15

»Los geht’s«, brüllte Doomhammer. »Schnappt euch eure Sachen, und dann Bewegung!« Er beobachtete die Krieger einen Moment lang, sah zu, wie seine Häuptlinge sie riefen, schoben und schubsten, damit sie sich in Bewegung setzten. Dann wandte er sich wieder an Gul’dan, der geduldig neben ihm wartete. »Was ist?«, wollte er wissen.

»Mein Clan und ich bleiben eine Zeit lang hier«, antwortete Gul’dan. »Ich habe mit dem Altar der Stürme Pläne, die der Horde auf ihrem Feldzug nützen werden.«

Doomhammer runzelte die Stirn. Er traute dem kleinen, hässlichen Hexenmeister immer noch nicht. Aber er musste sich eingestehen, dass sich die zweiköpfigen Oger als extrem nützlich bei der Einnahme von Quel’Thalas erwiesen hatten. Zwar hatten diese verfluchten Zwerge auf ihren Greifen eingegriffen, was ihn mehrere der Kreaturen gekostet hatte, doch ohne die Oger hätten sie nie die Linien der Allianz durchbrochen und sich danach nicht neu gruppieren können.

Schließlich nickte er. »Mach, was du willst. Aber halte dich nicht zu lange damit auf. Wir brauchen jeden Vorteil, wenn wir Lordaeron schnell erobern wollen.«

»Ich werde mich nicht verspäten«, versicherte ihm Gul’dan. »Du hast Recht… Tempo ist alles.«

Sein Tonfall missfiel dem beunruhigten Doomhammer. Im gleichen Moment meldete sich jedoch Zuluhed, und der Hexenmeister rückte vorübergehend aus Doomhammers Aufmerksamkeit. Interessiert lauschte er den neuesten Berichten über die verbliebenen Verteidiger des Waldes.

»Wir können ihre Verteidigungsanlagen nicht durchbrechen«, meinte der Häuptling des Dragonmaw-Clans. Er wirkte eher wütend, als dass es ihm leid tat. »Selbst die Drachen können nichts ausrichten«, fuhr er fort und schüttelte den Kopf. »Ihr Feuer fegt über die Stadt, aber es kann sie nicht zerstören. Und die Klauen der Drachen scheitern an einer unsichtbaren Mauer.«

»Schuld daran ist dieser Sonnenbrunnen«, sagte Gul’dan. »Die elfische Quelle der Magie. Sie verleiht ihnen immense Macht.«

Darüber wusste der Hexenmeister natürlich Bescheid.

»Wie kann man den Brunnen zerstören, trockenlegen… oder wie können wir ihn für uns selbst nutzen?«, fragte Doomhammer.

Gul’dan schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich habe es versucht. Ich kann seine Kraft zwar spüren – doch sie ist mir fremd, und ich kann sie nicht berühren.« Er kratzte sich seinen ungepflegten Bart. »Ich vermute aber, dass die Elfen sehr wohl etwas mit seiner Macht anfangen können, weil der Sonnenbrunnen an sie und das Land gebunden ist.«

»Kannst du die Altäre dazu benutzen, die Verteidigung der Elfen zu brechen?«, fragte Doomhammers.

Gul’dan grinste erneut. »Das überprüfe ich derzeit«, antwortete er. »Ich weiß noch nicht, ob es funktioniert. Aber die Altäre wurden aus den Runensteinen der Elfen geschaffen, die ursprünglich vom Sonnenbrunnen mit Energie versorgt wurden. Vielleicht kann ich diese Verbindung in umgekehrter Richtung nutzen, um meine eigene Magie in ihre Energiequelle einfließen zu lassen und sie auf diese Weise zu zerstören… oder den Elfen zu entreißen.« Es bedurfte keiner weiteren Worte, um zu wissen, welcher Methode der Hexenmeister den Vorzug gab.

Doomhammer missfiel der Gedanke, dass Gul’dan über derart viel Macht verfügen sollte. Doch das war immer noch besser, als diese Energie den merkwürdigen Elfen zu überlassen.

»Tu, was du kannst«, sagte er zu Gul’dan. »Aber eigentlich ist es zweitrangig, die Stadt einzunehmen. Wir kommen zwar nicht hinein, dafür können die Elfen aber auch nicht hinaus.« Er wandte sich wieder an Zuluhed. »Das gilt auch für die Drachen. Doch die brauchen wir vorrangig, wenn die Allianz noch weitere Krieger in ihrer Hauptstadt hat. Wenn du die Barriere nicht in ein paar Tagen eingerissen hast, dann brich deine Bemühungen ab und entsende deine Drachen zur Horde.«

Er blickte zu Gul’dan, der sich bereits außer Hörweite befand. »Und stell’ sicher, dass der Kerl und seine Hexenmeister dann auch tatsächlich mitkommen.«

Zuluhed grinste und versprach: »Ich werde ihn mitbringen – und wenn ich einem Drachen befehlen müsste, ihn zu fressen und in seinem Bauch zu transportieren!«

Doomhammer nickte. Dann verließ er den Anführer des Dragonmaw-Clans, damit dieser seine Drachenreiter instruieren konnte. Er selbst musste sich darum kümmern, dass seine Krieger abmarschbereit waren.


