11

»Los, weiter, Bewegung!«, brüllte Doomhammer und sah, wie die Horde hinter ihm her marschierte. »Wir müssen diese Gipfel so schnell wie möglich hinter uns bringen!«

»Warum?« Die Frage stellte Rend Blackhand. Er und sein Bruder Maim hassten Doomhammer, weil er ihren Vater getötet und dessen Platz als Kriegshäuptling eingenommen hatte. Sie gehörten zu den wenigen, die Doomhammers Befehle auch hinterfragten.

Doomhammer ließ es zu. Weil er wusste, dass jede seiner Erklärungen ihren Weg zurück zur Horde finden würde, und weil der Black-Tooth-Grin-Clan sehr mächtig und deshalb sehr nützlich war. Und mochten sich die Brüder auch kritisch mit seinen Befehle und Entscheidungen auseinandersetzen, verweigerten sie doch nie einen direkten Befehl, selbst wenn sie nicht damit einverstanden waren. Doomhammer schätzte das und war deshalb bereit, ihre Widerborstigkeit bis zu einem gewissen Punkt zu tolerieren.

»Wie, warum!«, fragte Doomhammer. Er arbeitete sich den steilen Pfad die Berge hinauf. Der größte Teil seiner Aufmerksamkeit galt den Steinen zwischen seinen Händen und Füßen. Die Waldtrolle waren bereits hier vorbeigekommen, sie überwanden die Klippen so schnell, wie sie auf Bäume kletterten.

Sie hatten für die Orcs Seile heruntergelassen, die beim Aufstieg helfen sollten. Aber Doomhammer verbot sich, sie zu benutzen. Seine Truppen sollten sehen, dass er immer noch der Stärkste von ihnen war. Die Berge ohne Hilfe zu überwinden war eine Möglichkeit, das zu erreichen.

Rend hatte solche Bedenken nicht und überholte Doomhammer mit einem der Seile, das fest um seinen linken Arm geschlungen war.

»Warum sollen wir klettern?«, fragte Rend. »Wir hätten diese Berge auch umgehen können. Warum nehmen wir also ausgerechnet diesen Weg? Er ist sicherlich kürzer, aber auch härter. Diese Gipfel zu überwinden kostet uns wertvolle Zeit.«

Doomhammer erreichte die Spitze der Klippe und grunzte. Er wischte sich den Steinstaub von seinen Händen, indem er sie gegen die Oberarme rieb. Dann wandte er sich Rend zu, der ihn gerade einholte. Sein Bruder und die anderen Anführer der Horde waren unmittelbar dahinter. Sie waren klug genug, den Gipfel nicht vor Doomhammer zu erreichen.

»Die Menschen halten uns für dumm«, begann Doomhammer, dabei achtete er darauf, dass alle ihn verstehen konnten. Er mochte es nicht, sich zu wiederholen. »Sie halten uns für Dummköpfe, so wie wir die Oger einschätzen.«

Einige schauten nach unten, wo die Oger beim Klettern sogar hinter die Orcs zurückfielen. Sie waren stark genug, um sich zu bewegen, aber zu plump, als dass es ihnen wirklich leichtgefallen wäre, hier heraufzusteigen. »Ich habe sie in diesem Bild von uns noch bestärkt.« Er grinste und zeigte seine Hauer. »Sollen sie uns für hirnlos halten! Dadurch wird unser Feldzug nur um so leichter, weil sie uns unterschätzen.«

Er bückte sich, hob einen kleinen Stein auf und jonglierte damit herum. »Wir haben sie bereits einmal an der Nase herumgeführt, indem wir im Hinterland ein paar Clans abstellten. Die Menschen waren damit beschäftigt, diesen Teil der Horde zu bekämpfen, während wir den Weg in die Berge nahmen. Und sie sind immer noch damit beschäftigt, während wir sie hier überqueren.«

»Aber wir gehen nach Quel’Thalas, oder nicht?«, fragte Maim. Der fremde Name bereitete ihm einige Schwierigkeiten. »Warum segeln wir nicht einfach so weit wie möglich und sind schon lange da, bevor die Menschen aus dem Zwergenkönigreich anrücken?«

»Weil die Elfen unsere Schiffe niemals einfach so durchlassen werden«, führte Doomhammer aus. »Zul’jin sagt, dass sie exzellente Bogenschützen sind, und wir wären auf den Schiffen gefangen, während ihre Pfeile auf uns herabregnen. Wir würden Tausende Orcs verlieren, ganze Clans, bevor wir auch nur in die Nähe der Küste kämen, um sie zu bekämpfen.«

Einige der Häuptlinge murmelten. So hatten sie das noch gar nicht gesehen. Die Horde war, abgesehen von ein paar Ausnahmen wie den Sturmrächern, immer noch nicht daran gewöhnt, Schiffe zu benutzen.

