dickon seinen Herrn stirnrunzelnd an. »Solltet Ihr Lady Tirra die Neuigkeit nicht lieber persönlich mitteilen?«

Kerim zuckte mit den Schultern. »Lord Ven ist mein Bruder, aber er ist auch die neueste einer langen Reihe von Leichen, die unter den Höflingen auftauchen. Es mag Sham gelungen sein, den Zeitpunkt seines Todes zu verschleiern, doch allein der Umstand, dass er tot ist, wird die Unruhe in der Stadt verstärken. Ich muss mich umgehend mit dem Beirat treffen, um so viele nachteilige Auswirkungen wie möglich rechtzeitig zu verhindern.«

Sham, die das Geschehen unbeachtet von einem Sitz in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes aus beobachtet hatte, vermutete, dass der Vogt das Treffen als Ausrede benutzte, um Lady Tirra nicht die Neuigkeit vom Tod seines Bruders überbringen zu müssen. Nicht dass sie ihm daraus einen Vorwurf machen konnte; sie würde auch nicht diejenige sein wollen, die der Adeligen mitteilen musste, dass ihr Lieblingssohn tot war.

»Dickon, du musst Boten mit der Nachricht, dass der Beirat in den Versammlungssaal berufen worden ist, zu den Ratsmitgliedern schicken, die außerhalb der Mauern der Feste leben. Wenn das erledigt ist, gehst du zu den Gemächern jener, die hier wohnen, und teilst ihnen dasselbe mit.«

»Ja, Herr.« Dickon verschwand leise wieder hinaus.

»Willst du, dass ich gehe?«, fragte Sham.

Müde zuckte Kerim mit den Schultern. »Es spielt keine Rolle. Wenn du bleibst, stärkt das deinen Rang. Sei gewarnt, dass du ein Ziel für Bestechung oder Drohungen werden könntest, wenn der Hof glaubt, du stehst mir nah genug, um meine Entscheidungen zu beeinflussen.«

Sham lächelte. »Wenn du denkst, dass ich bisher noch nicht bestochen worden bin, dann bist du schwer im Irrtum. Lord Halvoks Jungvolk ist zwar geschickt darin, die Versuche von Höflingen zu vereiteln, die mich in die Ecke drängen wollen, aber deine Adeligen haben ziemlich listige Umwege gefunden. Es tauchen regelmäßig Geschenke und Botschaften in meiner Wäsche, unter meinem Kissen und auf den Tabletts mit Essen auf. So bin ich schon zu einigen sehr feinen Schmuckstücken gekommen. In der Regel werden sie von äußerst geschickt formulierten Mitteilungen begleitet. Am besten hat mir eine gefallen, in der unterschwellig angedeutet wurde, dass bestimmte dankbare Parteien mich großzügig beschenken würden, wenn ich nur ein unschuldig aussehendes Pulver in eines deiner Getränke schmuggeln könnte.«

»Gift?«, fragte Kerim, der jedoch keineswegs erschrocken wirkte.

Sham grinste. »Nein. Irgendjemand hat Zugang zu einem echten Magier, es war nämlich ein Liebestrank.«

»Ein was?«

Sham lachte über seine Empörung – eine Empörung, die er nicht gezeigt hatte, als er noch annahm, es wäre Gift gewesen. »Keine Sorge. Liebestränke wirken nur vorübergehend, und es ist recht einfach, ihnen zu widerstehen. Doch das muss diejenige, die ihn geschickt hat, nicht unbedingt wissen. Um auf der sicheren Seite zu sein, wartest du einfach ein paar Tage, wenn du plötzlich Lust auf jemanden verspürst, bevor du an die entsprechende Dame herantrittst. Wenn das Gefühl dann noch anhält, ist es keine Magie.«

Kerim zog die Augenbrauen hoch. »Was hast du mit dem Pulver gemacht?«

Sham sah ihn unschuldig an und lächelte.

»Shamera!«

»Beruhige dich«, sagte sie. »Ich hab es ins Feuer geworfen, obwohl ich in Versuchung war, den größten, hässlichsten Kerl deiner Leibgarde zu suchen und es ihm zu geben. Ich dachte, es könnte nützlich sein, in Erfahrung zu bringen, in wen du dich verlieben solltest. Aber Talbot war überzeugt davon, du würdest nichts davon halten.«

Kerim hob eine Hand ans Gesicht und neigte den Kopf. Seine Schultern zitterten vor müdem Gelächter. »Du hättest das wirklich getan, oder? Ich kann es geradezu vor mir sehen. Karson, der mit seinen zweihundert Pfund hinter der Tochter irgendeines Adeligen herjagt.«

»Ist Karson derjenige mit den fehlenden Vorderzähnen?«

»Das ist er.«

»Nee«, entgegnete Sham, »den hätte ich nicht genommen – er ist verheiratet. Ich habe mit Talbot über die ersten paar Kostbarkeiten geredet, die ich in meinem Wasserglas gefunden hatte.« Sie zeigte ihm die Diamant-Solitäre in ihren Ohren. »Talbot hat mir vorgeschlagen, sie einfach zu behalten, und gemeint, letzten Endes würde man es aufgeben. Er sagte, das habe Dickon auch getan, und Dickon bekommt schon lange keine Geschenke mehr aus unbekannten Quellen.«

Kerim zog eine Augenbraue hoch und fragte: »Hast du auch Drohungen erhalten?«

Sie schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich vermute, zu gegebener Zeit kommt das noch.« Als er besorgt dreinschaute, lachte sie. »Mein lieber Vogt, ich habe mein halbes Leben in Fegfeuer verbracht. Ich kann dir versichern, dass es dort wesentlich gefährlicher als am Hof ist.« Nach kurzer Überlegung fügte sie hinzu: »Selbst wenn derzeit ein Dämon hier jagt.«


Als Dickon zurückkehrte, begann er, Kerims Schrank nach Kleidung zu durchsuchen. Als er sie dem Vogt brachte, hielt Sham ihn auf und untersuchte jedes Stück eingehend. Als sie damit fertig war, schleuderte sie die Tunika ins Feuer.

»Aber Herr!«, klagte Dickon zu Kerim gewandt.