Es dauerte zwei Stunden, bis die Horde schließlich loszog. Gul’dan und Cho’gall beobachteten, wie eine Welle Orcs nach der anderen aus Quel’Thalas aufbrach. Sie trampelten über die verkohlten Stümpfe der Bäume, die den Flammen der Drachen zum Opfer gefallen waren. Ein Drittel des Waldes war niedergebrannt. Überall fanden sich Ruß, Asche und Blätter, die angesengt, aber nicht vollständig verbrannt waren.

Die Krieger hatten hier gelagert. Sie fühlten sich im Freien wohler als unter den übrig gebliebenen Bäumen, auch wenn der Boden mit Resten von Rinde, Blättern und Nüssen übersät war. Rußwolken stoben durch die vielen darüber stapfenden Füße auf.

Doomhammer marschierte allen voran, und während er sich bewegte, schlug seine Waffe gegen Rücken und Beine. Er sah sich nicht um und war froh, dass sie in keinerlei Gefahr schwebten.

Gul’dan wartete, bis der letzte Orc seiner Sicht entschwunden war, dann wandte er sich an Cho’gall. »Sind wir bereit?«

Beide Köpfe des Anführers des Schattenhammer-Clans grinsten. »Bereit«, antwortete er.

Gul’dan nickte. »Gut. Sag unseren Kriegern, dass wir sofort aufbrechen. Es ist ein langer Weg bis Southshore.« Er kratzte sich am Bart. »Zuluhed ist mit der Elfenstadt beschäftigt und wird nicht merken, dass wir weg sind – bis es zu spät ist.«

»Was ist, wenn er seine Drachen hinter uns herschickt?«, fragte Cho’gall. Von seiner gewohnten Furchtlosigkeit war bei dem Gedanken, dass diese Kreaturen sie jagen würden, nur noch wenig zu spüren.

»Wird er nicht«, versicherte Gul’dan dem Oger. »Das wagt er nicht ohne Doomhammers Befehl. Dazu muss er zuerst einen Boten hinter dem Rest der Horde herschicken und dann auf die Antwort warten. Bis dahin sind wir außer der Reichweite der Drachen. Doomhammer kann es sich zudem nicht leisten, einen Teil seiner Truppen hinter uns herzuschicken, wenn er die Stadt der Menschen erobern will.«

Er lachte. Seit Wochen hatte er nach einem Weg gesucht, um Doomhammer loszuwerden und endlich seine eigenen Pläne verfolgen zu können. Und nun hatte ihm der Kriegshäuptling selbst die perfekte Lösung geliefert!

Er hatte fast erwartet, dass Doomhammer darauf bestehen würde, dass Gul’dan die Horde begleitete. Doch der Widerstand der Elfen hatte ihm die perfekte Entschuldigung geliefert, zurückzubleiben.

»Ich werde nach den Kriegern sehen«, versprach Cho’gall und entfernte sich. Bereits im Gehen bellte er die ersten Befehle.

Gul’dan nickte und kümmerte sich um seine eigene Ausrüstung. Er freute sich auf den Marsch. Jeder Schritt würde ihn weiter von Doomhammer weg und seiner Bestimmung näher bringen.


Doomhammer arbeitete sich den schmalen Pfad entlang, der in den Berggipfel geschlagen war. Er bewegte sich auf ein kleines Tal weit unter ihm zu. Es war Nacht, und der Rest der Horde schlief bereits.

Er aber musste etwas Dringendes erledigen. Er bewegte sich leise, seine Stiefel fanden guten Halt auf dem ausgetretenen Stein. Mit einer Hand hielt er seinen Hammer, damit er nicht gegen seinen Rücken schlug oder gegen die Steinwand prallte. Mit der anderen ertastete er den Weg. Der Halbmond spendete ausreichend Licht. Er konnte Insekten in der Nähe summen hören. Ansonsten war es still in den Bergen.

Er hatte beinahe das Tal erreicht, als er plötzlich noch andere Geräusche vernahm. Es klang, als würde etwas von Größe eines Orcs sie verursachen, indem es sich schwerfällig an der gegenüberliegenden Seite des Tales vom dortigen Berghang her näherte.

Doomhammer legte sich hin. Dabei benutzte er den Rand des Pfades als Deckung und zog den Hammer von seiner Schulter. Er blickte vorsichtig auf und wartete, bis das Geräusch lauter wurde. Dann sah er, wie eine vermummte Gestalt das letzte Gefälle überwand und den Talboden betrat.

Eigentlich war es weniger ein Tal als eher eine Nische im Fels, vielleicht zehn Meter breit und acht tief. Die Felsen erhoben sich allseitig. Sie boten Schutz und Versteckmöglichkeiten. Wahrscheinlich hatte man die Stelle deshalb ausgesucht.

Während Doomhammer regungslos zuschaute, lehnte sich die Gestalt gegen einen der Steine, keuchte und streckte sich dann. »Hallo?«, rief der vermummte Mann leise.

