18

In diesem Augenblick stieg wieder Dampf auf — ein gewaltiger Schwall explodierte rings aus der Flüssigkeit, als wagte sich das Monstrum nun zu regen, nachdem das Opfer ihm sicher war. Ich spürte, wie sich die gelbe Flüssigkeit um meinen Körper verdickte und zu quellen begann. Ich schrie erschreckt auf und versuchte wieder den Rand des Marmorbeckens zu erreichen, der der Käfig dieses Wesens zu sein schien, in dem ich festklebte. Die Flüssigkeit war jetzt wie dunkelgelber heißer Schlamm, und als ich mich so weit zum Ufer vorgekämpft hatte, daß ich nur noch bis zu den Oberschenkeln im See« stand, wirkte die Flüssigkeit wie nasser, gelber Zement, der mich festhielt. Meine Beine begannen zu kribbeln und zu schmerzen, und ich spürte, wie meine Haut von zersetzenden Elementen angegriffen wurde.

Ich hörte Saphrar sagen: »Es dauert manchmal Stunden, bis ein Opfer völlig verdaut ist.«

Wild begann ich mit meiner Quiva auf die dicke Masse ringsum einzustechen. Nutzlos sank die Klinge ein.

»Manche, die sich nicht wehrten, haben noch bis zu drei Stunden gelebt«, sagte Saphrar.

In meiner Nähe erblickte ich eine der herabhängenden Ranken. Hoffnungsvoll griff ich danach, doch als ich eben meine Finger darum schließen wollte, zuckte die Ranke zurück. Wütend sah ich mich um und bemerkte den Sklaven, der die Bewegung der Ranke von seinem Schaltbrett aus steuerte.

»Ja, Tarl Cabot — in einer Stunde, wenn du schon wahnsinnig vor Schmerzen und Angst bist, wirst du immer wieder nach den Ranken greifen wollen, auch wenn sie fünf Meter von dir entfernt sind!« Saphrars goldene Vorderzähne blitzten, und seine dicken Fäuste trommelten vergnügt auf den Rand des Schildes.

Ich hob die Quiva, und blitzschnell verschwand der Kaufmann hinter dem Holzschild.

»Viele haben die Quiva benutzt«, sagte er, »aber nur, um sich selbst zu töten.«

»Tarl Cabot«, sagte ich, »bringt sich nicht um.«

»Das hatte ich auch nicht angenommen«, bemerkte der Kaufmann. »Sonst hätte ich dir keine Waffe gegeben.«

»Du schmutzige kleine Urt!« schrie Harold und versuchte sich von seinen beiden Wächtern loszumachen.

»Wart’s nur ab«, kicherte Saphrar. »Wart’s nur ab, mein junger Freund. Du kommst auch noch an die Reihe!«

Ich versuchte, mich nicht zu bewegen. Meine Füße und Beine waren schon kalt und gefühllos, als wären die Säfte des Sees bereits am Werk. Soweit ich feststellen konnte, hatte sich die Masse nur rings um mich verhärtet; am Rand und weiter zur Mitte hin sah ich kleine Wellen zucken. Der See schien sich in meiner Nähe aufzuwölben, so daß er am Rand noch niedriger geworden war; so mochte die Masse in den nächsten Stunden an mir emporkriechen und mich schließlich völlig umschließen und vertilgen — der Gelbe See von Turia.

Mit voller Kraft arbeitete ich mich nun nicht zum Rand vor, sondern zur Mitte hin, wo der See am tiefsten war. Zu meiner Befriedigung stellte ich fest, daß ich noch von der Stelle kam — wahrscheinlich hatte der See gegen diese Richtung nichts einzuwenden.

»Was tut er da?« rief der Paravaci.

»Er ist verrückt«, bemerkte Saphrar.

Mit jedem Zentimeter hatte sich die verdickte, zementartige gelbe Masse von mir gelöst, und ich konnte zwei oder drei ungehinderte Schritte machen — dafür stand mir der See jetzt bis zu den Achseln. Eine der schimmernden weißen Kugeln schwamm in der Nähe vorbei, wobei sie ihre Farbe veränderte, als sie näher an die Oberfläche kam — sie war eindeutig lichtempfindlich. Ich hieb mit der Quiva danach und durchschnitt sie. Das Gebilde zog sich hastig zurück, und der ganze See schien plötzlich von Licht und Dampf überflutet. Dann beruhigte er sich wieder. Nun wußte ich, daß der See wie jede Lebensform eine Reizschwelle hatte. Weitere schimmernde Kugeln umschwammen mich, ohne allerdings näherzukommen.

Ich konnte jetzt fast frei schwimmen, überquerte den Mittelpunkt des Sees, doch kaum näherte ich mich dem gegenüberliegenden Ufer, als sich die Masse wieder zu verdicken begann. Zweimal machte ich den gleichen Versuch in verschiedene Richtungen, doch jedesmal mit demselben Ergebnis. Schließlich schwamm ich frei in der gelben Flüssigkeit in der Mitte des Beckens. Unter mir, vielleicht zwei Meter tief, machte ich einige Gebilde aus, eine Art Sammlung von Fäden und Körnern in einem durchsichtigen Beutel — sich windende Stränge und Kugeln, die sich in einer durchsichtigen Membrane bewegten.

Ich steckte die Quiva zwischen die Zähne und tauchte zum tiefsten Teil des Sees hinab.

