Agitar

Obwohl Renard es noch nicht wußte, mußte die Sechseckwelt über Humor verfügen. Der Schock, in einem fremden Land als etwas anderes aufzuwachen, war für ihn viel größer, weil er sich an kaum etwas erinnern konnte, seitdem er in der Dunkelheit vor einer weiten Ebene gewartet hatte, um den Zyklopen zu entgehen.

Er setzte sich auf und schaute sich um. Hübsch hier, dachte er. Grüne Bäume, schöne Felder mit Gemüsepflanzen — sogar Treibhäuser. In der Nähe gab es eine kleine Straße, die geteert war.

In der Ferne zeichnete sich geisterhaft die Skyline einer Großstadt ab.

Er hatte keinen Zweifel daran, daß er sich immer noch auf der sonderbaren Welt befand, wo sie abgestürzt waren. Wie er hierhergelangt war, blieb ein Rätsel; jemand mußte ihn hergeschafft haben. Warum konnte er sich nicht erinnern? Der Schwamm?

Plötzlich durchzuckte ihn eine Erkenntnis. Er fühlte sich gut. Wirklich gut. Völlig klar im Kopf. Er entdeckte, daß er sich an Dinge erinnern konnte, die ihm jahrelang nicht mehr eingefallen waren — und spürte nichts von den Folgen der Schwammsucht. Beinahe staunend dachte er an Mavra Tschang. Sie allein hatte geglaubt, daß irgendwo auf dieser Welt die Sucht geheilt werden konnte, und sie hatte recht gehabt. Er wußte es tief innerlich. Er war frei!

Aber wo?

Er stand auf, verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden, fing sich aber mit den Händen ab.

Es war kein Schwindel, es war das Gleichgewicht. Irgend etwas stimmte nicht. Er starrte auf den Arm, mit dem er den Sturz abgefangen hatte. Kurze, dicke Finger mit Nägeln, die eher wie Krallen aussahen. Eine dunkelblaue Haut. Er setzte sich auf, spürte etwas Merkwürdiges und griff hinter sich. Er kam sich vor, als sitze er auf einem Stein.

Nein. Er saß auf seinem kurzen, dicken Schwanz.

Seinem was? Er schaute an sich hinunter. Die Haut war von dunkelstem Blau, dick und porös. An den Hüften wurde ganz dünnes, gelocktes Körperhaar plötzlich dicht und wollig, wie Schafwolle. Abgesehen davon, daß es blauschwarz war, sah sein Sexualorgan ziemlich normal aus, was ihn erleichterte. Seine Beine, am Oberschenkel sehr dick, waren darunter seltsam geformt, mit einem dünnen Kniegelenk, um dann hinabzuführen zu — scharfen, schwarzglänzenden, gespaltenen Hufen?

Was, zum Teufel, ging hier vor?

Die Hufe sahen zu klein aus, um seinen schweren Körper zu tragen. Deshalb mußte er hingefallen sein. Aber wie sollte er dann gehen? Auf Händen und Knien kriechen? Oder lernte man das Gehen erst?

Er glaubte einen Moment lang, ein Zyklop geworden zu sein, aber nein, er hatte zwei Augen an den richtigen Stellen, und Haare und Füße paßten auch nicht dazu.

Er betastete verwundert seinen Kopf. Spitze Ohren nah am Kopf, aber wenigstens dort, wo sie hingehörten. Die Nase schien ein wenig groß zu sein, fühlte sich jedoch normal an, wie auch das Gebiß. Er hatte im Laufe seines Lebens sechs Zähne verloren und sie nie ersetzen lassen, aber jetzt waren sie alle da, auch wenn die vorderen sich viel schärfer und vielleicht ein wenig länger anfühlten.

Er hatte Haare. Er zog an einer Strähne und sah, daß es blauschwarz war. Es begann V-förmig in der Mitte seiner Stirn, dann breitete es sich auf beiden Seiten der Hörner aus.

Hörner?

Ja, da waren sie. Knochig, nicht lang, aber scharf und eindeutig Bestandteil seines Schädels.

Ein eher dreieckiges Gesicht, das in einem spitzen, dichten Kinnbart endete.

Also gut, Renard, denk logisch, sagte er sich. Aber es war nutzlos. Von Logik war hier nichts zu spüren.

Egal, wie die Dinge auch stehen mochten, das beste war es wohl, jemanden zu finden und ihn zu fragen. Dort in der Ferne war die Stadt.