»Ich bin hier«, antwortete Doomhammer, straffte sich und trat zwischen den Felsen hervor. Der Fremde keuchte, als er sich näherte. Doomhammer konnte erkennen, dass der Mann ein Langschwert trug, das fachmännisch gearbeitet und makellos war. Er wusste, dass der Fremde es nie benutzt hatte. Warum musste er es immer mit Feiglingen, Schwächlingen und Intriganten zu tun haben? Warum nicht mit Kriegern, die viel direkter und geradeheraus waren? Jemand wie der Mann, der die Armee der Allianz bei Quel’Thalas angeführt hatte. Oder jener andere, der sie im Hügelland befehligte.

Diese beiden konnte er respektieren. Beide waren Kämpfer, die einem Ehrenkodex folgten, Stärke und Ehre respektierten. Aber solche Männer würden auch niemals ein Treffen wie dieses vorschlagen.

»S-seid Ihr Fürst Doomhammer?«, stammelte der Mann und zuckte leicht vor ihm zurück. »Sprecht Ihr meine Sprache?«

»Ich bin Orgrim Doomhammer, Oberhaupt des Blackrock-Clans und Kriegshäuptling der Horde, und ich spreche deine Sprache«, bestätigte Doomhammer. »Und du, Mensch? Hast du mir die Botschaft geschickt?«

»Ja«, antwortete der Mann und zupfte an seiner Kapuze, als wollte er dafür Sorge tragen, dass sie immer noch sein Gesicht bedeckte. Es war ein feiner Stoff, wie Doomhammer sah, und elegant entlang des Saums verziert. »Ich dachte, es wäre das Beste, wenn wir uns treffen, bevor etwas… Unangenehmes passiert.« Er sprach so langsam, als hätte er ein Kind vor sich.

»Sehr gut.« Doomhammer sah sich um, um herauszufinden, ob der Mensch Attentäter mitgebracht hatte. Aber falls dem so war, konnte er sie weder riechen noch hören. Er musste das Risiko eingehen und annehmen, dass dieser Mensch tatsächlich allein gekommen war, wie er es in seiner merkwürdigen Botschaft behauptet hatte.

»Ich hatte nicht erwartet, dass mich ein Mensch kontaktieren würde«, sagte Doomhammer leise und hockte sich hin, damit er den Mann leichter beobachten konnte. »Besonders auf diese Art und Weise. Kommuniziert ihr Menschen so? Durch abgerichtete Vögel?«

»Das ist eine unserer Methoden, ja«, antwortete der Mann. »Ich wusste, dass keiner meiner Leute nah genug an Euch herankommen würde, um Euch eine Botschaft zu überbringen, und wusste nicht, wie ich Euch sonst erreichen sollte. Habt Ihr den Vogel getötet?«

Doomhammer nickte und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Der Mann begann zu schwitzen. »Wir wussten nicht, dass er ein Bote war, bis wir das Pergament fanden, das an sein Bein gebunden war. Aber da war es schon zu spät. Ich hoffe, du wolltest ihn nicht zurück haben.«

Sein Gegenüber winkte die Entschuldigung mit seiner schlanken, behandschuhten Hand ab. Sie zitterte dabei leicht, aber die Stimme klang ruhig und beherrscht. »Es war nur ein Vogel«, sagte er. »Ich bin viel mehr daran interessiert, eine größere Zahl von bedauerlichen Todesfällen zu verhindern.«

Doomhammer nickte. »Das stand in deiner Botschaft. Was willst du von mir?«

»Eine Zusicherung«, antwortete der Mann.

»Welcher Art?«

»Ich möchte Euer Wort darauf als Krieger und Anführer, dass Ihr Eure Krieger von uns fernhaltet«, sagte der Mann. »Kein Töten, Plündern, Schleifen oder Schlimmeres hier in den Bergen. Lasst unsere Städte und Dörfer heil und unsere Leute unbehelligt.«

Doomhammer bedachte es und rieb über den Kopf seines Hammers. »Und was bekommen wir dafür?«

Jetzt lächelte der Mann. Ein kaltes Lächeln, das zwar Freundlichkeit vortäuschen sollte, aber nur intrigant wirkte. »Freien Durchzug«, antwortete er langsam und ließ die beiden Worte in der Nachtluft schweben.

»Ach?« Doomhammer neigte seinen Kopf und deutete dem Mann an, fortzufahren.

»Ihr und Eure Krieger wollt durch diese Berge, um in Lordaeron einzumarschieren«, führte der Mann aus. »Diese Gipfel sind tückisch, und jemand, der sich hier auskennt, kann leicht eine große Übermacht bekämpfen. Eure Horde würde wahrscheinlich trotzdem gewinnen, aber nur mit schweren Verlusten. Und dann wärt Ihr für Euren Kampf gegen Lordaeron geschwächt.« Er lächelte wieder und lehnte sich gegen den Stein, sichtlich zufrieden, wie sich die Situation entwickelte. »Ich kann sicherstellen, dass die Verteidiger dieser Region sich von Euch fernhalten«, bot er an. »Ich würde Euch sogar zeigen, welche Pfade Ihr nehmen solltet, um die Strecke schneller zu schaffen. Eure Horde kann schnell und sicher durch unsere Heimat gelangen.«

Doomhammer überlegte. »Du willst den Weg für uns ebnen«, sagte er laut, »wenn wir dein Land unangetastet lassen?«

Der Mann nickte. »Exakt.«

Doomhammer stand auf und trat vor, bis er nur noch einen Schritt von dem Mann entfernt war. Aus der Nähe konnte er vage die Gesichtszüge unter der Kapuze erkennen. Sie waren verschlagen und berechnend, trotz der offensichtlichen Gefahr. Der Mann erinnerte ihn ein wenig an Gul’dan, clever und stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht, aber wahrscheinlich zu feige, um eine überlegene Macht zu betrügen.

