14. Kapitel

Die ersten drei Stunden waren trotz des Kühlelements in Conways Anzug schweißtreibend und wurden für vorbereitende Arbeiten verwandt, zum Beispiel für die Säuberung der Körperstellen, an denen am Unfallort durch umherfliegende Metallteile Gliedmaßen abgetrennt worden waren, für das Erfassen des Ausmaßes der inneren Verletzungen und für die Überprüfung der Einsatzbereitschaft des Operationsteams.

In diesem Stadium des Verfahrens bestand Conways Arbeit vor allem in der Überwachung, folglich hing seine erhöhte Schweißabsonderung nicht mit körperlicher Tätigkeit zusammen, sondern war das, was O'Mara als psychosomatisch bedingtes Schwitzen bezeichnet hatte, ein Zustand, den der Chefpsychologe nur in seltenen Ausnahmefällen duldete.

Als einer der Patienten nach der Operation starb, fehlte Conways Gefühlen die Intensität, die er unter diesen Umständen erwartet hatte. Bei dem betreffenden Hudlarer hatte die Prognose sowieso äußerst schlecht ausgesehen, deshalb war es keine Überraschung, als die Sensoren den Tod des Patienten anzeigten. Die melfanischen, illensanischen, kelgianischen, tralthanischen und gogleskanischen Bestandteile seines Gehirns zeigten über den Verlust schwaches berufliches Bedauern; das hudlarische Alter ego hatte zwar etwas stärkere Empfindungen, doch selbst unter dessen Kummer mischte sich auch Erleichterung, weil es wußte, wie drastisch die Lebensqualität des Patienten herabgesetzt worden wäre, wenn dieser überlebt hätte. Da die übrigen drei Fälle den größten Teil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, lag Conways eigene Reaktion irgendwo dazwischen.

Atmung und Herzfunktion des Leichnams erhielt er aufrecht, damit sich die unbeschädigten Organe und Glieder, so wenige auch von ihnen übrig waren, für die Transplantation in einem optimalen Zustand befanden. Ein kleiner Teil seines Gehirns fragte sich, ob man den Hudlarer wirklich als tot bezeichnen konnte, wenn dessen Organe und Glieder in seine glücklicheren Kollegen verpflanzt wurden. Diese Frage führte in seinem mannigfaltigen Verstand zwangsläufig zu einer kleineren Auseinandersetzung zwischen dem Hudlarer und den anderen Gehirnpartnern über den Umgang mit den körperlichen Überresten nach dem Tod.

Aus Gründen, die nicht einmal von den Mitgliedern der Spezies selbst ganz verstanden wurden, waren die Hudlarer, obwohl sie in jeder anderen Hinsicht einer hochintelligenten, äußerst feinfühligen und philosophisch fortschrittlichen Lebensform angehörten, insofern beispiellos, als daß sie die jüngst Verstorbenen weder in Ehren hielten noch ihnen die geringste Achtung erwiesen. Das Andenken an einen Hudlarer, wie er zu Lebzeiten war, wurde von seinen Freunden bewahrt und in verschiedener Weise ins Gedächtnis zurückgerufen, aber diesen Erinnerungen fehlte unabänderlich jeder Zusammenhang mit der Tatsache, daß der Betreffende gestorben war. Das Leben und die Fertigkeiten des Wesens vergaß man nicht; doch der Tod wurde bewußt ignoriert, und den Verstorbenen beseitigte man so schnell wie möglich und ohne jede Feierlichkeiten, als wäre er ein unansehnlicher, herumliegender Haufen Abfall.

In jenem Fall stellte diese charakteristische Eigenart der Hudlarer allerdings einen eindeutigen Vorteil dar, weil dadurch die notwendigen und oftmals langwierigen Bemühungen entfielen, die Zustimmung der nächsten Angehörigen zur Entnahme von Organen und zu deren Transplantation einzuholen.

Als Conway bewußt wurde, daß er mit den Gedanken plötzlich ganz woanders war und nur Zeit vergeudete, gab er das Startsignal.