»Wir hätten die Berge auch umgehen können«, merkte Rend an. »Ein längerer Weg zwar, aber auch einfacher.«

Doomhammer lachte auf. »Hast du Angst vor einer Herausforderung?« Mehrere der Häuptlinge lachten, und Rend sträubte sich.

»Natürlich nicht!«, zischte er und ballte seine Hände zu Fäusten. Er war bereit, jeden, der etwas anderes behauptete, niederzuschlagen. »Ich schaffe das schon. Ich war die ganze Zeit direkt hinter dir!«

Niemand wagte es, ihn darauf hinzuweisen, dass er ein Seil benutzt hatte, während Doomhammer ohne diesen Vorteil ausgekommen war. Die Angehörigen des Blackhand-Clans waren grausame Kämpfer und wurden dafür respektiert. Ein weiterer Grund, warum Doomhammer ihnen so viele Fragen erlaubte.

»Dann willst du dich mit mir messen?«, fragte er ruhig. Dabei senkte sich seine Stimme.

Rend wurde blass, als ihm dämmerte, was er beinahe gesagt hätte. Die Blackhands wollten die Horde anführen, doch dazu mussten sie Doomhammer herausfordern und ihn im ehrlichen Kampf besiegen.

Und sie alle wussten, dass er sie umbringen würde. Selbst wenn sie ihn beide gleichzeitig angegriffen hätten.

Ein Teil von ihm hoffte, dass sie es dennoch wagen würden. Dann konnte er sie durch einen vernünftigeren Black-Tooth-Grin-Häuptling ersetzen. Aber bislang hatten sie immer einen Rückzieher gemacht.

»Drumherumlaufen wäre vielleicht schneller gewesen«, sagte Doomhammer schließlich, als er sah, dass Rend den Köder nicht schluckte. »Aber wir wären auch leichter zu entdecken gewesen. So allerdings haben die Elfen keine Ahnung, dass wir uns ihnen nähern.« Er grinste wieder. »Wenn die Menschen den Kampf im Hinterland überleben und um die Berge herum marschieren, erreichen sie Quel’Thalas vielleicht sogar noch vor uns. Und wenn die Elfen ihnen den Zutritt erlauben, sind sie alle miteinander versammelt, wenn wir angreifen.« Er lachte und zerdrückte den Stein in seiner Hand. Staub wölkte zwischen seinen Fingern auf. »Sie können nirgendwo sonst hingehen. Wir werden sie vernichten und uns das Land aneignen. Und wenn sie doch hinter uns sein sollten, werden sie feststellen, dass wir bei ihrer Ankunft Quel’Thalas bereits eingenommen haben. Wir werden sie zurückschlagen und am Fuß der Hügel zerschmettern.« Er machte eine übertriebene Geste, wie er sich danach die Hände reinigen würde. »Wir gewinnen auf jeden Fall.«

Die anderen murmelten, einige von ihnen grinsten und lachten auch.

Rend konnte sich dem nicht entziehen. »Du bist schlau«, gab er zu. »Das ist ein guter Plan.«

Doomhammer nickte, um das Kompliment anzunehmen. »Jetzt müssen wir weitermachen«, sagte er, an alle gewandt. »Es sind noch einige Gipfel zu überwinden.« Er drehte sich zu Zuluhed um. »Wo sind sie?«, fragte er.

»Unterwegs«, antwortete der Häuptling des Dragonmaw-Clans. Er lachte über das Gemurmel, das hinter ihm aufkam. Keiner der anderen Orcs wusste etwas Genaueres über das, worüber sie gerade sprachen. Ihnen war nur bekannt, dass der Dragonmaw-Clan etwas mit Doomhammers voller Unterstützung plante. »Sie müssen einen langen Weg zurücklegen, doch sie sind schnell. Sie werden bald hier sein, und die Welt wird bei ihrer Ankunft erzittern.«

»Gut.« Doomhammer blickte zu der großen Gestalt, die ein kleines Stück entfernt stand. Ihr langer Schal wehte im Wind. »Wie weit sind wir noch von Quel’Thalas entfernt?«

»Vier Tagesreisen bei diesem Tempo« antwortete Zul’jin. »Aber wir könnten eher da sein.« Die Augen des Waldtrolls strahlten bei dieser Vorstellung, und seine Hand wanderte zur Axt an seinem Gürtel.

