22

Als das Mädchen losgekettet war, hob ich sie hoch und trug sie zu einem der runden Zelte, das man mir zugewiesen hatte.

Dort sollten wir warten, bis der Sklavenkragen graviert worden war. Das Zelt war mit dicken bunten Teppichen ausgelegt und mit zahlreichen Seidenvorhängen geschmückt. Das Licht spendete eine Tharlarionlampe, die an drei Ketten hing. Kissen lagen herum. Sanft setzte ich das Mädchen ab, das sich langsam umsah.

»Du wirst mich jetzt unterwerfen, nicht wahr?«

»Nein«, sagte ich.

Sie kniete vor mir nieder und legte die Stirn auf den Teppich. »Schlag mich«, sagte sie.

Ich hob sie hoch.

»Hast du mich nicht gekauft, um mich zu vernichten?« fragte sie verwundert.

»Nein«, sagte ich. »Hast du deshalb zu mir gesagt: »Kaufe mich, Herr ?« »Ich glaube schon«, erwiderte sie. »Ich hoffte wohl, daß du mich umbringen würdest. Aber ich bin mir nicht sicher.«

»Warum wolltest du sterben?«

»Ich war Tatrix von Tharna«, sagte sie und senkte den Blick, »und ich möchte nicht als Sklavin weiterleben.«

»Ich werde dich nicht töten«, sagte ich.

»Gib mir dein Schwert, Krieger«, sagte sie, »und ich stürze mich hinein.« »Nein.«

»Ja, ein Krieger hat nicht gern das Blut einer Frau an seinem Schwert.« »Du bist jung, schön und voller Leben. Schlag dir die Städte des Staubes aus dem Kopf.«

Sie lachte bitter auf.

»Warum hast du mich gekauft?« fragte sie. »'Du wolltest doch sicher deine Rachegelüste befriedigen! Hast du vergessen, daß ich dich unter ein Joch gezwungen habe, daß ich dich auspeitschen und schließlich in die Arena schicken ließ? Daß ich es war, die dich verriet und in die Bergwerke Tharnas schickte?«

»Nein«, sagte ich kurz, »ich habe das nicht vergessen.«

»Ich auch nicht«, sagte sie stolz. Es war klar, daß sie nichts von mir erwartete und mich um nichts bitten würde — nicht einmal um ihr Leben. Sie musterte mich furchtlos — doch war sie hilflos und mir völlig ausgeliefert. Es war ihr wichtig, eines guten Todes zu sterben, und ich bewunderte sie dafür und fand sie in ihrer Hilflosigkeit unwiderstehlich. Ihre Unterlippe zitterte, und sie versuchte sie mit einer unmerklichen Bewegung unter Kontrolle zu bringen. Ein winziger Blutstropfen stand auf ihrer Lippe. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, daß ich das Blut am liebsten mit meiner Zunge abgeküßt hätte.

Ich sagte nur: »Ich möchte dir kein Leid tun.«

Sie starrte mich verständnislos an.

»Warum hast du mich gekauft?« fragte sie.

»Ich habe dich gekauft, um dich freizulassen«, sagte ich.

»Aber du wußtest doch nicht, daß ich die Tatrix von Tharna war«, sagte sie spöttisch.

»Nein«, erwiderte ich.

»Aber jetzt weißt du es — und was tust du mit mir?«

Ich lachte. »Du hast mir viel zum Nachdenken gegeben«, sagte ich. »Was geschieht mit mir?«

»Ich gebe dich frei.«

Sie trat ungläubig zurück. In ihren blauen Augen stand die Verwunderung, und plötzlich erschienen Tränen darin. Ihre Schultern begannen zu zucken.

Ich legte die Arme um ihre schmalen Schultern, und zu meinem Erstaunen legte dieses Mädchen, das die goldene Maske Tharnas getragen hatte, das Tatrix dieser düsteren Stadt gewesen war, den Kopf an meine Brust und begann zu weinen.