Er begab sich zum Operationsgestell, in dem der FROB drei hing, der Patient mit der geringfügig besseren Überlebenschance, und nahm den Platz des Beobachters neben Chefarzt Yarrence ein, dem kelgianischen Chirurgen, der das Team leitete. Ursprünglich hatte Conway die Absicht gehabt, bei der Operation des kürzlich verstorbenen FROB achtzehn dem Team selbst vorzustehen, aber wegen des Tods des Patienten konnte er jetzt die anderen drei Operationen genau beobachten, die alle so dringend und kritisch waren, daß sie nicht nacheinander, sondern gleichzeitig durchgeführt werden mußten. Die Mitglieder seines ursprünglichen Teams waren zwischen Yarrence und Chefarzt Edanelt, dem für FROB zehn verantwortlichen Melfaner, sowie dem tralthanischen Chefarzt Hossantir aufgeteilt worden, der seinerseits FROB dreiundvierzig übernommen hatte.

Die FROB-Lebensform konnte zwar im schwerelosen und luftleeren Raum leben, aber nur, wenn ihre unglaublich widerstandsfähige und elastische Haut unverletzt blieb. War die Haut durchstoßen und lagen die Blutgefäße und Organe darunter frei, wie es bei diesem Patienten an mehreren Stellen geschehen war, dann konnte man keinen tiefgehenden chirurgischen Eingriff vornehmen, solange man nicht die natürlichen Schwerkraft- und Druckverhältnisse hergestellt hatte. Alles andere hätte wegen des hohen Drucks der Körperflüssigkeiten zu starken Blutungen und Organverschiebungen geführt. Aus diesem Grund war das OP-Personal gezwungen, auf vier Ge eingestellte Gravitationsgürtel und schwere Schutzanzüge zu tragen, deren dicke Handschuhe durch enganliegende Operationsmembranen ersetzt worden waren, die die Auswirkungen des hohen Außendrucks auf ein Mindestmaß herabsetzen sollten.

Wie ein Schwärm unbeholfener Fische scharten sie sich um den Patienten, die bereit waren, mit dem chirurgischen Knabbern zu beginnen, dachte Conway.

„Die hinteren Glieder sind mit oberflächlichen Verletzungen davongekommen und werden auf natürlichem Wege verheilen“, berichtete Yarrence, eher für die mitlaufenden Aufnahmegeräte als für Conway. „Die beiden mittleren und die linke vordere Gliedmaße sind abgetrennt worden, und die Stümpfe müssen operativ zugeschnitten und mit Kappen bedeckt werden, um sie für das Anpassen von Prothesen vorzubereiten. Das rechte Vorderglied sitzt immer noch am Körper, ist aber so stark zerquetscht, daß trotz der Bemühungen, die Blutzufuhr zu den betroffenen Bereichen wiederherzustellen, bereits Wundbrand eingetreten ist. Diese Gliedmaße muß amputiert werden und der Stumpf..“

Zwar wurde der FROB in seinem Kopf plötzlich furchtbar unruhig und schien Einwendungen erheben zu wollen, aber Conway schwieg, weil er nicht wußte, wogegen sich sein hudlarischer Gehirnpartner wehrte.

„…mit einer Kappe versehen werden“, fuhr der kelgianische Chefarzt fort. „In den rechten Brustbereich ist ein Metallsplitter eingedrungen und hat eine wichtige Vene verletzt, deren Blutung durch die Anwendung von äußerem Druck nicht ganz eingedämmt worden ist. Dieser Zustand muß dringend korrigiert werden. Auch der Schädel weist eine Verletzung auf, eine große Trümmerfraktur, die den Hauptnervenstrang zusammenpreßt und die Beweglichkeit der hinteren Gliedmaßen beeinträchtigt. Die Genehmigung vorausgesetzt“, Yarrence warf einen kurzen Blick in Conways Richtung, „werden wir die verletzte Vordergliedmaße amputieren, was den Mitgliedern des Teams, die am Schädelbereich operieren, einen leichteren Zugang ermöglicht, und die Stümpfe auf das Anpassen.“