Kerim schüttelte den Kopf. »Such eine andere Tunika.«

Dickon runzelte zwar die Stirn, brachte aber eine zweite Tunika und präsentierte sie Shamera mit einer Verneigung. Als sie ihm das Kleidungsstück zurückgab, deutete er stumm zum verhangenen Durchgang. Mit einem unterschwelligen Lächeln ging Sham, während sich Dickon darum kümmerte, den Vogt anzukleiden.


Da der Rollstuhl im Kamin stand, trugen Talbot und Dickon Lord Kerim in den Versammlungssaal neben seinen Gemächern. Das war zwar alles andere als würdevoll, aber außer Sham bekam es niemand mit. Als die Ratsmitglieder nach und nach eintrafen, saß Kerim auf einem der Tür zugewandten Stuhl mit hoher Rückenlehne. Sham stand hinter ihm.

Abgesehen von Halvok, dem einzigen Ratsmitglied aus Südwald, schenkte der Beirat Shams Gegenwart keinerlei Beachtung. Was auch daran liegen mochte, dass ihr schlichtes Baumwollkleid bestenfalls aufgrund seiner Gewöhnlichkeit bemerkenswert war. Wahrscheinlicher jedoch überschattete der Tod des Bruders des Vogts die Bedeutung seiner unkonventionellen Mätresse. Lord Halvok aber lächelte, als er sie erblickte.

Kerim wartete, bis alle Ratsmitglieder Platz genommen hatten, bevor er das Wort ergriff. So müde und trauernd er sein mochte, verkörperte er doch eindrücklich den Leoparden.

»Meine Herren«, begann er, »wir haben ein Problem. Wie Euch bereits mitgeteilt worden ist, wurde heute Abend der Leichnam meines Bruders entdeckt. Er wurde auf sehr ähnliche Weise wie Lord Abet und die anderen Adeligen in den vergangenen Monaten getötet. Da sein Körper in keinem Zustand ist, um ihn öffentlich zu zeigen, habe ich angeordnet, ihn in Leichentücher hüllen zu lassen. Für Sonnenuntergang wird der Scheiterhaufen vorbereitet. Ich brauche Eure Vorschläge, meine Herren, wie sich die Angst am besten eindämmen lässt, die ein weiterer solcher Todesfall verursachen wird. Um zu gewährleisten, dass Ihr alle umfassend über die Gesamtheit der Angelegenheit Bescheid wisst, wird Euch Meister Talbot erklären, was wir bislang wissen.«

Sham gefiel die tadellose Ansprache, die geschickt von der unschicklichen Eile bei der Behandlung des Toten ablenkte.

Der Vogt nickte Talbot zu. Der ehemalige Seemann stand auf und lieferte eine kurze Zusammenfassung über die vorangegangenen vergleichbaren Mordfälle, ferner einen teils erfundenen Bericht darüber, was bisher getan worden war, um den Mörder zu fassen. Als letztlich eine sorgsam formulierte Trauerrede und die öffentliche Erklärung geschmiedet wurden, die der Hohepriester vor dem versammelten Hof verlesen sollte, wurden die Dachfenster bereits heller.

Nachdem die anderen gegangen waren, trugen Talbot und Dickon den Vogt in Dickons Zimmer, damit er dort ein paar Stunden schlafen konnte. Sham wollte ihn nicht in seine eigenen Gemächer lassen, bevor sie Gelegenheit gehabt hätte, die Räumlichkeiten gründlicher zu untersuchen.

Sie selbst kehrte ebenfalls ins Bett zurück und träumte zunächst unruhig von Toten und Blut, bevor sie in einen tieferen Schlummer sank, der bis kurz vor dem Abendessen währte. Ihr Schlafrhythmus war noch nie besonders regelmäßig gewesen, deshalb erwachte sie rundum erfrischt, als Jenli an die Tür klopfte. Hastig verdeckte sie die neuen blauen Flecken und alte Wunden mit einem Trugbann, bevor sie die Aufforderung zum Eintreten rief.

»Tut mir leid, Euch zu stören, Herrin«, sagte die Zofe, »aber der Vogt hat mich geschickt, um dafür zu sorgen, dass Ihr bereit seid für das Staatsbankett, das vor Lord Vens Einäscherung stattfindet.«

Sham bedachte die Frau mit einem scharfen Blick. Der Umgang mit Jenlis Onkel hatte sie einen gesunden Respekt für die Gerissenheit gelehrt, die sich hinter einer nichtssagenden, unscheinbaren Fassade verbergen konnte. Jenlis große, braune, kuhähnliche Augen erwiderten ihr Starren blinzelnd, und Sham wandte sich kopfschüttelnd ihrer Garderobe zu.

Sie kramte im Schrank herum und achtete nicht auf Jenlis Stöhnen, als sie Kleider nach links und rechts verschob, bis ein weiteres schwarzes Stück auftauchte, auf das ihre Wahl fiel. Ursprünglich hatte sie es zwar nicht für Trauerzwecke gedacht, aber es würde sich auch dafür bestens eignen.

Als Jenli an den unzähligen winzigen Knöpfen zu arbeiten begann, welche die beiden schmalen Ärmel verschlossen, legte sie verwirrt die Stirn in Falten. »Herrin …«, sagte sie zögerlich.

»Ja?« Sham bewunderte sich vor dem Spiegel.

»Das ist ein Kleid, das selbst meine Großmutter für allzu züchtig halten würde, Herrin.«

Sham lächelte verschlagen und erwiderte: »Ich denke, es wird einen feinen Gegensatz zu den gewagteren Kleidern bilden, die unlängst in Mode gekommen sind. Findest du das nicht auch?«


Sham mochte eine ausreichende Menge Schlaf abbekommen haben, aber es bedurfte nur eines einzigen Blickes ins Gesicht des Vogts, als er sie im Saal des Staatsbanketts begrüßte, um zu wissen, dass ihm das weit weniger gelungen war.

Er führte ihre Hand an den Mund und hieß sie mit allem Ernst willkommen, den der Anlass gebot. Jemand hatte einen neuen Rollstuhl fertiggestellt, wenngleich nicht genug Zeit geblieben war, ihn zu färben oder die Räder mit Leder zu bedecken, damit sie mehr Haftung erzielten – stattdessen war das Metall nur grob eingekerbt worden.

