19

Auf der langen Brücke zur Pier leisteten wir verbittert Widerstand.

Fünfzehn Meter hinter uns stand die Brücke in Flammen.

Die Bootsbesatzungen hieben mit Äxten auf die Planken und Pfähle der Brücke ein. Die meisten dieser Boote stammten aus Ar-Station und waren an den Anlegeplätzen festgemacht gewesen. Der Feind hatte sich ebenfalls Boote verschafft, mit denen er versuchte, unsere Stellung zu umgehen, um uns mit Armbrüsten unter Beschuß zu nehmen, doch die Boote aus Ar-Station verhinderten dies. Die Mannschaften hatten die Brücke in unmittelbarer Nähe zum Kai gedeckt, bis der cosische Befehlshaber seine Schützen losgeschickt hatte, um sie zurückzuwerfen.

Die Cosianer griffen vierzehnmal an. Beim fünften Angriff wurden Marsias und einer der Soldaten aus der Zelle schwer verwundet. Obwohl die Brücke zu diesem Zeitpunkt schon brannte, war sie doch noch soweit begehbar, daß sich die Verwundeten durch die Flammen und den Rauch zur Pier zurückziehen konnten. Ihre Plätze wurden zu meinem Erstaunen von einem anderen kräftigen Burschen aus Ar-Station eingenommen. Es hatte den Anschein, als würden hinter uns die Männer darum wetteifern, uns beistehen zu können. Nach dem siebten Angriff mußten zwei weitere Männer der ursprünglichen Gruppe – die beiden anderen Soldaten aus der Zelle – blutend aufgeben; sie konnten sich nicht mehr auf den Beinen halten. Fischer ließen sie in wartende Boote herab. Für die beiden kletterten zwei andere Krieger auf die Brücke, um ihren Platz einzunehmen. Danach waren von der ursprünglichen Gruppe nur noch der Grauhaarige und ich übrig.

Rückenflossen durchschnitten die Wasseroberfläche und umkreisten die Boote, schwammen unter der Brücke hindurch, schlängelten sich an den Pfählen vorbei. Manchmal strebten sie plötzlich zusammen und schossen auf die Stelle zu, an der jemand im Wasser gelandet war, weil er gestolpert und von der Brücke gefallen war und blutend in die Tiefe stürzte. Aus dem Wasser ertönten Schreie, man sah ausgestreckte Hände und panische Blicke. Schäumende Gischt folgte, blutige Strudel und Griffe ins Leere, danach wurden die Körper unter Wasser gezerrt oder unter die Brücke gezogen, wo sie in den Schatten verschwanden. Gelegentlich sahen wir sogar die langen dunklen Formen, die einen Meter unter der Oberfläche schwammen, sowie die Bewegungen der kräftigen, senkrechten Schwanzflossen. Es kam vor, daß die Fische um ihre Beute kämpften, auch unter der Brücke, und dann schlugen ihre mächtigen Körper gegen die Pfähle. Ein Mann aus Ar-Station stand in einem kleinen Boot, schrie seinen Haß hinaus und stach wild mit der Pike auf einen der Schemen ein. Ich glaube, er schlitzte ihm den Rücken auf. Ein Cosianer schoß mit der Armbrust auf einen Flußräuber, der sein Boot umkreiste. Er tauchte unter, als sei er getroffen, und die Metallbefiederung des Bolzens verschwand mit der Rückenflosse im Wasser.

Zwischen den Angriffen schnappten wir keuchend nach Luft und kauerten uns hinter unsere Schilde, deren Ränder wir auf der Brücke abstützten. Sie viele Ehn lang hochzuhalten und einen Schlag nach dem anderen damit abzufangen, ist nach einiger Zeit schrecklich ermüdend für den Arm und läßt ihn schmerzen. Kein Wunder, daß Krieger oftmals mit Schilden üben, die mit zusätzlichen Gewichten beschwert sind. Verluste in den frühen Ahn einer Schlacht werden häufig durch Leichtsinn oder das Unvermögen verursacht, den Schild richtig einzusetzen, um sich zu schützen. Das gilt vor allem für junge Krieger. In den späten Ahn einer Schlacht kommt es jedoch viel öfter zu Verlusten, weil die Kämpfer nicht mehr fähig sind, den Schild zu heben. Die Versuchung ist groß, ihn zu senken, um den Schmerz in den protestierenden Muskeln zu lindern. Hinzu kommt die Erschöpfung des Armes, die durch das Schwingen des Schwertes und die Verlangsamung der Reflexe durch Ermüdung hervorgerufen wird.

