13

»Er wollte nicht hereinkommen. Er klopfte nur an das Tor und sagte, ich bin hier, sagen Sie Brandd Bescheid

»Danke, das genügt«, meinte Brion. Er schob seine Pistole in die Halfter und steckte zwei gefüllte Magazine in die Tasche. »Ich komme wahrscheinlich noch vor Sonnenaufgang zurück. Lassen Sie eine fahrbare Tragbahre aus der Krankenstation an das Tor schaffen. Ich möchte, daß sie dort steht, wenn ich zurückkomme.«

Die Straße draußen war dunkler, als er sie in Erinnerung hatte. Brion erkannte die Umrisse des wartenden Sandwagens nur undeutlich, denn das Sternenlicht reichte um diese Zeit noch nicht aus, um Einzelheiten hervortreten zu lassen.

»Brion Brandd?« fragte eine Stimme vom Wagen her. »Steigen Sie ein.«

Brion war kaum eingestiegen, als der Sandwagen sich auch schon in Bewegung setzte. Ohne Lichter durchquerte er die Stadt und fuhr in die Wüste hinaus. Obwohl der Fahrer die Geschwindigkeit erhöhte, verzichtete er auf jegliche Beleuchtung. Als sie ein hochgelegenes Plateau erreicht hatten, stellte der Fahrer den Motor ab. Weder er noch Brion hatten während der Fahrt ein Wort miteinander gewechselt.

Ein Schalter klickte, dann glühte die Instrumentenbeleuchtung auf. In dem schwachen Lichtschein stellte Brion zu seiner Überraschung fest, daß der Mann neben ihm an einer Rückgratverkrümmung litt, wegen der er nur nach vorn gebeugt auf seinem Sitz hocken konnte. Solche körperlichen Mißbildungen waren selten — Brion hatte noch nie einen Fall dieser Art gesehen. Wahrscheinlich erklärte dieses Leiden die Bitterkeit und den Schmerz, die aus der Stimme des Mannes sprachen.

»Haben die Schlauköpfe auf Nyjord Ihnen zufällig mitgeteilt, daß die Frist um einen Tag verkürzt worden ist?« erkundigte sich der Mann. »Wissen Sie, daß dieser Planet schon bald nicht mehr existieren soll?«

»Ja, ich weiß«, antwortete Brion ruhig. »Das ist auch der Grund, weshalb ich Ihre Gruppe um Unterstützung bitten möchte. Die verbleibende Zeit vergeht zu rasch.«

Der Mann gab keine Antwort; er nickte nur und konzentrierte sich weiter auf den Infrarotschirm, um sicherzugehen, daß sie nicht verfolgt wurden. Dann ließ er den Motor wieder an.

»Wohin fahren wir?« erkundigte sich Brion.

»In die Wüste.« Der Fahrer machte eine vage Handbewegung. »In unser Hauptquartier. Nachdem die ganze Sache ohnehin demnächst in die Luft fliegt, könnte man es auch als unser letztes Lager bezeichnen. Alle Wagen, Männer und Waffen sind dort stationiert. Und Hys. Er führt den Oberbefehl. Morgen wird nichts mehr davon dasein — zusammen mit diesem verdammten Planeten. Was wollen Sie von uns?«

»Sollte ich das nicht lieber Hys persönlich erzählen?«

»Wie es Ihnen am besten paßt.« Der Fahrer trat auf das Gaspedal und fuhr weiter. »Aber wir haben uns alle freiwillig gemeldet, deshalb haben wir keine Geheimnisse voreinander. Nur vor den Idioten, die diese Welt in die Luft jagen wollen.« In seiner Stimme schwang deutlich Verachtung mit, die er nicht zu verbergen versuchte. »Sie haben sich so lange gestritten, wie dieses Problem zu lösen sei, daß sie schließlich zu Mördern werden.«

»Soweit ich darüber informiert bin, dachte ich, daß die Dinge etwas anders lagen. Diese Leute bezeichnen Ihre Freunde als Terroristen.«

»Das sind wir auch. Wir sind eine Armee, die einen Krieg führt. Die Idealisten zu Hause haben das erst begriffen, als es bereits zu spät war. Wenn sie uns von Anfang an unterstützt hätten, wären wir in jedes Kastell auf Dis eingedrungen und hätten nicht eher Ruhe gegeben, bis wir die Bomben entdeckt hätten. Aber das hätte mutwillige Zerstörung und den Tod einiger Magter bedeutet, deswegen lehnten sie unseren Plan ab. Dafür werden sie jetzt die gesamte Bevölkerung umbringen.« Brion bemerkte den verzweifelten Gesichtsausdruck dieses Mannes.

»Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen«, versuchte er ihn zu beruhigen. »Wir haben noch über einen Tag Zeit, und ich glaube, daß ich eine Möglichkeit zur Verhinderung des Krieges gefunden habe — ohne Bomben.«

»Sie sind doch der Mann, der für die Gesellschaft für kulturelle Beziehungen, kostenlose Mahlzeiten und Gratisgetränke verantwortlich ist, nicht wahr? Was sollen Ihre Leute denn ausrichten, wenn die Knallerei losgeht?«

»Nichts. Aber vielleicht können wir verhindern, daß die Bomben überhaupt abgeworfen werden. Falls Sie mich beleidigen wollten — geben Sie sich keine Mühe. Ich habe ein sehr dickes Fell.«

Der Fahrer schwieg einige Minuten, während er sich auf das schwierige Gelände vor ihnen konzentrierte. »Was wollen Sie von uns?« fragte er dann.

»Wir möchten einen Magter genau untersuchen. Tot oder lebendig, der Zustand spielt keine Rolle. Sie haben nicht zufällig einen an der Hand?«

»Nein. Wir haben uns schon oft genug mit ihnen herumgeschlagen, aber immer nur auf ihrem eigenen Gebiet. Sie schaffen ihre Toten fort, und wir haben uns nie darum gekümmert. Was wollen Sie überhaupt mit einer Leiche? Schließlich kann Ihnen ein toter Magter nicht mehr verraten, wo die Bomben oder die Abschußrampe versteckt sind.«

»Ich sehe nicht ein, warum ich Ihnen das erklären sollte — es sei denn, Sie wären der Anführer der Nyjord Army. Sie heißen Hys, nicht wahr?«

Der Fahrer stieß einen ärgerlichen Laut aus. »Wie kommen Sie darauf?« erkundigte er sich.

»Ich habe einfach das Gefühl. Sie benehmen sich nicht wie ein normaler Sandwagenfahrer. Selbstverständlich könnte Ihre Armee aus lauter Generalen bestehen — aber das bezweifle ich stark. Außerdem weiß ich, daß uns allen nicht mehr sehr viel Zeit bleibt. Sie würden eine Menge Zeit verschwenden, wenn Sie in Ihrem Lager geblieben wären, um dort auf mich zu warten. Wenn Sie mich selbst abholen, können Sie Ihre Entscheidung treffen, bevor wir angekommen sind. Habe ich recht?«

»Ja — ich bin Hys. Aber Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet. Wofür brauchen Sie einen Magter?«

»Wir wollen ihn untersuchen, weil ich nicht glaube, daß die Magter richtige Menschen sind. Sie leben unter den Menschen und verkleiden sich als solche — aber trotzdem sind sie keine richtigen Menschen.«

»Keine Menschen?« In der Stimme des anderen schwangen Überraschung und Abscheu mit.

»Vielleicht. Unsere Untersuchung wird uns die nötigen Aufschlüsse geben.«

»Sie sind entweder dumm oder inkompetent«, warf Hys ihm vor. »Ich lehne es ab, mich in irgendeiner Form an diesem Vorhaben zu beteiligen.«

»Sie müssen aber!« Brion war überrascht, wie ruhig seine Stimme klang. Er spürte, daß der andere sich doch für seinen Vorschlag interessierte. »Sie haben keine andere Wahl — wenn Sie diesen Krieg beenden wollen, bevor er begonnen hat. Oder wissen Sie eine andere Möglichkeit?«

»Gut, Sie werden Ihren Magter bekommen«, stimmte Hys zu. »Ich glaube zwar nicht, daß Sie damit etwas erreichen werden — aber ein toter Magter mehr ist kein Nachteil. Unsere Teams führen heute nacht Angriffe gegen die Magter durch. Sie können sich meinem anschließen — die übrigen sind schon unterwegs. Wir wollen einen kleineren Turm überfallen, in dem wir bereits einmal ein Waffenlager entdeckt haben. Die Aussichten, daß wir dort wieder etwas finden, sind nicht schlecht, denn die Magter sind dumm genug, um dort wieder Waffen zu lagern. Manchmal scheinen sie keinerlei Vorstellungsvermögen zu besitzen.«

»Sie haben keine Ahnung, wie recht Sie damit haben«, sagte Brion mit einem leisen Lächeln.

