Zwei Anrufe
Kurz vor acht Uhr am nächsten Morgen erhielt Bonnie zwei Anrufe. Sie war gerade dabei, Speck für Ray zu braten.
Der erste Anruf kam von Lieutenant David Irizarry vom Los Angeles Police Department.
»Mrs Winter? Captain O’Hagan bat mich, Sie anzurufen.«
»Ja und?«
»Es geht um Ihren Sohn Raymond. Captain O’Hagan sagt, dass keine Anklage wegen Körperverletzung gegen ihn erhoben werden wird. Allerdings muss er noch mal aufs Revier kommen.«
»Verstehe. Na, das sind dann doch wohl gute Neuigkeiten, oder?«
»Captain O’Hagan wird sich noch mal bei Ihnen melden.«
»Danke. Vielen Dank.«
Der zweite Anruf kam von Lieutenant Dan Munoz.
»Bonnie? Gut dass ich dich erwische. Ich hab dir einen Auftrag am Ivanhoe Drive besorgt, oben am Silver Lake Reservoir. Ziemliche Sauerei, wie ich höre. Treffen wir uns dort morgen um drei und arrangieren alles? Ich hab was gut bei dir, stimmt’s?«
Nachdem Bonnie aufgelegt hatte, starrte sie auf den schrumpelnden Speck in der Pfanne. Duke kam in die Küche. Er trug ein verschwitztes T-Shirt und schlabbrige Boxershorts. Eine Dusche hatte er offenbar nicht für nötig befunden und er bewegte sich, als sei er immer noch betrunken. Wahrscheinlich war er das, dachte sie. Er griff nach einem Stuhl, zog ihn zu sich heran und ließ sich darauf plumpsen.
»Du glaubst, dass ich dich nicht liebe, stimmt’s?«
»Vergiss es Duke. Ich glaube überhaupt nichts mehr.«
»Aber das glaubst du doch, oder? Weil es nicht mehr immer klappt, glaubst du, ich liebe dich nicht.«
»Habe ich das gesagt?«
»Das musst du gar nicht sagen. Ich kann es in deinen Augen sehen.«
»Na gut, also ganz ehrlich. Es wäre schön, wenn du ihn zumindest hin und wieder hochkriegen würdest.«
Duke starrte stumm auf die Tischsets, als würden sie die Antworten zu all seinen brennenden Fragen kennen. Bonnie nahm einen vorgewärmten Teller aus dem Ofen und legte sechs Streifen Speck, Bratkartoffeln, Grilltomaten und Rührei darauf. Sie stellte den Teller vor Duke auf den Tisch und sagte: »Da. Und sag mir nie wieder, dass ich dich nicht lieben würde. Nie wieder.«
Duke begann in seinem Essen herumzustochern. »Du willst mich wohl umbringen, was? Mit all diesem fettigen Zeug. Aber das schaffst du nicht.«
»Duke, wenn ich dich tot sehen wollte, würde ich nicht auf deinen Herzinfarkt warten. So viel Geduld hätte ich nicht, glaube mir.«
Duke hackte nun mit der Gabel auf sein Essen ein, als wollte er es ermorden. »Scheiße auch! Du willst mich umbringen, so ist es doch. Du verstopfst meine Arterien und bringst mich so um.«
Bonnie hörte ihm stumm zu und ließ den Kopf hängen. Was sollte sie auch darauf sagen. Nach einer Weile stand sie auf, nahm seinen Teller und kratzte das ganze Frühstück in den Mülleimer unter der Spüle: Eier, Speck, Kartoffeln, Toast – einfach alles. Duke beobachtete sie. Seine Faust verbog fast die Gabel.
»Ich gehe heute Abend weg«, verkündete Bonnie.
»Weg? Sagt wer?«
»Ich. Ich gehe zu Ruth. Wir werden Kuchen essen, uns die Nägel lackieren und darüber reden, was Männer für Sauhunde sein können.«
»Ach ja? Und wer kümmert sich um Ray? Dein Sohn ist praktisch ein Krüppel, kommt gerade aus dem Krankenhaus und du machst dir einen schönen Abend?«
»Allerdings. Ray hat nämlich zwei Elternteile, nicht nur einen. Du bist übrigens der andere. Also kümmerst du dich gefälligst um ihn. Hackfleisch ist im Kühlfach. Du brauchst es nur in die Mikrowelle zu schieben.«
»Jetzt hör mir mal gut zu, Bonnie…«, sagte Duke, doch kam in diesem Moment Ray auf seinen Alukrücken in die Küche gehumpelt. »Hi Mom! Wie läuft’s denn so? Der Speck duftet vielleicht.«
»Den kannst du dir aus dem verdammten Mülleimer holen«, sagte Duke, stand auf, rammte seinen Stuhl an den Tisch und verließ die Küche.