Es mochte nicht ganz sicher sein, doch der Jäger fand es durchaus erträglich. Ein Rohr von drei Zoll Durchmesser und einer Länge von eineinhalb Fuß war mit Draht an einer Seite des Zementgehäuses festgebunden worden, in dem der Metalldetektor steckte. Das obere Ende des Rohrs war mit einem Holzpfropfen verschlossen. An der Innenseite dieses Pfropfens befand sich ein improvisierter elektrischer Schalter, der den Stromkreis eines aus zwei Leitungen bestehenden Kabels schloß, das an dem Halteseil des Geräts befestigt war. Der Jäger konnte auf diese Weise elektrische Signale nach oben senden, doch bis jetzt war dazu noch kein Anlaß gewesen.
Das untere Ende des Rohrs war offen und erlaubte dem Jäger, den Meeresboden zu beobachten; dazu verwandte er ein Auge, das er aus seiner Körpersubstanz geformt hatte. Sie hatten ihm ein Auge aus einer Linse und einem kurzen Zylinder aus einem undurchsichtigen Material machen wollen, doch das war noch nicht fertig geworden. Es würde auf jeden Fall gewisse Vorteile haben; die Substanz des Jägers war nicht völlig transparent, also ließ sich aus ihm keine wirklich gute Linse formen, und es war auch nicht völlig opak, so daß das ›Auge‹ Streulicht nicht ganz abschirmen konnte. Er konnte auf diese Weise zwar sehen, bevorzugte jedoch im allgemeinen die Augen anderer als Medium.
Der Meeresboden war sehr unregelmäßig geformt, und der Korallenbewuchs sogar noch mehr, also mußte er ständig ›Aufwärts‹- und ›Abwärts-Signale‹ nach oben geben. Das Störendste aber war, daß sich auch die Kopfhörer des Detektors im Boot befanden, und Bob und Jenny keine Möglichkeit hatten, dem Jäger Nachricht zu geben, wenn das Gerät ansprach. Sie hatten versucht, einen Eisenring, der an einer langen Schnur hing, in der Substanz des Jägers zu befestigen, doch hatte sich herausgestellt, daß mechanische Signale äußerst unzuverlässig waren, da sich jede Bewegung des Bootes auf so eine Verbindung übertrug, also hatte man den Versuch aufgegeben. Bob hatte vorgeschlagen, eine Taschenlampenbirne in der Röhre zu befestigen, die mit einem Schalter und über, eine zweite Leitung betätigt werden konnte, doch die Anlage war noch nicht fertig.
Über eine Woche war vergangen, seit Jenny diesen Vorschlag gemacht hatte. Aufgehalten von der Arbeit und von schlechtem Wetter, hatten sie nur wenige Stunden mit der Suche verbringen können.
Es gab eine ungenaue Karte des Seebodens jenseits des Riffs, doch stellte sie nur einen schmalen Ausschnitt der Riffkarte dar, die Arthur Kinnaird im Büro der Gesellschaft kopiert hatte.
Die Überprüfung der Position des Bootes, die sie alle ein oder zwei Minuten vornehmen mußten, um das Gebiet abzustecken, das sie bereits untersucht hatten, war äußerst lästig, obwohl bei einer Besprechung dieses Themas, an der alle Beteiligten teilgenommen hatten, eine relativ simple Technik der Positionsbestimmung entwickelt worden war, die die horizontalen Winkel bestimmter Tankpaare in der Lagune als Meßpunkte verwendete. Der Jäger gab über die Leitung eine Ziffer nach oben, wenn er einigermaßen deutlich erkennbare markante Punkte am Meeresboden entdeckte, und notierte Einzelheiten mit einem Stück Graphit auf ein Stück Papier, das an die Innenseite des Rohrs geklebt worden war; bei jedem Signal berechneten die Menschen im Boot die Position. An den Abenden der Tage, an denen sie überhaupt zum Arbeiten kamen, trugen Bob und der Jäger die entspreche nden Daten in die Karte ein.