Einige Minuten später erreichten sie eine Felsschlucht, die nach oben hin enger wurde. Am Eingang stand ein Verzögerungsprojektor, der leise summend sämtliche Lichtstrahlen verschluckte und dadurch einen unsichtbaren schwarzen Vorhang bildete. Dahinter erstreckte sich eine ebene Fläche, auf der drei offene Sandwagen in Bereitschaft standen. Ihre Besatzungen saßen am Boden verstreut, unterhielten sich und überprüften nochmals ihre Waffen. Als Hys und Brion erschienen, herrschte sofort Schweigen.

»Aufsitzen!« befahl Hys. »Wir greifen nach dem bekannten Plan an. Telt soll zu mir kommen.« Brion bemerkte, daß die Stimme des anderen weicher klang, wenn er mit seinen Männern sprach. Die Soldaten gehorchten augenblicklich — offensichtlich sahen sie in Hys einen guten Befehlshaber.

Ein dicklicher Mann tauchte vor Hys auf und salutierte lässig. Er war schwer mit elektronischen Geräten beladen, die in Segeltuchtaschen verpackt waren. Sogar die Taschen seiner Uniform steckten voller Ersatzteile und Werkzeuge.

»Das hier ist Telt«, sagte Hys zu Brion. »Er wird sich um Sie kümmern. Telt begleitet mich bei unseren Angriffen und stellt dabei seine Messungen in unmittelbarer Nähe der Türme an. Bisher hat er allerdings noch keine Anzeichen für das Vorhandensein der Abschußrampe oder der Bomben festgestellt. Nachdem er überflüssig ist und Sie überflüssig sind, kann einer auf den anderen aufpassen. Sie können den Sandwagen benützen, in dem wir gekommen sind.«

Telt grinste breit. »Warten Sie nur ab! Eines Tages werden die Nadeln ausschlagen — und dann haben wir keine Sorgen mehr. Was soll ich mit dem Fremden tun?«

»Besorgen Sie ihm einen toten Magter«, befahl Hys. »Dann setzen Sie ihn wieder ab und kommen zu uns zurück.« Hys zuckte mit den Schultern, als er Telt ansah. »Eines Tages werden die Nadeln ausschlagen! Armer Irrer — heute ist der letzte Tag.« Er drehte sich um und bestieg den ersten Wagen.

»Er mag mich«, erklärte Telt zuversichtlich, während er nach einer weiteren Segeltuchtasche griff. »Das ist schon aus den Schimpfworten zu erkennen, die er mir an den Kopf wirft. Ein wirklich großer Mann, dieser Hys, aber leider hat man das erst zu spät erkannt.«

Brion folgte dem Techniker zu dem wartenden Wagen und half ihm, seine Ausrüstung zu verstauen. Als die größeren Panzerwagen aus der Dunkelheit auftauchten, schloß Telt sich ihnen an. Er summte leise vor sich hin, während er fuhr. Dann brach das Summen plötzlich ab, und Telt sah Brion fragend an. »Wozu brauchen Sie eigentlich einen toten Disaner?«

»Oh, nur eine Theorie«, antwortete Brion mit verschlafener Stimme. Er hatte sich während der Fahrt mit geschlossenen Augen in seinen Sitz zurückgelehnt. »Ich suche noch immer nach einem Ausweg, um die Katastrophe zu verhindern.«

