9 Scherz Nummer zwei

Zur Überraschung des Jägers zeigten weder Jenny noch Maeta Ekel beim Anblick der grünen Gallertmasse, die durch die Poren in Bobs Hand eindrang, als er sie in das offene Rohr steckte.

Maeta erbot sich, den Tag über bei ihnen zu bleiben und bei der normalen Suche nach dem Raumschiff mitzuhelfen, doch der Jäger wollte vorerst bei Bob bleiben, um all die Körperfunktionen zu untersuchen, die während seiner Abwesenheit in Unordnung gekommen sein mochten. Das bedeutete, daß ein Taucher einen guten Teil seiner Zeit damit verbringen mußte, das Gerät von den Korallen fernzuhalten, und das schien zuviel Aufwand vor dem Eintreffen der Cousteau-Tauchausrüstungen. Seever, der dritte Paddler an Bord des Auslegerbootes, hatte auch etwas dazu zu sagen.

„Du bist über eine Stunde lang mehr unter als über Wasser gewesen, Maeta. Ich weiß, daß du dich weder kalt noch müde fühlst, aber du solltest dich jetzt ein wenig ausruhen.“ Das Mädchen lachte.

„Ich könnte den ganzen Tag im Wasser sein; ich habe es auch schon getan“, sagte sie und wandte sich dem Arzt zu, ohne den Rhythmus ihrer Paddelschläge zu unterbrechen. „Ich fühle mich nicht nur nicht müde, ich bin auch nicht müde.“

„Normalerweise würde ich dir zustimmen, junge Lady“, antwortete Seever, „aber diesmal bist du nicht im Wasser gewesen, sondern den größten Teil der Zeit unter Wasser. Ich weiß, auch dafür bist du trainiert und wahrscheinlich in besserer Kondition, als jeder andere auf Ell — ja, ich kenne deinen Ruf; wer kennt ihn nicht? Trotzdem, es gibt Belastungen, die man einem Körper nicht unbegrenzt zumuten kann.“

Maeta lachte. „Wollen Sie mir nicht auch noch sagen, daß ich etwas über meinen Badeanzug ziehen soll, um meinem Körper nicht zuviel Sonne zuzumuten?“

„Nein. Ich bin ein Profi, der versucht, seine Pflicht zu tun, kein alter Narr, der sich mit Gewalt lächerlich machen will. Wenn meine Tochter oder Bob so herumlaufen würden wie du, wäre ich ihnen schon längst auf die Zehen getreten. Ich weiß genauso gut wie du, daß dir Sonne nichts ausmacht.

Willst du bei einem alten Mann nach Komplimenten fischen? Es gibt sicher eine Menge anderer, bei denen es sich mehr lohnt.“

Maeta sagte nichts, und auch Jenny schwieg, doch sie blickte ihren Vater an, wie Teenager ihre Eltern seit Generationen angeblickt haben. Bob achtete nicht darauf. Er hörte dem Jäger zu, der einen im großen und ganzen zufriedenstellenden Bericht über Bobs körperlichen Zustand gab, und schwor sich, vor jeder zukünftigen Operation alle Seile, Drähte und andere Teile der Ausrüstung sehr sorgfältig zu überprüfen.

Das zerrissene Seil war von allen sehr gründlich untersucht worden. Jenny hatte sofort den Verdacht geäußert, daß Malmstrom es angeschnitten hätte.

Bob hatte erwidert, daß es genauso gut das ›Ekel‹, André desChenes, gewesen sein konnte. Die Untersuchung des Seils ergab nichts, das einen Verdacht in dieser oder jener Richtung hätte erhärten können.

Es war jedenfalls nicht angeschnitten worden. Es gab auch keinen ersichtlichen Gr und dafür, daß es gerissen war, und das sinnlose Argumentieren über mögliche Gründe dauerte noch immer an, als sie North Beach erreichten.

„Wenn der Jäger mit deiner Untersuchung fertig ist, würde ich gerne wieder hinausfahren“, sagte Maeta, als das Auslegerboot auf den Strand gezogen worden war. „Ich bin gerne auf dem Wasser, und dies ist der beste Grund, den man sich wünschen kann — nicht, daß ich dafür einen Grund brauchte. Und ich werde sicher nicht so oft ta uchen, daß Sie sich Sorgen machen müssen, Doktor, wenn man davon ausgeht, wie oft die beiden größeren Metallstücke gefunden haben. Ich kann mich auch in euer Kajak quetschen, wenn euch das lieber ist; ich gebe zu, es ist erheblich leichter.“

Jenny reagierte mit gemischten Gefühlen. Die Suche begann sie zu langweilen, und sie mußte sich ständig daran erinnern, was sie für Bob bedeutete.