Es gab eine Menge Metall auf dem Meeresboden; Menschen schienen die Angewohnheit zu haben, Dinge über Bord zu werfen. Bis jetzt waren alle zu klein gewesen, um das Gerät so stark reagieren zu lassen, daß man vermuten konnte, es handele sich möglicherweise um das Raumschiff, außer einem Objekt, das sie gleich in der ersten Stunde ihrer Suche gefunden hatten. Festzustellen, um was es sich handelte, war eine langwierige und schwierige Angelegenheit gewesen. Sie konnten dem Jäger erst von ihrem Fund Mitteilung machen, als das Kajak an der North Beach lag, wo Jenny und Bob sich ausruhten und etwas aßen. Anschließend mußte die Stelle wiedergefunden und der Jäger auf den Meeresboden hinabgelassen werden, damit er ein Pseudopod in den Meeresgrund stecken und den Gegenstand untersuchen konnte. Wie es sich herausstellte, handelte es sich um einen stark verrosteten, extrem großen Anker. Alles, was der Jäger tun konnte, war, den beiden im Boot ein klares ›Nein‹ zu signalisieren. Als er ihnen später die Einzelheiten berichtete, kamen sie zu dem Schluß, daß der Anker wahrscheinlich im vergangenen Jahrhundert von einem Segelschiff verloren worden war; vermutlich hatte man ihn ausgeworfen, um das Schiff bei einem Sturm vom Riff fernzuhalten.
Die Suchmethoden wurden weiter verbessert, während die Tage vergingen, doch das überprüfte Gebiet erweiterte sich nur mit quälender Langsamkeit. Es gab keine wirklichen Gefahren, obwohl der Jäger ständig von winzigen Fischen und Arthropoden belästigt wurde. Biochemisch war seine Substanz dem Fleisch irdischer Lebewesen so ähnlich, daß sie von irdischen Organismen verdaut werden konnte, und umgekehrt. Während er unter Wasser war, fand ein ständiger Wettkampf statt, bei dem es darum ging, wer mehr von wem fraß. Durch den Schutz der Röhre war es dem Jäger immer gelungen, eine Länge Vorsprung zu wahren, doch kam er immer mehr zu der Erkenntnis, wie viel Glück er gehabt hatte, daß er so bald nach seinem Absturz in der Nähe dieser Insel auf den Hai gestoßen war und in ihm Aufnahme gefunden hatte.
Für Bob verliefen die Tage recht erträglich; das Schicksal schien sich zur Zeit zurückzuhalten. Seit fast zwei Wochen war es nicht mehr zu den unerklärlichen Schwächeanfällen gekommen, ob wegen oder trotz der kombinierten Bemühungen Seevers und des Jägers, konnte er nicht sagen. Damit er nicht übermütig wurde, waren sie jedoch von immer stärker werdenden Gelenkschmerzen abgelöst worden, zu denen in den letzten Tagen auch noch Muskelschmerzen getreten waren, vor allem in Waden und Hüften, und manchmal fiel es ihm sehr schwer, seinen Zustand vor den Arbeitskollegen zu verbergen; sie traten plötzlich und ohne Warnung auf. Malmstrom, den er hin und wieder traf, ließ zwar einige Bemerkungen über den Zustand seines Freundes fallen, sie schienen aber nicht sehr ernst gemeint zu sein.
Die Arbeit war jedoch insofern störend, als sie ihm einen großen Teil seiner Zeit nahm. Ansonsten machte sie ihm Spaß, und sogar der Jäger fand sie interessant. Jenny hatte vorgeschlagen, daß sie den Jäger allein mit aufs Meer ne hmen würde, oder in Begleitung ihrer Mutter, wenn Bob keine Zeit hatte, doch der Jäger hatte dagegen ernsthaften Einspruch erhoben. Vom Standpunkt des Alien aus war es schlimm genug, wenn er seinen Gastgeber für ein paar Stunden verlassen mußte, obwohl er in seiner unmittelbaren Nähe blieb und sich innerhalb weniger Minuten wieder mit ihm vereinigen konnte. Wenn sie durch die drei oder vier Meilen voneinander getrennt sein würden, die die Raffinerie von dem Suchgebiet trennte, konnte er vielleicht erst nach Stunden erfahren, wenn Bob ihn brauchte.