Selbstverständlich hat der Gegner die gleichen Probleme. Das muß man einfach wissen – genau wie die Tatsache, daß Schlachten oft mehrere Stunden dauern und manchmal zwei oder gar drei Tage lang immer wieder aufflammen –, wenn man gewisse Dinge verstehen will, die auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich erscheinen, wie zum Beispiel die Atempausen zwischen den Angriffen, die ständigen Veränderungen im Gefüge der Reihen oder die gelegentlichen, scheinbar unbegreiflichen Waffenruhen, die sich an beliebigen Stellen der Schlachtenlinie durch eine stillschweigende Übereinkunft ergeben. Dort stehen Männer beider Seiten dann einfach herum, sehen sich an und unterhalten sich manchmal sogar miteinander. Ein weiterer Punkt ist die große Bedeutsamkeit des wohlüberlegten Einsatzes der Reserve.

Für denjenigen, der sich für derlei Dinge interessiert, sei angemerkt, daß es wohl solche Überlegungen waren, die dazu führten, die Phalanx allmählich durch das Karree zu ersetzen, wie es zur Zeit in der goreanischen Kriegskunst geschieht. Ein Karree ist taktisch gesehen nicht nur flexibler und kann in zerklüftetem Gelände eingesetzt werden, es erleichtert den Austausch der Frontlinie und ermöglicht das schnelle Heranführen ausgeruhter Truppen an entscheidende Punkte. Meiner Meinung nach ist der Erfolg vieler Generäle hauptsächlich auf den wohlüberlegten Einsatz der Reserve zurückzuführen.

Zum Beispiel Dietrich von Tarnburg: Obwohl man ihn oft nur mit solchen Neuerungen wie dem schrägen Vorstoß oder dem Einsatz von Belagerungsgerät im Feld in Zusammenhang bringt, ist er meiner festen Überzeugung nach ebenfalls ein Meister im Einsatz der Reserve. Diese Meinung gründet sich auf meine Studien seiner Feldzüge in den Kommentaren des Minicius und den ›Tagebüchern‹, die einige Gelehrte Carl Commenius zuschreiben, einem Militärhistoriker aus Argentum. Es wird behauptet, Commenius sei ebenfalls ein Söldner gewesen. Ich kann nicht sagen, ob dies der Wahrheit entspricht, aber seine Tagebücher – falls sie tatsächlich von ihm verfaßt wurden – vermitteln den Eindruck, daß ihm das Feld keineswegs fremd war. Ich kann mir nicht vorstellen, daß alle dort dargestellten Kämpfe mit ihren vielen Einzelheiten sich nur auf die Berichte von Dritten stützen. Seine Beschreibungen von Rovere und Kargash haben für mich die Lebendigkeit und die Unmittelbarkeit eines aufmerksamen Augenzeugen. Ich kann nicht glauben, daß beispielsweise ein einfacher Soldat ein Detail wie den Verlust des Wasservorrates auf dem Schlachtfeld durch ein verängstigtes Tharlarion erwähnen würde. Natürlich wäre ihm so ein Vorfall nicht entgangen, aber er würde ihn wohl kaum in seinem Bericht über die Schlacht zur Sprache bringen. Davon abgesehen stellt sich die Frage, wie ein einfacher Gelehrter zu so vielen schönen Sklavinnen und einer festungsähnlichen Villa kommen sollte, wie Carl Commenius sie sein eigen nennt. Ich vermute, daß er vor langer Zeit ebenfalls zur Stelle war, wenn die Beute verteilt wurde.