»Du kommst gerade zur richtigen Zeit«, meinte Kerim, als sie auf dem gepolsterten Stuhl neben ihm Platz nahm. »Du hast verpasst, wie sich die Geier um die Knochen versammelt haben.«

Sham nickte anmutig. »Ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt hat sich bei meiner Arbeit schon oft als äußerst nützliche Gabe erwiesen.«

Sein Mund verzog sich nicht ganz zu einem Lächeln. »Kann ich mir gut vorstellen.«

Die Zeit für persönliche Gespräche endete, als Lady Tirra ihren Platz an Kerims anderer Seite einnahm. Ihre Haut war zu dunkel, um wirklich blass zu wirken, und ihre Züge waren gefasst – doch sie sah um zehn Jahre gealtert aus. Sham saß still auf ihrem Sitz und verspürte keinerlei Wunsch, die trauernde Matriarchin in irgendeiner Weise zu ärgern oder zu reizen. Überall im Saal vermengten sich Getuschel und Gemunkel zu einem geradezu ohrenbetäubenden Lärm, nur an der hohen Tafel herrschte Totenstille.

Schließlich stellte sich der Hohepriester vor Kerims Tisch und wandte sich dem Rest des Raumes zu. Als das Getöse zu einem verhaltenen Gemurmel abschwoll, ergriff er das Wort.

»Durchlauchten! Wir haben uns hier versammelt, um das Verscheiden eines strahlenden Sterns zu betrauern. Durch ihn haben wir ein Licht weniger, das uns leitet, und sein Tod ist ein herber Verlust für uns alle. Heute Abend werden wir den letzten matten Schimmer seines Glanzes bezeugen, wenn seine sterbliche Hülle zu Asche wird. Lasset uns gedenken der Helligkeit, die er in unsere finstere Welt gebracht hat. Lasset uns beweinen die Vorzeitigkeit, mit der er von uns genommen wurde.«

Kerim versteifte neben Shamera den Körper und murmelte leise etwas Garstiges, Sham fasste sich nachdenklich leicht an die rot bemalten Lippen. Das war nicht die Rede, die Kerim und seine Berater vorbereitet hatten.

»Dies sind dunkle und sorgenvolle Zeiten«, fuhr der Hohepriester fort, seine Rhetorenstimme wirkte auf die Versammelten ein. »Lord Ven ist nicht der erste unserer Brüder, dessen Leben so grausam ausgelöscht wurde. Dennoch verbleiben sie alle ungerächt, und der Mörder wandelt immer noch unter uns.«

Mit einer Stimme, die nur Shameras Ohr erreichte, flüsterte Kerim: »Wenn er so weitermacht, kommt es zu einem Aufstand, und mein Bruder wird nicht als Einziger auf dem Scheiterhaufen enden.«

Es war sein grimmiger Tonfall, der Sham den Blick durch den Saal wandern und die Gefühlsregungen erkennen ließ, die sich rasch ausbreiteten und aufbauschten: Flammen des Grauens und der Entrüstung, geschürt von der Ansprache des Hohepriesters.

Sham tat das Erstbeste, das ihr einfiel. Es gab einige kleine Zauber, die zwar nie offiziell gelehrt wurden, die aber jeder junge Lehrling von einem älteren beigebracht bekam. Einfache Kniffe, beispielsweise, wie man Milch sauer werden ließ. Sie erforderten zum Glück nicht viel Magie, denn sie fühlte sich noch müde von ihren früheren Kämpfen.

»… jemand oder etwas tötet …« Plötzlich begannen die Augen des Hohepriesters zu tränen, und die tadellos geschulte Stimme stockte, als Shams kleiner Zauber Wirkung zeigte.

Er räusperte sich und setzte neuerlich an. »Tötet …«

Sie fügte dem Zauber mehr Kraft hinzu.

Der Hohepriester fing zu husten an. Ein Mann in brauner Robe rannte mit einem Kelch voll Wasser auf ihn zu. Es schien zu helfen, bis der Hohepriester erneut zu sprechen versuchte.

Kerim runzelte die Stirn und schaute Sham an. Was immer er in ihren Zügen sah; er entspannte sich ein wenig, faltete lose die Hände und legte sie auf den Tisch.

Als augenscheinlich wurde, dass der Hohepriester nicht in der Lage sein würde, seine Rede zu beenden, nahm sein zierlicher Stellvertreter Fykall den Platz ein und neigte das Haupt wie in tiefer Trauer.

»Durchlauchten!«, begann er, »Wir teilen unseren gemeinsamen Kummer, und doch müssen wir ihn, der wie so viele andere vor uns gegangen ist, auch feiern. Das Beste daran, sterblich zu sein, ist, dass wir die Gewänder dieses Lebens für das nächste abstreifen können.« Auch er wich vom vorgegebenen Wortlaut ab, aber sogar Sham, so unerfahren sie mit Volksverhetzung sein mochte, sah ein, dass die Menschenmenge zuerst in den Griff gebracht werden musste.

Der kleine Priester hob den Kopf und ließ den Blick prüfend über die Versammelten wandern. Shamera konnte beinahe hören, wie der Hohepriester mit den Zähnen knirschte, als Fykall fortfuhr. »Heute Abend müssen wir unsere Ängste verdrängen, denn nur so können wir das Verscheiden von Lord Ven so betrauern und zugleich feiern, wie es sich geziemt. Eine Stütze dabei ist uns das Vertrauen, das wir alle in die Weisheit eines Mannes setzen, der Altis in der Vergangenheit so treu und gut gedient hat. Wie der Prophet dereinst sprach: Was sollen wir uns fürchten, wenn der Leopard auf dem Felde ist? Altis ruft, und Lord Kerim antwortet mit Gebrüll, um den Sieg aus dem klaffenden Schlund der Niederlage zu reißen. Mögen die mordlüsternen Schakale heulen, so viel sie wollen, wenn die Schlacht vorüber ist, wird allein Altis’ Leopard auf dem Schlachtfeld seiner Feinde noch stehen!«

Im Augenblick murmelte Altis’ Leopard insgeheim etwas über Feuergruben und Kochtöpfe, wie Sham mit gut verborgener Belustigung bemerkte. Als die Worte des Priesters mit tosender Zustimmung aufgenommen wurden, verstummte er jedoch. Nachdem sich die Menge beruhigt hatte, trat der Priester einen Schritt zurück und zur Seite, womit er unzweifelhaft die Bühne für Kerim räumte.