Etwa am fünften Tag tatsächlicher Suche — wie Seever es vorausgesagt hatte, verhinderte zu starker Wind fast zur Hälfte der Zeit jede Sucharbeit, und bei ihren Bemühungen, ein motorgetriebenes Boot zu finden, hatten sie bisher keinen Erfolg gehabt — tauchte ein Problem auf, mit dem niemand ernsthaft gerechnet hatte, und das ihnen klarmachte, daß jede auch nur kurzfristige Trennung von Gastgeber und Symbiont zu ernsthaften Schwierigkeiten führen konnte.
Es war etwa eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang. Der Jäger begann bereits Mitleid mit den beiden jungen Menschen im Boot zu empfinden, die sich tödlich langweilen mußten, ganz im Gegensatz zu ihm, dem einzig wirklich aktiven Teilnehmer an dieser Operation, als sich die Situation plötzlich grundlegend veränderte.
Der Jäger brauchte mehrere Minuten, um zu begreifen, was geschehen war. Die Bewegungen des Bootes verursachten ständig eine leichte vertikale Beschleunigung, und kein Schock verriet ihm, daß das Halteseil riß. Der Jäger spürte lediglich, daß der Metalldetektor und er langsam tiefer sanken. Ein leichter Ruck sagte ihm, daß das elektrische Kabel das Gewicht aufgefangen hatte. Erstaunlicherweise hielt es die Belastung aus und brach nicht, sondern riß den Holzpfropfen aus der Röhre, nahm den elektrischen Schalter mit, und beinahe auch einen Teil der Substanz des Jägers. Als er sich von der Überraschung erholt hatte, waren er und der Detektor zur Hälfte im schlammigen Meeresboden vergraben.
Dreieinhalb Faden über ihm herrschte Verwirrung. Bob hatte das Seil gehalten, während Jenny die Position des Bootes mit dem Paddel dirigierte; doch sie merkten fast gleichzeitig, was passiert war. So gering das Gewicht des Dete ktors auch war, veränderte sein Verlust doch den Trimm des Kajaks, und Jenny kannte ihr Boot sehr gut.
„Hast du ihn fallen lassen?“ fragte sie besorgt.
„Haben deine Muskeln wieder versagt?“
„Nein. Das Seil scheint gerissen zu sein, oder der Knoten hat sich gelöst. Wenn mir das Seil aus der Hand gerutscht wäre, hätten wir ihn noch. Ich habe das lose Ende des Seils an einer Öse im Dollbord befestigt.“
„Nimm das Paddel und halte die Position!“ sagte das Mädchen. Er wandte den Kopf und sah, daß sie bereits Jeans und Hemd auszog.
„Nein! Warte!“ sagte er. „Wir müssen zuerst unsere Position festlegen!“ Er griff nach dem Sexta nten, fixierte die Position des Bootes nach den Kultur-Tanks, die sie als Markierungspunkte festgesetzt hatten, und notierte die Gradzahlen der Winkel. Dabei begann er, Hemd und Hose auszuziehen.
„Wir brauchen eine Markierungsboje, die wir über Bord werfen können, wenn so etwas passiert.“
„Was hast du vor? Du darfst nicht tauchen!“ sagte Jenny scharf. „Du bist nicht einmal ein so guter Schwimmer wie ich, wenn du völlig in Ordnung bist, und in deinem jetzigen Zustand…“
„Ich bin auch kein so guter Paddler wie du, und wenn du hinabtauchst und das andere Ende des Seils irgendwo auf dem Meeresgrund findest, wäre ich sicher nicht in der Lage, das obere Ende in deiner Reichweite herabhängen zu lassen.“
„Versuche es wenigstens. Gib mir das Seilende und nimm das Paddel.“ Bob tat, was sie ihm sagte, nicht aus Überzeugung, sondern weil dies nicht der richtige Zeitpunkt für einen Streit zu sein schien, und Jenny verschwand im Wasser.
Der Jäger konnte den Boden des Kajaks erkennen und sah das Mädchen ins Wasser springen. Weder das eine noch das andere wirkte sehr ermutigend auf ihn. Das Kajak war mindestens zwanzig Yards abgetrieben, und Jenny, die möglichst senkrecht hinabzutauchen versuchte, hatte nicht die geringste Chance, auch nur in seine Nähe zu kommen. Tatsächlich erreichte sie nicht einmal den Meeresgrund. Etwa zwei Faden über ihm wurde sie langsamer und stoppte schließlich ganz. Sie hing ein paar Sekunden in dieser Höhe und versuchte anscheinend, etwas erkennen zu können, doch dann setzte der natürliche Auftrieb ein, und ein paar Sekunden später half sie ihm nach und schoß nach oben.