Und selbst dann war sie eher eine Pflicht als ein Vergnügen. Außerdem kamen ihr jetzt, aus Gründen, die sie selbst nicht artikulieren konnte, gewisse Zweifel, ob es klug gewesen war, Maeta in ihre Gruppe aufzunehmen.

Bob hielt es jedoch für eine großartige Idee, und auch der Jäger war sehr einverstanden; also gingen sie jetzt zu dem Kajak, Seever und Maeta trugen das Zementgehäuse mit dem Metalldetektor und dem daran befestigten Rohr. Das andere Ende des Seils, das am Vortag gerissen war, lag noch immer auf dem Boden des Kajaks. Jenny hob es auf und warf es in den Sand. Dann rief sie plötzlich: „He!

Seht euch das an!“

Die anderen traten neben sie und sahen sofort, was sie meinte. An der Stelle, wo das Seil gelegen hatte, waren eine Bodenlatte und die Bootsleinwand dunkel verfärbt. Jenny berührte die Leinwand und stieß einen leisen Schrei aus, als das braunverfärbte Stück, etwa drei mal drei Zoll groß, zu winzigen Fetzen zerfiel.

Ihr Vater beugte sich vor und zog Luft in die Nase.

„Mit Bestimmtheit kann ich es nicht sagen, aber es sieht wie Säure aus — Batteriesäure, vermute ich.“

„Shorty, dieser Bastard!“

„Oder André?“ fragte Bob.

„Warum der?“ konterte Jenny. „Er hat mich gefragt, ob er mitkommen dürfe, und ich habe ihm gesagt, ja, in ein paar Tagen.“

„Vielleicht waren ihm das ein paar Tage zuviel.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß Shorty so etwas tun würde; er ist eher von dem Typ, der Kreide auf den Tafelschwamm streut.“

„Ich vermute, die Säure ist auf das Seil gegossen worden; daß etwas davon auf die Leinwand getropft ist, war wohl nur Zufall“, sagte Seever langsam. „Ich kann mir nicht vorstellen, warum jemand so etwas tun sollte, aber ich fürchte, ich muß mich Bobs Meinung anschließen: es ist etwas, das man André zutrauen könnte.“

„Auf jeden Fall ist es ein ernstes Problem“, stimmte Maeta zu, „aber wir haben ein noch ernsteres, oder wollt ihr dadurch das wirkliche Projekt aufhalten lassen? Ist es nicht noch immer wichtig, die beiden Schiffe zu finden, wenn das möglich ist?

Oder wollt ihr warten, bis die Tauchausrüstungen eintreffen — falls sie jemals eintreffen sollten?“

„Es würde damit so viel schneller gehen, daß ich fast dafür bin, bis dahin zu warten“, gab Bob zu.

„Wir verwenden eine Menge Zeit und Mühe darauf, eine sehr kleine Fläche Meeresboden abzusuchen. Vielleicht halte ich so lange durch, bis diese Lufttanks hier eintreffen.“

„Aber vielleicht auch nicht“, sagte Jenny hart.

„Maeta hat völlig recht. Wir müssen die Dinge unbedingt in Bewegung halten.“

„Wir können meinen Ausleger benutzen, bis dein Kajak wieder in Ordnung ist“, fügte Maeta hinzu.

„Und später natürlich auch, wenn ihr wollt. Meine Familie hat sicher nichts dagegen — und ich muß niemandem erklären, was ich vorhabe, Bob.“ Der Jäger war sehr beeindruckt; er hatte nicht geahnt, daß dieses kleine Mädchen Bobs Gefühle so gut kannte. Hatte sie sie am Gesichtsausdruck seines Gastgebers abgelesen, oder hatte Jenny es ihr gesagt? Maeta fuhr mit ihren Überlegungen fort.