»Sie und Hys haben ziemlich viel Ähnlichkeit miteinander«, stellte Telt fest. »Zwei echte Idealisten. Wollen einen Krieg verhindern, den sie nicht angezettelt haben. Auf Hys haben sie auch nie gehört. Er hat ihnen schon vor Monaten gesagt, wie die Sache sich entwickeln würde, aber die Leute dachten immer, daß seine Ideen genauso krumm wie sein Rücken seien. Hys bildete sich selbst zu einem Experten auf dem Gebiet der Kriegführung aus. Hah! Krieg auf Nyjord — das ist das gleiche, als wäre man ein Eiswürfelspezialist in der Hölle. Aber er kannte sich aus, obwohl niemand ihm die Chance gab, dieses Wissen praktisch anzuwenden. Statt dessen erhielt Opa Krafft den Oberbefehl.«

»Und was ist mit der Nyjord Army?«

»Alles nur Freiwillige. Außerdem haben wir nicht genügend Geld. Ich sage Ihnen, wir haben unser Bestes getan, aber selbst das reichte einfach nicht aus. Und jetzt müssen wir uns dafür Mörder nennen lassen. Die Leute zu Hause glauben, daß wir die Magter zum Vergnügen überfallen. Sie denken, daß wir übergeschnappt sein müssen. Sie begreifen nicht, daß wir…«

Telt verstummte mitten im Satz und trat auf die Bremse. Auch die anderen Wagen hatten angehalten und warteten mit abgestellten Motoren auf den Befehl zum Angriff. Über den Dünen vor ihnen war die Spitze eines schwarzen Turms sichtbar.

»Von hier ab gehen wir zu Fuß«, sagte Telt. »Wir können uns Zeit lassen, weil die anderen zuerst angreifen und den Widerstand brechen. Dann sehen wir uns in dem Keller um, führen einige Messungen durch und nehmen eine Leiche mit.«

Zunächst konnten sie noch aufrecht gehen, aber dann krochen sie eng an den Boden gepreßt weiter. Vor ihnen bewegten sich dunkle Schatten die Außenwände des Turms hinauf, ohne dabei die Rampe zu benützen.

»Müssen wir etwa auch dort hinauf?« erkundigte sich Brion, der an den Abtransport des Magters dachte.

»Nein, wir sind vom Klettern befreit«, beruhigte ihn Telt. »Ich bin schon einmal hiergewesen, deshalb weiß ich, wie der Turm von innen aussieht.« Er schritt eine bestimmte Entfernung von einer Ecke des Turms ab. »Hier müßte es sein.«

In diesem Augenblick ratterten die automatischen Waffen der Angreifer los.

»Los, wir müssen uns beeilen, solange die Magter dort oben beschäftigt sind!« rief Telt Brion zu. Er holte eine faustgroße Kugel aus einer der Gerätetaschen und preßte sie gegen die Mauer. Sie blieb daran hängen. Telt betätigte einen Schalter an der ihnen zugewandten Seite der Kugel und zog einen Sicherungsstift heraus. Dann warf er sich flach zu Boden. Brion folgte seinem Beispiel. »Eine Hohlhaftladung«, erklärte Telt ihm. »Das Ding müßte die Mauer glatt durchschlagen, aber sicher kann man das nie sagen.«

Der Boden unter ihnen erbebte, als die Sprengladung die Mauer zerschmetterte. Als die Staubwolke sich verzogen hatte, erkannten die beiden Männer ein dunkles Loch in der Außenseite des Turms. Telt leuchtete mit seinem Handscheinwerfer hinein.

»Falls sich jemand gegen diese Wand gelehnt haben sollte, brauchen wir uns keine Sorgen mehr um ihn zu machen«, stellte er zufrieden fest. »Wir müssen uns aber trotzdem beeilen, bevor die anderen von oben herunterkommen.«

Sie kletterten über die Felsbrocken hinweg, mit denen der Boden bedeckt war. Telt wies auf eine Rampe, die steil nach unten führte. »Unterirdische Lagerräume. Aus dem Felsen herausgehauen. Dort haben sie immer ihr Zeug gelagert und…«

Ein schwarzes Etwas kam aus dem Tunnel heraus auf sie zugeflogen und landete vor ihren Füßen. Telt stieß nur einen überraschten Laut aus, aber Brion reagierte blitzschnell. Er versetzte dem Ding einen gewaltigen Fußtritt und beförderte es wieder in den Tunnel zurück. Telt warf sich neben ihm zu Boden, als ein gelber Lichtblitz aufleuchtete. Hinter und über ihnen prallten Splitter von den Wänden und der Decke ab.