»Sehr gut«, sagte er schließlich. »Ich stimme zu. Zeig mir den schnellsten Weg durch diese Berge, und ich werde meine Krieger hindurchführen, ohne anzuhalten, um zu plündern. Wenn wir das besagte Gebiet erobern, genießt du meinen Schutz in diesen Bergen. Du und die deinen sind dann in Sicherheit.«

»Ausgezeichnet.« Der vermummte Mann lächelte und klatschte wie ein Kind in die Hände. »Ich wusste, dass man vernünftig mit Euch reden kann.« Er zog ein zusammengerolltes Pergament aus seinem Gürtel und reichte es Doomhammer. »Hier ist eine Karte dieser Region«, erklärte er. »Ich habe dieses Tal markiert, damit Ihr Euch leichter orientieren könnt.«

Doomhammer entrollte die Karte und studierte sie. »Ja, das ist leicht verständlich«, sagte er einen Moment später.

»Gut.« Der Mann musterte ihn. »Ich gehe jetzt zurück zu meinen Leuten…«, sagte er nach einer kurzen Pause.

Doomhammer nickte, antwortete aber nicht. Der Mann wartete noch einen Moment, dann wandte er sich ab und entfernte sich schnell. Er ging geduckt zwischen den Felsen und arbeitete sich vorsichtig den Weg die Klippe hinunter.

Doomhammer überlegte, hinter ihm herzugehen. Ein einziger Schlag würde das Leben des Mannes auslöschen, und er hatte die Karte ja schon. Aber das wäre unehrenhaft gewesen, und er missbilligte den Mangel an Ehre bei seinem Volk. Früher, auf Draenor, waren sie edel gewesen. Doch Gul’dans Verrat hatte alles verändert. Sie waren nicht nur blutdurstig geworden, sondern es hatte sich einiges mehr zum Schlechten hin gewandelt.

Doomhammer war entschlossen, den Stolz und die Reinheit seines Volkes wiederherzustellen. Und das bedeutete, dass man einem strikten Kodex folgen musste. Der andere Mann hatte in gutem Glauben gehandelt, und Doomhammer würde dieses Vertrauen nicht verraten. Er würde dem Pfad folgen, den der Mann markiert hatte. Wenn er sich als schnell erwies und die Menschen sich ihnen tatsächlich nicht in den Weg stellten, würde er seine Seite des Abkommens einhalten.

Kopfschüttelnd rollte Doomhammer die Karte wieder zusammen und schob sie hinter seinen Gürtel. Dann ging er den Pfad, den er gekommen war, wieder zurück. Im Lager würde er seine Offiziere zusammenrufen und ihnen den schnellsten aller Wege erklären.


»Ihr habt uns gerufen, Euer Majestät?« General Hath, der Oberkommandierende von Alteracs Streitkräften stand an der halb geöffneten Tür zum Kartenraum. Perenolde erkannte hinter dem stämmigen General die anderen Armeebefehlshaber.

»Ja, tretet ein«, sagte Perenolde und versuchte ruhig zu klingen. »Ich habe gerade neue Informationen über die Horde und ihre Bewegungen erhalten.«

Er sah, wie Hath und ein paar andere sich anblickten, aber sie sagten nichts, als sie ihm zur Teppichkarte folgten, die Alterac zeigte. Städte und Forts waren aus silbernem Garn gewirkt, und goldene Fäden symbolisierten das Schloss.

»Ich habe erfahren«, begann Perenolde, »dass die Horde tatsächlich hierher unterwegs ist.« Mehrere Offiziere schnappten nach Luft. »Sie will offensichtlich in Lordaeron einmarschieren und hat sich für den Weg durch die Berge entschieden, um die Hauptstadt von Norden her zu erreichen.«

»Wie weit sind sie noch entfernt« fragte Colonel Kavdan. »Aus wie vielen Kriegern besteht die Horde? Was für Waffen führen sie mit sich?«

Mehrere andere murmelten zustimmend.

Perenolde hob eine Hand, und die Offiziere verstummten. »Ich weiß nicht, wie weit entfernt die Orcs noch sind«, antwortete er. »Ich vermute einen Tagesmarsch, vielleicht zwei, aber auf keinen Fall mehr. Ich kenne die Anzahl der Kämpfer nicht, doch allen bisherigen Berichten zufolge bilden sie eine riesige Streitmacht.« Er lächelte dünn. »Das ist allerdings nicht länger von Bedeutung für uns.«

General Hath richtete sich auf. »Nicht von Bedeutung für uns, Euer Majestät?«, fragte er aufgebracht. Sein Atem ließ seinen dicken grauen Schnurrbart flattern. »Aber wir sind Teil der Allianz und haben uns verpflichtet, die Horde gemeinsam zu bekämpfen.«

»Die Situation hat sich verändert«, informierte ihn Perenolde, der spürte, dass sein Schweißausbruch den Offizieren nicht entging. »Ich habe unsere Möglichkeiten neu bewertet und entschieden, dass wir uns in diesem Konflikt neu ausrichten müssen. Alterac ist mit sofortiger Wirkung nicht länger mehr Bestandteil der Allianz.« Er atmete tief durch. »Glaubt mir, so sind wir weitaus besser dran.«

Alle Offiziere blickten überrascht. »Wie meint Ihr das, Euer Majestät?«, fragte Kavdan.