„Gefunden?“ fragte Bob. Sie kletterte ins Boot, bevor sie antwortete.
„Nein. Ich bin nicht ganz auf Grund gekommen.
Wir brauchen Taucherbrillen; ich konnte nicht klar genug sehen, um den Detektor und das Rohr entdecken zu können, von dem Seil ganz zu schweigen.
Die Sonne wird gleich untergehen, wir haben keine Chance, ihn heute noch zu finden. Wir werden jetzt zurückfahren, und du wirst dich mit den entsprechenden Leuten in Verbindung setzen und einen Austausch von Arbeitsschichten arrangieren, damit du morgen den ganzen Tag hier draußen sein kannst.“
„Ich will jetzt noch nicht…“
„Ich auch nicht, aber es geht darum, was wir tun können, nicht, was wir tun wollen.“
„Aber der Jäger könnte doch das Rohr verlassen und zum Boot schwimmen, wenn wir eine Weile hier warten.“
„Und dabei gegen all die kleinen Fische und anderen Tiere kämpfen, von denen er uns erzählt hat?
Ich halte ihn für zu intelligent, um das zu riskieren. — Könnte er uns bei Dunkelheit überhaupt finden?“
„Ich glaube nicht. Seine Augen sind nicht sehr gut.“
„Gut. Wir werden einen Kompromiß schließen.
Wir bleiben bis Sonnenuntergang und versuchen, das Boot in Position zu halten. Wenn er bis dahin nicht aufgetaucht ist — und ich bin nach wie vor überzeugt, daß er nicht so dumm ist, das zu versuchen, weil er weiß, daß wir das Gerät ohne große Schwierigkeiten finden können —, fahren wir zurück, und du wirst tun, was ich dir gesagt habe.“
„In Ordnung. Und was wirst du tun?“
„Nach Hause gehen und Dad alles berichten, ein paar Markierungsbojen herstellen, wie du es vorgeschlagen hast, und nachdenken.“
Sie erwähnte nicht, daß sie bereits nachgedacht hatte und entschlossen war, etwas anderes zu tun.
Der Jäger starrte zum Boot hinauf, bis es dunkel wurde, und fragte sich, warum niemand mehr tauchte, und was da oben vor sich gehen mochte. In einem Punkt hatte Jenny völlig recht: nicht einen Augenblick dachte er daran, das schützende Rohr zu verlassen und zum Kajak zu schwimmen. Er wartete. Als es dunkelte und er weder die Wasseroberfläche noch das Boot noch sonst etwas me hr erkennen konnte, bis auf einige leuchtende Lebensformen, wartete er noch immer. Es blieb ihm nichts anderes zu tun, als nachzudenken, und das mußte er ohnehin tun.
Bob und Jenny ließen das Kajak an der North Beach zurück, einem Strand an der Spitze von Ells längerem Arm, wo der Jäger vor fast acht Jahren an Land gekommen war und Bob gefunden hatte. Sie hatten ihre Fahrräder dort abgestellt, da sie diesen Strand seit einigen Tagen als Treff- und Abfahrtpunkt festgelegt hatten, um Zeit einzusparen. In dieser Nacht schien jedoch kein Mond, und sie mußten langsam fahren, um nicht von der Straße abzukommen; es dauerte also eine Zeit, bis sie Bobs Haus erreichten. Er ging nur kurz hinein, sagte seiner Mutter, daß sie von der Lagune zurück seien und er gleich wieder fort müsse, um zu telefonieren. Dann fuhr er weiter, um den Auftrag zu erfüllen, den Jenny ihm gegeben hatte.
Das Mädchen war nicht abgestiegen, sondern ohne Aufenthalt weitergefahren. Sie fuhr zum Haus der Teroas und fragte nach Maeta. Das Mädchen habe an diesem Abend Dienst in der Bibliothek, erfuhr sie von einer der Tanten. Jenny fuhr dort hin und fand Maeta im Keller, wo sie neu eingetroffene Bücher sortierte und katalogisierte — Bobs Bücherkisten waren nicht die einzigen, die in diesem Juni auf der Insel eingetroffen waren. Jenny bat sie, mit ihr nach draußen zu kommen, wo niemand sie hören konnte, und erzählte ihr die ganze Geschichte.