»Sie ziehen sich zurück«, sagte der Soldat neben mir.

»Sie können hier nichts mehr ausrichten«, meinte ein anderer.

Wir sahen uns erschöpft um. Ein Großteil der Brücke stand in Flammen oder lag eingebrochen im Wasser. Bohlen trieben im Hafenbecken umher und stießen gegen die Pfähle.

»Wir haben die Brücke gehalten«, sagte der Grauhaarige.

»Ja, das haben wir.«

Wir standen auf blutbeschmierten Holzplanken.

Es stimmte, wir hatten die Brücke gehalten.

Der Nachmittag war zur Hälfte vorüber. Wir standen am neuen Ende der Brücke, einer Brücke, die auf eine völlig sinnlose Weise an der Kaimauer ihren Anfang nahm und abrupt mit zersplitterten, zerschlagenen und angesengten Bohlen endete. Man hatte die Brücke hinter uns zerstört. Einige der Bootsbesatzungen hatten sich die Mühe gemacht, das Holz hinter uns mit Wasser zu tränken, um zu verhindern, daß die Flammen auf unseren Teil übergriffen, während ihre Kameraden die Pfähle durchtrennten. Trotzdem hatten wir die Hitze des Feuers in unseren Rücken gespürt. Es hatte auch Rauch gegeben, aber nicht genug, um das Geschehen auf der Brücke zu beeinflussen. Der Wind hatte sich zweimal gedreht, und der Qualm war an uns vorbeigeweht. Aus der Zitadelle war viel mehr Rauch aufgestiegen, doch der Wind, dessen Stärke seit dem frühen Nachmittag beträchtlich nachgelassen hatte, hatte ihn über den Hafen auf den Fluß hinausgetrieben.

»Sollen wir nun zur Pier schwimmen?«

»Was sonst?«

»Ich werde lieber auf die Boote warten.«

»Warum?«

»Ich habe nicht gern nasse Füße.«

Ich hörte dem Gerede der Männer nur mit halbem Ohr zu. Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Rückenflossen, die im Wasser umherschwammen. Hier und dort geriet die Oberfläche in Bewegung, als würden sich einige Meter tiefer gewaltsame Handlungen abspielen. An einigen Stellen wurde das Hafenwasser ganz schmutzig. Diese aufgewirbelten Verfärbungen wurden vermutlich von Fischen verursacht, die verbissen um Beute kämpften und dabei den Grund aufwirbelten.

Zu unserer Linken stieß ein kleines Boot sanft an einen Stützpfahl.

Wir waren zu elft. Zwei waren verwundet. Dazu gehörte der grauhaarige Bursche, der zu den ersten gehört hatte, die sich an meine Seite stellten. Er war beim letzten Angriff verletzt worden. Genau wie der andere Verwundete. Wie ließen die beiden ins Boot hinab. Zwei weitere Männer gesellten sich zu ihnen. Das kleine Boot schaukelte und wäre beinahe umgekippt.

»Wartet«, sagte der Mann an den Rudern und hob die Hand.

Wir sahen zu, wie er ablegte.

»Es sind jetzt weniger Fische zu sehen«, sagte ein Soldat.

»Bleib, wo du bist«, riet ich ihm. Seine Beobachtung stimmte, viele der Fische waren anscheinend verschwunden. Ich war sogar überzeugt davon, daß sie mit ihrer Beute im Maul in den Hafen, wenn nicht sogar in den Fluß hinausgeschwommen waren, vermutlich verfolgt von ihren weniger erfolgreichen Artgenossen. Trotzdem war das Wasser noch immer gefährlich. Manchmal verbergen sich Flußhaie wie Voskaale im Schatten der Piere und ihrer Pfähle, wo sie oft Beute in Form von Abfällen und anderen Leckerbissen machen. An einigen Stellen waren noch immer deutlich blutige Schlieren im Wasser sehen.