»Nein«, sagte sie, »ich bin es nicht wert, mehr als eine Sklavin zu sein.« »Das stimmt nicht«, sagte ich. »Denk daran, einmal hast du den Befehl gegeben, mich nicht zu schlagen. Einmal sagtest du auch, es wäre nicht leicht, die Erste Frau Tharnas zu sein. Denk daran, daß du dir einmal eine Wiese voller Talenderblumen anschautest und ich zu dumm und närrisch war, um mit dir zu sprechen.«

Sie stand in meinen Armen, und ihre tränenerfüllten Augen sahen mich an. »Warum hast du mich nach Tharna zurückgebracht?« fragte sie. »Um dich gegen meine Freunde auszutauschen«, sagte ich.

»Und das Silber und die Edelsteine Tharnas haben dich nicht interessiert?«

»Nein.«

Sie trat zurück. »Bin ich nicht schön?«

Ich sah sie an.

»Du bist sehr schön«, sagte ich, »so schön sogar, daß tausend Krieger ihr Leben lassen würden, um einmal dein Gesicht zu sehen, so schön, daß deinetwegen hundert Städte in Schutt und Asche fallen konnten.« »Würde ich einem — einem Tier gefallen?« wollte sie wissen.

»Es wäre ein großer Sieg für einen Mann, dich an seiner Kette zu haben.«

»Und doch wolltest du mich nicht behalten! Du hast mir gedroht, mich auf dem Sklavenmarkt von Ar zu verkaufen.«

Ich schwieg.

»Warum wolltest du mich nicht behalten?«

Es war eine kühne Frage für dieses Mädchen, das einmal Tatrix von Tharna war. »Meine Liebe gehört Talena, der Tochter Marlenus, der einmal Ubar Ars gewesen ist.«

»Ein Mann kann viele Sklavenmädchen haben«, sagte sie hochmütig. »Gewiß tragen in deinem Sklavengarten — wo immer der sein mag — viele Mädchen deinen Kragen.«

»Nein.«

»Du bist ein seltsamer Krieger ...«

Ich zuckte die Achseln.

Sie richtete sich vor mir auf. »Willst du mich nicht?«

»Dich zu sehen, heißt, dich zu wollen«, sagte ich.

»Dann nimm mich! Ich bin dein.«

Ich blickte zu Boden und suchte nach den passenden Worten.

»Ich verstehe dich nicht«, sagte ich.

»Tiere sind Narren!« rief sie aus.

Nach diesem unglaublichen Ausbruch trat sie an die Zeltbahn, klammerte sich an einen Vorhang und barg ihr Gesicht in den Falten. Schließlich wandte sie sich um. In ihren Augen standen Tränen. Ärgerlich sagte sie: »Du hast mich nach Tharna zurückgebracht.« »Um der Liebe meiner Freunde willen«, sagte ich. »Und wegen der Ehre!« »Vielleicht auch wegen der Ehre!« »Ich hasse deine Ehre!«

»Manche Dinge sind eben doch starker als die Schönheit einer Frau.« »Ich hasse dich!«

»Das tut mir leid.«

Lara lachte traurig auf und setzte sich, legte den Kopf auf die Knie. »Ich hasse dich gar nicht.«

»Ich weiß.«

»Aber ich habe ... ich habe dich gehaßt. Als Tatrix von Tharna haßte ich dich — sehr sogar.«

Ich antwortete nicht. Ich wußte, daß sie die Wahrheit sprach. Ich hatte das heftige Gefühl gespürt, mit dem sie sich gegen mich aufgelehnt hatte.

»Weißt du, Krieger, warum ich dich gehaßt habe?«

»Nein«, sagte ich.

»Weil ich dich wiedererkannte, als ich dich zum erstenmal sah — ich hatte dich in tausend verbotenen Träumen schon gesehen.« Sie schaute mich an. »In diesen Träumen war ich die stolze Tatrix meiner Stadt, umgeben von meinem Rat und meinen Kriegern. Und plötzlich kam ein gewaltiger Tarn durch die Decke herabgestiegen, die wie Glas zerbrach, ein riesiger Tarn mit einem behelmten Krieger. Er löste meinen Rat auf, zerschlug meine Armeen und entführte mich im Sattel seines Tarn in seine Stadt, wo ich — die stolze Tatrix von Tharna — sein Brandzeichen und seinen Kragen tragen mußte.«

»Du darfst diese Träume nicht fürchten«, sagte ich.

