5. Kapitel

Gurronsevas war sehr stolz auf sich, und das, so dachte er, mit Recht.

Er hatte sich mit jedem Mitglied seines Personals einzeln zusammengesetzt und — nötigenfalls in aller Ausführlichkeit — unterhalten. Sein erster Assistent, ein Nidianer namens Sarnyagh-Sa, mußte zwar mit Samthandschuhen angefaßt werden, weil er fest damit gerechnet hatte, auf den Posten des sich zur Ruhe setzenden Chefdiätisten vorzurücken. Doch der Nidianer war ein fähiger und verantwortungsbewußter, für neue Ideen noch ein wenig unaufgeschlossener Mitarbeiter, der auf lange Sicht zu den besten Hoffnungen berechtigte. Ohne sich einzuschmeicheln oder die eigene Autorität oder Verantwortung indirekt herunterzuspielen, bat Gurronsevas jeden einzelnen um Hilfe. Seine Absicht war es, für Mitarbeiter aller Personalstufen ansprechbar zu bleiben, vorausgesetzt, ein solches Gespräch stellte keine Zeitverschwendung dar. Zudem hoffte er, in der Nahrungsversorgungsabteilung würde eine angenehme und professionelle Arbeitsatmosphäre herrschen, wobei allerdings das Ausmaß des Angenehmen ganz vom Stand der Professionalität abhängen mußte. Auch wenn es nach Ansicht einiger Mitarbeiter eigenartig war, daß der große Gurronsevas bei den Gesprächen mit ihnen einen Wartungsoverall trug, fiel die allgemeine Reaktion in der Regel gut aus.

Und nach nur fünf Tagen gemeinsam mit Timmins unternommener Erkundungen der Wartungstunnel für die Lebensmittelversorgung und gerade mal dreieinhalbtägigem Unterricht im Fahren von G-Schlitten teilte ihm der Lieutenant mit, daß er sich nicht länger zu Fuß oder in Begleitung durch die Wartungsebenen bewegen müsse. Am sechsten Tag war der Tralthaner unter ausschließlicher Benutzung der Versorgungstunnel mit einem unbeladenen Schlitten in genau vierundzwanzig Einheitsminuten vom Synthesizerkomplex unter Ebene achtzehn zum Raum für zeitweilige Lagerungen auf Ebene einunddreißig gefahren, ohne um eine Bestimmung seines Standorts bitten zu müssen und irgendwen oder was zu rammen — zumindest nicht so hart, daß ein schriftlicher Bericht erforderlich gewesen wäre.

Nach Timmins’ Aussage hatte er seine Sache für einen Anfänger außergewöhnlich gut gemacht, und jetzt bemühte sich Gurronsevas nach Kräften, sich seinen Stolz und seine Freude über das bereits Geleistete nicht von dieser ungehobelten, scharfzüngigen chloratmenden Illensanerin zerstören zu lassen.

„Wenn wir mal einen von Ihnen brauchen, scheint Ihre merkwürdige Spezies von Wartungstechnikern ganz plötzlich ausgestorben zu sein, und wenn wir mit Ihnen nichts anfangen können, dann verstopfen Sie uns die ganze Abteilung“, beklagte sich Oberschwester Hredlichli. „Was wollen Sie eigentlich von mir?“

Da das Cromingan-Shesk nicht für Chloratmer eingerichtet gewesen war, war es das erste Mal, daß Gurronsevas eine Vertreterin der physiologischen Klassifikation PVSJ aus der Nähe sah. Der stachelige, membranartige Körper der Illensanerin ähnelte einer wahllosen Aufschichtung öliger, giftiger Pflanzen, die zum Teil von dem gelben Chlor in ihrem Schutzanzug vernebelt wurden, und Gurronsevas ertappte sich bei dem Wunsch, der Nebel wäre noch dichter gewesen. Hredlichli schwebte im mit Wasser gefüllten Personalraum reglos vor einem Patientenmonitor. Zwar war Gurronsevas nicht in der Lage, ihre Augen in der wirren, blattähnlichen Struktur des Gesichts ausfindig zu machen, doch vermutlich blickte die Oberschwester ihn an.