„Nein“, schnitt ihm Conway in bestimmtem Ton das Wort ab. Zwar konnte er unter dem schweren Schutzanzug nichts weiter als den kegelförmigen Kopf des Kelgianers erkennen, doch fiel es ihm nicht schwer, sich vorzustellen, wie dessen Fell vor Wut Büschel bildete. „Bedecken Sie die Stümpfe der Vorderglieder nicht mit Kappen, sondern bereiten Sie sie statt dessen für die Übertragung und Transplantation der hinteren Gliedmaßen vor. Ansonsten ist Ihre Maßnahme so, wie Sie sie umrissen haben, genehmigt.“

„Für den Patienten besteht dann aber ein größeres Risiko, und die Operationsdauer wird um wenigstens zwanzig Prozent erhöht“, widersprach Yarrence in scharfem Ton. „Halten Sie das für wünschenswert?“

Einen Moment lang schwieg Conway und dachte über die verschiedenen Lebensqualitäten nach, die den Patienten nach dem Gelingen der einfachen beziehungsweise nach der komplizierteren Operation erwarteten. Verglichen mit den ungeheuer kräftigen und exakt kontrollierbaren Vordergliedern eines normalen FROB waren die ausziehbaren, dreh- und schwenkbaren Prothesen geradezu lachhaft schwach und nutzlos. Außerdem fanden es hudlarische Amputierte vom ästhetischen Standpunkt her als unangenehm und peinlich, wenn die Vorderglieder künstlich waren,

zumal diese den Augen am nächsten lagen und für die feinfühligeren körperlichen Tätigkeiten benutzt wurden, zu denen auch die langen und komplizierten Einleitungen zur Paarung gehörten. Folglich war es unendlich besser — wenn auch angesichts des geschwächten Zustands des Patienten riskant —, die hinteren Gliedmaßen nach vorne zu verpflanzen, weil der FROB im Falle eines Gelingens der Operation über Vorderglieder verfügen würde, die nur geringfügig weniger feinfühlig und präzise als die Originale wären. Da die Gliedmaßen von demselben Lebewesen stammten, dürfte es auch keine Schwierigkeiten mit dem Immunsystem oder mit Gewebeabstoßungen geben.

Der Hudlarer in Conways Kopf behauptete beharrlich, daß er die Risiken außer acht lasse, während sich sein eigener Verstand verzweifelt bemühte, sie zu verringern.

„Verschieben Sie die Transplantation, bis die Brust- und Schädeloperationen erfolgreich abgeschlossen sind — sonst wäre die Verpflanzung vergebliche Mühe“, sagte er schließlich. „Vergessen Sie nicht, regelmäßig die Haut zu reinigen und danach wieder mit Betäubungsmittel zu besprühen. In Fällen wie diesem wird nämlich der Absorptionsmechanismus stark in Mitleidenschaft gezogen, und zwar von dem allgemeinen Zustand der.“

„Ich weiß, ich weiß.“, unterbrach ihn Yarrence ungeduldig.

„Natürlich wissen Sie das“, fuhr Conway fort. „Sie haben ja auch das Hudlarerband im Kopf gespeichert, wahrscheinlich sogar dasselbe wie ich. Die Operation enthält ein großes Gefahrenelement, liegt aber ohne weiteres im Bereich Ihrer Fähigkeiten, und wenn der Patient bei Bewußtsein wäre, hätte ich keinen Zweifel, daß er.“

„Ich will das Risiko ja auch eingehen“, schnitt ihm Yarrence zum zweitenmal das Wort ab. „Aber wenn der Hudlarer in meinem Kopf so denkt, fühle ich mich als Chirurg verpflichtet, in seinem Interesse zur Vorsicht zu raten. Doch stimme ich Ihnen in allen Belangen zu, Conway — der Eingriff ist absolut wünschenswert.“