»Nein«, befahl Doomhammer und ignorierte die offensichtliche Enttäuschung des Trolls. »Du bleibst bei uns und bringst weiter Seile für die Truppen an.« Er lachte dem Anführer der Trolle zu. »Keine Angst, du bekommst deine Chance, die Heimat der Elfen anzugreifen. Doch nicht, bevor die Horde nicht vollständig hinter dir steht, bereit, sich in die Schlacht zu stürzen.«

Zul’jin dachte einen Moment lang darüber nach. Dann nickte er. »Sie werden wütend sein«, bemerkte er. »Sie werden wie Wespen ausschwärmen, bereit zum Stich. Und ihr werdet wie Ameisen, die alles verschlingen, in den Kampf ziehen.«

»Ja.« Doomhammer gefiel der Vergleich. Ameisen waren industrielle Arbeiter und zäh jenseits aller Vorstellung. Aber sie konnten auch hinterhältig sein und sich zusammenrotten, um weit größere Kreaturen zu überwältigen.

Ja, Ameisen würden sich gut behaupten.

Er gab das Signal zum Aufbruch. Die Horde, die den Berg hinter ihm heraufkletterte, wirkte wie eine Insektenarmee auf einem Eroberungsfeldzug.

Vier Tage später spähten Doomhammer und seine Häuptlinge von einem Hügel hinab, der zwischen dem letzten Gipfel und dem Beginn des großen Waldes lag. Der Rest der Horde rottete sich dahinter zusammen. Sie waren des Kletterns und Marschierens müde, aber mit dem Ziel vor Augen schüttelten sie die Erschöpfung ab.

Doch niemand war aufgeregter als die Waldtrolle.

»Geht es jetzt los?« Zul’jin schaute eifrig zu Doomhammer, der nickte.

»Ja, jetzt geht es los«, stimmte der Kriegshäuptling zu. »Wir bringen den Krieg zu den Elfen. Verschont nichts und niemanden.«

Der Anführer der Waldtrolle grinste und warf den Kopf in den Nacken, um einen trällernden Kriegsschrei auszustoßen.

Ein weiterer Troll erschien dort, wo die beiden Anführer standen. Er bewegte sich so leise und verstohlen wie ein Geist. Ein dritter fiel von den Steinen über ihnen herab, daneben noch einer. Es wurden immer mehr, bis das kleine Tal hinter dem Hügel voller großer, schlaksiger Waldkreaturen war.

Es waren viel mehr, als Doomhammer erwartete hatte. Seine Überraschung musste ihm anzusehen sein, denn der Waldtroll lachte unter seinem stets präsenten Schal hervor.

»Ich habe noch ein paar aufgetrieben«, erklärte er glucksend. »Vom Bleichborkenstamm. Sie sind mit uns verbündet.«

Doomhammer nickte. Er empfand keinerlei Furcht vor ihnen, obwohl ihn die Trolle überragten. Er war schon größeren und stärkeren Feinden ohne Scheu gegenübergetreten – und stets hatte er überlebt. Außerdem hatte ihn Zul’jin in den Monaten seit der Bildung des Bündnisses beeindruckt. Der Waldtroll war nicht nur schlau, sondern auch absolut ehrenhaft. Er hatte der Horde die Unterstützung seines Volks versprochen und würde dazu stehen. Doomhammer wäre bereit gewesen, selbst sein Leben darauf zu verwetten.

Natürlich half es, dass die Waldtrolle diese Hochelfen hassten. Die Trolle waren erpicht darauf gewesen, nach Norden, Richtung Quel’Thalas, zu ziehen, und nun waren sie ebenso versessen darauf, in den Wald einzudringen und die Elfen anzugreifen.

Doomhammer hatte jedoch darauf bestanden, dass sie warteten. Er wollte, dass der Rest der Horde erst richtig in Position gebracht war, bevor die Trolle zuschlugen.

Zul’jin hatte es geschafft, seine Artgenossen im Zaum zu halten. Und das, obwohl er selbst es kaum erwarten konnte, anzugreifen.

Aber jetzt hatte alles Warten ein Ende. Mit Gebrüll sprang Zul’jin los und rannte den Hügel hinunter. Er wurde auch nicht langsamer, als er in den Wald eindrang. Er sprang zwischen die Bäume und dort weiter von Ast zu Ast. Der Rest seiner Leute folgte ihm und verschwand aus der Sicht. Nur das Rascheln des Laubs und ein gelegentliches Knurren zeugte noch von ihrer Gegenwart.

