Kamchak hatte seiner Angriffsmacht etwa zwei Dutzend Wagen folgen lassen, die hauptsächlich Vorräte geladen hatten. Auf einem dieser Wagen, dessen Kuppel entfernt worden war, saßen die beiden Tarn, die Harold und ich aus Saphrars Burg entführt hatten. Man hatte sie uns mitgebracht, in der Annahme, daß sie bei der Schlacht um die Stadt noch von Nutzen sein konnten — zumal ein Tarn auch für Transportzwecke sehr gut geeignet ist, vermag er doch sieben bis zehn Männer an einem Knotenseil im Flug hinter sich herzuschleppen. Harold und ich galoppierten auf Kaiilas zu diesen Wagen. Hinter uns donnerten zwei Tausendschaften, die zum Hauptlager der Tuchuks weiterreiten sollten, das noch einige Ahn entfernt war. Harold und ich wollten unsere Tarn besteigen, um zu den Kassars und den Kataii zu fliegen und um Hilfe zu bitten, ich hatte allerdings wenig Hoffnung, daß wir von diesen Wagenvölkern Unterstützung erwarten konnten. Anschließend sollten Harold und ich wieder zu unseren Tausendschaften stoßen, zum Hauptlager zurückkehren und die Wagen und Herden nach besten Kräften schützen. Kamchak wollte inzwischen seine Position in Turia stärken und notfalls auch vorzeitig die Stadt verlassen, um gegen die Paravaci zu reiten.
Ich hatte zu meiner Überraschung erfahren, daß die Ubar der Kassars, der Kataii und der Paravaci eben jene drei Männer waren, die ich zusammen mit Kamchak bei meinem ersten Kontakt mit den Wagenvölkern getroffen hatte — Conrad, Hakimba und Tolnus. Was ich für eine Gruppe von Vorhut-Reitern gehalten hatte, war in Wirklichkeit eine Versammlung von Ubar gewesen; aber auch bei den anderen Völkern spielte ein anderer Mann den Stammesfürsten, während sich der wahre Ubar im Hintergrund hielt.
Ich wurde fast das Opfer der Bogenschützen, als ich mit meinem Tarn im Lager der Kataii landete, doch mein schwarzes Lederwams mit dem Emblem der vier Boskhörner ebnete mir schließlich den Weg, und ich wurde zur Plattform des Ubar der Kataii geführt und durfte unmittelbar mit Hakimba sprechen.
Wie erwartet, zeigte Hakimba wenig Interesse an meiner Schilderung der Probleme und Sorgen, die die Tuchuks hatten.
Offensichtlich bedeutete es ihm nichts, daß die Paravaci die Herden und Wagen der Tuchuks überfielen, während die meisten Krieger dieses Volkes in Turia gebunden waren. Andererseits mißbilligte er die Tatsache, daß dieser Überfall ausgerechnet während des Omenjahres stattfand, welches im allgemeinen eine Zeit des Friedens zwischen den Wagenvölkern ist. Ich spürte auch seine Wut, als ich von der möglichen Verbindung zwischen den Paravaci und den Turianern sprach und die Vermutung äußerte, daß die Aktion der Paravaci nur dazu dienen könnte, die Tuchuks wieder aus der Stadt zu locken. Aber obwohl Hakimba einiges gegen das Verhalten der Paravaci einzuwenden hatte, hielt er ein Eingreifen seiner eigenen Leute nicht für ratsam.
»Wir haben unsere eigenen Wagen«, sagte er. »Es sind nicht die Wagen der Tuchuks. Wenn die Paravaci unsere Wagen angreifen, kämpfen wir. Vorher nicht.«
Hakimba ließ sich nicht rühren, und ich stieg schließlich schweren Herzens wieder in den Sattel meines Tarn.
Ich blickte auf den Ubar der Kataii hinab und sagte: »Ich habe gehört, daß die Paravaci unsere Bosks töten.«
Hakimba sah mich an. »Sie töten Bosks?« fragte er skeptisch.
»Ja«, sagte ich, »und schneiden ihnen die Nasenringe heraus, um sie in Turia zu verkaufen, wenn sich die Tuchuks von dort zurückgezogen haben.«
»Das ist schlimm«, sagte Hakimba.