„Ich bin Chefdiätist Gurronsevas, Oberschwester, und kein Wartungstechniker“, klärte er Hredlichli auf, wobei er sich sehr bemühte, höflich zu bleiben. „Mit Ihrer Hilfe würde ich gern einen oder mehrere der Patienten zum Stationsessen befragen, weil ich vorhabe, es zu verbessern. Könnten Sie mir den Namen von einem Patienten nennen, mit dem ich mich unterhalten kann, ohne dessen medizinische Behandlung zu stören?“

„Ich kann Ihnen keinen Namen nennen, weil unsere Patienten sie uns nicht verraten“, antwortete Hredlichli. „Auf Chalderescol II ist ein Eigenname nur den engen Familienangehörigen des Betreffenden bekannt und wird ansonsten nur noch dem zukünftigen Lebensgefährten verraten. Die AUGLs auf dieser Station sind nach den Nummern ihrer jeweiligen medizinischen Akte benannt. AUGL-Eins-Dreizehn ist auf dem Weg der Besserung und wird höchstwahrscheinlich nicht von einem Haufen dummer Fragen ernsthaft belastet werden, deshalb dürfen Sie mit ihm sprechen. Schwester Towan!“

Aus dem Kommunikator meldete sich eine Stimme, die durch das dazwischen liegende flüssige Medium leicht verzerrt war: „Ja, Oberschwester?“

„Wenn Sie bei Eins-Zweiundzwanzig mit dem Kleiderwechseln fertig sind, dann bitten Sie Eins-Dreizehn, zum Personalraum zu kommen“, sagte Hredlichli. „Er hat Besuch.“ An Gurronsevas gewandt fuhr sie fort: „Falls Sie es nicht wissen sollten: ein Chalder würde hier nicht hineinpassen, ohne den ganzen Raum zu demolieren. Warten Sie draußen.“

Wahrscheinlich war die Station kleiner, als sie aussah, dachte Gurronsevas, während er auf AUGL-Eins-Dreizehn wartete, doch Größe und Entfernung waren in dieser dämmrigen, grünen Welt schwer abzuschätzen, in der der optische Unterschied zwischen den schattenhaften Bewohnern, den medizinischen Geräten und den zur Dekoration bestimmten Pflanzen, durch die sich diese Wesen wie zu Hause fühlen sollten, nur mit Mühe zu bestimmen war. Wie ihm Timmins erzählt hatte, sei ein Teil der Pflanzen keineswegs künstlich, sondern echt. Dabei handelte es sich um eine lebende Pflanzenart, die eine aromatische Substanz freisetzte, die sich im Wasser ausbreitete und von den Patienten als angenehm empfunden wurde. Die Verantwortung, für die anhaltende Gesundheit der Pflanzen zu sorgen, trage allein die Wartungsabteilung, hatte ihm Timmins weiterhin berichtet, die sich aufopferungsvoll darum kümmere, und sei es auf Kosten der Gesundheit der Patienten; wann der Lieutenant etwas ernst meinte, war manchmal schwierig zu sagen. Darüber hinaus hatte er Gurronsevas mitgeteilt, die Bewohner der Wasserwelt von Chalderescol II seien leicht peinlich berührt und wahrscheinlich die optisch furchteinflößendsten Wesen, denen der Tralthaner im Orbit Hospital jemals begegnen würde.

Das glaube ich sofort, dachte Gurronsevas entsetzt, während er die riesige, torpedoförmige Gestalt mit Tentakeln beobachtete, die lautlos auf ihn zuschnellte.

Das Wesen sah wie ein gewaltiger, gepanzerter Fisch mit einem kräftigen, messerscharfen Schwanz aus, der eine scheinbar planlose Anordnung von kurzen Flossen und einen breiten Ring von Tentakeln besaß, die aus den wenigen sichtbaren Öffnungen seines organischen Panzers hervorragten. Beim Vorwärtsschwimmen lagen die Tentakel flach an den Körperseiten an, aber sie waren so lang, daß sie über die dicke, stumpfe Keilform des Kopfes hinausreichten. Ein kleines, lidloses Auge beobachtete Gurronsevas, während das Wesen näher herankam und ihn in immer engeren Kreisen zu umschwimmen begann. Plötzlich teilte sich der Kopf und entblößte ein riesiges, rosafarbenes Loch von einem Maul mit den größten, weißesten und schärfsten Zähnen, die Gurronsevas jemals gesehen hatte.

„Sind, sind Sie der Besucher?“ fragte der AUGL schüchtern.

Gurronsevas zögerte und fragte sich, ob er sich vorstellen sollte oder nicht. Wenn er den eigenen Namen nannte, konnte sich das Mitglied einer Zivilisation, die Namen nur in der Familie oder unter Geliebten aussprach, peinlich berührt fühlen. Hätte er doch bloß daran gedacht, sich vorher bei der Oberschwester danach zu erkundigen.

„Ja“, antwortete er schließlich. „Falls Sie gerade nichts Wichtigeres zu tun haben und damit einverstanden sind, würde ich mich mit Ihnen gerne über chalderisches Essen unterhalten.“

„Mit Vergnügen“, willigte AUGL-Eins-Dreizehn sofort ein. „Das ist ein interessantes Thema, das auf unserem Heimatplaneten immer wieder zu heftigen Diskussionen, selten aber zu Gewalttätigkeiten Anlaß gibt.“

„Über chalderisches Essen hier im Hospital“, präzisierte Gurronsevas.

