17

Am Rand des Gelben Sees von Turia wurden Harold und ich von unserer Halsfessel befreit. Das Schwert erhielt ich nicht zurück, doch wurde mir meine Quiva wieder in den Gürtel gestoßen.

Der See liegt unter einem Dach; er nimmt einen weitläufigen Raum im Hause Saphrars ein, mit einer Dachkuppel, die vielleicht fünfundzwanzig Meter hoch liegt. Der eigentliche See, in einem Becken, um den ein Marmorsteg verläuft, ist kreisförmig und hat einen Durchmesser von zwanzig bis fünfundzwanzig Metern.

Der Raum ist sehr schön eingerichtet und hätte in die berühmten turianischen Bäder gepaßt. Er war mit zahlreichen exotischen Blüten bemalt, ganz in Grün und Gelb gehalten. Breitblättrige tropische Pflanzen wucherten in Nischen rings um den See; der riesige Raum war sehr schön; es herrschte jedoch eine derartige Hitze und Feuchtigkeit, daß man sich an den Äquator versetzt glaubte.

Das Licht strömte interessanterweise von einer durchsichtigen blauen Decke herab, hinter der sich wahrscheinlich Energielampen befanden; Saphrar mußte wirklich reich sein, wenn er sich diese Beleuchtung leisten konnte.

Am Rand des Sees erhoben sich acht Säulen, von denen zahlreiche Ranken ausgingen, die teilweise über dem See herabhingen; sie waren so zahlreich, daß das Dach nur bruchstückweise durch das Rankengewirr zu sehen war. Einige hingen so tief, daß sie fast die Seeoberfläche berührten. Ein Sklave stand an einer Art Schaltbrett mit Hebeln und Schaltern.

Da ich keine Belüftungsöffnungen sah, wunderte ich mich zuerst, woher die Hitze kam — und es dauerte einige Minuten, bis ich merkte, daß der seltsame Dampf vom See selbst aufstieg. Das Wasser mußte heiß sein. Die Oberfläche wirkte seltsam ruhig, und ich überlegte, was sich in den Tiefen verbergen mochte. Wenigstens hatte ich meine Quiva. Ich bemerkte, daß die Wasseroberfläche kurz nach unserem Eintritt leicht zu zittern begann — wahrscheinlich spürte das unbekannte Wesen unsere Gegenwart.

»Was für ein Ungeheuer verbirgt sich im See?« fragte ich.

»Das wirst du bald erfahren«, sagte Saphrar lachend, der uns von einigen Bewaffneten bewachen ließ.

Ich vermutete, daß es sich um ein gefährliches Wassertier handelte, von denen es auf Gor zahlreiche Arten gibt. Da es bisher noch nicht zum Atemholen an die Oberfläche gekommen war, war das Tier vermutlich ein Seewesen, das seinen Sauerstoff aus dem Wasser bezog.

»Ich möchte mir das nicht ansehen«, sagte Ha-Keel. »Mit deiner Erlaubnis ziehe ich mich zurück.«

Saphrar nickte wortlos, und Ha-Keel verließ den Raum.

»Werde ich gefesselt in den See geworfen?« fragte ich.

»Aber nein«, sagte Saphrar, »das wäre doch nicht fair.«

Ich hörte den Paravaci hinter seiner Maske kichern.

»Holt den Holzschild!« befahl Saphrar, und zwei Bewaffnete verließen den Raum.

Ich betrachtete den See. Das Wasser war schön; es schimmerte gelblich und sah aus, als wäre es voller Juwelen. Seltsame Stränge schienen sich unter der Oberfläche hinzuziehen, und hier und dort schimmerten kleine verschiedenfarbige Kugeln. Dann bemerkte ich, daß der Dampf in rhythmischen Abständen aufstieg und daß sich die Wasseroberfläche am Außenrand beim Abströmen des Dampfes leicht zu heben schien.

Meine Beobachtungen wurden durch Saphrars Männer unterbrochen, die eine anderthalb Meter hohe Holzwand brachten, hinter die sich Saphrar, der Paravaci und die mit Armbrüsten bewaffneten Krieger zurückzogen. Nur Harold und seine Wächter blieben stehen.

»Wozu der Schild?« fragte ich.

»Damit du nicht in Versuchung kommst, die Quiva nach mir zu werfen«, sagte Saphrar.

Das klang lächerlich, aber ich schwieg. Ich hatte jedenfalls nicht die Absicht, meine lebenswichtige Quiva so einfach fortzuwerfen.

Ich wandte mich wieder dem See zu. Vielleicht bildete ich es mir nur ein — aber das Gelb des Wassers schien intensiver geworden zu sein, und die seltsamen Erscheinungen unter der Oberfläche waren anscheinend in Bewegung geraten; die seltsamen Kugeln schienen sogar zu pulsieren. Der Rhythmus des Dampfes nahm an Tempo zu, und ich vermochte nun auch einen feinen Geruch wahrzunehmen, der mir bisher entgangen war.

»Bindet ihn los«, sagte Saphrar.

»Wenn es mir gelingt, das Ungeheuer im See zu vernichten oder ihm zu entkommen«, sagte ich, »dann bin ich doch wohl frei, nicht wahr?«

»Das ist nur fair«, sagte Saphrar. »Bisher ist es aber noch niemandem gelungen.«

Die Wasseroberfläche machte eine erneute Wandlung durch. Sie schien sich in der Mitte zu senken, während sie sich am Rand meinen Sandalen entgegenwölbte. Der See schimmerte nun förmlich, war von fantastischen Farbwogen überzogen, als lägen Juwelen im Sonnenlicht. Die seltsamen Stränge zuckten wild hin und her. Der Dampf stieg in heftigen Stößen auf. Es war fast, als hätte der See zu schwitzen begonnen.

»Hinein mit ihm!« befahl Saphrar.

Mit den Füßen zuerst, die Quiva in der Hand — so stürzte ich mich in die gelbe Flüssigkeit.

Zu meiner Überraschung war der See gar nicht tief — zumindest nicht am Ufer. Das Wasser reichte mir nur bis zu den Knien. Ich machte noch einige Schritte zur Mitte hin, wo es tiefer wurde. Etwa ein Drittel hatte ich zurückgelegt, als ich schon bis zur Hüfte eingesunken war.

Ich blickte mich suchend um, doch es war schwer, durch die Oberfläche in die Tiefe zu spähen. Das Dampfen hatte aufgehört — der ganze See lag ruhig.

Die seltsamen Stränge näherten sich mir nicht, sondern verharrten zufrieden, auch die seltsamen Kugeln blieben unbeweglich. Einige weiße Exemplare schienen allerdings langsam heranzuschwimmen.

Ich wartete auf den Angriff — vielleicht zwei oder drei Minuten lang.

Schon nahm ich an, daß es hier gar kein gefährliches Wassertier gab, daß man mich zum Narren gehalten hatte, und ich rief Saphrar zu: »Wo ist denn das Monstrum?«

Hinter dem Holzschild lachte der Kaufmann. »Du stehst ihm schon gegenüber!« sagte er.

»Was ist es denn?« rief ich.

»Der See!«

»Der See?«

»Ja«, sagte Saphrar triumphierend. »Er lebt!«

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