»Wirst du uns helfen?«
»Wir haben unsere eigenen Wagen — wir werden sie bewachen.«
»Was wirst du machen, wenn sich im nächsten Jahr die Paravaci und die Turianer gegen die Kataii wenden — und eure Bosks töten?«
»Die Paravaci«, sagte Hakimba langsam, »würden gern die Führung der Wagenvölker übernehmen — und alle Bosks. Wenn die Paravaci angreifen, kämpfen wir.«
Ich zog am ersten Zügel, ließ meinen Tarn aufsteigen und flog über die Prärie meiner Tausendschaft entgegen, die auf dem Weg zum Tuchuklager war.
Bei meinem Flug vermochte ich das Omental einzusehen, wo die Haruspexe noch immer am Werk waren. Ich lachte bitter.
Nach wenigen Ehn hatte ich meine Tausendschaft eingeholt und meinen Tarn fünf Männern übergeben, die das Tier bewachen würden, bis der Wagen nachkam.
Nach einer Ahn kehrte auch Harold von seiner Mission zurück und stieg auf den Rücken seiner Kaiila um. Ich bemerkte mit Freude, daß er mit dem Tarn schon recht gut umzugehen verstand. Offensichtlich hatte er sich in den Tagen seit unserer Flucht aus Saphrars Burg mit den Sattelzügeln und den Angewohnheiten und Reaktionen des Vogels vertraut gemacht.
Niedergeschlagen ritt er an meine Seite und sah mich an.
Harolds Mission bei den Kassars war ebenso fruchtlos gewesen. Conrad war ebenfalls nicht gewillt, seine Streitkräfte für die Verteidigung der Tuchukherden einzusetzen. Wir fragten uns, warum uns Kamchak einen Auftrag gegeben hatte, der von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen war.
Unsere Kaiila waren erschöpft, als wir das Wagenlager und die Herden der Tuchuks erreichten, und wir waren nur zweitausend. Hunderte von Wagen brannten, und überall waren Kämpfe im Gange. Tausende von Bosks lagen tot im Gras, mit durchschnittenen Kehlen und herausgerissenen Nasenringen.
Die Männer hinter uns stimmten ein Wutgebrüll an. Harold führte seine Tausendschaft zwischen die Wagen und suchte den Kampf, wo immer er einen Paravaci fand. Er wußte, daß seine Streitmacht in fünfzehn oder zwanzig Ehn aufgerieben sein würde, daß sich die Männer zwischen den Wagen verlieren mußten. Aber seine Mission war wichtig. Ich hatte mir den Präriekampf vorgenommen. Ich führte meine Tausendschaft am Rand der Herde entlang, bis wir auf hundert oder zweihundert Paravaci stießen, die damit beschäftigt waren, Tuchukbosks niederzumetzeln. Die Männer, die mit ihren Quivas und Äxten in der Hand erschreckt aufblickten, wurden in Sekundenschnelle niedergemacht. Da sahen wir, wie sich auf einem Hügel Tausende von Paravacikriegern formierten, die offensichtlich für eben diesen Augenblick im Hinterhalt gelauert hatten. Schon bestiegen die Krieger ihre frischen Kaiila. Wir hörten Boskhörner, die die Hundertschaften der Paravaci zusammenriefen, sahen ihre Waffen blitzen.
Ich hob den Arm, stieß einen Schrei aus und führte meine Tausendschaft auf die Paravaci zu, in der Hoffnung, sie zu erwischen, ehe sie sich formieren und angreifen konnten. Unsere Boskhörner ertönten, und meine kühne Tausendschaft, müde, auf erschöpften Kaiila, machte ohne Zögern Front und folgte mir in unseren Angriff auf den Kern der paravacischen Streitkräfte.
Sekunden später standen wir mitten im Kampf — wirbelten durch die halbformierten und verwirrten paravacischen Hundertschaften, hieben nach links und rechts, brüllten den Kriegsschrei der Tuchuks. Ich wollte nicht so lange auf dem Hügel bleiben, bis uns die linken und rechten Flanken der Paravaci einschließen konnten, und nach wenigen Ehn — als gerade die Mitte der Paravaci zurückwich — bliesen unsere Boskhörner schon wieder zum Rückzug — Sekunden, bevor die Flanken uns in die Zange nehmen konnten. Wir stießen zurück und die beiden Paravacihorden standen sich plötzlich ohne einen Gegner gegenüber, während wir uns langsam durch unsere Bosks zurückzogen, die wir als Schilde benutzten. Wir hielten uns allerdings so nahe, daß sich kleine Paravaciabteilungen den Tieren nicht mehr ungestraft nähern konnten.