»Ich habe einen Nichtangriffspakt mit der Horde geschlossen«, erwiderte Perenolde. »Wir hindern die Orcs nicht daran, durch unsere Berge zu ziehen, und dafür lassen sie Alterac in Ruhe.«

Seine Offiziere wirkten betroffen, ein paar sogar wütend.

»Ihr lasst uns mit den Orcs konspirieren, Euer Majestät?«, fragte Hath empört.

»Ja, das tue ich!«, schnappte Perenolde und verlor die Fassung. »Ich will doch nur, dass wir überleben!« Zorn und Panik erfassten ihn. »Wisst ihr überhaupt, mit wem wir es da zu tun bekommen? Mit der Horde, der ganzen Horde! Sie wird durch diese Berge ziehen! Durch unsere Heimat. Hat irgendjemand eine Ahnung, viele das sind? Tausende! Zehntausende!«

Hath nickte widerwillig, so wie ein paar andere auch. Sie hatten dieselben Berichte gelesen wie er.

»Und kennt jemand diese Orcs? Ich habe einen gesehen, nicht weiter von mir entfernt, als ihr es jetzt seid. Die sind riesig! Fast so groß wie Trolle und doppelt so breit! Starke Muskeln, dazu Hauer und Reißzähne. Jener Orc trug einen Hammer, den drei Mann gemeinsam nicht heben könnten. Und er wirbelte damit herum, als wäre er ein Kinderspielzeug! Niemand kann dagegen bestehen. Sie töten uns alle, versteht Ihr denn nicht? Die Orcs haben bereits Stormwind zerstört, und Alterac wäre als nächstes dran.«

»Aber die Allianz…«, begann Hath noch einmal, ehe er unterbrochen wurde.

Perenolde lachte bitter. »Was ist mit der Allianz?«, wollte er wissen. »Wo ist sie denn gerade? Nicht hier jedenfalls, soviel kann ich Euch sagen! Wir haben die Allianz gebildet, um unsere Königreiche zu beschützen, gegen genau diese Art von Angriff. Und hier sind wir nun mit der Horde im Nacken, und wo, bitte schön, ist die tolle Allianz? Sie lässt uns im Stich. Seht Ihr das denn nicht?« Er merkte, dass seine Stimme fast hysterisch wurde, und gab sich Mühe, wieder normal zu klingen. »Jetzt muss jedes Königreich für sich selbst sorgen«, sagte er, so ruhig er konnte. »Ich muss zuerst an Alterac denken. Die anderen Könige würden dasselbe tun.«

»Ja, aber diese animalischen…«, setzte Trand, ein anderer Offizier, an.

»Diese Kreaturen sind monströs und tödlich, ja«, schnitt ihm Perenolde das Wort ab. »Aber sie sind Argumenten der Vernunft durchaus zugänglich. Ich habe mich mit ihrem Anführer getroffen. Er redete unsere Sprache. Er hörte zu und versprach, uns in Frieden zu lassen, wenn wir seinen Durchmarsch nicht behindern.«

»Können wir… können wir ihm denn vertrauen?«, wollte ein junger Offizier namens Verand wissen.

Perenolde seufzte, als er sah, dass auch ein paar andere nickten. Und wenn seine Offiziere solche Fragen stellten, dann hatten sie insgeheim bereits akzeptiert, dass ein solch ungewöhnliches Abkommen nötig sein könnte. Jetzt sorgten sie sich nur noch darum, ob dieses angestrebte Bündnis auch halten würde.

»Wir haben keine andere Chance«, erwiderte er langsam. »Sie können uns jederzeit zerquetschen. Wenn die Orcs uns hintergehen, sind wir erledigt. Aber wenn sie sich an ihr Wort halten, und ich denke das werden sie, wird Alterac überleben. Ganz egal, um welchen Preis.«

»Ich mag diesen Plan immer noch nicht«, antwortete Hath stur. »Wir haben den anderen Nationen unser Wort gegeben.«

Trotz dieser Worte merkte Perenolde, dass der General die Situation überdachte und sehr wohl erkannte, dass in einem Stillhalteabkommen tatsächlich ihre einzige Hoffnung auf ein Überleben liegen mochte.

»Ihr müsst es nicht mögen«, antwortete Perenolde deshalb scharf. »Ihr müsst nur gehorchen. Ich bin der König, und ich treffe die Entscheidungen. Ihr habt mir Treue geschworen, und Ihr werdet diesen Schwur nicht brechen.«

Er wusste, dass er innere Überzeugung nicht befehlen konnte. Aber er hoffte darauf, dass sie ihm zumindest solange folgen würden, bis die unmittelbare Gefahr vorüber war.