»Handgranaten!« keuchte Telt. »Bisher haben die Magter sie nur einmal benützt — anscheinend haben sie nicht viele. Ich muß Hys davor warnen.« Er sprach aufgeregt in sein Kehlkopfmikrophon. Vor ihnen regte sich etwas, und Brion schickte einige kurze Feuerstöße in die Dunkelheit hinab.

»Den anderen geht es auch schlecht! Wir müssen uns zurückziehen. Gehen Sie zuerst, ich decke Ihnen den Rücken.«

»Ich bin hier, um einen Disaner mitzunehmen — und ich gehe nicht, bevor ich einen habe!«

»Sie sind verrückt! Hier kommen Sie nicht mehr lebend heraus!«

Telt warf sich herum und hastete auf das Loch zu, durch das sie hereingekommen waren. Brion schoß wieder, denn in diesem Augenblick tauchten die Magter auf. Sie kamen schweigend und lautlos näher, rannten mit ausdruckslosen Gesichtern in die Kugeln und starben. Zwei waren auf der Stelle tot, aber der dritte stolperte weiter, obwohl er schwer verwundet war. Er hob drohend sein Messer, aber Brion zögerte noch. Wie oft mußte man einen Menschen umbringen? Oder war das kein Mensch? Er hatte den Finger am Abzug, zögerte aber noch immer.

Ein Feuerstoß aus Telts Waffe löste das Problem. Der Magter sank in sich zusammen.

»Da haben Sie Ihre Leiche — los, beeilen Sie sich!« schrie Telt.

Sie schleppten den toten Magter durch das Loch ins Freie und erwarteten dabei jede Sekunde einen tödlichen Messerstoß in den Rücken. Aber der Angriff blieb aus. Erst als sie den Turm bereits hinter sich gelassen hatten, explodierte weit hinter ihnen eine Handgranate, die ihnen nicht mehr schaden konnte.

Einer der gepanzerten Sandwagen kreiste mit aufgeblendeten Suchscheinwerfern um den Turm, während seine Maschinenwaffen die Magter in Schach hielten. Die abgeschlagenen Angreifer kletterten einer nach dem anderen in den Wagen. Auch Telt und Brion bewegten sich mühsam darauf zu. Sie kamen in dem tiefen Sand nur langsam voran, weil das Gewicht der Leiche sie behinderte. Telt warf einen Blick über seine Schulter und setzte sich in einen leichten Trab.

»Sie verfolgen uns!« keuchte er. »Das ist das erste Mal, daß sie uns nach einem Angriff folgen!«

»Wahrscheinlich wissen sie, daß wir die Leiche haben«, meinte Brion.

»Wir müssen sie zurücklassen…«, stieß Telt hervor. »Zu schwer… sie erwischen uns sonst…«

»Lieber lasse ich Sie zurück!« gab Brion wütend zur Antwort. »Geben Sie mir den Magter, damit Sie schneller rennen können.« Er nahm Telt die Leiche ab und hob sie auf seine eigenen Schultern. »Los, geben Sie uns Feuerschutz!«

Telt drehte sich um und schoß auf die dunklen Gestalten, die ihnen folgten. Der Fahrer des Sandwagens mußte das Mündungsfeuer gesehen haben, denn er beschrieb eine scharfe Kurve und kam auf die beiden Männer zu. Als der Wagen in einer Staubwolke vor ihnen hielt, schob Brion den toten Magter vor sich her in das Innere, bevor er selbst aufstieg. Das Fahrzeug setzte sich wieder in Bewegung und ließ den schwarzen Turm hinter sich.