Wir waren zwischen den Bosks einigermaßen in Sicherheit, und ich ordnete eine Ruhepause an.
Doch die Paravaci schlossen sich zu einem gewaltigen Block zusammen, näherten sich langsam der Herde und drängten hinein. Offensichtlich wollten sie dabei links und rechts Tiere töten, um auf diese Weise mit uns aufzuschließen.
Wieder dröhnten unsere Boskhörner, und meine Tausendschaft trieb die Tiere mit Lanzen an, wendete sie in Richtung Feind. Tausende von Tieren galoppierten bereits auf die näherrückenden Paravaci zu, die nun erst durchschauten, was geschah. Die Bosks bewegten sich immer schneller, begannen zu knurren und zu schnauben. Und während die Boskhörner der Paravaci verzweifelt klagten, begannen unsere Bosks loszustürmen, die mächtigen Köpfe mit den gefährlichen Hörnern nickten auf und nieder, und die Erde begann zu zittern, und meine Männer brüllten lauter und trieben die Tiere weiter an, ritten inmitten der unaufhaltsamen Flut, und die Paravaci schrien entsetzt auf und wollten ihre Kaiila wenden, doch die nachfolgenden Reihen drängten nach, und die Krieger ritten verwirrt durcheinander und versuchten die Signale ihrer Boskhörner auszumachen. Und im nächsten Augenblick stieß die Herde mit gesenkten Boskhörnern ins Ziel.
Es war die Rache der Bosks. Die erschreckten, orientierungslosen Tiere donnerten in die Linien der Paravaci und vernichteten wahllos Kaiila und ihre Reiter, und wer sein Tier noch wenden konnte, ritt um sein Leben.
Einige Augenblicke später, inmitten der dahinrasenden Bosks reitend, gab ich den Befehl, die Herde abzudrängen und sie zu den Wagen zurückzutreiben. Die fliehenden Paravaci hatten auf ihren schnellen Kaiila keine Mühe, der Herde zu entkommen, und ich wollte die Tiere nicht auf der ganzen Prärie verstreuen, wo die Paravaci leichtes Spiel mit ihnen hatten, wenn sie den Kampf wieder aufnahmen.
Als die Paravaci sich neu gruppiert hatten, war die Herde von den Tuchuks herumgeschwenkt und im Kreis geführt worden, wobei sich die Tiere allmählich beruhigten. Nun trieben wir die Bosks langam in die Nähe des Lagers zurück.
Die Abenddämmerung brach herein, und ich war sicher, daß die Paravaci, die uns zahlenmäßig etwa zwanzig zu eins überlegen waren, mit ihrem nächsten Angriff bis zum Morgen warten würden. Wenn die Vorteile dieses Kampfes auf lange Sicht so eindeutig bei ihnen lagen, hatte es wenig Sinn, das Risiko eines Kampfes in der Dunkelheit auf sich zu nehmen.
Am Morgen würden sie dann wahrscheinlich der Herde auszuweichen versuchen und eine klare Angriffsrichtung anstreben, um vielleicht durch unser Lager vorzustoßen und uns gegen unsere Herde zu treiben.
Ich hielt mit Harold Kriegsrat. Seine Tausendschaft hatte zwischen den Wagen gekämpft und auch mehrere Gebiete von Paravaci gesäubert — aber sie waren noch immer überall. Zunächst schickten wir einen Reiter nach Turia, um Kamchak über die verzweifelte Lage zu unterrichten.
»Das macht aber keinen Unterschied mehr«, sagte Harold. »Wenn er durchkommt, braucht er mindestens sieben Ahn bis Turia — und selbst wenn Kamchak mit voller Streitmacht sofort losreitet, braucht er acht Ahn für den Rückweg — und dann ist es zu spät.«
Ich nickte müde.
Wir sprachen dann noch mit unseren Männern, stellten Wachen auf und versuchten uns auszuruhen, wobei wir die Kaiila gesattelt bereithielten.