Conway löste sich vom Operationsgestell und machte Yarrence auf diese Weise indirekt das Kompliment, nicht die Anfangsstadien der Operation beobachten zu wollen. Um die äußerst widerstandsfähige Haut eines FROB aufzuschneiden, brauchte man jedenfalls eher die Instrumente einer Reparaturwerkstatt als die eines Operationssaals, weil beim Einsatz feiner Laserstrahlen, der bei inneren chirurgischen Eingriffen eigentlich unumgänglich war, am Rand kauterisierte Wunden entstanden, wodurch das Verheilen an den Hauteinschnitten ernstlich gehemmt wurde. Bei den Klingen, die benutzt werden mußten, handelte es sich um kelgianische Skalpelle der Größe sechs mit zwei Griffen, die sowohl mit viel körperlicher Anstrengung als auch mit einem hohen Maß an geistiger Konzentration benutzt werden mußten, und häufig drohte dabei dem Arzt von der Klinge größere Gefahr als dem Patienten. Dies schien der geeignete Zeitpunkt, Yarrence von jeder unnötigen Ablenkung zu befreien, wozu auch die Anwesenheit eines angehenden Diagnostikers gehörte, und sich zu FROB zehn zu begeben.

Auf den ersten Blick war klar, daß dieser Patient seinen Heimatplaneten nie wiedersehen würde. Fünf der sechs Gliedmaßen waren entweder beim Unfall gewaltsam abgetrennt oder über jegliche Möglichkeiten operativer Wiederherstellung hinaus verletzt worden. Zudem hatte sich der FROB eine tiefe Schnittwunde an der linken Körperhälfte zugezogen, die sich bis ins Absorptionsorgan dieser Seite erstreckte und dessen Funktion lahmgelegt hatte. Durch die Dekompression, so kurz sie auch gewesen war, bevor sich die selbstschließende Rettungsblase des Opfers in der Unterkunft ausgebreitet hatte, war auch das Absorptionsorgan auf der rechten Seite in Mitleidenschaft geraten, da die Körperflüssigkeit schlagartig zu der offenen, Nulldruck ausgesetzten Schnittwunde auf der linken Seite geströmt war. Aus diesem Grund konnte FROB zehn kaum noch genügend von dem Nahrungspräparat zum Weiterleben aufnehmen, und das galt auch nur dann, wenn er sich nicht in irgendeiner Weise anstrengte.

Einen sich ständig ausruhenden FROB konnte man sich nur schwer vorstellen. Wenn so etwas überhaupt möglich war, dann würde es sich dabei auf jeden Fall um einen höchst unglücklichen Hudlarer handeln.

„Ein Eingriff, bei dem allerlei ausgetauscht werden muß“, berichtete Chefarzt Edanelt gerade, wobei er auf den sich nähernden Conway ein Auge richtete und ihn nun damit ansah. „Wenn wir ein wichtiges inneres Organ ersetzen müssen, hat es keinen Zweck, statt echter Gliedmaßen Prothesen anzupassen. Aber das macht mir Sorgen, Conway. Mein hudlarisches Alter ego empfiehlt mir, uns mit diesem FROB nicht allzuviel Mühe zu geben, während sich mein eigener, rein selbstsüchtiger melfanischer Verstand in erster Linie dafür interessiert, mehr chirurgische Erfahrungen mit anderen Spezies zu sammeln.“

„Sie gehen mit sich selbst zu streng ins Gericht“, entgegnete Conway und fügte dann nachdenklich hinzu: „Andererseits bin ich sehr froh, daß das Hospital Verwandte vom Besuch der Patienten abhält. Das postoperative Gespräch mit dem Patienten ist schon schlimm genug, insbesondere in einem Fall wie diesem.“

„Falls Ihnen die Aussicht darauf schwere psychische Qualen bereitet, übernehme ich es gern, Sie davon zu befreien“, schlug Edanelt schnell vor.

„Danke, nein“, antwortete Conway, obwohl er sich versucht fühlte. „Das ist jetzt ja meine Aufgabe.“ Schließlich war er bei diesen Fällen der leitende Diagnostiker.