„Hört zu, ich muß nicht jeden Tag in der Bibliothek arbeiten. Jenny, wir beide könnten erledigen, was zu tun ist, während Bob in der Raffinerie arbeitet…“

Bob unterbrach mit dem Einwand des Jägers, daß er nicht so lange von seinem Gastgeber getrennt sein wolle.

„Das ist auch nicht nötig. Wir brauchen den Jäger nicht. Ich kann alle paar Minuten hinuntertauchen und nachsehen, wie weit das Gerät über dem Meeresboden ist, und wir können uns die Positionsfeststellung wesentlich erleichtern, indem wir eine Menge von diesen Markierungsbojen benutzen. Es ist doch keine Arbeit, ein Dutzend oder mehr davon herzustellen. Wir könnten das Gebiet drei- oder viermal schneller absuchen, als ihr es jetzt tut. Also los, fangen wir gleich an. Sie werden sicher nicht mitkommen wollen, Doktor; Bob ist jetzt völlig in Ordnung, und Sie können nicht allzu lange ihrer Praxis fernbleiben. Aber wenn Sie wollen, können Sie natürlich dabeisein; auf dem Ausleger ist eine Menge Platz.“

Der Jäger, der während Bobs College-Jahren nur relativ wenige weibliche Exemplare der menschlichen Spezies gesehen hatte, begann sich zu fragen, ob die Tendenz, sofort die Führungsrolle zu übernehmen, nicht bei ihnen allgemeingültig war. Aber einige von Bobs Freunden auf dem College waren auch recht domi nierend gewesen, fiel ihm dann ein.

„Danke. Ich werde zur Praxis zurückgehen“, sagte Seever, „aber gib auf dich acht, wenn du dort draußen bist, Maeta. Vor Sonnenbrand und einem Herzschlag bist du wahrscheinlich sicher, aber es gibt auch andere Gefahren unter Wasser, und du bist allein.“ Maetas Gesicht verlor den etwas schelmischen Ausdruck, und sie blickte Seever gerade in die Augen.

„Ich weiß, Doktor. Ich werde vorsichtig sein — ich verspreche es Ihnen.“ Sie wandte sich an die anderen. „Also los.“

Die nächsten zwei Tage verliefen ohne Zwischenfälle, abgesehen von Bobs Gesundheitszustand; Gelenk- und Muskelschmerzen wurden immer stärker, und weder Seever noch der Jäger konnten etwas dagegen tun. Das Neostigmin, das Seever bestellt hatte, schien gegen seine Schwächeanfälle wirksam zu sein, die seit einiger Zeit nicht mehr aufgetreten waren, und die Magenkrämpfe waren auch abgeklungen. Sowohl der menschliche als auch der nichtmenschliche Experimentator hätten das Verdienst dafür gerne sich zugeschrieben, wagten es jedoch nicht; keiner der beiden war sicher, daß die Symptome nicht wiederkehren würden.

Das Wetter erlaubte es den Mädchen, außerhalb des Riffs zu arbeiten, und eine ermutigend große Fläche konnte auf der Karte abgehakt werden.

Der Jäger war schockiert, als er feststellte, daß er den Erfolg mit gemischten Gefühlen betrachtete.

Ihm wäre wohler gewesen, wenn er selbst auf dem Meeresgrund hätte sein können. Er verbrachte jetzt sehr viel von der Schlafenszeit seines Gastgebers damit, darüber nachzudenken, was sie tun würden, wenn das ganze Gebiet abgesucht worden war, ohne daß sie eins der beiden Schiffe gefunden hatten. Sollten sie dann das Gebiet ausweiten oder das bereits abgesuc hte Areal noch einmal überprüfen?

Wo lag die bessere Chance? Sie hatten ohnehin mehr geraten, als sie das Suchgebiet festgelegt hatten, aber es war ihnen damals alles so logisch erschienen.

Manchmal gab er diese Fragen an Bob weiter, hatte aber nur wenig davon. Der junge Mann befand sich entweder in einer seiner philosophischen Stimmungen und antwortete, daß er sich mit diesen Fragen auseinandersetzen würde, wenn sie akut wurden, oder er wurde wütend und drohte, sie beide mit Alkohol außer Gefecht zu setzen, wenn der Jäger nicht aufhörte, ihn zu bedrängen. Der Alien glaubte nicht, daß diese Drohung ernst gemeint war, hatte jedoch gelernt, sich vor Menschen in acht zu nehmen, die sich zu laut in eine Ecke redeten.