Hath musterte ihn einen Moment lang. »Wie Ihr wünscht, Euer Majestät«, sagte er schließlich. »Ich werde gehorchen.«

Die anderen nickten.

Perenolde lächelte. »Gut. Und was die Allianz angeht, werde ich alle sich daraus ergebenden Konsequenzen persönlich tragen.« Er wandte sich erneut der Karte zu. »Nun denn, die Horde wird hier, hier und hier entlang ziehen.« Er zeigte auf die südlichen Pässe. Dabei ärgerte er sich, dass seine Hand leicht zitterte. »Wir werden diese Pässe ungesichert lassen, und die Horde wird weiterziehen. Wir werden nicht mit einem einzigen Orc zusammenstoßen.«

Hath studierte die Örtlichkeiten. »Offensichtlich wollen die Orcs Lordaeron von Norden her angreifen«, sagte er und zog eine Linie vom Kartenrand bis zu der Stelle, wo die Stadt läge, wäre sie auf der Karte eingezeichnet gewesen. »Ich würde nicht von dort kommen, aber ich verfüge auch nicht über die Übermacht der Orcs – oder ihre Arroganz.« Er wandte sich Perenolde zu und stellte kühl fest: »Es könnte sein, dass die Männer da nicht mitmachen, Euer Majestät. Sie könnten glauben, sie würden damit ihren Eid brechen oder Schlimmeres.« Sein Tonfall ließ keinerlei Zweifel daran, dass er, was das anging, einer Meinung mit ihnen war. »Wenn sie revoltieren, können wir sie nicht davon abhalten.«

Perenolde überlegte kurz. »Sehr gut«, sagte er schließlich.

»Dann sagt den Männern, dass die Horde die drei nördlichen Pässe nehmen wird. Wenn sie wissen wollen, woher Ihr die Informationen habt, erklärt Ihnen, unsere Kundschafter und Spione hätten sie unter Einsatz ihres Lebens erhalten.« Er nickte, stolz auf seine Schläue. »Das sollte jedermann im Zaume halten.«

Hath nickte brüskiert. »Ich werde unsere Männer sofort dort stationieren, Euer Majestät«, versprach er.

»Das ist schön.« Perenolde schenkte dem General das wärmste Lächeln, dass er zustande brachte, um ihm zu zeigen, dass alles vergeben und vergessen war. »Nun sollten wir das Erforderliche in die Wege leiten. Wir wollen doch nicht riskieren, dass die Orcs bereits eintreffen, während unsere Truppen noch unterwegs sind.«

Die Offiziere salutierten und verließen den Kartenraum – alle außer Hath.

»Was ist noch, General?«, fragte Perenolde. Die Müdigkeit in seiner Stimme musste er nicht vortäuschen.

»Ein Bote ist eingetroffen«, antwortete der General. »Von der Allianz. Er kam, als ihr… schlieft.« Haths Blick heftete sich kurz an den Umhang, der auf einem Stuhl in der Ecke lag. Sein Blick sagte deutlich, dass er von Perenoldes Ausflug wusste. »Er wartet draußen.«

»Dann lasst ihn sofort ein«, antwortete Perenolde, der zum Stuhl ging und den Umhang ergriff und überstreifte. »Habt Ihr schon mit ihm gesprochen?«

»Ich weiß nur, wer ihn geschickt hat«, versicherte ihm Hath, »und dachte, dass Ihr seine Nachricht so schnell wie möglich hören wollt.« Der General war fast schon an der Tür des Kartenraums, als er das sagte. Einen Atemzug später winkte er denjenigen herein, der draußen wartete.

Ein junger Mann in verschmutzter Lederkleidung erschien und schaute nervös zu Boden.

»Euer Majestät«, sagte der junge Mann, sah kurz auf… und dann wieder weg. »Ich überbringe Euch Grüße und eine Nachricht von Fürst Anduin Lothar, dem Anführer der Allianz.«

Perenolde nickte und durchquerte den Raum, bis er neben dem jungen Mann stand. »Danke, General, das wäre dann alles für den Augenblick«, sagte er an Hath gewandt, der gehorsam den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. »Nun, junger Mann«, wandte Perenolde sich wieder dem Boten zu, »was für eine Botschaft habt Ihr denn für mich?«

»Fürst Lothar möchte, dass Ihr Eure Truppen nach Lordaeron führt«, antwortete der junge Mann nervös. »Die Horde wird wahrscheinlich die dortige Stadt angreifen, und Eure Streitkräfte werden für die Verteidigung benötigt.«

»Ich verstehe«, nickte Perenolde und rieb sich das Kinn. Er legte einen Arm um die Schulter des Boten. »Und erwartet er, dass Ihr ihm nach Eurer Rückkehr Bericht erstattet?«, fragte er.

Der Bote nickte.

»Ich verstehe«, sagte Perenolde wieder. »Es ist eine Schande.« Er wandte sich dem jungen Mann zu, sein Arm hielt ihn fest. Ruckartig zog er ihn sodann zu sich heran… und stach mit einem Dolch zu, den er inzwischen in der anderen Hand hielt. Die Klinge glitt zwischen die Rippen und drang in das Herz des jungen Mannes ein. Er zuckte, und Blut quoll aus seinem Mund. Dann brach er zusammen. Perenolde fing ihn auf, bevor er den Boden erreichte.