„Natürlich“, sagte Edanelt. „Gehe ich recht in der Annahme, daß die Ersatzorgane und — glieder sofort zur Verfügung stehen?“

„Patient achtzehn ist vor ein paar Minuten gestorben“, antwortete Conway. „Die Absorptions- und Verdauungsorgane sind unversehrt, und es sind drei verwendbare Gliedmaßen vorhanden. Von Thornnastor werden Sie weitere erhalten, sobald oder falls Sie welche brauchen. Der Unfall war so schlimm, daß er uns keinen Mangel an Ersatzorganen beschert hat.“

Als er den Satz beendet hatte, befestigte sich Conway neben Edanelt an dem Operationsgestell und besprach mit ihm die besonderen Schwierigkeiten, die sich bei diesem Fall ergeben würden, insbesondere die Notwendigkeit, drei größere Eingriffe gleichzeitig vorzunehmen.

Wegen der Art der Verletzungen von FROB zehn war das Absorptionssystem zu weniger als fünfzig Prozent funktionsfähig, und sogar dieser Zustand konnte nur noch unter großen Schwierigkeiten aufrechterhalten werden. Zudem war es keineswegs sicher, daß sich die Verfassung nicht im Verlauf der nächsten Stunden weiter verschlechterte. Da der Absorptionsmechanismus entweder das Betäubungsmittel oder das Nahrungspräparat aufnehmen konnte, aber nicht beides gleichzeitig, war es unbedingt erforderlich, die Narkose des Patienten so kurz wie möglich zu halten. Und während es sich bei der Verpflanzung der Gliedmaßen um relativ simple mikrochirurgische Eingriffe handelte, würde die Entnahme des zerstörten Organs bei FROB zehn und die des gesunden bei dem verstorbenen FROB achtzehn kompliziert und nur geringfügig weniger schwierig werden, als das Spenderorgan in den Empfänger zu verpflanzen.

Unter den der galaktischen Föderation bekannten warmblütigen, sauerstoffatmenden Lebensformen waren die Absorptionsorgane der FROBs etwas Einzigartiges — obwohl die Hudlarer genaugenommen gar nicht atmeten. Unter der Haut auf jeder Körperseite gelegen, stellten die Organe große halbkreisförmige und überaus komplexe Gebilde dar, die mehr als ein Sechstel des Körpervolumens einnahmen und an ihren oberen Rändern vom Rückgrat geteilt wurden. Sie bildeten mit der Haut ein Ganzes, die an den entsprechenden Stellen von Tausenden von kleinen Schlitzen durchlöchert war. Die Öffnungs- und Schließbewegungen dieser Schlitze wurden von einem Geflecht willkürlicher Muskeln gesteuert, und sie erstreckten sich bis zu einer Tiefe in den Körper, die ungefähr zwischen fünfundzwanzig und vierzig Zentimetern schwankte.

Da die beiden großen Organe sowohl als Magen als auch als Lunge fungierten, nahmen sie die Mischung aus Nahrungspräparat und Luft auf, aus der die dichte, suppenartige Atmosphäre des Planeten Hudlar bestand, verarbeiteten in beachtlich kurzer Zeit die verwertbaren Inhaltsstoffe des gasförmigen Gemischs aus flüssigen und festen Bestandteilen und leiteten die Rückstände in ein einzelnes, kleineres und biologisch weniger komplexes Organ an der Unterseite des Körpers, wo die Abfallstoffe als eine milchige Flüssigkeit ausgeschieden wurden.

Da die beiden Herzen — die, geschützt von der den Körper in der Mitte durchziehenden Wirbelsäule, hintereinander zwischen den Absorptionsorganen lagen — das Blut mit einer solchen Geschwindigkeit und einem derartigen Druck zirkulieren ließen, waren die frühen Versuche der Hudlarerchirurgie für die Patienten ausgesprochen riskant gewesen. Seit dem Eintritt des Planeten in die Föderation hatte man jedoch eine Menge chirurgischer Fachkenntnisse über FROBs gesammelt, und, was noch wichtiger war, ein Hudlarer war nur sehr schwer zu töten.

Sofern er nicht, wie in diesem Fall, schon mehr als halbtot war.