Die wirkliche, entscheidende Schwierigkeit ergab sich fünf Tage, nachdem sie den Jäger vom Meeresgrund emporgeholt hatten. Es war nicht nur ein Sonntag, sondern auch ein bedeutender Feiertag — der vierte, Juli —, durch den es zu einigen Abweichungen im normalen Arbeitsablauf kam. Die Raffinerie arbeitete natürlich, doch Bob mußte sich erst gegen Mitte des Vormittags zum Dienst melden.

Sein Vater hatte das Haus schon sehr früh verlassen, Daphne und seine Mutter waren etwas später gegangen, zum Strand oder zur Pier, wo der größte Teil der Bevölkerung diesen Tag feierte, und Bob war im Bett geblieben. Er machte sich sein Frühstück selbst und fuhr dann mit dem Rad auf die Straße zu. Seine Gelenke schmerzten heute weniger als sonst, doch empfand er jede Bewegung noch immer als unangenehm.

Das Kinnaird-Haus stand nur etwa zweihundert Yards von der Hauptstraße entfernt. Dieses Ende der Insel war dicht mit den Pflanzen überwuchert, die PFI in seinen Anfangsjahren als schnellwachsendes Material für die Kulturtanks gezüchtet hatte.

Der Zufahrtsweg hatte mehrere Biegungen, so daß Bob nicht weit sehen konnte. Es war ihm deshalb glücklicherweise auch nicht möglich, sehr schnell zu fahren.

Er befand sich in der letzten Biegung, zehn oder fünfzehn Yards vor der Einmündung in die Hauptstraße, als das Rad plötzlich stoppte. Bob aber nicht. Er stieß einen erschrockenen Schrei aus, als er über die Lenkstange schoß, doch das war alles, was seine Reflexe leisteten. Der Jäger verengte die Blutgefäße und verstärkte die Gelenke, um die Gefahr von Blutungen und Verstauchungen zu mildern. Keins von beiden erwies sich als besonders erfolgreich.

Die Zufahrt war nicht gepflastert — sie war nicht mehr als ein Sandweg, gerade noch für Jeeps befahrbar. Anderseits aber war der Boden alles andere als weich. Bob versuchte, seinen Sturz mit der linken Hand abzufedern, schlug jedoch trotzdem mit der linken Schulter und der linken Kopfseite auf.

Beide Unterarmknochen brachen, seine linke Wange wurde von dem steinigen Boden aufgeschrammt, und sein linkes Ohr wurde fast abgerissen. Der Jäger hatte plötzlich sehr viel zu tun, doch Anästhesie brauchte er nicht anzuwenden; Bob war vollkommen bewußtlos.

Zuerst merkte der Alien nicht, daß sich noch jemand in dieser Gegend aufhielt, und machte sich an die Arbeit, ohne sich um Tarnung zu kümmern. Er blockierte sofort die geöffneten Kapillaren und die größeren Gefäße, die ein durch die Haut getretener Knochen zerrissen hatte; es trat praktisch kein Blut heraus. Er war gerade dabei, das abgerissene Gewebe von Gesicht und Kopf wieder an die richtigen Stellen zu bringen, als er ein Geräusch hörte.

Zuerst konnte er es nicht identifizieren; dann glaubte er zu erkennen, daß ein Körper sich durch das Gebüsch zwängte. Plötzlich erstarb das Geräusch, und statt dessen hörte er leise Schritte auf dem harten Boden der Zufahrt. Der Jäger verspürte im ersten Moment Erleichterung; es war offensichtlich notwenig, Bob möglichst rasch zum Arzt zu bringen, und genauso offensichtlich war der Symbiont dazu nicht in der Lage. Wer immer jetzt auf sie zukam, würde ihnen helfen können oder zumi ndest Hilfe holen. Bobs Augen waren geschlossen, also konnte sein Partner nichts sehen, obwohl Bob flach auf dem Rücken lag.

Der Alien versuchte, ein Lid aufzudrücken, um zu sehen, wer es war, der jetzt vor ihnen stand und sich über sie beugte, doch es gelang ihm nicht, und plötzlich fuhr ein dünnes Metallstück durch die Brust seines Gastgebers und nagelte ihn auf den Boden. Der Jäger vergaß, daß er Bobs Lid empordrücken wollte, und achtete kaum auf die fliehenden Schritte. Er hatte plötzlich sehr viel zu tun.