»Und in seiner Stadt«, fuhr das Mädchen mit leuchtenden Augen fort, »legte er mir Glöckchen um die Knöchel und kleidete mich in Tanzseide. Mir blieb gar nichts anderes übrig, ich mußte ihm gehorchen. Und wenn ich nicht mehr tanzen konnte, nahm er mich in die Arme und zwang mich, wie ein Tier seinem Vergnügen zu dienen.«

»Ein grausamer Traum«, sagte ich.

Sie lachte, und auf ihrem Gesicht leuchtete die Scham. »Nein«, sagte sie, »der Traum war gar nicht grausam.«

»Ich verstehe nicht.«

»In seinen Armen lernte ich etwas, das Tharna uns nicht lehren konnte. In seinen Armen lernte ich es, an der heißen Flamme seiner Leidenschaft teilzunehmen. In seinen Armen lernte ich Berge und Blumen kennen und hörte den Schrei wilder Tarns und spürte die Klauenberührung eines wilden Larls. Zum erstenmal in meinem Leben kamen meine Sinne zu ihrem Recht — zum erstenmal spürte ich die Bewegung der Kleidung an meinem Körper, zum erstenmal sah ich, wie sich ein Auge öffnet, spürte, wie sich die Berührung einer Hand wirklich anfühlt — und da wußte ich, daß ich nicht mehr oder weniger war als dieser Mann oder jedes andere lebendige Wesen auf dieser Welt, und ich liebte ihn!«

Ich schwieg.

»Ich hätte seinen Kragen nicht um alles Gold und Silber Tharnas aufgegeben, nicht um alle Steine ihrer grauen Mauern!«

»Aber du warst doch gar nicht frei in deinem Traum«, sagte ich. »War ich denn frei in Tharna?«

Ich starrte auf das verschlungene Teppichmuster und schwieg. »Natürlich«, fuhr sie fort, »unterdrückte ich als eine Frau, die die Maske Tharnas trug, diesen Traum. Ich haßte ihn. Er entsetzte mich. Er besagte, daß sogar ich, die Tatrix der Stadt, die unwürdige Natur eines Tieres hatte.« Sie lächelte. »Als ich dich dann sah, glaubte ich, in dir den Krieger meines Traums wiederzuerkennen. Also haßte ich dich und wollte dich vernichten, weil du mich und meine Stellung bedrohtest, und während ich dich haßte, fürchtete ich dich auch — und ich sehnte mich nach dir.«

Ich blickte überrascht auf.

»Ja«, sagte sie, »ich sehnte mich nach dir.« Sie senkte den Kopf, und ihre Stimme war so leise, daß ich sie kaum noch verstehen konnte. »Obwohl ich Tatrix von Tharna war, wollte ich dir zu Füßen liegen, wollte ich mit gelben Schnüren auf rotem Teppich gebunden werden.«

Ich erinnerte mich daran, daß sie im Ratssaal Tharnas schon einmal von gelben Schnüren gesprochen hatte.

»Was hat es mit dem Teppich und den gelben Schnüren auf sich?« »In den alten Zeiten waren die Verhältnisse noch anders in Tharna.« Im Zelt des Sklavenhändlers berichtete mir Lara nun aus der seltsamen Geschichte ihrer Stadt. Zu Anfang hatte sich Tharna kaum von anderen goreanischen Städten unterschieden, in denen Frauen keinerlei Vorrangstellung und schon gar keine Rechte genossen. Damals waren die Riten der Unterwerfung praktiziert worden, bei denen die Gefangene mit gelben Schnüren gefesselt und auf einen roten Teppich gelegt wurde. Die gelbe Farbe der Schnüre war ein Symbol für die Talenderblume, die oft mit weiblicher Liebe und Schönheit gleichgesetzt wurde, und das Rot des Teppichs entsprach wohl der Farbe des Blutes, ein Symbol für die Leidenschaft.

Der Sieger über das Mädchen legte ihr das Schwert auf die Brust und sprach den vorgeschriebenen Versklavungsspruch — die letzten Worte, die das Mädchen als freie Frau hören würde.

Wenn der Sieger das Mädchen schließlich freigab und den Ritus vollendete, wenn sie dann aufstand und ihm folgte, war sie in seinen und ihren Augen eine Sklavin.