Ein großer Vorteil bestand für das Team darin, daß es sich bei sämtlichen Eingriffen, den verschiedenen Verpflanzungen der Gliedmaßen und der Absorptionsorgane, um offene Operationen handelte. Das angestrengte Suchen und Schneiden und Nähen in winzigen, begrenzten Organzwischenräumen würde es also gar nicht erst geben. Falls erforderlich, konnten mehrere Chirurgen am Operationsfeld gleichzeitig arbeiten, und Conway wußte mit Sicherheit, daß das Operationsgestell von FROB zehn schon bald der belebteste Ort im ganzen Krankenhaus sein würde.

Als Edanelt den Schwestern die letzten Anweisungen erteilte, in welche Lage der Patient zu bringen sei, wandte sich Conway ab, um nach FROB dreiundvierzig zu sehen. Allmählich bekam er das Gefühl, wieder im Weg zu sein, einen Eindruck, an den er sich in zunehmendem Maße gewöhnt hatte, seit es sein ständiger Aufstieg in den vergangenen Jahren immer häufiger erforderlich gemacht hatte, Vollmachten und Verantwortlichkeiten auch an andere zu übertragen. Wie er zudem wußte, war Edanelt als einer der führenden Chefärzte des Hospitals ein viel zu verantwortungsbewußter Arzt, als daß er auch nur eine Sekunde lang zögern würde, um Conway um Hilfe zu bitten, falls er tatsächlich in Schwierigkeiten geraten sollte.

Schon eine oberflächliche Untersuchung von FROB dreiundvierzig hatte ergeben, daß es nicht schlecht um die Patientin stand. Alle sechs Glieder waren noch vorhanden und befanden sich in eindeutig unverletztem Zustand, die poröse Haut über den Absorptionsorganen war unversehrt, und der Schädel und das Rückgrat hatten, wie deutlich zu sehen war, keine Schäden davongetragen — obwohl sich diese Hudlarerin in einem Abschnitt der zerstörten Wohneinheit befunden hatte, in dem die schwersten Opfer zu beklagen waren. In den Aufzeichnungen zu diesem Fall fand sich die kurze Erwähnung, daß sie durch den Körper eines anderen FROB, der nur geringe Überlebenschancen besaß, geschützt worden war.

Doch das Opfer des Gefährten von FROB dreiundvierzig — aller Wahrscheinlichkeit nach ihr Lebensgefährte — war vielleicht vergebens gewesen. Direkt unterhalb der Mittelgliedmaße an der rechten Unterseite des Körpers von FROB dreiundvierzig befand sich nämlich eine tiefe, von einem provisorischen Druckverband bedeckte Stichwunde, die von einem Stück Metallstange verursacht worden war, das die Haut wie ein stumpfer Speer durchbohrt hatte. Dabei war die Gebärmutter an der Seite aufgerissen worden — die Patientin hatte zur Zeit des Unfalls dem weiblichen Geschlecht angehört —, und obwohl die Stange die Hauptblutgefäße in diesem Bereich verfehlt hatte, war sie nur wenige Millimeter vor dem hinteren Herzen steckengeblieben.

Der Fötus schien in gutem Zustand zu sein, auch wenn die Metallstange wenige Zentimeter an seiner Wirbelsäule vorbeigegangen war. Während das Herz selbst keine Schäden aufwies, hatte das stumpfe Ende der Stange die Blutzufuhr zur Herzmuskulatur auf der entsprechenden Seite so stark abgeklemmt, daß bleibende Schäden aufgetreten waren. Zwar wurde die Herztätigkeit durch das Lebenserhaltungssystem aufrechterhalten, doch selbst mit dieser Unterstützung drohte ein Herzstillstand, so daß eine Transplantation dringend angezeigt war. Conway seufzte, da er nach der Operation eine weitere emotional schmerzhafte Erfahrung auf sich zukommen sah.

„Zur Transplantation steht das Herz von FROB achtzehn zur Verfügung“, sagte er Hossantir, dem tralthanischen Chefarzt, der die Operation von FROB dreiundvierzig leitete. „Wir entnehmen ihm bereits die Absorptionsorgane und sämtliche unverletzten Gliedmaßen, also dürfte es ihm nichts ausmachen, uns auch sein Herz zu spenden.“

Hossantir richtete eins seiner vier Augen auf Conway und entgegnete: „Da FROB achtzehn und dreiundvierzig Lebensgefährten waren, haben Sie höchstwahrscheinlich recht.“

„Das wußte ich gar nicht“, erwiderte Conway unangenehm berührt, da er eine indirekte Kritik des Tralthaners an seinem respektlosen Gerede vermutete; denn die FGLIs hielten — im Gegensatz zu den Hudlarern — ihre jüngst Verstorbenen in hohen Ehren. „Wie werden Sie vorgehen?“ fragte er den Tralthaner.