Das Metall war dicht unterhalb des Brustbeins in Bobs Brust eingedrungen, leicht nach oben abgewichen, hatte die rechte Herzkammer durchbohrt und war dicht neben dem Rückgrat wieder aus dem Körper ausgetreten. Das Herz schlug weiter, doch der Symbiont mußte es mit Gewebe seiner eigenen Substanz umhüllen, damit kein Blut aus den beiden Stichwunden austrat und den Herzbeutel füllte, was die Arbeit des Herzens erheblich erschwert hätte.

Das Metall steckte noch im Körper und half, die Wunden zu schließen, war jedoch sonst ziemlich lästig. Im Augenblick konnte der Jäger nichts weiter tun, als Blutdruck und Blutkreislauf aufrechtzuerhalten, bis Hilfe kam. Und das war im Auge nblick nicht sehr wahrscheinlich.

Es dauerte etwa fünfzehn Minuten, bis Bob aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte. Der Jäger spürte das, bevor sein Gastgeber sich zu bewegen begann und erklärte ihm langsam und behutsam, was passiert war, um zu verhindern, daß er sich durch eine unbedachte Bewegung Schaden zufügte. Bob hörte ihm zu und begriff schließlich.

„Was können wir tun?“ fragte er. „Ich weiß, daß du mich am Leben halten kannst, aber ich möchte auf keinen Fall, daß jemand von meiner Familie mich so findet.“

„Ich bin derselben Meinung, wenn auch sicher aus völlig anderen Gründen“, antwortete der Jäger.

„Ein normaler Mensch, der dich so sieht, wird wahrscheinlich sofort versuchen, dieses Metallstück herauszureißen, und das sollte nur unter me iner Anleitung oder der von Dr. Seevers erfolgen.

Glaubst du, daß du schon kräftig genug bist? Um einen Schock brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich kümmere mich um deinen Blutdruck.“

„Ich denke schon“, sagte Bob und tastete vorsichtig nach seiner Brust und dem herausragenden Ende der Waffe. „Ich würde sagen, es ist ein Grillspieß, einer von denen, die wir neulich beim Picknick gebraucht haben.“

„Das war auch mein Eindruck“, sagte der Jäger,

„obwohl ich nur den Teil fühlen konnte, der in dir steckt. Glücklicherweise ist es einer von der geraden Sorte, und nicht einer von den gedrehten. Sonst hättest du mehr Blut verloren, dein Herz wäre schwerer verletzt worden und du würdest einige Schwierigkeiten haben, ihn herauszuziehen. Also los — den Griff umklammern, und dann langsam ziehen. Ich kümmere mich um alles hier drinnen.

Gut, gut — so ist es richtig — ganz langsam — besonders, wenn du die Spitze aus dem Boden ziehst — und vor allem nicht wackeln — ja, so ist es richtig…“

Der Jäger sprach ständig weiter. Irgendwann würde Bob bewußt werden, was er tat, doch dieser Zeitpunkt sollte so lange hinausgeschoben werden, bis er den Grillspieß aus seinem Körper gezogen hatte, oder zumindest aus seinem Herzen. Falls ihm vorher übel werden sollte — eine durchaus normale Reaktion —, würde die Arbeit des Jägers sehr viel komplizierter werden. Er hielt Bobs Augen geschlossen; denn obwohl er die Gefäße an den Rändern der Wunde so fest verschloß, daß nicht ein einziger Blutstropfen mit dem Metall heraustrat, war doch der Anblick eines Grillspießes, der aus der eigenen Brust ragte, etwas, das man vermeiden sollte. Der Jäger konnte die Operation mit professionellem Interesse beobachten; von Bob war so viel Distanziertheit jedoch nicht zu erwarten.

Sie dauerte mehrere Minuten, doch gelang es ihnen, sie durchzuführen, ohne noch mehr Schaden anzurichten. Trotz des Blutdruckes und der ständigen Bewegung hatte der Jäger keinerlei Schwierigkeiten, die Wunden im Herzen Bobs geschlossen zu halten; wahrscheinlich würden sie innerhalb weniger Tage zuheilen, falls keine Komplikationen durch Bobs andere Probleme es verhinderten. Er erklärte es seinem Gastgeber und setzte hinzu: „Bis dahin tue aber nichts, was deinen Blutdruck zu sehr in die Höhe treiben könnte.“

„Schließt das auch Aufstehen und Gehen ein?“

fragte Bob. „Ich denke, ich sollte zu Seevers gehen, bevor einer von meinen Leuten nach Hause kommt.