Der Vogt schob seinen Stuhl ein wenig zurück und benutzte den Tisch, um sich auf die Beine zu stemmen; daraufhin erhob sich ein zweites Mal Jubel.

»Mein Bruder ist mir genommen worden«, verkündete er, als der Lärm verstummt war, mit genauso weithin vernehmbarer Stimme wie zuvor die beiden Priester. Er sprach langsam, damit ihn jeder Anwesende im Saal verstehen konnte. »Ich werde den Täter finden und dazu zwingen, Gerechtigkeit über sich ergehen zu lassen, und wenn ich ihn dafür höchstpersönlich vor Altis’ Thron schleifen muss.« Er hätte kein weiteres Wort hinzufügen können, selbst wenn er gewollt hätte – zu überwältigend fiel die Reaktion der Versammelten aus.

Die Segnung des Essens durch die Priester hingegen blieb im Vergleich dazu entschieden unspektakulär.


Sham wartete, bis ein Großteil der Anwesenden die Aufmerksamkeit vom Vogt auf ihre Teller geschwenkt hatte, bevor sie leise anmerkte: »Fykall hat gute Arbeit dabei geleistet, die Wogen zu glätten.«

Kerim knurrte kurz, aber als er sprach, ertönte seine Stimme genauso leise. »Ich habe hart daran gearbeitet, mich von Altis’ Priestern loszueisen, seit ich Vogt geworden bin; einige der Menschen hier haben sich Altis verschrieben, aber keiner der Adeligen Südwalds. Wenn sie glauben, ich sei eine Marionette der Priester geworden, werden sie zurück zu ihren Ländereien eilen und dort bleiben, bis sie verrotten. Fykall hat mit einer einzigen Ansprache die Arbeit eines Jahrzehnts zunichtegemacht. Ich kann von Glück reden, wenn ein Drittel der Adeligen Südwalds, die ich mit gutem Zureden an den Hof holen konnte, morgen noch hier ist.«

»Da wäre ich mir nicht so sicher«, erwiderte Sham und dachte dabei daran, wie sehr sich Lord Halvok über die Erkenntnis gefreut hatte, dass die Mätresse des Vogts aus Südwald stammte. »Ich vermute eher, dass die Notwendigkeit, daran zu glauben, dass du ihnen helfen kannst, ihr Misstrauen überwiegen wird. Du bringst ihnen Hoffnung – es ist mehr als eine einzelne Rede notwendig, um das zu zerstören.«

Er wirkte nicht überzeugt.

»Wie dem auch sein mag«, fügte sie hinzu und aß einen Bissen Fisch, »dieses Boot hat den Hafen verlassen, und die Gezeiten werden weisen, wohin es fährt.«


Bei Einbruch der Dunkelheit wurde Lord Vens Leichnam auf den Scheiterhaufen gehoben und seine Seele in einer aufwendigen, vom Hohepriester geleiteten Zeremonie Altis übergeben. Kerim hielt eine Fackel an den Sockel des Scheiterhaufens, und das in Öl getränkte Holz begann bereitwillig zu brennen.

Lange bevor die Flammen erloschen, zog sich der Großteil des Hofstaates zurück. Nur Lord Vens Familie blieb, um ihn weiter zu betrauern. Lady Sky hätte ebenfalls anwesend sein sollen, doch sie hatte die Neuigkeit vom Tod ihres Verlobten schlecht aufgenommen. Der Heiler der Feste hatte sie ins Bett verbannt, weil er fürchtete, sie könne andernfalls ihr Kind verlieren. Sham wartete, bis alle gegangen waren, bevor auch sie den Vogt und seine Mutter stumm in die orangefarbenen Flammen starrend sich selbst überließ.


Früh am nächsten Morgen öffnete Shamera ihre Truhe und holte ihren Dolch daraus hervor. Es dauerte nur wenige Augenblicke, die juckenden Fäden aus ihren Wunden zu entfernen und die Reste ins Feuer zu werfen.

Danach schlüpfte sie erneut in ihre zweitbeste Arbeitskluft. Die weite Hose und das schwarze Baumwollhemd – am Ärmel, wo sie mit dem Arm an einem Fensterflügel aus Holz hängen geblieben war, grob geflickt – würden ihr bessere Dienste leisten als jedes ihrer Kleider, und sie würde nicht ständig den Trugbann zum Verdecken der Wunde an ihrem Arm aufrechterhalten müssen.

Sie ergriff eine Kerze und zündete sie mit einem Hauch Magie an, bevor sie den Wandteppich beiseitezog und in Kerims Gemächer spähte. Da kein Grund dafür bestanden hatte, das Feuer oder Kerzen entzündet zu lassen, und weil die Sonne auf der falschen Seite des Himmels stand, sodass sie Kerims Fenster nicht erhellen konnte, präsentierten sich die Räumlichkeiten in tiefen Schatten verborgen. Shams Gefühl verriet ihr, dass sich niemand darin aufhielt.

Mit einer Geste entfachte sie jede Kerze in der Kammer sowie das Holz im Kamin. Dann stellte sie ihren Kerzenhalter auf ein praktisches Tischchen und betrachtete den Kleiderschrank. Er schien sich durchaus dafür zu eignen, mit der Suche nach weiteren Runen des Dämons zu beginnen.


Als Dickon und der Vogt den Raum einige Zeit später betraten, züngelte das Feuer munter vor sich hin und verschlang einen Großteil der Kleidung des Vogts. Sham schleifte gerade einen der großen Webteppiche über den Boden – in der unverkennbaren Absicht, ihn der brennenden Kleidung hinterherzuschicken.