Vor dem Morgengrauen standen wir wieder auf. Kurz nach Hellwerden entdeckten wir die Paravaci, die in einiger Entfernung von der Herde ihre Tausendschaften Aufstellung nehmen ließen. Offensichtlich beabsichtigten sie das Lager von Norden her anzugreifen. Ich war entschlossen, dem Angriff auf offener Prärie entgegenzutreten, um die Paravacis zumindest einen Augenblick aufzuhalten. Dann wollte ich meine Leute zwischen die Wagen zurückziehen, die dann sofort eine Barriere bilden sollten. So hoffte ich, den Feinden wenigstens schwere Verluste beizubringen, besonders durch unsere Bogenschützen. Es war natürlich nur eine Sache der Zeit, bis unsere Barrikade umgangen war und von hinten aufgerollt wurde.
Die Schlacht begann zur siebenten goreanischen Stunde und verlief planmäßig — kaum war die Mitte der Paravacis in den Kampf verwickelt, machte der Großteil unserer Streitkräfte kehrt und zog sich zwischen die Wagen zurück. Die Nachhut schob eilig die Wagen zusammen. Kaum hatten unsere Männer die Barriere hinter sich, sprangen sie mit schußbereiten Bogen von den Kaiila und bezogen Stellung unter den Wagen und zwischen den Rädern und auch hinter den Schießscharten der Fahrzeuge.
Die Spitze des Paravaci-Angriffs brach fast durch unsere Reihen, aber wir hatten die Wagen zusammengebunden, und die Schnüre hielten dem Aufprall stand. Eine Flut von Kaiila und Reitern stürmte gegen unsere schwache Festung an. Die Gegner türmten sich förmlich vor uns auf, einige sprangen sogar über unsere Schutzwehr und wurden von Pfeilschützen hinter uns erledigt.
Auf wenige Meter Abstand rasten Tausende von Pfeilen in die dichtgedrängten Reihen der Paravaci, die jedoch weiter vordrängten. Wir mußten uns schließlich mit Lanzen wehren.
Etwa einen Pasang entfernt formierten sich neue Paravacistreitkräfte. Das Schrillen ihrer Boskhörner kam uns sehr gelegen, kündete es doch vom Ende der ersten Angriffswelle.
Ich gab rasch neue Befehle, und meine erschöpften Männer eilten los und versuchten mit äußerster Anstrengung die Brustwehr aus gefallenen Kaiila und Männern wegzuräumen, um den Feinden den Zugang auf unsere Wagen zu erschweren und um freies Schußfeld zu haben.
Kaum hatten wir die Leichen und Kadaver auseinandergezerrt, als eine neue Woge Kaiilareiter heranrollte, doch wir schlugen sie wieder zurück. Viermal bliesen die Paravaci zum Angriff, doch viermal wehrten wir uns erfolgreich. Meine und Harolds Tausendschaften waren inzwischen ziemlich dezimiert, und nur wenige Männer hatten noch keine Verletzung erlitten.
»Seht!« rief ein Bogenschütze.
Auf einem Hügel in der Nähe erschienen neue Tausendschaften der Paravaci. Es war eine riesige Armee.
»Das ist die Hauptstreitmacht der Paravaci«, sagte Harold. »Es ist soweit.«
Ich blickte über die verwüstete Wagenbarrikade, auf die Überlebenden meiner Männer, die verwundet und todmüde waren. Frauen und Sklavinnen eilten hin und her, brachten Wasser oder verbanden Wunden. Einige Tuchuks begannen das Lied vom blauen Himmel zu singen.
Ich stand neben Harold auf einer kleinen Plattform, die man zwischen zwei Wagen errichtet hatte. Wir blickten in die Ferne. Wir beobachteten das Durcheinander von Kaiila und Reitern auf dem Hügel und die Bewegungen der Standarten.
»Wir haben uns gut geschlagen«, sagte Harold.
»Ja.«
»Ich wünsche dir alles Gute.«
Ich wandte mich um und lächelte ihn an. »Und ich wünsche dir alles Gute.« Dann hörten wir wieder die Boskhörner, und wie eine gewaltige Flut der Vernichtung, wie eine Sichel des Todes rückte die gewaltige Front aus Tieren und Kriegern und Waffen auf uns zu — eine Linie, die viel breiter war als unsere schmale Wagenwehr. Immer schneller drängte die Kavalkade in unsere Richtung.
