Was sie trug


Weil sie nicht wusste, was sie anziehen sollte, brauchte Bonnie fast zwei Stunden, um sich fertig zu machen. Was hatte Kyle Lennox mit »locker« gemeint? Locker war doch zum Beispiel auch ein Seidenanzug von Anne Klein mit Sandalen von Blahnik, oder? Probeweise zog sie auch noch mal das rote Kleid mit den pinkfarbenen Blumen an, das sie für die Bar Mizwa von Ruths Sohn gekauft hatte.

Aber erstens hatte sie seit damals etwas zugelegt und zweitens sah sie darin aus wie das Opfer einer Messerstecherei.

Sie versuchte es mit den brausen Hosen, aber die hatten einen Fleck am Knie. Die Jeans kamen nicht in Frage, weil sie unter den ganzen Armani-Trägern nicht die Einzige mit einem Lands-End-Schild auf der Hose sein wollte.

Eine Weile stand Duke vor der halb geöffneten Schlafzimmertür. Wahrscheinlich fragte er sich, warum sie so einen Aufstand um ihre Klamotten machte, obwohl Bonnie nur zu Ruth ging. Ihr Gesichtsausdruck sorgte aber dafür, dass er sich jeden Kommentar verkniff. Schließlich sagte er: »Ich geh mit Ray rüber zum Supermarkt, um ein paar Bier zu kaufen. Wenn ich schon Babysitter spielen muss, hab ich mir das doch verdient, oder?«

»Im Popeye-Glas sind noch fünfzehn Dollar.«

»Ich weiß. Hab ich schon genommen.«

»Und beeilt euch bitte. Um spätestens halb sechs muss ich weg.«

»Yessir!« Duke salutierte und drehte sich um. Sie wandte sich wieder ihrer Garderobe zu und begann mit wachsender Verzweiflung, durch die Kleiderbügel zu blättern. Plötzlich sahen all die Sachen in ihren Augen irgendwie billig aus. Entscheide dich endlich, sagte sie sich. Entscheide dich endlich. Aber denk dran, dass die Leute, die du heute Abend triffst, ihre Kleider auf dem Rodeo Drive kaufen. Die wissen nicht, dass deine Klamotten von Wal-Mart sind, weil sie noch nie da waren.

Endlich legte sie sich auf navyblaue Hosen und eine cremefarbene Bluse mit Rüschen fest. Die Hose war bequem und die Rüschen hatten zwar ein bisschen was von Country und Western, dafür kaschierten sie etwas ihren großen Busen. Sie legte die Sachen aufs Bett.

Plötzlich fiel ihr ein, dass man bei einer Pool-Party wahrscheinlich auch ins Wasser steigen musste. Sollte sie besser einen Badeanzug mitnehmen? Sie wühlte in ihrem Wäscheschrank und fand den mit den türkisen Punkten. Doch als sie ihn anprobierte, fand sie sich darin zu plump. Der lila Lycra-Badeanzug mit dem hohen Beinausschnitt passte schon besser. Obwohl er oben rum so eng war, dass es aussah, als hätte sie vier Brüste.

Kurz nach fünf war sie so weit. Aber von Duke noch keine Spur. Sie schaute etwas fern und war so nervös, dass sie sich nur auf die Armlehne setzte. Immer wieder stand sie auf, um aus dem Fenster auf die Straße zu spähen. Um drei Minuten vor halb sechs war Duke immer noch nicht zurück. Sie stellte sich auf die Straße. Mrs Lenz kam mit ihrem räudigen Hund vorbei. »Hallo Bonnie. Haben Sie heute frei?«

»Ja, Mrs Lenz. Heute habe ich frei.« Und sie dachte: Was denn sonst? Sehe ich mit der Hose und der Bluse so aus, als würde ich arbeiten gehen?

Es wurde halb sechs und Duke war immer noch nicht aufgetaucht. Sie wünschte, sie hätte ihm ihr Mobiltelefon mitgegeben. Sie ging wieder ins Haus, stellte sich vor den Spiegel und überprüfte zum x-ten Mal ihre Frisur. Sie war gereizt, erhitzt, nervös. Wenn Duke nicht kam, würde sie den Pick-up nehmen müssen.

Um Punkt Viertel vor sechs schrieb sie ihm eine Nachricht: »Bin bei Ruth. Danke für nichts.« Sie klemmte den Zettel unter einen herzförmigen Magneten an den Kühlschrank.


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