Dickon räusperte sich und sprach den Vogt mit schnellen Worten an: »Herr, das ist ein dreihundert Jahre alter Teppich, ein Brautgeschenk des Königs von Reth an seine Schwester zu ihrer Vermählung mit dem König von Südwald.«

Sham richtete sich auf und bedachte beide Männer mit einem gereizten Blick, als sie sich Schweiß aus dem Nacken wischte. »Und er enthält eine der Runen des Dämons – ich habe nicht genug Kraft, um alle zu entfernen. Wenn der Vogt den Rest seiner verkürzten Lebensspanne in diesem Rollstuhl verbringen möchte, lasse ich das Ding auch gerne hier.«

»Herr …« Dickons Stimme glich beinahe einem Stöhnen. »… Dämonenrunen … Dieser Teppich ist unersetzlich. Es gibt viele Möglichkeiten, es so zu richten, dass ein Mensch wie ein anderer aussieht. Eine solche Kostbarkeit aus bloßem Aberglauben zu zerstören …«

»Wir können den Teppich auch irgendwo in einem Lagerraum verstauen, wenn euch das lieber ist«, bot Sham an. »Wenn wir den Dämon loswerden, besteht keine Notwendigkeit mehr, ihn zu vernichten, und bis dahin kann er eingemottet keinen Schaden anrichten. Aber das da muss ins Feuer.« Sie nickte in Richtung einer großen, an der Wand stehenden Zierbank. »Darauf sind gleich mehrere Runen, und zwei davon habe ich noch nie gesehen.« Sie erinnerten Shamera ein wenig an die merkwürdigen Schnörkel und Ergänzungen an der Bindungsrune, die sie von Kerim entfernt hatte. »Ich bin nicht sicher, wie ich damit verfahren soll – das Ding passt nicht in den Kamin. Du musst wirklich sehr wichtig für diesen Dämon sein, Kerim. Er hat eine unvorstellbare Menge Kraft darauf verwendet, zu gewährleisten, dass du verwundbar für ihn bist. Ich habe seine Runen an deinen Schuhen gefunden, an deiner Kleidung, deiner Rüstung …«

»Warte!«, fiel Kerim ihr ins Wort, als ihm erstmals das schwere Kettenhemd auffiel, das auf dem Boden einen knittrigen Haufen bildete. Ein meisterhafter Harnischmacher hatte fast ein Jahr gebraucht, um das Hemd fertigzustellen, und durch zehn Jahre voller Schlachten war es für ihn wie eine zweite Haut geworden.

Sham schüttelte den Kopf. »Das Metall ist in Ordnung, die Rune war an der Lederauskleidung. Aus irgendeinem Grund habe ich noch kein einziges Zeichen auf Metall entdecken können – vielleicht liegt das an der Natur der Magie des Dämons.«

Dickon schüttelte den Kopf und brummte leise vor sich hin.

»Nachdem ich mein Leben lang Umgang mit schwierigen Frauen hatte, habe ich mittlerweile gelernt, dass es oft besser ist, ihren Forderungen gleich nachzugeben«, sagte Kerim und näherte sich der Bank, die Sham zum Tode verurteilt hatte. »Dickon, sieh zu, ob du in der Unordnung irgendwo meine Axt findest, dann befolge ich meine Befehle und verwandle dieses wehrlose Kunstwerk in Feuerholz. Anschließend treibst du einige starke Männer auf, um die wertvolleren Stücke in den nächstbesten Lagerraum zu schaffen.«

Sobald Sham klar geworden war, wonach sie Ausschau halten musste, konnte sie kaum glauben, dass sie die Magie, die nahezu alles in dem Raum berührte, zuvor übersehen hatte. Das Feuer züngelte höher und höher, und im Zimmer sah es allmählich aus, als hätte ein angetrunkener Riese beschlossen, die Einrichtung neu zu arrangieren.

Irgendwann trat Talbot ein und mischte bei dem Treiben munter mit. Bei den besonders schweren Gegenständen erwies sich seine Hilfe als unschätzbar. Shamera vermutete, dass vor allem der Kleiderschrank seit mehreren hundert Jahren nicht mehr bewegt worden war – und angesichts der Mühe, die es sie alle kostete, das verfluchte Ding zu verschieben, würde ihn wohl auch die nächsten hundert Jahre niemand wieder verrücken.

Nachdem sich Kerim erst mit der Notwendigkeit der Zerstörung abgefunden hatte, wirkte er überraschend unbeschwert. Shamera fand, dass er die ihm zuvor anhaftende Anmutung stillschweigender Schicksalsergebenheit verloren hatte. Nicht einmal der Tod seines Halbbruders dämpfte die Lebhaftigkeit, mit der er jetzt über seinen Raum herfiel.

Er hackte nicht nur die Bank, sondern auch einen aus sechs Tafeln bestehenden Raumteiler in so kleine Stücke, dass sie in den Kamin passten – auch der Raumteiler hatte die seltsamen Runen getragen. Kerim bestand darauf, zu helfen, als Shamera die vollständige Zerlegung des riesigen Prunkbettes anordnete, des letzten noch unangetasteten Gegenstands im Zimmer. Dort stieß sie dann auch auf die zweite Bündelungsrune des Dämons.

Die Tür zum Gang öffnete sich leise.

Sham, deren schwarze Hose und schwarzes Hemd das Grau des Staubs angenommen hatten, der durch all den Tumult aufgewirbelt worden war, kauerte dort, wo sich die Mitte des Bettes befunden hatte, und murmelte heiser in einer längst ausgestorbenen Sprache vor sich hin. Kerim beobachtete sie aufmerksam, zu Bewegungsunfähigkeit verdammt, weil die verschiedenen Teile des Bettes wirr rings um seinen Stuhl verstreut lagen. Talbot lehnte mit halb gespielter Erschöpfung an einem der imposanten Bettpfosten, der seinerseits an der Wand lehnte. Dickon war losgezogen, um zu sehen, was sich machen ließ, um diejenigen Einrichtungsgegenstände und Teppiche zu ersetzen, die Sham in Lagerräume verbannt hatte. Erst als der Eindringling das Wort ergriff, schaute überhaupt jemand zur Tür.

»Es erscheint mir passend, dass du nach der Verunglimpfung der Bestattung deines Bruders durch politische Theatralik gleich den nächsten Tag damit verbringst, deine Gemächer umzugestalten.« Lady Tirras Tonfall hätte Stein zu schmelzen vermocht.