Er kroch auf Händen und Knien zu einem kleinen Baum und zog sich daran hoch. Er war oben ziemlich schwer, aber mit einiger Übung mußte es ihm gelingen, sich aufrecht zu halten. Er übte eine halbe Stunde lang und schaffte es. Er entdeckte auch, daß der Schwanz einziehbar war, so daß er beim Sitzen keine Unbehaglichkeit mehr auf sich nehmen mußte.

Das Gehen fiel jedoch schwerer. Nachdem er wiederholt hingefallen war, kroch er zum Baum zurück, stand auf und beschloß, sich anzustrengen. Er ließ den Baum los und lief einfach davon. Zu seiner Überraschung blieb er auf den Beinen. Erst als er stehenblieb, fiel er beinahe wieder um. Übungssache.

Die Sechseckwelt verlieh jedem die Fähigkeit, sich an die neue Gestalt zu gewöhnen, auch wenn Renard das noch nicht wußte. Im Laufe des Nachmittags erwarb er sie sich schneller, als man hätte annehmen können. Er kam dahinter, daß es um so besser ging, je schneller er lief.

Er erreichte eine Hauptstraße, bevor er sich umsah. Was für eine Straße! Eigentlich eine Fernstraße, zwar ohne Fahrzeuge, aber mit vielen Leuten.

Und die Straße bewegte sich.

Es war ein gewaltiges Laufband, und die Leute, die sich an Geländern festhielten, die mitliefen, waren auf zehn Spuren in beiden Richtungen unterwegs. Die beiden mittleren Bahnen waren für Handelsverkehr reserviert; große, kistenartige Behälter mit sonderbaren Symbolen und manchmal graphischen Darstellungen fuhren dort dahin, und er fragte sich, wie man sie herunterholte.

Zwei andere Dinge fielen ihm sofort auf. Das eine war, daß die Leute bekleidet waren, was ihn in Schwierigkeiten brachte. Die Männer trugen Hemden und manchmal leichte Jacken sowie kurze Hosen für die untere Hälfte. Die Frauen — nun, das war eine andere Sache. Er hatte so etwas noch nicht erlebt.

Alle blauhäutig, sahen sie von den Hüften abwärts etwa menschlich aus. Oh, sie hatten auch die kleinen Schwänze, und ihre Füße schienen etwas breiter zu sein als bei Menschen, aber die Ähnlichkeit war groß. Sie trugen zumeist Hosen und Sandalen. Aber von den Hüften aufwärts waren sie Ziegen.

Nun, nicht direkt, entschied er. Der Kopf war von runddreieckiger Form mit einem langen Unterkiefer, die Nasen waren schwarz und befanden sich am Ende des Oberkiefers. Ihre Ohren waren so spitz wie die seinen, ihre Hörner kurz und abgerundeter als die der Männer. Auf dem ganzen Oberkörper sah man das dicke, wollige, blaue Haar, das ihn von den Hüften abwärts bedeckte; die Arme der Frauen sahen aus wie Vorderbeine von Ziegen, liefen aber in lange, dünne, zerbrechlich aussehende Hände aus.

Sie besaßen alle, was sehr große menschliche Brüste zu sein schienen, fast gigantische, und bedeckt entweder mit bunten Büstenhaltern oder verschnürten Oberteilen. Und er spürte erotische Empfindungen, wenn er sie ansah. Nicht nur beim Anblick der Brüste, sondern im allgemeinen. Das verblüffte ihn. Er begann zu begreifen, wie vollständig er sich in dieses andere Wesen verwandelt hatte.

Der Mangel an Kleidung beunruhigte ihn an meisten; offenkundig würde er Aufsehen erregen, wenn er auf die Gleitstraße trat. Nirgends war zu erkennen, daß man Nacktheit für normal hielt.

Er setzte sich zwischen Obstbäume, um nachzudenken. Er hatte Hunger; wenn er hier warten wollte, bis es dunkel wurde, brauchte er etwas zu essen. Er betrachtete die großen, orangeroten, flaumigen Kugeln an den Büschen, faßte einen Entschluß und pflückte eine Frucht.

Es knisterte und knallte, und er spürte in sich, wie etwas freigesetzt wurde, das in seine Hand zu strömen schien. Die Frucht knisterte; sie war plötzlich gekocht und sehr heiß. Er ließ sie erschrocken fallen. Er spürte ein Brennen in der Hand.