»Es wäre mir lieber gewesen, wenn die Botschaft schriftlich übersandt worden wäre«, sagte Perenolde sanft zu dem Toten, während er seinen Dolch an dem Leichnam abwischte und dann in die Falte seines Gewandes zurücksteckte. Er schleifte den Körper quer durch den Raum bis zum Müllschacht in der Ecke und warf ihn dort hinein. Er hörte die dumpfen Laute, mit denen der Tote auf dem Weg nach unten gegen die Wände schlug. Dann legte er den blutbespritzten Umhang ab und warf ihn hinterher.

Eine Schande, er hatte die Verzierungen daran sehr gemocht.

Nachdem er eine Minute gewartet hatte, schloss Perenolde das Tuch über dem Müllschacht und begab sich zurück in die Mitte des Raumes. Falls Hath noch draußen wartete, würde er ihm sagen, dass der Bote so eilig wieder wegmusste, dass er ihm erlaubt hatte, seinen Privatausgang zu nehmen. Ansonsten würde er den General beim nächsten Wiedersehen nur darüber informieren, dass der junge Mann zur Allianz zurückgekehrt sei. Und wenn er nach dem Inhalt der Botschaft gefragt wurde, würde er ausweichend antworten.

Perenolde lächelte, wusste er doch, dass kein Orc ihre Verteidigung durchbrechen würde. Solange aus der Verteidigung kein Angriff wurde…


Bradok zerrte an den Zügeln – aber nicht aus Furcht. Die hatte er bereits hinter sich gelassen, als sein Drache abgehoben und ihn hoch in die Lüfte getragen hatte.

Es war unglaublich gewesen, durch die Wolken zu stoßen. Bradok, der bis dahin ein zwar pflichtbewusster, aber auch immer unzufriedener Krieger gewesen war, hatte plötzlich wahres Glück entdeckt.

Er war dazu bestimmt, durch den Himmel zu segeln. Sein großer roter Drache schlug mit den Flügeln, und der Wind fuhr ihm durchs Haar. Er erinnerte sich an die Erregung, als er das erste Mal sah, wie die Flammen aus dem Maul des Drachens gezischt waren. Er hatte miterlebt, wie die Bäume zerplatzten, als sie von der plötzlichen Hitze berührt wurden.

Bradok schaute nach unten. Er sah einen silbernen Streifen in all dem Grün und Braun dieser üppigen Welt. Das war das Meer, das sie überquert hatten, nachdem sie jenes andere Königreich gebrandschatzt hatten.

Er trat dem Drachen mit seinen Absätzen in die Flanken und drängte ihn, niedriger zu fliegen. Der Drache gehorchte, faltete seine Schwingen zusammen und schoss in einem berauschenden Sturzflug hinab.

Die See wurde immer größer und erstreckte sich jetzt bis zum Horizont. Dort, wo das Meer auf das Küstenufer traf, konnte er dunkle Umrisse erkennen. Das mussten die Schiffe sein, die die Horde benutzt hatte, um von dem anderen Kontinent zu diesem zu gelangen.

Bradok hasste Schiffe. Generell hatte er nicht viel für Wasser übrig. Die Luft hingegen war etwas Wunderbares.

Er manövrierte seinen Drachen aus dem fast freien Fall und überflog die Schiffe. Er sah die armen Orcs auf den Bänken sitzen und an den langen Rudern schuften, die das Boot bewegten. Ein Oger stand zentral auf jedem Schiff und gab den Takt mit einer großen Trommel vor. Die Orcs handelten danach, ihre steten Ruderschläge ließen die dunklen Schiffe durchs Wasser gleiten.

Bradok machte eine Pause und ließ seinen Drachen eine Kurve für einen erneuten Überflug nehmen. Ja, er hatte beim ersten Mal richtig gesehen. Die Schiffe verließen die Küste und fuhren hinaus.

Aber sie sollten doch eigentlich hier ausharren, falls die Horde sie erneut brauchte. Warum fuhren sie dennoch davon?

Bradok sah sich um und erspähte eine vertraute Gestalt auf dem führenden Boot. Es war Gul’dan, der Hexenmeister. Früher hatte Bradok ihn gefürchtet, doch das war jetzt vorbei. Jetzt war er ein Drachenreiter. Wovor sollte er noch Angst haben?

Er lenkte seinen Drachen zum führenden Schiff. Gul’dan wandte sich ihm zu, als er ihn bemerkte.

»Warum nimmst du die Boote?«, rief Bradok und winkte mit seinem freien Arm, während sein Drache sich der Geschwindigkeit des Schiffes anpasste.

Der Hexenmeister blickte irritiert und hielt in seiner Verwirrung beide Hände hoch.

Bradok steuerte seinen Drachen näher heran. »Du musst wenden! Die Horde ist in Lordaeron, nicht jenseits des Meeres!«, rief er noch einmal.