Doch Doomhammer wusste, dass sie sich tief in den Wald hineinarbeiten, Elfen suchen und sie töten würden, wann immer sie sie fanden. Bald schon würden die Verteidiger des Waldes Bescheid wissen, dass die Trolle angriffen, und sich ihnen entgegenstellen. Und das würde die Elfen beschäftigt halten – zu beschäftigt, um ihre Grenzen auf noch andere Bedrohungen hin zu überprüfen.

Auf ein Zeichen von Doomhammer strömte der Rest der Horde über den Hügel. Sie marschierten über den engen Streifen Grasland und erreichten bald die ersten Baumreihen.

»Nun, Kriegshäuptling?«, fragte ein in der Nähe stehender Orc-Krieger, der die Axt bereithielt.

Doomhammer nickte, und der Krieger ging zu dem Baum neben sich. Der Stamm war altersdick und glatt wie Seide, die Blätter grün und saftig. Sie rochen nach Natur, Leben, Schönheit und Beute… Mit einem kräftigen Hieb schlug der Orc große Splitter Baumrinde und Holz aus dem Stamm. Dann schwang er die Axt erneut und vergrößerte damit die Kerbe.

»Nein! Stopp, nein!« Doomhammer riss dem verblüfften Krieger die Axt aus der Hand und stieß ihn zurück. »Nicht in einem solchen Winkel zuschlagen, sondern gerade«, wies er ihn an. Er schwang die Axt über seinen Kopf, spannte seine Muskeln an, schlug mit aller Kraft zu und trieb die Klinge ein gutes Stück durch den Stamm. Mit einem kräftigen Ruck riss er sie sodann zurück und schlug wieder auf dieselbe Stelle ein. Dadurch vertiefte er die bestehende Wunde weiter. Ein dritter Schlag brachte das Beil fast bis auf die andere Seite, nur eine hauchdünne Trennschicht aus Holz und Rinde blieben noch übrig.

Doomhammer zog die Axt zurück, und als sie den Stamm abermals traf, kippte der Baum um. Der Boden bebte, als der Stamm aufschlug. Blätter und Beeren wirbelten durch die Luft.

»So geht das.« Er gab dem Krieger die Axt zurück. Der nickte und marschierte zum nächsten Baum. Ein zweiter Krieger wandte sich derweil dem gefällten Baum zu und begann, ihn mit seiner Axt in kleinere Stücke zu hacken.

Hinter ihm machten sich mehrere Krieger an dieselbe Aufgabe. Vorräte für eine Armee von der Größe der Horde mitzunehmen, war ein hoffnungsloses Unterfangen. Stattdessen holten sie sich, was sie brauchten, aus dem eroberten Land. Das Holz dieser Bäume würde die Feuer der Horde wochenlang brennen lassen. Vielleicht sogar über Monate.

Dass jeder fallende Baum auch den Lebensraum den Elfen dezimierte, motivierte sie nur noch um so mehr.


Doomhammer stützte sich auf seinen Hammer und schaute den Arbeiten zu, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Ein kleiner, schwer gebauter Orc mit einem dichten Bart kam auf ihn zu. Sein erhitztes Gesicht zeigte einen Ausdruck, der Doomhammer gar nicht gefiel. Gul’dan wirkte einfach zu gut gelaunt.

»Was ist los?«, wollte Doomhammer wissen, als der Hexenmeister ihn erreichte.

»Da ist etwas, das du dir ansehen solltest, mächtiger Doomhammer«, antwortete Gul’dan und verneigte sich. Cho’gall lachte und äffte die Geste hinter Gul’dans Rücken nach. »Etwas, das der Horde sehr nützen könnte.«

Doomhammer nickte und schwang seinen Hammer über die Schulter. Er bedeutete Gul’dan, ihm zu folgen. Der Hexenmeister wandte sich um und führte Doomhammer und Cho’gall etwas abseits. Vor einem Felsen, der eine Lücke in den Bäumen erzwang, kam er schließlich zum Stehen. Die raue Oberfläche des Steins war mit Runen überzogen, und selbst Doomhammer, der kein sonderlich ausgeprägtes Gespür für spirituelle Dinge hatte, konnte die Kraft fühlen, die von dem kruden Monolithen ausging.

»Was ist das?«, wollte er wissen.

»Ich weiß es nicht genau«, antwortete Gul’dan und strich sich über den Bart. »Aber es ist sehr mächtig. Ich glaube, es gibt hier noch einige weitere Runensteine. Sie dienen als magische Barriere.«

»Uns haben sie nicht aufgehalten«, gab Doomhammer zu bedenken.