Was noch alles? dachte er verblüfft.

Er griff nach einer zweiten Frucht, um sie abzureißen. Wieder spürte er die Empfindung in sich und kämpfte dagegen an. Sie schien sich zu legen und zu ersterben. Er aß die Frucht. Sie schmeckte gut.

Er berührte neugierig die gekochte Frucht. Sie war immer noch warm. Auf irgendeine Weise enthält mein Körper Hunderte, vielleicht Tausende Volt Elektrizität, dachte er, die sich entladen und wieder erneuern können. Er wußte es instinktiv, und der Erfolg beim Niederkämpfen der Kraft zeigte, daß man sie nach Wunsch zurückhalten oder anwenden konnte.

Er unternahm einen neuen Versuch mit einer anderen Frucht, berührte sie mit dem Zeigefinger und ließ die Kraft hinausfließen. Die Frucht begann zu schwelen.

Woher kommt die Energie? dachte er. Er betrachtete die dichtbehaarten Schenkel und mutmaßte, daß sich dort eine statische Ladung bilden konnte.

Vermutlich kann ich jemanden mit einem Stromstoß töten, wenn ich ihm nur die Hand gebe, dachte er staunend.

Er entdeckte, daß er die Energie fühlen konnte, sogar ein gewisses Nachlassen bei einer Entladung. Sie konnte in jeden Teil seines Oberkörpers gelenkt werden.

Er experimentierte immer noch, als eine scharfe Stimme hinter ihm sagte:»Wenn Sie fertig damit sind, hier alles niederzubrennen, stehen Sie vielleicht freundlicherweise auf und erklären mir, warum Sie nackt in einem Obstgarten sitzen und Birnen braten.«

Er fuhr herum. Es war ein Mann — was immer er sonst sein mochte. Seine Art, der Knüppel und das Funkgerät an seinem Gürtel waren nicht zu verwechseln.

Er war Polizist.


* * *

Man hatte ein vergittertes Fahrzeug angefordert, und er wurde hineingestoßen. Dann lenkte man das Gefährt auf die Gleitstraße und rollte dahin. Die Straße zu verlassen, war ganz einfach. An der Unterseite befanden sich einige Rollen, die mit einem Elektromotor verbunden waren.

Die Polizisten lieferten den Strom selbst.

Sie kamen in der Polizeigarage zum Stillstand und holten ihn heraus. Eine weibliche Beamtin tastete Informationen in einen Computer und stellte ihm Fragen.

»Name?«

»Renard.«

»Komischer Name. Wo und wann geboren?«

»In Barentsk auf dem Planeten Moskowitien, 12. August 4412«, sagte er wahrheitsgemäß.

Sie hörte auf zu schreiben und sah ihn an.

»Soll das ein Witz sein?«

»Nein. Ehrlich. Hören Sie, ich bin hier mit einem Raumschiff abgestürzt, in irgendeiner Gegend mit Riesenzyklopen, und dann wachte ich hier auf. Ich weiß nicht mehr als Sie.«

»Weniger«, sagte sie knapp und tippte etwas in die Tastatur.

Auf dem Bildschirm erschien ein Text. Sie nickte und sah die beiden männlichen Kollegen an.

»Er ist tatsächlich ein Neuzugang. Einer von den Süchtigen.«

»Sind Sie sicher?«sagte einer der Polizisten.»Mir kommt er eher vor wie ein Verrückter.«

Renard war beleidigt, wagte das aber nicht zu sagen.

»Ihr könnt es mir glauben«, sagte die Beamtin.»Holt ihm etwas anzuziehen und bringt ihn hinauf zu Leutnant Amas Büro. Ich rufe gleich an.«

Leutnant Ama war der typische gelangweilte Beamte, der in seinem Bezirk keinen Ärger wünschte. Das stellte Renard fest, nachdem er eine enge, kurze Hose und ein weißes Unterhemd bekommen hatte und hinaufgeführt worden war. Der Leutnant beantwortete auch keine Fragen. Auch sonst wollte ihm keiner etwas erklären.

Er saß stundenlang herum. Er wußte, was vorging. Ama wandte sich an seinen Vorgesetzten, der sich an seinen und so weiter, bis jemand entscheiden würde, was mit ihm zu geschehen hatte.