Hossantir hatte vor, das immer noch in der Wunde steckende Stück Metallstange dort zu lassen. Von den Mitgliedern des Rettungsteams war es direkt an der Haut abgeschnitten worden, um die Verunglückte leichter transportieren zu können, doch sie hatten klugerweise nicht die gesamte Stange entfernt, weil sie die Verletzungen sonst womöglich noch verschlimmert hätten. Da das untere Ende der Stange durch die Stillung der tieferen inneren Blutungen einen guten Zweck erfüllte, würde das vordringliche Vernähen des Risses in der Gebärmutter bedeuten, daß die für die später erfolgende Herztransplantation erforderlichen Instrumente an der Gebärmutter vorbeikommen mußten, ohne dabei den Fötus zu gefährden.

Die Wundöffnung befand sich zwar nicht an der Stelle, die Hossantir für eine Herztransplantation gewählt hätte, lag aber für das nach der operativen Vergrößerung angestrebte Ziel nahe genug — ein Verfahren, durch das man vermied, die Patientin dem zusätzlichen seelischen Schock eines weiteren tiefen Einschnitts auszusetzen.

Als der Tralthaner seine Erläuterungen beendet hatte, sah sich Conway das Operationsgestell und die Operationsmannschaft an, die schwerelos in der Nähe schwebte. Sie bestand aus einem Melfaner, zwei Orligianern und einem weiteren Tralthaner, die allesamt Assistenzärzte waren, sowie aus fünf kelgianischen und zwei ianischen Schwestern, die ihn samt und sonders schweigend musterten. Conway wußte nur zu gut, daß Chefärzte auf scheinbare Eingriffe in ihre Autorität äußerst empfindlich reagieren konnten, insbesondere, wenn sie aufgrund eines einfachen Versäumnisses ihrerseits die Anweisung erhielten, etwas Bestimmtes zu tun. Sein kelgianisches Alter ego wollte ihn direkt zur Sache kommen lassen, während der tralthanische Bestandteil seines Gehirns zu einem diplomatischeren Ansatz riet.

„Selbst nach einer operativen Vergrößerung der Wunde wird der Zugriff auf das Operationsfeld eingeschränkt sein“, sagte er vorsichtig.

„Natürlich“, erwiderte Hossantir.

Jetzt versuchte Conway es auf direkterem Weg. „Es werden nicht mehr als zwei Chirurgen gleichzeitig operieren können. Folglich ist ein beträchtlicher Teil Ihres Teams überflüssig.“

„Selbstverständlich“, bestätigte Hossantir.

„Chefarzt Edanelt braucht Hilfe“, gab Conway nun unmißverständlich zu verstehen.

Zwei von Hossantirs Augen schwenkten herum und verfolgten die an Edanelts Gestell stattfindenden Vorbereitungen. Dann teilte der Tralthaner schnell seine beiden orligianischen und den tralthanischen Arzt zur Unterstützung des anderen Chefarzts ein und gab ihnen die Anweisung, um die Hilfe von Schwestern zu bitten, sowie oder falls dies erforderlich sein sollte.

„Das war unverzeihlich selbstsüchtig und gedankenlos von mir“, entschuldigte sich Hossantir bei Conway. „Ich danke Ihnen für die taktvolle Art, in der Sie mich vor meinen Untergebenen an meine Unachtsamkeit erinnert haben. Aber seien Sie bitte in Zukunft etwas direkter. Ich habe ständig ein kelgianisches Schulungsband im Kopf gespeichert und werde an einem scheinbaren Eingriff in meine Autorität keinen Anstoß nehmen. Offen gestanden beruhigt mich Ihre Anwesenheit außerordentlich, Conway, da meine Erfahrungen mit tiefen operativen Eingriffen bei Hudlarern nicht sonderlich umfangreich sind.“

Wenn ich meine eigenen Erfahrungen auf dem Gebiet hudlarischer Chirurgie einzeln aufzählen müßte, dachte Conway sarkastisch, wärst du möglicherweise von meiner Anwesenheit überhaupt nicht mehr beruhigt.