Gul’dan machte ihm durch Gesten begreiflich, dass er ihn nicht verstand. Daraufhin steuerte Bradok seinen Drachen fast bis zur Spitze des Bootes und war damit keine fünf Schritte mehr von dem Hexenmeister entfernt. »Ich sagte -«

Plötzlich schossen Gul’dans Hände vor, und ein grüner Strahl traf Bradok mitten in die Brust. Er spürte einen starken Schmerz und merkte, dass sich seine Lunge zusammenzog und sein Herz raste. Dann schnappte er nach Luft, als beide Organe gleichzeitig ihre Funktion einstellten.

Die Welt wurde dunkel. Bradok kippte aus dem Sattel und stürzte knapp neben dem Schiff in die Wellen. Sein letzter Gedanke war, dass er immerhin einmal hatte fliegen dürfen.


Gul’dan lachte höhnisch, als er den Körper des Drachenreiters im Wasser verschwinden sah. Er hatte diesen Narren näher heranlocken müssen, damit er seine Magie zur Entfaltung bringen konnte. Außerdem musste er schnell genug handeln, damit der Kerl sich nicht mehr zur Wehr setzen konnte.

Er war auch besorgt, wie der Drache reagieren würde, nachdem sein Reiter umgekommen war, und beobachtete misstrauisch, wie die rote Bestie aufstieg, ihren Kopf zurückwarf und einen wilden Schrei ausstieß.

Doch dann schlug sie mit den Flügeln und schoss in den Himmel davon. Gul’dan schaute dem Drachen lange genug nach, um sicher gehen zu können, dass er nicht wendete und einen neuen Angriff startete.

Schließlich wandte er den Blick ab und betrachtete den Bug des Schiffes. So entging ihm die zweite Gestalt, die hoch über ihm kreiste.

Torgus war mit Bradok um die Wette geflogen, bevor sein Freund die Schiffe erspäht hatte. Torgus hatte alles beobachtet. Jetzt wendete er seinen Drachen und jagte zurück nach Quel’Thalas.

Zuluhed würde wissen wollen, was passiert war, und Torgus vermutete, dass er von ihm ausgeschickt werden würde, um dem Rest der Horde und vielleicht sogar Doomhammer persönlich darüber zu berichten.


Die Pässe waren völlig verlassen, und Doomhammer führte seine Krieger in schnellem Lauf hindurch. Er hatte gehofft, dass der vermummte Fremde sein Wort halten würde und war froh, dass seine Annahme sich bewahrheitete. Aber der Weg war immer noch gefährlich. Bei solch engen Pfaden zwischen Felshängen brauchte man nur eine Handvoll Krieger, um sie zu versperren. Und wenn sich erst ein paar Leichen auftürmten, wurde jeder Durchgang unmöglich.

Deshalb trieb er seine Truppen immer weiter. Er würde froh sein, wenn sie die kalte Bergregion hinter sich gebracht hatten.

Es dauerte zwei volle Tage, die schneebedeckten Berge zu überqueren und in die Täler auf der anderen Seite zu gelangen. Während dieser Zeit sahen die Orcs keinen einzigen Menschen. Einige der Krieger beklagten sich sogar darüber, dass sie keine Gelegenheit bekamen, irgendjemanden während ihrer Reise zu töten. Aber ihre Häuptlinge versicherten ihnen, dass sie ihre Chance noch erhalten würden.

Am zweiten Tag stürmten die ersten Reihen der Horde die Berge hinab. Wie stets führte Doomhammer sie an. Irgendwann blieb er stehen, um die Szenerie vor sich zu genießen.

Jenseits der Hügel erstreckte sich ein riesiger See. Sein Wasser glitzerte silbern im frühen Morgenlicht. Auf der anderen Seite erhoben sich weitere Berge, die in einem leichten Winkel von Nord nach Süd verliefen.

Die Berge, die die Orcs gerade überquert hatten, waren ähnlich gewesen, nur dass sie sich nach Osten hin bogen. Diese neuen Gipfel neigten sich gen Westen, und zusammen bildeten die beiden Bergketten ein riesiges V mit dem See in seinem Zentrum. Auf der nördlichen Seite lag eine majestätische befestigte Stadt.

»Die Hauptstadt.« Doomhammer betrachtete sie eine Weile. Dann hob er seinen Hammer mit beiden Händen hoch über sich und brüllte einen Kriegsruf.

Die Kämpfer der Horde nahmen diesen Ruf auf, und bald schon hallte von den Hügeln ringsum ihre Wut, ihre Freude und ihr Blutdurst wider.

Doomhammer lachte. Die Stadt sollte ruhig wissen, dass er und seine Leute hier waren. Nach diesem Gebrüll würden ihre Bewohner erzittern. Und die Horde würde über sie gekommen sein, noch ehe sie sich davon wieder erholt hatten.

»Auf zur Stadt!«, rief Doomhammer und hob seinen Hammer erneut. »Wir werden sie zerstören – und damit das Herz des Widerstands! Vorwärts, Krieger. Lasst uns den Kampf zu ihnen tragen, noch während ihnen unser Kriegsruf in den Ohren schallt!«

Doomhammer stürmte die Hänge hinab. Und dabei behielt er die schwer befestigte Stadt unablässig im Blick.

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