Maeta hatte sich natürlich über die Bemerkung, die Bob unbedacht entschlüpft war, Gedanken gemacht, doch fiel es ihr dadurch nicht leichter, Jennys Worten zu glauben. Jennys Hartnäckigkeit und Überredungskunst gelang es jedoch schließlich, Maetas Zustimmung für eine Unterredung mit Dr.
Seevers zu erreichen. Dort löste der Bericht über den Verlust des Jägers bei dem Arzt und seiner Frau so offensichtliche und tiefe Bestürzung aus, daß Maetas Skeptizismus in Wanken geriet. Seever bestätigte ihr dann ausdrücklich, daß Jennys Bericht in allen Punkten der Wahrheit entspräche, und fügte noch Details über den alten Detektiv hinzu, die Jenny unbekannt waren. Schließlich erklärte Maeta sich — wenn auch noch immer mit einigen Vorbehalten — bereit, ihr schwimmerisches Können dafür einzusetzen, das Suchgerät wiederzufinden, und, falls er existierte, auch den Jäger. Sie versprach auch, ihr Auslegerboot zur Verfügung zu stellen, ein stabileres und geräumigeres Gefährt als Jennys Kajak. Da sie am nächsten Tag dienstfrei hatte, ergab sich nicht das Problem, einen Ersatz finden zu müssen.
Als Maeta gegangen war, blickte Seever seine Tochter an und sagte: „Welche Erklärung wirst du Bob für diese Eigenmächtigkeit geben?“
„Falls er eine Erklärung dafür verlangt, leidet er wirklich an Gehirnerweichung. Wenn es ihm nicht paßt, soll er doch im eigenen Saft schmoren. — Hast du etwa auch etwas dagegen?“
„Im Gegenteil“, sagte ihr Vater. „Es war das Klügste, was du in dieser Situation tun konntest.
Ich fürchte, mir mangelt es an… äh… dem Durchsetzungsvermögen, das dazu nötig ist, sonst hätte ich es vielleicht selbst getan. Aber du kannst mir glauben, daß Bob geistig völlig in Ordnung ist.“
Jenny wollte sich nicht auf dieses Thema einlassen.
„Haben wir ein paar Rollen starken Bindfaden im Haus, oder muß ich ihn morgen früh im Laden ka ufen?“ fragte sie. „Ich muß ein paar Markierungsbojen machen.“
Der Jäger verbrachte eine Nacht, die für einen Marinebiologen, der sich auf Krustentiere spezialisiert hat, faszinierend gewesen wäre. Er kam niemals ernstlich in Gefahr, gefressen zu werden, da das Rohr mehr als ausreichenden Schutz bot, doch mußte er selbst eine Menge essen, zum größten Teil aus Selbstverteidigung. Er registrierte interessante Details in Struktur und Physiologie der Tiere, die er ingestierte. Es waren die relativ groben Details der Gewebe, bis hinab zum Niveau des optischmikroskopisch Erfaßbaren, die sich als besonders interessant herausstellten; auf der molekularen Ebene war alles genauso, wie bei Bob und seinem Vater und, vermutlich, allen anderen vielzelligen Lebensformen der Erde.
Ein Marinebiologe wäre vielleicht verärgert gewesen, als sich ein Boot näherte, nicht jedoch der Jäger. Der fühlte sich unermeßlich erleichtert, und selbst als er erkannte, daß es nicht das Kajak war, hatte er nicht die geringsten Zweifel, daß sie gekommen waren, um nach ihm zu suchen. Er machte sich große Sorgen um den Zustand seines Gastgebers. Er war jetzt seit fast fünfzehn Stunden von ihm getrennt. Vor ein paar Jahren wäre das noch völlig belanglos gewesen, jetzt aber mochte Bobs Leben in Gefahr sein. Gespannt blickte er zu dem Boot hinauf.
Er konnte den Ausleger erkennen und sah, daß das Boot von drei Paddeln vorwärtsbewegt wurde.