»Wissen Sie, das war eigentlich mehr als Spaß gemeint, als ich Ihnen vorschlug, wir sollten die Leiche zurücklassen«, erklärte Telt. »Sie haben das doch nicht etwa ernst genommen?«

»Doch«, gab Brion zurück. »Ich dachte, Sie meinten es ernst.«

»Ach, was«, protestierte Telt, »Sie sind genauso schlimm wie Hys. Sie nehmen alles gleich zu ernst.«

Nachdem die Männer sich auf die wartenden Sandwagen verteilt hatten, löste die Kolonne sich auf, so daß jedes Fahrzeug eine andere Richtung einschlug. »Wir verteilen uns, damit die Magter nicht wissen, welcher Spur sie folgen sollen«, erklärte Telt. Er klemmte ein Stück Papier neben dem Kompaß fest. »Wir beschreiben zunächst ein großes U in der Wüste und kommen in Hovedstad heraus. Ich habe den Kurs hier. Dann setze ich Sie und Ihren schweigsamen Freund dort ab und fahre zu meinen Leuten zurück. Sind Sie wegen vorhin immer noch wütend auf mich?«

Brion gab keine Antwort. Er starrte aus dem Seitenfenster hinaus.

»Was gibt es denn dort zu sehen?« erkundigte sich Telt neugierig.

»Dort drüben«, antwortete Brion und wies auf den Lichtschimmer am Horizont.

»Die Morgenröte«, sagte Telt überrascht. »Auf Ihrem Planeten regnet es wohl oft? Haben Sie noch nie einen Sonnenaufgang gesehen?«

»Nicht am letzten Tag einer Welt.«

»Hören Sie auf damit«, brummte Telt, »sonst bekomme ich noch eine Gänsehaut. Ich weiß, daß die verdammten Bomben fallen werden. Aber ich weiß wenigstens auch, daß ich alles getan habe, um die Katastrophe zu verhindern. Glauben Sie etwa, daß die Menschen bei mir zu Hause — auf Nyjord — sich von morgen an besser fühlen werden?«

»Vielleicht können wir es noch verhindern«, meinte Brion. Telt zuckte verächtlich mit den Schultern.

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie die letzten Hügel vor den Ausläufern der Stadt überwunden hatten. Als Brion auf Hovedstad hinuntersah, empfand er deutlich eine unerklärliche Angst. Im Herzen der Stadt erhob sich ein schwarzer Rauchpilz. Vielleicht handelte es sich nur um einen Brand in einem der unbewohnten Lagergebäude, aber die Spannung nahm zu, je näher sie dem Brandherd kamen. Brion schwieg verbissen, aber Telt drückte seine innersten Befürchtungen aus.

»Scheint ein Feuer zu sein; Offensichtlich ganz in der Nähe des G.K.B.-Gebäudes.«

Auf den Straßen der Stadt sahen sie die ersten Anzeichen der Zerstörung. Kleinere und größere Steinbrocken, die überall herumlagen. Ein stechender Geruch, der in ihre Nasen drang. Menschen, die sich alle in dieselbe Richtung bewegten, die Telt mit seinem Sandwagen einhielt. Die sonst so verlassenen Straßen von Hovedstad wimmelten plötzlich von Menschen.

Brion überzeugte sich davon, daß die über den toten Magter gebreitete Plane an allen Seiten dicht abschloß, bevor sie langsam durch die Menge fuhren.

»Das gefällt mir gar nicht«, beklagte sich Telt. »Wenn heute nicht der letzte Tag wäre, würde ich glatt umkehren. Diese Leute kennen unsere Wagen; wir haben sie oft genug überfallen.«

Vor ihnen erhob sich ein schwärzlicher Trümmerhaufen. Hellrote Flammenzungen schlugen daraus hervor. Eine Mauer stürzte mit ohrenbetäubendem Lärm in sich zusammen.

»Es ist tatsächlich Ihr Gebäude!« rief Telt. »Sie sind uns zuvorgekommen — wahrscheinlich haben sie den Angriff über Funk befohlen. Jedenfalls haben sie mit Sprengstoff nicht gespart.«

Alle Hoffnung war tot. Dis war tot. Unter den Trümmern lagen die zerschmetterten Körper der Menschen, die auf ihn vertraut hatten. Lea… hübsche kleine Lea. Dr. Stine, seine Patienten. Faussel und alle anderen. Er hatte sie nicht von diesem Planeten fortgelassen, und jetzt waren sie tot. Ohne Ausnahme. Tot.

Mörder!

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