Harold und ich standen bei den Wagen, beobachteten das Herannahen der Streitmacht und warteten auf den Augenblick, da der Gesichtsschutz der Helme heruntergeklappt würde, was das Zeichen zum Senken der Lanzen war. Wir hörten nun auch das Trommeln der Kaiilahufe, das immer schneller und lauter wurde, das Kreischen der Tiere und das Klirren von Sattelzeug und Waffen.
»Hört doch!« rief Harold plötzlich.
Ich lauschte, vernahm aber nur das unglaubliche Dröhnen der paravacischen Armee — aber dann hörte ich doch von links und rechts das schrille Tönen von Boskhörnern.
»Boskhörner!« rief Harold.
»Was bedeutet das?«
Ich fragte mich, wie viele Paravaci es geben mochte.
»Schau!« brüllte Harold plötzlich.
Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Auf den Hügelkämmen kamen plötzlich weitere Truppen in Sicht, unzählige Kaiilareiter, die von links und rechts herbeigaloppierten.
Ich zog mein Schwert.
»Sieh doch!« rief Harold und sprang auf und nieder.
Und ich schaute hinüber, und plötzlich wollte mir das Herz stehenbleiben, und dann brüllte auch ich so laut ich konnte. Von links sah ich die Standarte des Gelben Bogens herbeikommen und von rechts die Fahne der dreigewichtigen Bola.
»Die Kataii!« brüllte Harold und umarmte mich. »Und die Kassars!«
Ich stand wie betäubt auf unserer Plattform und sah, wie die gewaltigen Streitkräfte der Kataii und der Kassars die Paravaci in die Mitte nahmen und den Angriff auf uns bremsten. Der Himmel schien sich zu verdunkeln, als von links und rechts Tausende von Pfeilen auf die Paravaci niedergingen, die sich bereits zur Flucht wandten.
»Wir sollten eingreifen«, bemerkte Harold.
»Ja!« sagte ich.
Ich wandte mich an unsere Männer, »öffnet die Wagenburg! Auf die Tiere!« Sekunden später saßen die wenigen hundert Krieger, die von unseren zwei Tausendschaften noch am Leben waren, auf ihren Tieren und stürzten sich in den Kampf, als seien sie ausgeruht.
Erst am späten Nachmittag traf ich mit Hakimba von den Kataii und mit Conrad von den Kassars zusammen. Wir gingen uns auf dem Schlachtfeld entgegen und umarmten uns wie Brüder.
»Wir haben unsere eigenen Wagen«, sagte Hakimba, »doch wir gehören alle zu den Wagenvölkern.«
»Es ist nur schade«, sagte ich, »daß ich Kamchak Nachricht geben ließ. Er hat sich inzwischen bestimmt aus Turia zurückgezogen, um uns zu Hilfe zu eilen.«
»Nein«, sagte Hakimba. »Wir haben Reiter nach Turia geschickt, als wir ausrückten. Kamchak weiß längst von unserem Eingreifen.«
»Für einen Kataii und einen Kassar seid ihr gar nicht so übel«, sagte Harold. »Wir müssen nur darauf achten, daß ihr uns nicht doch unsere Bosks und unsere Frauen wegnehmt.«
»Nicht nötig. Die Paravaci hatten ihr Lager ziemlich unbewacht gelassen«, sagte Hakimba.
Ich lachte.
»Ja«, sagte Conrad, »der größte Teil der Paravaci-Bosks befindet sich jetzt bei den Herden der Kataii und der Kassars.«
»Wenn die letzten Paravaci in ihr Lager zurückkehren, werden sie eine Überraschung erleben«, bemerkte Conrad.
»Wir haben die meisten Wagen angesteckt — soweit das in der Eile möglich war.«
»Und ihre Besitztümer und Frauen?« fragte Harold.
»Was uns gefiel — an Gütern und Frauen —, haben wir mitgenommen.«
»Das bedeutet Krieg«, sagte ich, »jahrelangen Krieg zwischen den Wagenvölkern.«
»Nein«, sagte Conrad. »Die Paravaci wollen bestimmt ihre Bosks und ihre Frauen zurückhaben, und das läßt sich vielleicht einrichten — gegen einen gewissen Preis.«
»Du bist klug«, sagte Harold.
»Ich glaube nicht, daß sie sich je wieder mit Turia einlassen oder -die Boskherden anderer Wagenvölker überfallen.« Damit hatte er wahrscheinlich recht. Einige Stunden später waren die letzten Paravaci aus dem Tuchuklager vertrieben. Harold und ich schickten einen Reiter in die Stadt, die Kamchak von unserem Sieg berichten sollte. In langsamerem Tempo folgte ihm je eine Tausendschaft der Kataii und der Kassars nach, um bei den Vorhaben in der Stadt zu helfen.