Mit der Zeit gerieten diese grausamen Riten in Vergessenheit, und die Frauen Tharnas gewannen an Bedeutung, wurden Vernünftiger und menschlicher behandelt. Durch ihre Liebe und Zärtlichkeit lehrten sie ihre Herren, daß auch sie des Respekts und der Zuneigung wert waren. Und je mehr die Sklavinnen ihren Herren am Herzen lagen, desto geringer wurde der Wunsch, sie zu demütigen, denn nur wenige Männer vermögen eine Frau zu erniedrigen für die sie echte Gefühle empfinden. Und als sich der Status der Frauen verbesserte und weniger klar definiert war, begannen sich auch die feinen Spannungen der Beherrschung und Unterwerfung, die in der tierischen Welt vom Instinkt beherrscht werden, zu ändern.

Das Gleichgewicht der gegenseitigen Wertschätzung ist stets sehr empfindlich, und es ist statistisch unmöglich, daß es sich in einer ganzen Bevölkerung lange halt. Entsprechend begannen die tharnaischen Frauen — vielleicht zunächst unbewußt — die Gelegenheit zu nutzen, die ihnen durch die Kindererziehung und durch die Liebe geboten wurde, und im Laufe der Generationen vermochten sie ihre Stellung sehr zu verbessern — wobei sie sich aller Mittel bedienten.

Mit der Zeit gewannen die spezifischen Fähigkeiten, die die Natur der Frau mitgegeben hat, die Talente des Mannes zu überwiegen — bewirkt durch die Erziehung der Jugend und die Kontrolle über die Bildung. Und so wie es in unserer Welt möglich ist, eine ganze Bevölkerung zu Dingen zu erziehen, die für andere Völker völlig undenkbar und absurd sind, festigte sich bei den Männern und Frauen Tharnas nach und nach der Glaube an die Überlegenheit der Frau — der Weg zu ihrer Herrschaft war eingeschlagen. So geschah es, daß den Frauen von Tharna am Ende der Entwicklung die unangefochtene Führung zufallen konnte. Obwohl diese Situation einige Generationen hindurch sozial vertretbar erscheint, ist sie auf lange Sicht nicht gerade förderlich für das menschliche Glück. Auch ist nicht klar, ob ihr die Männerherrschaft in den meisten übrigen goreanischen Städten vorzuziehen ist, die sicherlich auch ihre negativen Seiten hat. In einer Stadt wie Tharna werden die Männer, die sich von ihrer Erziehung her als Tiere und minderwertige Lebewesen verstehen, kaum den nötigen Selbstrespekt entwickeln, der die volle Männlichkeit fordert. Aber was noch seltsamer ist — auch die Frauen scheinen mit dem System nicht ganz zufrieden zu sein. Obwohl sie die Männer verachten und sich gegenseitig wegen ihres höheren Ranges begluckwünschen, will es mir scheinen, daß sie auch wenig Respekt vor sich selbst haben. Im Haß auf ihre Männer hassen sie sich selbst.

Ich habe mich manchmal gefragt, ob nicht ein Mann, wenn er wirklich ein Mann sein will, eine Frau zähmen muß, und ob nicht eine Frau, um Frau zu sein, eben dieses Schicksal erleiden sollte, Ich habe mich auch gefragt, wie lange die Naturgesetze, so es solche gibt, in Tharna noch auf den Kopf gestellt werden können. Ich habe den Wunsch der tharnaischen Männer gespürt, den Frauen die Maske abzunehmen, und habe geahnt, daß die Frauen eben dies erhofften. Sollte es in Tharna jemals zu einer Revolution kommen, könnte ich mit seinen Frauen nur Mitleid haben, denn sie würden — zumindest am Anfang — das Opfer einer generationenlang aufgestauten Frustration sein. Wenn das Pendel in Tharna wieder in Bewegung geriet, würde es weit ausschwiegen, vielleicht sogar zurück zum roten Teppich und den gelben Schnüren. Vor dem Zelt dröhnte Targos Stimme.

Zu meiner Überraschung fiel Lara auf die Knie, spreizte sie zur Stellung der Vergnügungssklavin und senkte gehorsam den Kopf. Targo platzte in das Zelt. Im Arm trug er ein kleines Bündel. Anerkennend musterte er das Mädchen.