Wenngleich Sham den Klang von Lady Tirras Stimme wahrnahm, unterbrach sie ihre Beschwörung nicht. Das Zeichen, das sie auf dem Boden unter Kerims Bett entdeckt hatte, war älter als der Rest, und der Dämon hatte sich Zeit genommen, diesen Zauber zu verstärken. Da sich der Steinboden ebenso wenig verbrennen wie in einen Lagerraum schaffen ließ, musste Sham den Bann auflösen. Dies stellte ihren dritten Anlauf dar, und es sah so aus, als könnte es ihr endlich gelingen – wenn sie imstande war, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren.

Als Sham die Rune rückwärts nachfuhr – so hoffte sie zumindest, denn wie mehrere andere Zeichen, die der Dämon benutzte, unterschied sich auch diese Rune geringfügig von jenen, die sie kannte – und dabei auf Teile mehrerer verschiedener Zauber zurückgriff, spürte sie, wie das Symbol verblasste. Allerdings löste es sich nicht vollständig auf. Solange aber auch nur ein Teil davon verblieb, konnte die Magie erneut beschworen werden. Wieder versuchte sie es, veränderte das Muster ihrer Zaubersprüche und konnte fühlen, wie sie letztlich begannen, die Rune zu zersetzen.

Als sie schließlich von ihrer Aufgabe aufschaute, bemerkte sie als Erstes, das sich Talbot alle Mühe gab, unsichtbar zu erscheinen. Für einen Mann ohne die Fähigkeit, Magie zu Hilfe zu nehmen, gelang ihm das recht gut.

»… war ja auch kaum mehr von dir zu erwarten.«

»Mutter, es tut mir leid, dass Lady Sky ihr Kind verloren hat, aber ich wüsste nicht, wie meine Handlungen etwas daran hätten ändern sollen.« Kerim starrte seine Mutter über den Haufen aus Brettern und Lederriemen hinweg an, die einmal sein Bett gebildet hatten. Seine Stimme klang gefährlich leise.

Lady Tirra schenkte dem warnenden Tonfall keinerlei Beachtung und griff ihn weiter an. »Du hättest ihr die Nachricht schonender beibringen können – eine mitten in der Nacht zugestellte Botschaft kann man wohl kaum rücksichtsvoll nennen. Wenn du wenigstens Sorge für eine ordentliche Aufbahrung getragen hättest … Stattdessen hast du ihn mit weniger Würde verbrennen lassen, als man dem Sohn eines schäbigen Gossenräubers angedeihen ließe.«

»Ich hielt es zu dem Zeitpunkt für das Beste. Da ich nicht für den Mord an Ven verantwortlich bin – auch wenn du das Gegenteil zu empfinden scheinst –, war es mir nicht möglich, einen günstigeren Zeitpunkt für die Bekanntgabe seines Todes zu wählen. Und was die öffentliche Trauerfeier angeht – sein Leichnam war in keinem Zustand, von der Allgemeinheit gesehen zu werden, erst recht nicht von einer hochschwangeren Frau. Aber ich hätte wohl den Körper meines Bruders einen Monat lang verrotten lassen sollen, damit Lady Sky erst ungestört ihr Kind gebären kann.« Den letzten Satz sprach Kerim mit einem verbitterten Sarkasmus aus, der in Shams Ohren einen Gutteil des Schmerzes zum Ausdruck brachte, den er empfand.

»Er ist dir immer zuwider gewesen, nicht wahr?« warf ihm Lady Tirra im Tonfall einer Feststellung vor. »Warum solltest du ihm im Tod Ehre zugestehen, wenn du ihm schon im Leben nichts vergönnt hast? Wir sind vor fünf Jahren in der Hoffnung hergekommen, dass du für Ven Ländereien finden würdest, die eines Bruders des Vogts würdig sind, aber stattdessen hast du ihn hierbehalten, wo er nach deiner Pfeife tanzen sollte. Du wolltest ihn ja nicht einmal zum Erben deines Amtes ernennen. Und dann, kurz bevor er durch die Eheschließung mit Lady Sky zu Wohlstand hätte kommen können, wird er getötet. Ich finde es auch bemerkenswert, dass die anderen Adeligen, die von diesem … unbekannten Mörder getötet wurden, allesamt Gegner deiner Richtlinien und Politik waren.«

Kerim hatte seine Gefühle mittlerweile wieder in den Griff bekommen. Aus seiner Stimme sprach nur noch Traurigkeit, als er erwiderte: »Mutter, fast alle Adeligen aus dem Osten sind gegen meine Haltung gegenüber den Lords von Südwald. Es wäre schwierig, einen zu finden, auf den das nicht zutrifft.«

»Mit dem Reichtum aus Lady Skys Aussteuer wäre Ven ein Problem für dich geworden«, merkte Lady Tirra frostig an.

Sham musterte die verbitterte Frau und entdeckte in Lady Tirra unerwarteterweise dieselbe Stärke, die ihren Sohn kennzeichnete. Es mochte diese Ähnlichkeit gewesen sein, die Sham bewog, sich an dieser Stelle einzumischen; es mochte auch der Umstand gewesen sein, dass Kerims Hände die Armlehnen seines Stuhls mit vor Anspannung weißen Knöcheln umklammerten.

»Lady Tirra.« Sham beobachtete, wie die Frau zögerte, als spiele sie mit dem Gedanken, der Mätresse ihres Sohnes einfach keine Beachtung zu schenken.

Schließlich drehte sich Tirra ihr steif zu. »Wie ich sehe, setzt Ihr Eure Versuche unvermindert fort, Aufmerksamkeit durch die Absonderlichkeit Eurer Aufmachung zu erlangen.«

Sham betrachtete kurz die schwarze Hose und das schwarze Hemd, beides grau vor Staub, und sie lächelte. Als sie jedoch das Wort ergriff, ging sie nicht auf die unverhohlene Herausforderung der Adeligen ein. »Kerim hat gute Gründe dafür, so zu handeln, Lady Tirra. Er hat entschieden, sie vor dem Rest des Hofes geheim zu halten, aber ich denke, Ihr habt ein Anrecht auf die ganze Wahrheit.« Oder, fügte Sham in Gedanken hinzu, zumindest auf so viel davon, wie ich bereit bin, preiszugeben.