Jetzt, wo du mich wieder die Augen öffnen läßt, habe ich den Eindruck, daß jemand meinen Arm gerade richten sollte. Danke, daß du mir den Schmerz erspart hast, übrigens.“

„Dieses eine Mal war es nicht dein Leichtsinn, der dich in eine solche Lage gebracht hat“, erwiderte der Jäger. „Ich habe nicht genug Kraft, um deine Knochen wieder in die richtige Lage zu bringen. Wir wollen erst sehen, was deinen Sturz verursacht hat, und dann gehen wir ganz langsam zu Seevers Haus.“

Der Jäger hatte inzwischen alle Verletzungen Bobs genau untersucht. Der Aufprall, der ihn bewußtlos geschlagen hatte, schien dem Hirn nicht geschadet zu haben. Sein Schädel war jedenfalls intakt; in das Gewebe des Gehirns wagte der Jäger nicht einzudringen; er beschränkte sich auf die Blutbahnen dieses Organs, und dort konnte er keine Schäden feststellen, es war also kein Blut in die Gehirnflüssigkeit gesickert.

Bob stand auf. Die Bewegung tat ihm nicht mehr weh als vorher. Er ging zu seinem Fahrrad, und mit einem Blick wurde ihm klar, was passiert sein mußte.

Der Reifen des Vorderrades war bis zum Felgenrand zerschnitten; sonst war das Rad in Ordnung.

„Jemand hat in Achsenhöhe einen Draht über die Straße gespannt“, folgerte er. „Nachdem ich gegen den Draht gefahren und gestürzt war, hat er den Draht wieder entfernt und mich aufgespießt — vielleicht auch in umgekehrter Reihe nfolge. Das Wie scheint also klar. Aber ich verstehe nicht, warum jemand das tun sollte. Für Andrés Spaße ist es ein wenig extrem — nicht der Stolperdraht, aber der Grillspieß — findest du nicht auch?“

Der Jäger mußte zus timmen, obwohl auch er an das Kind gedacht hatte.

Sie konnten keine Spuren entdecken, die darauf hinwiesen, wo das Drahtseil befestigt gewesen sein mochte, doch gab es dafür eine ganze Reihe Mö glichkeiten. Der Jäger fragte sich, ob es einem elfjährigen Kind möglich war, alle Spuren so sorgfältig zu verwischen, behielt diesen Gedanken jedoch für sich.

Er konnte zu keinem Ergebnis kommen, außer der Schlußfolgerung, daß irgend jemand sich sehr wenig Gedanken um Bobs Gesundheit machte; dabei war er nicht einmal sicher, ob der Anschlag Bob gegolten hatte, er war vielleicht nur zufällig sein Opfer geworden. Der Jäger war seit über sieben Jahren nicht mehr in seinem Beruf tätig gewesen und begann sich zu fragen, ob sein Wissen einzurosten begann. Er hätte wenigstens etwas wissen müssen.

Gegen den Einspruch seines Partners bestand Bob darauf, sein Fahrrad zum Haus zurückzuschieben und in den Schuppen zu stellen, bevor er zu Seever ging.

„Wenn meine Leute nach Hause kommen, bevor ich zurück bin, und das Fahrrad in diesem Zustand auf der Zufahrt liegen sehen, drehen sie durch“, erklärte er. „Dir macht es sicher nichts aus, mein Herz ein paar Minuten länger abzudichten.“

„Es geht nicht um die Zeit, sondern um den Blutdruck“, sagte der Jäger. „Denke daran, daß ich nicht genug Kraft hatte, um den Grillspieß selbst aus deinem Körper zu drücken.“

„Ich werde langsam gehen“, versprach Bob, und damit mußte sein Partner sich zufrieden geben.