»Seht nur!« sagte der Soldat. Er zeigte auf die Zitadelle. Es sah so aus, als würden dort viele kleine Boote bereitgemacht sowie eine beträchtliche Zahl floßähnlicher Gebilde, die man aus allen möglichen Materialien aus der Zitadelle zusammengebaut hatte.

»Alles war umsonst«, sagte der Mann neben ihm. Dann sprachen sie alle.

»Der Hafen wird von cosischen Schiffen und der Floßkette versperrt. Eine Flucht ist unmöglich.«

»Anscheinend wollen sie nicht warten, bis wir verhungert sind.«

»Es sind ungeduldige Burschen.«

»Sie haben lange Zeit gewartet. Sie möchten die Sache eben heute nachmittag zu Ende bringen.«

»Das sollte nicht schwer sein.«

»Auf der Pier wird es ein Massaker geben. Dort gibt es keine Deckung. Alle stehen dort wie auf dem Präsentierteller. Was kann eine Handvoll Schilde da schon ausrichten? Nichts, oder so gut wie nichts. Sie können tun, was sie wollen. Sie können sich von den Booten und Flößen aus ihre Ziele suchen oder einen Frontalangriff starten.«

»Vermutlich werden sie ihren Landsleuten vor der Hafensperre ein Signal geben, damit sie gleichzeitig von zwei Seiten angreifen können.«

»Es ist alles vorbei.«

»Ja. In zwei oder drei Ahn wird alles vorbei sein.«

»Ihr beiden geht in das Boot«, sagte ich, als das nächste Ruderboot an den Pfahl stieß. Der Ruderer, ein Fischer, streckte die Hand aus, um den beiden Männern beim Einsteigen zu helfen. Wir hatten das letzte Boot überladen.

Jetzt waren wir nur noch zu fünft. Wir sahen zu, wie das Boot ablegte und langsam zur Pier ruderte.

»Ich hätte mich gern von meiner Gefährtin verabschiedet«, sagte ein Mann, offenbar ein Bürger.

»Vielleicht ist sie ja da draußen«, sagte sein Freund und legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Wann wird es vorbei sein, was glaubt ihr?« fragte ein Soldat.

»Zur fünfzehnten Ahn«, erwiderte sein Kamerad grimmig.

»Das ist gut.«

»Wieso ist das gut?«

»Dann müssen wir nicht noch eine Abendmahlzeit versäumen.«

Kurze Zeit später legte ein weiteres der winzigen Boote an der Brücke an, und die beiden Soldaten stiegen ein.

Jetzt waren wir nur noch zu dritt.

»Die Frauen und Kinder tun mir unendlich leid«, sagte der Bürger und sah zur Pier hinüber. Dort drängten sich Zivilisten, es mußten zwischen zweitausend und zweitausendfünfhundert Frauen und Kinder sein, und allenfalls dreihundert kampfbereite Männer. Wenige Augenblicke später traf das nächste Ruderboot ein.

»Ich werde mit dir warten«, sagte der Bürger zu mir.

»Nein«, erwiderte ich. »Geh nur.«

Die beiden Männer kletterten vorsichtig in das Boot.

Ich blieb allein zurück.

Rechts von mir trieb ein Fragment der Brücke halb untergetaucht im Wasser. Ich sah über den Schildrand, dann erhob ich mich und nahm den Schild wieder hoch.

Ein einzelner Mann kam auf mich zu; er trug einen Helm, und sein Schwert steckte in der Scheide. Er hatte keinen Schild. Es schien ein langer Weg bis zu mir zu sein. Als er ein paar Meter von mir entfernt war, konnte ich seine Schritte hören. Das Wasser schlug gegen das Pfahlwerk unter der Brücke. Am Himmel ertönte der Schrei einer Voskmöwe. Aus der Zitadelle stieg noch immer Rauch auf, der vom Wind auf den Fluß hinaus getrieben wurde.

»Komm nicht näher«, sagte ich.

»Der Tag gehört Cos!«

Ich nickte.

»Es bleibt nur noch das Massaker auf der Pier zu erledigen.«

Darauf blieb ich ihm die Antwort schuldig.