Ohne Kerim Gelegenheit zu lassen, sie aufzuhalten, fuhr sie fort. »Wie Ihr schon sagtet, hat es eine Reihe von Morden gegeben, und Euer Sohn war dabei lediglich das neueste Opfer. Mein Lord bedient sich meiner« – sie räusperte sich leicht – »ungewöhnlichen Fähigkeiten, um den Täter in die Falle zu locken. In den vergangenen Tagen sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass der Mörder nicht das ist, was er zu sein scheint. Die Entdeckung von Lord Vens Leichnam gestern Nacht hat diese Vermutungen lediglich bestätigt.«

Sham achtete darauf, Lady Tirras Blick zu begegnen. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund glaubten die Menschen immer, man sei ehrlich zu ihnen, wenn man ihnen in die Augen schaute. »Lady Tirra, Lord Ven wurde nicht gestern Nacht ermordet; er war bereits seit mehreren Tagen tot.«

Die Lady versteifte den Körper, und ihre Augen blitzten. Als sie sprach, zitterte ihre Stimme vor einer unterdrückten Gefühlsregung, der Shamera keine Bezeichnung zuordnen konnte. »Ihr irrt Euch. Ich habe noch gestern mit meinem Sohn gesprochen.«

»Das haben wir alle, Lady Tirra«, erwiderte Shamera keineswegs unfreundlich. »Aber wir alle in diesem Raum haben Lord Vens Leichnam gesehen, als er vergangene Nacht gefunden wurde. Er war seit mehreren Tagen tot.«

Lady Tirra ballte die Hände zu Fäusten, ihre Züge jedoch blieben kühl und abweisend. »Meister Talbot, hast du das auch gesehen?«

Talbot verneigte sich. »Ja, Lady Tirra. Es ist so, wie Lady Shamera sagt. Und ich bin hinlänglich mit dem Tod vertraut.«

»Und wie soll das erklärbar sein?«, verlangte Lady Tirra zu erfahren und wandte sich wieder an ihren Sohn. Die Stichflamme ihrer Wut war verpufft. Zurück blieb nur eine sehr müde Frau, die längst nicht mehr jung wirkte.

Kerim rieb mit den Händen über die glatt gehobelten Armlehnen seines Stuhls und erwiderte unumwunden: »Dämonen.«

Seine Mutter starrte ihn schweigend an.

»Lady Tirra«, meldete sich Sham wieder zu Wort. »Ich versichere Euch, dass es sie gibt; fragt einen beliebigen Südwäldler aus Eurem Bekanntenkreis – vielleicht den Magier, der einen Laden in der Straße der Bäcker führt und Eure Zofe mit dem Balsam beliefert, den sie Euch in die Haare reibt. Dämonen leben unter Menschen und machen Jagd auf sie. Wir haben Grund zu der Annahme, dass dieser Dämon unter den Höflingen weilt und so menschlich aussieht wie Ihr oder ich. Er hat mehr Menschen als nur Euren Sohn getötet, aber wir sind guter Dinge, dass uns Lord Vens Tod zumindest zu ihm führen könnte.«

Lady Tirra wurde noch eine Spur blasser. »Und was sind Eure besonderen Fähigkeiten, derer sich Lord Kerim bedient?«

»Magie«, antwortete Sham leise und löschte mit einer Geste alle Kerzen sowie das Feuer im Kamin, holte Schatten in den Raum, der nun nur noch von den Dachfenstern erhellt wurde.

Sie wartete einen Atemzug lang, dann hob sie die Hand und zog ein Magierlicht aus der Düsternis. Shamera wirkte auf die zunächst kleine Kugel ein, bis deren fahler Schein von einer eiförmigen Quelle ausging, so hoch wie sie selbst und doppelt so breit.

Anhand der Gegenstände, die Sham in den Privatgemächern von Kerims Mutter verstreut entdeckt hatte, als sie diese vor einigen Tagen durchsuchte, wusste sie, dass Lady Tirra von den Möglichkeiten der Magie gefesselt war. Wenn Sham überzeugend genug auftreten konnte, würde Lady Tirra in dem Glauben gehen, dass Ven tatsächlich von einem Dämon getötet worden war und dass Kerim sein Möglichstes tat, um diese Kreatur aufzuspüren. Um Kerims willen war es zu wichtig, dass Lady Tirra nicht weiter meinte, er hätte seinen Bruder gemeuchelt.

»Ich habe gehört, dass es im Osten keine Magie gibt«, sagte Shamera leise, »aber hier herrscht Magie in Hülle und Fülle neben anderen Dingen, die das landläufige Wissen übersteigen. Selkies tanzen in den Wellen des Meeres, Jauler heulen in den nördlichen Winden, Uriah schleichen im Großer Sumpf umher, und hier in dieser Feste wandelt nachts ein Dämon durch die Gänge.« Während sie sprach, ließ sie die Oberfläche des Magierlichts verflachen und schimmernde Bilder anzeigen, um ihre Worte zu veranschaulichen.

Sham hatte zwar noch nie selbst eine der Kreaturen gesehen, von denen sie redete, ausgenommen das Selkie, aber sie hatte Geschichten über sie gehört, seit sie ein Kind war. Aus diesen kindlichen Vorstellungen zeichnete sie lebensechte Bilder, mit denen sie den Trugspiegel nun erfüllte. Besonders beeindruckend geriet ihr der Dämon. Sham ließ seine Darstellung einige Atemzüge lang in der Luft schweben, damit die silbrigen Klauen und die sechs schaurigen gelben Augen ihre volle Wirkung entfalten konnten, bevor sie den Trugspiegel zurück zu einem schlichten Magierlicht schrumpfen ließ, so groß wie die Faust eines Mannes.

Sie schwenkte die Hand, und die Kerzen entzündeten sich von selbst wieder. Beim Kamin gestaltete sich das schwieriger, da ein Teil seiner Nahrung immer noch Rückstände von Magie enthielt, die nicht brennen wollte, aber letztlich fanden die Funken Halt, und das Feuer erwachte zu neuem Leben. Sham ließ das Magierlicht erlöschen.

Kerims Mutter schwankte und wäre gefallen, wenn Talbot sie nicht rasch aufgefangen hätte. Kerim versuchte, seinen Stuhl über den Haufen der Teile des zerlegten Bettes zu schieben, aber ein Rad verfing sich in einem Loch, und das Gefährt neigte sich gefährlich zur Seite.