Dann lächelte er plötzlich, als er sich erinnerte, wie O'Mara die Funktion eines Diagnostikers im Operationssaal sardonisch als größtenteils psychologisch bezeichnet hatte — der Diagnostiker war vor allem anwesend, um sich Sorgen zu machen und die Verantwortung zu übernehmen, die seine Untergebenen möglicherweise nicht tragen konnten.

Während er zwischen den drei Patienten umherging, rief er sich seine ersten Jahre nach der Beförderung zum Chefarzt in Erinnerung und wie er die Verantwortung übernommen und manchmal geradezu eifersüchtig gehütet hatte. Bei der Arbeit unter Aufsicht hatte er stets zu beweisen versucht, daß der anwesende Diagnostiker eigentlich überflüssig war. Mit der Zeit war ihm das immer erfolgreicher gelungen, denn die Aufsicht hatte sich auf ein Mindestmaß beschränkt und hin und wieder sogar völlig gefehlt. Einige Male war es allerdings auch vorgekommen, daß Thornnastor oder einer der anderen Diagnostiker, die Conway bei den Operationen im Nacken gesessen und ihn ärgerlicherweise abgelenkt hatten, hereinkam und auf diese Weise sowohl das Leben eines Patienten als auch die beruffiche Laufbahn eines frischgebackenen Chefarzts rettete, dessen Begeisterung zeitweilig an Verantwortungslosigkeit grenzte.

Wie es diese Diagnostiker geschafft hatten zuzusehen, ohne einzuschreiten, Alternativmaßnahmen vorzuschlagen oder ihn in jeder Phase schrittweise anzuleiten, wußte Conway nicht, weil er es selbst fast unmöglich fand, so zu verfahren.

Während die Stunden verstrichen, gelang es ihm, mit dem fast Unmöglichen fortzufahren und seine Aufmerksamkeit zwischen den Operationsplätzen von Yarrence, Edanelt und Hossantir und den Tätigkeiten rings um den verstorbenen FROB achtzehn aufzuteilen, bei dem die zur Entnahme der Spenderorgane und der Glieder notwendigen Eingriffe mit der gleichen Sorgfalt und Präzision vorgenommen wurden wie bei den Empfängern. Bei diesen Arbeiten gab es mehrere Aspekte, zu denen er sich hätte äußern können, allerdings nicht in allzu kritischen Worten, deshalb schwieg er und erteilte nur Ratschläge, wenn er darum gebeten wurde. Doch obwohl die drei Chefärzte hervorragende Arbeit leisteten und er sorgfältig darauf achtete, seine Zeit gleichmäßig unter ihnen aufzuteilen, beobachtete er Hossantir am genauesten. Wenn einer der Patienten Schwierigkeiten bereiten würde, dann FROB dreiundvierzig.

Es geschah in der fünften Stunde der verschiedenen chirurgischen Eingriffe. Die Operation des eingedrückten Schädelbruchs und der Arterien bei FROB drei war gut verlaufen, und die weniger kritische Verpflanzung der Gliedmaßen ging in zufriedenstellender Weise voran. Bei FROB zehn waren die Transplantation der Absorptionsorgane abgeschlossen und die Dekompressionsschäden behoben worden, so daß sich auch dieser Patient nur noch den langwierigen mikrochirurgischen Arbeiten an den Gliedmaßen unterziehen mußte. Darum war es nur natürlich, daß sich Conway am Gestell von FROB dreiundvierzig festhakte, um Hossantir bei den äußerst heiklen ersten Schritten zuzusehen, das Spenderherz in den neuen Körper einzusetzen.

Plötzlich schoß lautlos eine Fontäne Hudlarerblut hervor.

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