»Und so war alles, was du getan hast, vergebens.«

Ich schwieg. Was hier geschehen war, war in die Annalen der Vergangenheit eingegangen. Die Geschichte hat Berge und Gipfel, und nicht alles ist der Prolog zu einem letzten Akt, dem nichts mehr folgt.

»Viele glauben, du kommst gar nicht aus Ar-Station«, sagte der Fremde.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Du könntest ein Söldner sein«, fuhr er fort. »Cos braucht solche Männer. Ich komme im Auftrag von Aristimenes, dem Befehlshaber von Cos im Norden. Ihm hat deine Arbeit gefallen, auch wenn sie zu seinen Lasten ging. Ich habe hier einen Beutel voller Gold. Vermiete Cos dein Schwert, und er gehört dir.« Er ließ den Geldbeutel, dessen Riemen verschnürt waren, auf die Brücke fallen. Dann trat er einen Schritt zurück. »Siehst du«, sagte er. »Wir schlagen dir nicht den Kopf ab, während du dich danach bückst.«

»Ich bin heute nicht auf irgendwelchen Sold aus«, sagte ich.

»Dann kommst du also doch aus Ar-Station, oder gar aus Ar selbst?«

»Nein.«

»Mit dem Gold kommt ein Kommando und Frauen, ausgebildete Sklavinnen, die einen Mann auf alle erdenklichen Arten erfreuen können.«

»Aristimenes ist großzügig.«

»Wie lautet deine Antwort?«

»Ich will heute keinen Sold annehmen.«

»Und was ist mit den Frauen?« fragte er.

»Die nehme ich mir selbst.«

Er ging zu dem Gold und hob es auf. Dabei behielt er mich nicht einmal im Blickfeld. Ich wertete dies als Tribut an meine Ehre.

Er schob den Geldbeutel zurück in seine Tunika. »Du bist also kein Söldner?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Entscheide dich für Cos.«

»Nicht heute.«

»Aber heute wäre ein guter Tag, um sich für Cos zu entscheiden«, sagte er mit einem Blick auf den Pier.

»Warum hat man Ar-Station keine Verstärkung geschickt?« fragte ich.

»Lurius aus Jad, der Ubar von Cos, wollte es nicht.«

»Ich verstehe.« Wie luftig mußten dann die Höhen des Verrates sein, der sich hinter den Mauern von Ar abspielte.

»Und der Wille von Lurius ist im Norden noch nicht vollkommen ausgeführt.«

Ich verstand nicht, was er damit sagen wollte.

»Ich habe dir das Gold von Cos gebracht«, sagte er. »Wenn ich zurückkehre, bringe ich seinen Stahl. Das ist dir doch bewußt, oder?«

»Die Brücke ist nun bedeutungslos«, sagte ich.

»Nicht für Aristimenes!«

»Ich wünsche dir alles Gute.«

»Ich wünsche dir auch alles Gute«, erwiderte er, drehte sich um und ging schnell auf den Kai zu. Er hatte noch keine fünf Schritte zurückgelegt, als eine Abteilung Cosianer, die bereits dort gewartet hatten, auf die Brücke eilten. Einen Augenblick lang war er wie ein Fels in ihrer Brandung, dann drehte er sich zu mir um. Gleichzeitig legte ein kleines Floß vom Ufer ab. Zwei der Männer, die auf mich zukamen, hatten es zu eilig und trennten sich von ihren Kameraden. Dem ersten schlug ich gegen den Schildrand, und da er sich nicht mehr abfangen konnte, stolperte er von der Brücke. Den zweiten Mann traf ich unterhalb des Schildes am Knie, und er sackte auf die Bohlen. »Wartet, Männer!« rief der Offizier, der mir das Angebot unterbreitet hatte. »Bleibt zusammen, gut so! Die Speere nach unten. Vorsichtig vorrücken. Dort steht nur ein Mann. Die Schwertkämpfer an die Flanken, hinter die Speerträger. Beide Seiten abdecken. Vorwärts.«

»Hilfe!« brüllte der Soldat im Wasser und griff in die Höhe. Er versuchte, einen Pfahl hochzuklettern, rutschte aber immer wieder ab. Er kam nicht an die Holzbohlen heran. Das Brückenstück, das sich zu meiner Rechten befunden hatte, schwamm nun ein paar Meter vom verbrannten Brückenende entfernt im Hafenbecken.