Die Schläge wurden langsamer, eins der Paddel wurde aus dem Wasser gezogen, und dann kam das Boot zehn oder zwölf Yards seitlich von ihm zum Stehen. Es hielt seine Position etwa eine Minute lang, und dann klatschte etwas ins Wasser. Im ersten Moment dachte der Jäger, es sei ein Taucher, doch dann erkannte er, daß es ein Stein oder ein Korallenstück war. Wahrscheinlich wollten sie es als Anker benutzen, obwohl sein improvisiertes Auge nicht scharf genug war, um festzustellen, ob ein Tau daran befestigt war.
Ein zweites Objekt klatschte durch die wellige Oberfläche des Wassers. Dieses war kleiner als das andere, und er brauchte eine ganze Weile, um zu erkennen, daß es nichts als eine Boje war, eigentlich nur ein hellrot angestrichener Stock, der mit einem langen Bindfaden an einem kleinen Stein befestigt war. Bevor er zu diesem Schluß geko mmen war, befand sich schon ein drittes Objekt im Wasser.
Dieses verursachte weitaus weniger Geräusch und Bewegung als die beiden anderen. Der Jäger konnte eine menschliche Gestalt ausmachen, war jedoch nicht in der Lage, sie zu identifizieren. Dieses Mal hatte der Taucher keinerlei Schwierigkeiten, den Meeresgrund zu erreichen, und schwamm in immer weiter werdenden Kreisen eine halbe Minute lang unter Wasser, bis er wieder emporschoß. Einmal kam die Gestalt dem Jäger so nahe, daß er das Gesicht erkennen konnte, und er war glücklich, als er sah, daß es das Teroa-Mädchen war. Ihm fiel ein, was man über ihre Schwimmleistungen gesagt hatte, und er war überzeugt, daß er schon so gut wie gerettet war.
Als sie zum zweitenmal tauchte, war er sich dessen jedoch nicht mehr so sicher. Sie blieb genauso lange unten wie beim erstenmal und suchte eine genauso große Fläche des Meeresbodens ab, aber sie entfernte sich dabei von ihm.
Wahrscheinlich würde sie früher oder später in dieser Richtung weitersuchen; doch das mochte sehr viel später sein. Er wußte nicht, wie es Bob ging, und war wieder einer Panik so nahe, wie es seiner Spezies möglich war.
Er fragte sich, wie weit das Mädchen die Dinge unter Wasser klar erkennen konnte; er selbst war nicht in der Lage zu sehen, ob sie eine Tauchbrille trug oder nicht, obwohl er es für sicher hielt. Er hoffte es zumindest, da das menschliche Auge unter Wasser Schwierigkeiten hatte, den richtigen Fokus einzustellen. Ihre Sehschärfe konnte er nicht verbessern, aber vielleicht war es ihm mö glich, das Zementgehäuse des Detektors oder das Rohr oder das Seil besser sichtbar zu machen? Und wenn nicht, konnte er irgend etwas tun, um ihr Suchprogramm in seine Richtung zu lenken?
Der Stein oder das Korallenstück, mit dem die Markierungsboje verankert war, ließ sich wahrscheinlich bewegen, war jedoch über zehn Yards entfernt. Das Rohr zu verlassen und durch den Schlamm zu kriechen, war unangenehm und wahrscheinlich auch gefährlich, doch das spielte keine Rolle; die Frage war nur, ob er in der Lage sein würde, den Anker zu bewegen, wenn er ihn erreicht hatte.
Nachdem sich dieser Gedanke in seinem Kopf festgesetzt hatte, wußte er, würde ihm wahrscheinlich nichts anderes mehr einfallen, bevor er nicht wenigstens einen Versuch unternommen hatte. Dies war ein Charakteristikum, das er auch bei den Menschen beobachtet hatte. Also blieb ihm gar nichts anderes übrig, als es zu versuchen.
Er hatte fast drei Viertel der Strecke hinter sich gebracht, als ihm ein anderer Gedanke kam, doch zu dem Zeitpunkt schien es ihm richtiger, sein Vorhaben zu Ende zu führen. Kurz darauf erreichte er den kleinen Verankerungsstein der Boje.