Wenigstens bekam er zu essen, und man zeigte ihm sogar, wie man verschiedene Stellen des Metalltellers berührte, um zu kochen, was man wollte, wie man wollte. Er kam dahinter, daß hier die Männer kochten. Frauen waren dazu nicht imstande, weil ihnen die elektrische Kapazität fehlte. Sie waren jedoch für Stromstöße so unempfindlich wie die Männer. Renard fragte sich beiläufig, wie man hier Liebe machen wollte, ohne das Haus niederzubrennen.

Er schlief in einer nicht abgesperrten Zelle, und am Mittag des zweiten Tages fragte er sich, ob man ihn vergessen hatte.

Das war nicht der Fall. Am frühen Nachmittag holte man ihn. Große Burschen — jedenfalls größer als er. Da ihm jede Vergleichsmöglichkeit fehlte, fiel ihm ein, daß er überhaupt nicht wußte, wie groß er war, zehn Zentimeter oder vier Meter.

Es war wieder eine Fahrt fällig, diesmal eine noch längere, dann brachte man ihn in ein riesiges Gebäude, das aussah wie eine Pyramide, aber mit Minarett-Türmen. Hinein in ein anderes Büro, offenkundig zu einem höheren Rang, und neue Fragen. Sie hatten keinen Zweifel daran, daß er derjenige war, für den er sich ausgab; die Fragen fielen diesmal ganz anders aus.

Die meisten galten Antor Trelig.

Er berichtete alles, was er wußte, und verbarg seinen Haß nicht. Er beschrieb den Mann, der so viele zu Sklaven des grauenhaften Rauschgifts gemacht hatte. Sie notierten alles.

Und schließlich beantworteten sie einige seiner Fragen.

»Wo bin ich?«fragte er.

Sein Befrager, ein schmächtig gebauter Mann mit Brille, dachte kurz nach.

»Sie sind in Agitar und sind ein Agitar.«

»Bin ich noch auf dem Planeten, wo ich abgestürzt bin?«

Sie erklärten ihm die Geschichte der Sechseckwelt und schilderten einige der Probleme, die sein Erscheinen erzeugt hatte.

»Sie können kein Raumschiff steuern, wie?«wurde er gefragt.

»Nein. Ich war Lehrer und Bibliothekar und zeitweise Aufseher für Treligs Gefangene.«

Der Mann dachte eine Weile nach.

»Sie müssen unseren Standpunkt Ihnen gegenüber verstehen. Agitar ist ein fortgeschrittenes, technologisches Hexagon. Es gibt nichts Elektrisches, glaube ich, das uns verschlossen wäre. Die Wissenschaft ist hier König. Wir bereiten uns jetzt auf einen Krieg vor, einen Krieg um diese Raumschiff-Teile. Und hier sind Sie — völlig analphabetisch, ohne jede Begabung, die uns nützen könnte. Sie sind jetzt für den Rest Ihres Lebens ein Agitar. Sie sind jung und stark, aber das ist auch alles. Sie müssen hier eingefügt werden, und wenn wir uns die Zusammenstellung ansehen, besitzen Sie als einzige brauchbare Fähigkeit eine gewisse Waffenkenntnis und die Gabe, ein Ziel zu treffen.«

»Wo sind die anderen, die mit mir hergekommen sind?«fragte er.»Ich möchte mich mit Mavra Tschang in Verbindung setzen.«

»Vergessen Sie das. Sie ist in den Händen der Lata, und obwohl sie neutral geblieben sind, stehen sie doch, zumindest der Anschauung nach, im Gegensatz zu uns.«Er seufzte.»Nein, ich glaube, es gibt nur eines, wo Sie hineinpassen, und das wird Ihnen guttun und Sie mit Disziplin in die Gesellschaft Agitars einfügen.«


* * *

Er wurde zum Militärdienst eingezogen.

Zwei Wochen lang, während der scharfen Grundausbildung, kam er kaum zum Nachdenken, aber er fand einige Freunde und erfuhr genau, was sich rundherum abspielte. Unter anderem wurde ihm klar, daß Agitar mit Makiem verbündet war, einem Sechseck, dessen dominierende Rasse Riesenfrösche waren, und mit Cebu, einer Rasse fliegender Reptile.

Er erfuhr ferner, daß Antor Trelig ein Makiem war.

Das bedrückte ihn. Der Gipfel an Ironie. Aus Neu-Pompeii zu entkommen, auf einem fremden Planeten vom Schwamm geheilt zu werden und wieder in die Dienste Antor Treligs zu geraten. Lachte der Computer der Sechseckwelt?