»Talbot hat sie, verdammt. Wenn du nicht stehen bleibst, landen du und der Stuhl auf mir«, stieß Sham grunzend hervor, die eine Ecke des Stuhls gepackt hatte und sich dagegenstemmte, bis er zur Ruhe kam.

»Es geht ihr gut, Herr«, verkündete Talbot prompt, als er seine Last zum Sofa trug und behutsam darauf ablegte. »Im Gegensatz zu manch anderen anwesenden Frauen ist sie eine Dame mit zarten Empfindungen. Der Anblick dieses Dämons hätte gereicht, um so manchen ausgewachsenen Mann in Ohnmacht fallen zu lassen, geschweige denn eine durchlauchtige Lady.«

Beruhigt half der Vogt Sham, seinen Stuhl zurück zu der freien Stelle zu hieven.

»Es tut mir leid«, entschuldigte sich Sham. »Bei der Darstellung des Dämons habe ich mich wohl ein wenig hinreißen lassen.«

»Konntest du die Rune unter dem Bett entfernen?«, fragte Kerim und bückte sich, um eines der dunklen Bretter beiseitezuschieben und sich einen Weg zum Sofa zu bahnen, auf dem seine Mutter ruhte. Dabei unterließ er es bewusst, sich hinsichtlich Shameras Entscheidung zu äußern, Lady Tirra von dem Dämon zu erzählen.

Sham nickte, ergriff ein Ende eines schweren Bettpfostens und rollte ihn weg. »Das sollte das letzte Zeichen gewesen sein. Ich fürchte, du bist dadurch ein wenig knapp an Kleidung …«

Der Vogt grunzte, als es ihm gelang, den Rest der Bretter zu einem vergleichsweise flachen Haufen zusammenbrechen zu lassen, über den er den Stuhl mit schierer Muskelkraft hinwegbugsierte. Sham zuckte bei den Kratzern zusammen, die von den scharfen Kanten der schmalen Metallräder in das edle polierte Holz geritzt wurden.

Talbot trat vom Sofa weg, als Kerim zu seiner Mutter rollte, sich über sie beugte und ihre Hand ergriff. Mit einer Stimme, die nicht weiter als zu Shams Ohren reichte, meinte Talbot: »Dafür, dass sie ihn ständig mit so viel Gift und Galle bespuckt, ist er sehr besorgt um ihr Wohlergehen.«

Sham betrachtete Kerim, wie er in der Nähe der ausgestreckt auf dem Sofa liegenden Gestalt von Lady Tirra saß. »Sie ist die einzige Familie, die er noch hat«, meinte sie schließlich und wandte sich ab, um mit dem Wiederaufbau des Bettes zu beginnen.

Wortlos half ihr Talbot, die schwere Grundplatte anzuheben und in Position zu bringen. Das Bett war alt und wies Einschnitte und Aussparungen auf, die es zusammenhielten wie einen der kunstvoll geschnitzten Zusammenbausätze, die auf den Jahrmärkten verkauft wurden. Schwitzend gelang es dem einstigen Seemann und Sham, mühsam den ersten der vier schweren Bettpfosten an seinen Platz zu hieven. Lange bevor sie auch nur halb mit dem Wiederaufbau des Bettes fertig wurden, schlug Lady Tirra die Augen auf, mühte sich in eine sitzende Haltung und stieß ungeduldig Kerims sie festhaltende Hände weg.

»Ihr glaubt also, dass Dämonen meinen Sohn getötet haben?« Lady Tirras Blick ruhte auf dem Boden, sodass ungewiss blieb, wen sie angesprochen hatte.

Es war Kerim, der sich zu einer Antwort aufraffte. »Ja, Mutter. Darüber hinaus glaube ich, dass der Dämon immer noch hier ist und nur darauf wartet, noch jemanden zu töten. Ich weiß nicht, wie er aussieht oder wie man ihn vernichten kann – ich weiß nur, dass es geschehen muss, bevor er wieder zuschlägt.«

Lady Tirra schaute auf. Ihre trockenen Augen suchten Shams Blick. »Warum habt Ihr mir das gesagt? Ich vermute, Kerim hätte es für sich behalten.«

Sham zuckte mit den Schultern und verfiel zurück in ihre Diebespersönlichkeit. »Es wurde deutlich, dass Ihr Lord Kerim als verantwortlich für Lord Vens Tod betrachtet habt. Ich fand das unnötig hart für Euch und ihn.«

Lady Tirra nickte und setzte zu einer Erwiderung an, doch das Geräusch wilden Hämmerns gegen die Tür kam ihr zuvor. Talbot, der sich dem Eingang am nächsten befand, eilte hin und öffnete. Sham erkannte den Stallknecht, der schon einmal gekommen war, um Kerim zu holen, diesmal jedoch war er unübersehbar gerannt.

»Herr, in den Stallungen ist ein Mann ermordet worden. Ein Aufstand braut sich zusammen, und Elsic steckt mittendrin. Der Stallmeister hat mich geschickt, um Euch zu holen, bevor die Dinge aus dem Ruder laufen.«

Kerim nickte und setzte sich in Richtung der Tür in Bewegung. Kurz hielt er inne, um das an der Wand hängende Kriegshorn zu ergreifen. »Talbot, bleib bei meiner Mutter. Sobald sie sich gut genug fühlt, begleitest du sie in ihre Gemächer und kommst zu uns zu den Stallungen. Shamera, folg mir.«

Sie setzte dazu an, seinem Befehl nachzukommen, dann wurde ihr bewusst, dass sie nach wie vor ihre Diebeskluft trug. Schnell trat sie vor einen Spiegel an der Wand neben der Tür und wirkte einen kurzen Zauber. Es war kein richtiger Trugbann, da dies nicht wirklich ihren Begabungen entsprach, sondern eher etwas, das einem Unsichtbarkeitsbann nahekam – fast so gut wie Dickons Gebaren der Art: Seht mich nicht an, ich bin bloß ein Diener.

Dann schloss sie zu Kerim auf, der sich bereits auf halbem Weg den Gang hinab befand.

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