Am Morgen sollten die restlichen Krieger unserer Tausendschaften zusammen mit den Resten der Lagerbesatzung die Wagen fortfahren und die Bosks weitertreiben. Schon wurden die Tiere unruhig durch den Geruch der Verwesung ringsum, und es wimmelte im Gras von den winzigen braunen Prärieurts, die sich an den Kadavern gütlich tun wollten. Wir wollten in einigen Pasang Entfernung ein neues Lager aufschlagen. Ob die Wagen von dort nach Turia zurückkehren oder weiter in Richtung Ta-Thassa-Gebirge fahren sollten, war noch nicht entschieden. Harold und mir war klar, daß diese Enscheidung einzig und allein bei Kamchak lag. Die Hauptstreitkräfte der Kataii und der Kassars lagerten getrennt auf der Prärie und sollten am nächsten Morgen zu ihren Völkern zurückkehren. Beide Stämme hatten Reiter ausgetauscht, die in bestimmten Zeitabständen in ihre eigenen Lager zurückkehrten. Beide Lager hatten auch Wachen aufgestellt — auch die Tuchuks. Man hatte vereinbart, daß sich die beiden Völker nur gemeinsam und offen zurückziehen sollten, um jede Möglichkeit auszuschließen, daß einer dem anderen das antat, was die Paravaci den Tuchuks hatten antun wollen. Dieses Verhalten entsprang nicht einem begründeten Mißtrauen, sondern der jahrhundertelangen Kriegstradition dieser Wagenvölker.
Ich selbst wollte so schnell wie möglich nach Turia zurück. Harold erkläre sich einverstanden, im Lager zu bleiben, bis der Kommandant einer Tausendschaft als Ablösung aus der Stadt geschickt werden konnte. Ich dankte ihm sehr dafür — denn ich hatte in den Mauern der Stadt noch etwas Dringendes zu erledigen.
Ich wollte am Morgen losreiten.
In dieser Nacht suchte ich Kamchaks Wagen auf, der zwar ausgeraubt, aber nicht verbrannt worden war.
Von Aphris und Elizabeth war keine Spur zu entdecken; auch der umgestürzte, offene Sleenkäfig war leer. Eine Tuchukfrau erzählte mir, daß die beiden beim Angriff der Paravacis nicht in ihrem Käfig gewesen waren; Aphris hätte sich im Wagen aufgehalten, und die Barbarin — womit Miß Cardwell gemeint war — wäre zu einem anderen Wagen geschickt worden, von dem sie nichts weiter wußte. Nach Angaben der Frau war Aphris in die Hände der Paravaci gefallen — über Elizabeths Schicksal wußte sie nichts. Daß Kamchak Elizabeth zu einem anderen Wagen geschickt hatte, bedeutete wohl einen Verkauf. Ich fragte mich, wer ihr neuer Herr sein mochte, und hoffte um ihretwillen, daß sie gut mit ihm zurechtkam. Vielleicht war sie aber auch bei den Paravaci. Traurig sah ich mich im Inneren von Kamchaks Wagen um. Die Außenhaut war an mehreren Stellen zerrissen; viele Teppiche wiesen Löcher auf, einige fehlten überhaupt. Der Sattel in der Ecke war zerschnitten und die Quivascheiden waren leer. Das feine Holz des Wagens war an vielen Stellen zerkratzt. Gold und Juwelen und kostbare Bestecke und Tassen und Krüge waren gestohlen worden. Ein großer Teil des Weinvorrats fehlte; den Rest hatte man ausgegossen, wobei dunkle Flecke auf Planken und Stoffen zurückgeblieben waren. Überall lagen Scherben herum. Einige weniger wertvolle Gegenstände, an die sich aber allerlei Erinnerungen knüpften, waren noch vorhanden — so eine Messingkelle und ein Kasten mit gelbem turianischen Zucker, den Aphris und Elizabeth benutzt hatten. Ich dachte an die beiden Mädchen und fragte mich, was wohl aus ihnen geworden war, und erschöpft wie ich war, legte ich mich in Kamchaks verwüstetem Wagen zum Schlafen nieder.