Er stellte sich als eine dieser frustrierenden Halb-Möglichkeiten heraus: Er war leicht genug, daß er ihn anheben konnte, doch so schwer, daß es sehr viel Mühe und Zeit kosten wurde, ihn über eine gewisse Strecke zu transportieren. Er probierte es eine Weile, bewegte den Stein etwa einen Fuß weiter und entschied schließlich, daß es zu lange dauern würde, ihn bis zu dem Gerät zu schleppen. Er glitt zu seinem Rohr zurück und begann, seine zweite Idee in die Tat umzusetzen.
Der schwierigste Teil seines Plans war, die Luft aus dem Zementgehäuse zu drücken und sie festzuhalten. Er hatte keinerlei Schwierigkeiten, einen Teil seiner Substanz zwischen Rand und Deckel hindurchzuzwängen, obwohl das Gehäuse angeblich wasserdicht war. Da die Dichtung ge halten hatte, war der Luftdruck in dem Gehäuse niedriger als der von außen einwirkende Wasserdruck, und es erforderte mehr Arbeit, als er angenommen hatte, mikroskopisch kleine Luftblasen gegen diesen höheren Druck hinauszupressen. Später, als die so gesammelte Luftmenge immer weiter anwuchs, wurde das Rohr zu klein, um sowohl der Luft, als auch ihm Platz zu bieten, und außerhalb des Rohrs mußte er einen Teil seiner Energie darauf verwenden, jägerfressendes Zooplankton abzuwehren.
Gleichzeitig zog er langsam das gerissene Seil zu sich heran, bis das ausgefaserte Ende vor ihm lag.
Er hörte auf, Luft zu sammeln, als das Wasser, das er in das Gehäuse einsickern lassen mußte, um den Druckunterschied soweit auszugleichen, daß er ihn überwinden konnte, den elektrischen Teilen des Geräts zu nahe zu kommen drohte. Wenn sie naß wurden, konnte ihn das noch mehr aufhalten, und außerdem schien die Luftblase jetzt groß genug.
Maeta hatte in der Zwischenzeit ihre Suche fortgesetzt und tauchte jetzt so weit von seiner Position entfernt, daß er sich Sorgen zu machen begann, ob selbst diese Idee ausreichend sein würde. Eine andere Möglichkeit schien es jedoch nicht zu geben; als sie also wieder zum Meeresboden hinabtauchte, löste er seinen Halt an dem Rohr und dem Detektor und ließ sich und das Seil von der Luftblase aufwärts tragen.
Die Auftriebskraft der Luftblase erwies sich als ausreichend, um das Seil in ganzer Länge zu spannen, und der Jäger hing etwa auf halber Höhe zwischen Meeresgrund und Wasseroberfläche. Die Sonne stand noch nicht sehr hoch — das Auslegerboot war kurz nach Sonnenaufgang eingetroffen —, doch die Wellen brachen ihre Strahlen in regelmäßigen und häufigen Intervallen abwärts — und das war wahrscheinlich günstiger, überlegte der Jäger, als regelmäßiges, nicht unterbrochenes Licht. Er wartete. Und er fragte sich, ob Bob sich noch an die Vorlesung über totale interne Reflektion erinnerte, die sie beide zu Beginn seiner Studienzeit gehört hatten.
Die immer wieder aufzuckenden Reflektionen der Luftblase konnte Maeta natürlich nicht übersehen, obwohl sie zwanzig Yards von ihr entfernt war. Sie schwamm sofort darauf zu, um sie genauer zu betrachten, da sie vorher nicht dagewesen und auf jeden Fall etwas Ungewöhnliches war. Zufrieden stellte der Jäger fest, daß sie eine Taucherbrille trug, und daß sie das Seil bemerkte; was sie von ihm und seiner Luftblase hielt, konnte er jedoch nicht einmal erraten. Sie folgte dem Seil bis zum Meeresboden, sah und identifizierte das Gerät.
Sie schwamm nach oben, um Luft zu holen, tauchte wieder herab und versetzte den Ankerstein der Markierungsboje unmittelbar neben das Gerät.
Als sie wieder zur Oberfläche emporschoß, ließ der Jäger seine Luftblase los und glitt zum Meeresboden zurück; und bevor die neue Leine an das abgerissene Ende verknotet wurde, war er wieder in seinem sicheren Rohr.