Die Hauptschwierigkeit beim Gehen waren nach wie vor Bobs schmerzende Gelenke. Sie begegneten niemandem unterwegs. Es schien, als ob sämtliche Bewohner der Insel — vielleicht sogar der Übeltäter, der den Stolperdraht gespannt hatte — am Strand waren, um den Unabhängigkeitstag zu feiern. In zehn Tagen, am BastilleTag, würde es genauso sein, da es fast so viele Menschen französischer wie amerikanischer Abstammung auf Ell gab, und diejenigen, die sich ausschließlich oder vorwiegend als Polynesier fühlten, waren immer bereit, jede sich bietende Möglichkeit zum Feiern auszunutzen.

Unglücklicherweise war auch in Seevers Haus niemand, als sie dort eintrafen. Bob benutzte das Telefon; zunächst rief er in der Raffinerie an, um die Leute dort von seinem Unfall zu informieren, dann rief er an einigen Stellen an, wo der Arzt sich aufhalten mochte. Es war durchaus möglich, daß er und seine Familie draußen auf dem Riff waren, wo die Menschen von Ell gerne Picknicks abhielten, doch im Store und in der Bibliothek wollte er es trotzdem versuchen. Von den privaten Häusern der Insel hatte kaum eins Telefon.

Doch bevor er sich mit jemand in Verbindung setzen konnte, der ihm sagen konnte, wo Dr. Seever sich aufhalten mochte, wurde die Tür geöffnet und Jenny trat herein. Weder sie noch Bob fragten:

„Was machst du denn hier?“, doch stand diese Frage deutlich in ihren Gesichtern. Bob und der Jäger hatten angenommen, daß sie draußen in ihrem Suchgebiet wäre, und sie war natürlich überzeugt gewesen, daß Bob arbeitete.

„Wind ist zu stark und landwärts“, beantwortete sie seine unausgesprochene Frage. „Aber schließlich haben wir bis jetzt mit dem Wetter mehr Glück gehabt, als wir es erwarten konnten.“

Bob erklärte seine Anwesenheit, indem er seinen linken Arm hob. Der Jäger hielt das für keine sehr gute Idee, doch das Mädchen hatte so etwas in der Praxis ihres Vaters schon öfter gesehen und reagierte sehr ruhig. Sie warf einen Blick auf den durch die Haut gedrungenen Knochen und sagte dann sachlich: „Du solltest dich setzen oder besser hinlegen. Dad wird sich um die Sache kümmern; ich nehme an, daß der Jäger alles andere in Ordnung gebracht hat.“

„Ich denke schon. Wo ist dein Vater? Ich wollte gerade nach ihm telefonieren.“

„Am Strand, mit einem Eimer Brandsalbe. Feuerwerkstag. Kannst du dich nicht mehr erinnern?“

„Diesen Aspekt habe ich völlig vergessen. Aber selbst mit der Hilfe des Jägers ist der gebrochene Arm sehr lästig. Kannst du ihn herholen oder soll ich zu ihm gehen?“

„Du bleibst hier. Ich hole ihn her.“ Das Mädchen ging hinaus, ohne Zeit für die Frage zu verschwenden, wie er zu der Verletzung gekommen sei. Zehn Minuten später war sie wieder da, mit ihren Eltern und Maeta, die mit den beiden am Strand gewesen war. Erst viel später fanden sie jedoch Zeit, sich die Geschichte von Bob berichten zu lassen.

Der Arzt und der Jäger überlegten, ob man eine Lokalanästhesie verwenden sollte, die den Alien zwingen würde, sich aus Bobs linkem Arm zurückzuziehen, oder es dem Jäger überlassen sollte, die Nerven des linken Unterarms zu blockieren. Die letztere Möglichkeit erschien beiden als die bessere, doch war sich der Jäger nicht sicher, ob er auch die allgemeine Krepitation ausschalten könnte, das Aneinanderreihen der Knochenenden, wenn sie zusammengefügt wurden, die sich durch das ganze Skelett verbreiten würde und unmöglich zu verhindern war. Seever erklärte dem Jäger, daß eine Lokalanästhesie dieses Phänomen auch nicht ausklammern könnte, und daß es besser wäre, wenn der Jäger im linken Arm bliebe, um Blutungen und Infektionen zu bekämpfen. Seever würde sein bestes tun, um das Aneinanderreihen der Knochen zu verhindern.

Der Jäger stimmte dem Vorschlag zu. Bob mußte als Kommunikationsrelais wirken, als sein Gast Seevers bei seinen Manipulationen half. Schließlich aber, als der Arzt den Gipsverband anlegte, konnte Bob den anderen die Geschichte erzählen.