»Halt!« befahl ich den anrückenden Cosianern.

Verblüfft blieben sie stehen.

Der Mann, dessen Bein ich aufgeschlitzt hatte, hinkte mühsam zu. seinen Kameraden zurück. Blut strömte über sein Knie und die Riemen seiner stiefelähnlichen Sandalen. Sein Rückzug ließ sich anhand der Blutspur auf der Brücke zurückverfolgen.

Ich legte den Schild auf dem Boden ab und streckte dem Burschen im Wasser die Hand entgegen. Es waren weniger Fische als vorhin da, aber es war unwahrscheinlich, daß er noch lange dort allein herumplanschte. Unter ihm waren bereits zwei dunkle Schatten zu sehen.

»Bleibt stehen«, befahl der Offizier.

Der Mann im Wasser, der fast gelähmt vor Angst war und dessen Augen förmlich hervorquollen, packte meine Hand, und ich zog ihn auf die Brücke. Er blieb am ganzen Leib zitternd auf den nassen Bohlen liegen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß mir so etwas vor einer Ahn gelungen wäre. Da wäre er schon längst in einem Rachen eines Besuchers aus dem Fluß, der von dem Blut im Wasser angelockt worden war, verschwunden gewesen.

Ich trat zurück und sah die Cosianer an.

Der Offizier hob sein Schwert und salutierte. Ich erwiderte den Salut. Seine Männer hämmerten mit den Schwertern auf ihre Schilde. Ich nahm auch ihre Ehrenbezeugung zur Kenntnis.

»Bei meiner Autorität und auf eigene Gefahr, nämlich mein Leben gegen deines, sollte meine Handlung Aristimenes mißfallen, biete ich dir erneut das Gold von Cos!« sagte der Offizier.

Ich schob das Schwert in die Scheide. »Ich nehme heute keinen Sold an«, sagte ich.

»Senkt die Speere«, befahl der Offizier. »Schwertkämpfer, an die Flanken.«

Da drehte ich mich plötzlich um und lief ans Ende der Brücke. Ich stieß mich ab und sprang auf das zur Hälfte untergetauchte Brückenteil. Es sank in die Tiefe, aber dann hob es sich wieder. Einen Moment später drängten sich die Cosianer an dem zersplitterten Ende. Wie erwartet verspürte keiner von ihnen Lust, den Sprung nachzumachen. Ich hatte einen Vorsprung gehabt und gewußt, wo das Trümmerstück im Wasser trieb. Keiner von ihnen würde mir nachspringen. Falls es doch einer versuchte und es bis hierher schaffte, erwartete ich ihn mit gezogenem Schwert. Meine Füße standen im Wasser. Die Kraft meines Sprungs hatte das Brückenfragment noch weiter in den Hafen getragen, in Richtung Pier. Die Cosianer und ich starrten einander an. Einige hoben die Waffen zum Salut. Ich hob die Hand. Das war wohl einer dieser seltsamen Augenblicke, die es manchmal im Krieg gibt, wenn die Rose der Ritterlichkeit einem Boden aus Gefahr und Blut entsprießt. Plötzlich schoß ein großer Hai aus dem Wasser und blieb zur Hälfte auf dem Trümmerstück liegen. Ich stieß ihn mit dem Fuß zurück. Ein paar kleine Boote voller Schützen legten vom Kai ab. Aber dann sah ich, daß die Ruderer verharrten. Auf einmal war das Brückenstück von kleinen Booten umringt, die von der anderen Seite kamen. In einem sah ich den jungen Armbrustschützen. Es wurden keine Schüsse abgegeben. Ich stieg in ein Boot. Dann drehten wir um und ruderten langsam zu dem Pier.

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