Augenblicklich begann sich die Flüssigkeit unter mir zu verdicken, versuchte mich von der schimmernden Masse am Beckenboden fernzuhalten, doch ich zerrte daran, zog mich mit den Händen immer tiefer hinein. Schließlich grub ich mich förmlich weiter unter die Oberfläche, während meine Lungen nach Luft schrien. Ich war der Bewußtlosigkeit nahe, als ich schließlich eine runde Membrane spürte, naß und schleimig, die unter meinen Fingern spasmisch zuckte. Ich nahm die Quiva aus dem Mund und drückte die Klinge mit beiden Händen gegen die zuckende Membrane. Die Masse versuchte sich zu entfernen, doch ich ließ nicht nach, zerschnitt die Membrane und hieb mit der Waffe hinein. Rings um mich schwebten nun Stränge und Kugeln, die mich von meinem Werk abzubringen versuchten, doch ich stieß immer wieder zu und drang schließlich in die versteckte Welt unter der Membrane ein, stach nach links und rechts, und plötzlich begann sich die Flüssigkeit rings um mich zu lockern und sich zurückzuziehen, festigte sich um meinen Körper und drängte mich hinaus. Ich wehrte mich, so lange es ging, doch ich ließ mich schließlich nach oben drängen. Unter mir begann sich die Flüssigkeit wie ein emporsteigender Fußboden zu verdicken, zog sich auf allen Seiten zurück, und plötzlich brach mein Kopf durch die Oberfläche, und ich konnte wieder atmen. Ich stand nun auf der verhärteten Oberfläche des Gelben Sees von Turia und sah, wie die Flüssigkeit von allen Seiten in die Masse unter mir strömte; ich stand auf einer warmen, trockenen Insel, die mich abstieß.

»Tötet ihn!« befahl Saphrar mit schriller Stimme, und im nächsten Augenblick zischte ein Armbrustpfeil an mir vorbei. Mühelos erreichte ich nun eine herabhängende Ranke und kletterte mit schnellen Bewegungen der blauen Decke entgegen. Ein zweiter Pfeil verfehlte mich knapp, doch da hatte ich die Kuppel erreicht, zerbrach mit dem Ellenbogen das blaue Glas und verschwand in einem Zwischengeschoß, in dem sich zahlreiche Energielampen befanden.

Aus der Ferne hörte ich Saphrar nach weiteren Wächtern kreischen. Ich lief über das Traggerüst, bis ich nach der Krümmung der Kuppel eine Stelle erreicht hatte, die etwa über Harold liegen mußte. Mit der Quiva in der Hand, den Kriegsschrei Ko-ro-bas ausstoßend, sprang ich aus der Kuppel, platzte durch die blaue Decke und landete zwischen meinen verblüfften Gegnern. Die Armbrustschützen spannten eben wieder ihre Waffen. Meine Quiva hatte zwei Männern ein Ende bereitet, ehe sie mich überhaupt sahen. Ein dritter und vierter sanken zu Boden. Harold, dem noch immer die Hände gefesselt waren, stürzte sich gegen zwei weitere Männer, die kreischend in den Gelben Teich fielen, der sich inzwischen wieder verflüssigt hatte.

Die beiden letzten Wächter hatten keine Armbrüste. Sie zogen ihre Schwerter. Hinter ihnen stand mit wurfbereit erhobener Quiva der maskierte Paravaci.

Ich ging sofort zum Angriff über; ich unterlief die Schwertattacke des linken Schwertkämpfers und stieß ihm meine Quiva in die Brust. Hastig entriß ich dem Sterbenden sein Schwert, duckte die sirrende Quiva des Paravaci ab und erwiderte den Angriff des zweiten Wächters, indem ich mich auf den Rücken rollen ließ und das eroberte Schwert hob. Viermal schlug der Mann zu, und viermal parierte ich, dann war ich wieder auf den Beinen. Der Mann wich zurück und stürzte in den schimmernden See.

Ich wirbelte herum, doch der Paravaci hatte bereits die Flucht ergriffen.

Nun nahm ich meine Quiva wieder an mich, wischte sie sauber und befreite Harold von seinen Fesseln.

»Nicht schlecht für einen Korobaner«, bemerkte er.

Wir hörten schnelle Schritte — Männer, die von Saphrar zur Eile angetrieben wurden.

»Schnell!« brüllte ich.

Wir liefen um den See, bis wir einige Ranken erreichten, die von der Decke hingen. Hastig kletterten wir hinauf, brachen durch die blaue Kuppel und sahen uns hastig nach einem Ausgang um. Es mußte einen Zugang geben, denn irgendwie mußten die Energielampen gewartet werden. Wir fanden eine kleine Öffnung, durch die wir schließlich einen schmalen geländerlosen Balkon erreichten.

Ich hatte das Schwert des Wächters und meine Quiva, während Harold nur mit seiner Quiva bewaffnet war.

Der Tuchuk sah sich um. »Dort!« brüllte er.

»Was denn?« fragte ich. »Tarns? Kaiila?«

»Nein — Saphrars Vergnügungsgarten!« Und mit diesen Worten verschwand er auf der anderen Seite der Kuppel.

»Komm zurück!« brüllte ich — aber er war verschwunden.

Etwa hundertundfünfzig Meter entfernt entdeckte ich über mehreren kleinen Dächern und Kuppeln, die zu dem weitverzweigten Anwesen Saphrars gehörten, die hohen Mauern eines Vergnügungsgartens. Mehrere Blumenbäume reckten ihre Wipfel über die Mauern. Ich sah auch Harold, der weit vor mir im Licht der drei goreanischen Monde über die Dächer eilte.

Wütend folgte ich ihm. Hätte ich jetzt Hand an ihn legen können, wäre er sicher nicht mit dem Leben davongekommen.

Er sprang auf die hohe Mauer und verschwand gleich darauf in dem schwankenden Wipfel eines Baumes, tauchte in der Dunkelheit des Gartens unter.

Nach kurzem Zögern folgte ich ihm.

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