»Sehr gut, Herr«, sagte er. »Es will mir scheinen, sie lernt sehr schnell von dir.« Er blinzelte mich an. »Ich habe meine Unterlagen berichtigt. Sie gehört dir.« Er drückte mir das Bündel in die Hand. Es war ein zusammengefaltetes Sklavenkleid und ein Halskragen. »Als kleine Aufmerksamkeit für einen guten Kunden«, sagte Targo. »Keine Extraberechnung.«

Ich lächelte. Die meisten Sklavenhändler hatten weit mehr getan. Ich sah, daß Targo mir sogar ein Sklavenkleid überließ, das schon getragen worden war.

Nun griff er in den Beutel, den er an seinem Gürtel trug, und streckte mir zwei gelbe Schnüre hin, die etwa je fünfzig Zentimeter lang waren. »An deinem Helm habe ich erkannt«, sagte er, »daß du aus Tharna bist.« »Nein«, sagte ich, »das stimmt nicht.«

»Na ja«, sagte Targo, »wie soll man das auch wissen?« Er warf die Schnüre neben dem Mädchen auf den Teppich.

»Ich habe keine Sklavenpeitschen mehr«, sagte er achselzuckend. »Aber es müßte auch mit dem Schwertgürtel gehen.«

»Das bezweifle ich nicht«, sagte ich und reichte ihm den Umhang und den Kragen zurück.

»Bring ihr die Kleidung einer freien Frau«, sagte ich. Targo riß den Mund auf.

». . . einer freien Frau«, wiederholte ich.

Targo kniff die Augen zusammen und sah sich um. Er schien nach den Spuren eines Kampfes zu suchen. Ich ergriff seinen Ellenbogen. »Bist du sicher?« fragte er.

Ich lachte und drehte ihn herum. Mit einer Hand ergriff ich ihn am Kragen seiner Robe, mit der anderen ein Stück weiter unten, und schob ihn auf den Zeltausgang zu.

Dort gewann er mit fliegenden Ohrringen sein Gleichgewicht zurück und starrte mich an, als habe ich den Verstand verloren.

»Vielleicht macht der Herr einen Fehler?« fragte er.

»Vielleicht«, sagte ich.

»Wo, meinst du, soll ein legitimer Sklavenhändler wie ich wohl die Kleidung einer freien Frau hernehmen?«

Ich lachte, und Targo lächelte und ging.

Ich fragte mich, wie viele freie Frauen schon gefesselt zu seinen Füßen gelegen hatten, um taxiert und gekauft zu werden, wie viele freie Frauen in seinem Lager ihre kostbare Kleidung gegen ein Sklavenkleid und einen Knöchelring an seiner Kette ausgetauscht hatten.

Wenige Minuten später kam Targo wieder in das Zelt. Er trug ein riesiges Kleiderbündel im Arm. Schweratmend warf er es auf den Teppich. »Such dir etwas aus, Herr«, sagte er und verschwand kopfschüttelnd. Ich lächelte und sah Lara an.

Das Mädchen war aufgestanden.

Zu meiner Überraschung trat sie zum Zelteingang, schloß die Klappe und knotete sie von innen zu.

Dann wandte sie sich um. Sie schien kaum noch zu atmen.

Im Schein der Lampe, vor den kostbaren Zeltvorhängen sah sie sehr schön aus.

Langsam nahm sie die beiden gelben Schnüre auf, hielt sie in den Händen und kniete in der Stellung einer Vergnügungssklavin vor mir nieder.

»Ich werde dich befreien«, sagte ich.

Unterwürfig hielt sie mir die Schnüre hin, und ihre Augen glitzerten im Lampenschein, schienen zu locken, zu fordern.

»Ich bin nicht aus Tharna«, sagte ich.

»Aber ich.«

Ich sah, daß sie auf einem roten Teppich kniete.

»Ich will dich freigeben«, sagte ich.

»Noch bin ich nicht frei«, sagte sie.

Ich schwieg.

»Bitte ... Herr.«

Und dann nahm ich die Schnüre aus ihren Händen entgegen — und nach den alten Riten ihrer Stadt wurde Lara, einst die stolze Tatrix von Tharna, mein Sklavenmädchen — und eine freie Frau.

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