Das Schießen fiel ihm leicht. Die Waffen waren ihm fremd, aber da es im Prinzip immer nur darum ging, anzulegen und die Energie oder Projektile abzufeuern, kam er schnell damit zurecht.

Auf indirekte Weise hörte er von seinen Kameraden auch einiges über das andere Geschlecht. Die Frauen seien klug, im Durchschnitt klüger als die Männer, behaupteten manche. Der Sex fand häufig und regelmäßig statt; die Agitar waren wollüstige Leute. Aber es gab eine wirksame Geburtenkontrolle über die Kontrolle des Schacht-Monitors hinaus, so daß niemand sich gehemmt fühlte. Ehen waren unbekannt. Wenn man ein Kind wollte, suchte man sich einfach eine Frau, die auch eines haben wollte — oder umgekehrt. War es männlich, oblag es allein der Verantwortung des Vaters, es aufzuziehen. Die Frau blieb oder ging einfach. Im anderen Fall verlief es umgekehrt.

Auch beim Militär waren Frauen. Da sie keine elektrische Ladung halten oder abfeuern konnten, was für den Kampf Mann gegen Mann wichtig war, kamen sie nie an die vorderste Front, aber sie übernahmen alle anderen Aufgaben. Die meisten höheren Offiziere einschließlich des Generalstabes waren Frauen, ebenso die meisten Techniker.

Der Krieg war nicht populär. Es gab teilweise eine kindliche Begeisterung für einen Zustand, den man noch nicht kannte, aber viele Leute hielten nichts davon. Sie sahen den Krieg als eine Notwendigkeit.

Nach zwei Wochen wurde Renard zur Lufttruppe versetzt. Es war eigentlich keine Beförderung. Die Truppe kam als erste zum Einsatz und hatte die schwersten Verluste zu ertragen. Renard war entgeistert, als er sah, was das bedeutete. Keine Flugzeuge oder Raketen, nein. Es waren Pferde. Mächtige, große Pferde mit gigantischen Schwanenflügeln an beiden Seiten ihrer glatten Körper. Als klassisch Gebildeter erkannte Renard sie als Verkörperung des legendären Pegasus — und sie waren wahrhaftig prachtvoll. Es gab sie in allen Farben — braun, weiß, rosarot, blau, grün.

Und sie flogen — machtvoll, anmutig, mit einem Agitar im Sattel, die Beine waren angeschnallt. Die Tiere waren ein wenig zerbrechlich, weil sie hohle Knochen besaßen, und er begriff nie ganz, warum sie fliegen konnten, aber sie taten es, und das genügte. Sie waren auch viel klüger als Pferde. Sie reagierten auf mündliche Befehle, kleine Anstöße, Zerren am Zügel — und sie waren leicht zu dressieren, infolge der Tatsache, daß ihre Reiter sie jederzeit elektrisieren konnten.

Er bekam sofort ein solches Wesen zugeteilt. Ein wunderschönes, intelligentes Tier von grüner Farbe. Als er das erstemal flog, hatte er vor sich einen Ausbilder und alle möglichen Instrumente. Die Tiere waren jedoch leicht zu fliegen, und am dritten Tag vollführte Renard auf Doma, wie das Pferd hieß, Loopings und wirbelnde Bewegungen, als hätte er nie etwas anderes getan. Sie waren eine natürliche Paarung, Agitar und Pegasus, und verschmolzen gleichsam zu einem Organismus.

Und dazu kam der Taster. Es war ein Stahlstab, ungefähr drei Meter lang, mit Kupfer überzogen, oben mit einer Art Schwertknauf versehen. In der Hand eines männlichen Agitars stellte er einen elektrischen Leiter von hoher Wirksamkeit dar. Er war überdies dünn und für die muskulösen Arme leicht genug.

In einem nichttechnologischen Hexagon oder auch in anderen war der Taster eine ideale Nahkampfwaffe, wo man Pistole oder Gewehr nicht verwenden konnte oder wo solche Waffen nicht funktionierten.

Nach drei Wochen erklärte man seiner Klasse, eigentlich wären sie noch nicht soweit und brauchten noch einmal sechs Wochen, aber die Ausbildung sei beendet. Sie würden in den Krieg ziehen müssen.

Renard hatte eine Entscheidung gefällt — schon lange vorher, als er nämlich von Trelig erfahren hatte.

Er gedachte nicht, in Treligs Diensten zu sterben.

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