»Nein, weil wir nichts anderes als unsere Hände, Füße und Klingen benutzt haben«, antwortete Gul’dan. »Diese Runensteine verhindern wahrscheinlich den Einsatz von Magie. Wahrscheinlich erlauben sie nur den Elfen, Zauberei zu benutzen. Ich habe versucht, meine Magie hier zu wirken, konnte es aber nicht. Doch wenn ich zehn Schritte weg gehe, klappt es wieder.«

Doomhammer betrachtete den Felsklotz mit mehr Respekt als zuvor. »Wenn wir die also nähmen und um unsere Feinde herum auslegten, könnten sie keine Magie mehr wirken«, vermutete er.

Gleichzeitig überlegte er, wie viele Orcs wohl nötig waren, um diese Monolithen zu bewegen.

»Das wäre ein Ansatzpunkt, ja«, stimmte ihm Gul’dan zu. Sein Tonfall verriet jedoch, was er von dem Vorschlag hielt. »Aber ich habe eine andere Idee, Kriegshäuptling. Wenn du mich für einen Moment entschuldigst.«

Doomhammer nickte. Er traute Gul’dan nicht, doch der Hexenmeister hatte sich als nützlich erwiesen, als er die Todesritter erschuf. Er war neugierig, was der untersetzte Orc vorhatte.

»Diese Steine enthalten immense Magie«, erklärte Gul’dan. »Ich glaube, dass ich diese Kraft für uns nutzbar machen kann.«

»Was meinst du?«, fragte Doomhammer. Er war nicht so naiv, dass er Gul’dan freie Hand ließ. Nein, er wollte stets im Bilde sein und alle Details eines Vorhabens kennen.

»Ich kann sie benutzen, um einen Altar zu errichten«, antwortete Gul’dan. »Einen Altar der Stürme. Indem ich die Energie aus diesen Steinen kanalisiere, vermag ich Kreaturen zu verändern. Ich kann sie mächtiger und gefährlicher machen, allerdings kann es dabei auch zu einigen… Entstellungen kommen.«

»Ich bezweifle, dass sich dir auch nur ein einziger Orc noch einmal freiwillig als Experimentieropfer zur Verfügung stellt«, merkte Doomhammer scharf an. Er erinnerte sich noch gut an den sogenannten Kelch der Wiedergeburt, aus dem jeder Häuptling der Horde und jeder für würdig erachtete Krieger getrunken hatten. Doomhammer hatte dem Hexenmeister schon damals misstraut, und als Blackhand ihn aufforderte, daraus zu trinken, hatte er abgelehnt. Er hatte behauptet, er wolle dem Häuptling nicht ebenbürtig werden, indem er dessen Macht teilte. Aber er hatte gesehen, was die Flüssigkeit Freunden und Clanbrüdern angetan hatte.

Sie hatte sie größer und stärker gemacht. Das stimmte. Doch sie hatte auch die Augen rot erglühen lassen und ihre bereits grünliche Haut in ein helles, wässriges Grün verwandelt – das Zeichen dämonischer Verseuchung. Und sie hatte sie alle verrückt vor Blutdurst gemacht, vor Wut, vor Hunger. Sie hatte die einst ehrenhaften Orcs in Tiere verwandelt, in wahnsinnige Mörder. Ein paar hatten ihre Verwandlung später bereut. Aber da war es schon zu spät gewesen.

Gul’dan lächelte, als ahnte er, was der Kriegshäuptling dachte. Und vielleicht tat er das ja auch. Wer wusste schon, über welche merkwürdigen Kräfte der Hexenmeister verfügte. Doch er antwortete nur auf Doomhammers Worte, nicht auf seine Gedanken.

»Ich werde keine Orcs verwenden, um diese Altäre zu testen«, versicherte ihm Gul’dan. »Ich werde eine Kreatur aussuchen, die am meisten von größerer Stärke profitiert, dabei aber auch keinen sonderlichen Intelligenzverlust befürchten muss.« Er grinste. »Ich werde es mit einem Oger versuchen.«

Doomhammer dachte darüber nach. Sie hatten nicht viele Oger, aber die wenigen, die bei ihnen waren, wogen das Zehnfache normaler Krieger auf. Sie noch stärker zu machen, wäre sicherlich ein Risiko wert.

»Gut«, sagte er schließlich. »Du darfst einen dieser Altäre bauen. Lass uns dann sehen, was passiert. Wenn es funktioniert, werde ich dir weitere Oger zur Verfügung stellen oder Angehörige jedes anderen Volkes, die du haben willst.« Gul’dan verneigte sich tief, und Doomhammer nickte. Im Geiste beschäftigte er sich bereits mit logistischen Problemen.

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