Beide Mädchen dachten sofort an André, zweifelten jedoch auch beide, daß er es wirklich getan haben könnte. Den Stolperdraht würden sie ihm ohne weiteres zugetraut haben, doch der Grillspieß war, wie auch Bob es gesagt hatte, eine andere Sache.

„Du hast den Draht also nicht gesehen, und schon gar nicht den Menschen, der ihn gespannt hat?“

fragte Maeta.

„Nein“, antwortete Bob. „Alles, was ich gesehen habe, war der zerschnittene Reifen, und der Grillspieß, nachdem ich ihn aus meiner Brust gezogen hatte. Der Jäger hat Schritte gehört, als ich noch bewußtlos war, aber gesehen hat auch er nichts.

Auf jeden Fall war es kein Unfall. Jemand wollte mich töten — oder, wie es der Jäger sieht, irgend jemand töten. Vielleicht war es ihm egal, wen er umbrachte.“

„Vielleicht“, sagte Maeta, „aber es war dein Fahrrad, dessen Lenkstange jemand vor der Bibliothek gelockert hat.“ Bob hatte diese Sache gegenüber den anderen niemals erwähnt. Er gab jetzt dieselbe Antwort, die er damals dem Jäger gegeben hatte.

„Sie war nicht gelockert. Sie war in eine etwas andere Stellung gebracht und wieder festgezogen worden.“ Er gab den anderen die notwendigen Details.

„Das war sicher auch kein Zufall“, sagte Mrs.

Seever.

„Richtig. Wenn die Lenkstange locker gewesen wäre, vielleicht. Aber von selbst konnte sie sich nicht in einer anderen Stellung festziehen.“

„Also hat schon damals jemand versucht, dich zu verletzen.“

„Nicht unbedingt. Auf jeden Fall wäre es eine schlechte Methode gewesen. Normalerweise hätte ich nach vorn gesehen, als ich anfuhr, und hätte so unmöglich stürzen können. Wahrscheinlich hat jemand versucht, mich zu ärgern.“

„War André dort?“ fragte Jenny.

„Nein. Ein Rudel Kinder war natürlich sofort da, um über mich zu lachen, aber André war nicht dabei.“

„Aber du warst in der Bibliothek, und dein Fahrrad stand draußen — stundenlang“, sagte Jenny. „Er hätte also jede Menge Zeit gehabt, es zu tun.“

„Genau wie jeder andere auf dieser Insel, mit der Ausnahme von Maeta, die mit mir zusammen Bücher sortiert hat. Über diese Lappalie mache ich mir keine Gedanken; so etwas würde ich jedem Jungen zutrauen. Aber was heute passiert ist, ist eine andere Geschichte. Ein kleiner Scherz und der Versuch, mir das Genick zu brechen und mir dann noch einen Bratspieß in die Brust zu jagen, gehören einfach nicht in dieselbe Kategorie.“

„Da bin ich nicht so sicher“, sagte der Arzt bedächtig. „Beide haben eines gemeinsam.“

„Und das wäre?“ Die Stimme des Jägers klang gleichzeitig mit denen der anderen in Bobs Innenrohr.

„In beiden Fällen bestand die Möglichkeit, daß du verletzt oder getötet werden konntest; doch dank des Jägers bist du essentiell unbeschädigt davongekommen.“ Bob warf einen Blick auf seinen Arm und hob die Brauen. „Du weißt, was ich damit sagen will. Der Jäger hat seine Arbeit getan. Ganz egal, wer vor einer oder zwei Stunden einen Grillspieß in deine Brust gestoßen hat, er hat faszinierende Informationen zu verbreiten, wenn er dich heute wieder auf den Beinen sieht. Könnten beides nicht Experimente gewesen sein? Ich könnte mir eine Person vorstellen, die sehr interessiert wäre, solche Tests mit dir anzustellen, Bob.“

„Und wer wäre das?“ fragte Jenny. Die anderen schwiegen. Bob und der Jäger erkannten im selben Moment, wen Seever meinte, und keiner der beiden war von der nächsten Frage des Arztes überrascht.

„Jäger, bist du völlig sicher, daß der Verbrecher, den du verfolgt hast, tatsächlich im Feuer getötet worden ist?“

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