„Ojemine.!“

Um den schweren Vorwurf zu erahnen, der in diesem einzigen Wort mitschwang, brauchte Gurronsevas kein cinrusskischer Empath zu sein.

„Ich habe vor — genaugenommen betrachte ich es sogar als eine persönliche und berufliche Herausforderung—, die Qualität, den Geschmack und die Zubereitungsarten der synthetischen Nahrung zu verbessern, mit der die vielen verschiedenen Lebensformen im Hospital versorgt werden“, fuhr er schnell fort. „Bevor jedoch irgendeine Verbesserung möglich ist, muß ich wissen, in welcher Beziehung oder in welchen Beziehungen die gegenwärtigen Speisen, die mir wenig mehr als fast geschmacklose Brennstoffe für den Organismus zu sein scheinen, hinter dem Ideal zurückbleiben. Ich habe gerade mit der Arbeit begonnen, und Sie sind der erste Patient, der befragt werden soll.“

Das höhlenartige Maul klappte langsam zu und öffnete sich dann wieder. „Das ist ja ein ehrenhaftes Ziel, das Sie sich da gesteckt haben, doch zweifellos unerreichbar, oder?“ meinte der Patient. „Ich muß an Ihre Formulierung geschmackloser Brennstoff für den Organismus“ denken. Für einen Gastgeber auf Chalderescol wäre das die größte Beleidigung seiner Kochkunst, denn wir nehmen unsere Ernährung sehr ernst und essen häufig übermäßig viel. Was wollen Sie von mir wissen?“

„Praktisch alles“, antwortete Gurronsevas dankbar. „Über chalderisches Essen weiß ich nicht das Geringste. Welche genießbaren Tier- und Pflanzenarten gibt es auf Chalderescol? Wie werden sie zubereitet, angerichtet und serviert? Auf den meisten Planeten regen die verschiedenen Zubereitungsarten einer Mahlzeit die Geschmacksrezeptoren an und tragen viel zu ihrem Genuß bei. Ist das auf Chalderescol auch so? Welche Gewürze, Soßen oder sonstige verfeinernde Zutaten werden verwendet? Außerdem ist mir die Vorstellung einer Küche, die nur aus kalten Gerichten besteht, völlig neu.“

„Da wir Wasseratmer sind, die im Meer leben, haben wir das Feuer erst sehr spät entdeckt“, unterbrach ihn Eins-Dreizehn freundlich.

„Natürlich! Bin ich dumm, daß ich daran.“, begann Gurronsevas, als das Gespräch von Hredlichlis Stimme unterbrochen wurde.

„Mich darüber zu äußern, ob Sie dumm sind oder nicht, steht mir nicht zu, zumindest nicht vor anderen Leuten“, rief ihm eine Stimme vom Eingang des Personalraums zu. „Aber es ist jetzt Zeit fürs Mittagessen, und die Patienten haben Hunger. Außerdem sind alle bis auf denjenigen, mit dem Sie sich gerade unterhalten, auf besondere Diät gesetzt und brauchen beim Essen die Hilfe der Schwestern. Also machen Sie sich nützlich, holen Sie die Ration von Eins-Dreizehn, und lassen Sie den armen Kerl essen, während Sie mit ihm sprechen.“

Mit dem Gedanken, wie komisch es war, daß ihm die unliebenswürdige Oberschwester genau das auftrug, was er sich sowieso zu tun gewünscht hatte, folgte Gurronsevas Hredlichli in den Personalraum. Doch bevor er den Gedanken bis zu dem unglaublichen Schluß verfolgen konnte, daß Hredlichli möglicherweise gar nicht so unliebenswürdig war, wie sie schien, begann die Rinne der Essensausgabe große, grau und braun gesprenkelte Bälle in ein wartendes Tragenetz auszuspucken. Als das Netz voll war, zog Gurronsevas es aus dem Personalraum hinaus und steuerte damit auf Eins-Dreizehn zu.

„Halten Sie einen Sicherheitsabstand, und werfen Sie Eins-Dreizehn jeweils immer nur einen Ball zu!“ rief ihm Hredlichli hinterher. „Schließlich wollen Sie ja nicht Teil der Mahlzeit werden, oder?“

Zwei kelgianische Schwestern, deren Fell sich unter den transparenten Schutzanzügen in schwach beleuchteten silbernen Wellen kräuselte, und eine wasseratmende creppelianische Oktopodin, die keinen Schutz benötigte, kamen auf ihrem Weg in den Personalraum an Gurronsevas vorbei.

„Was sind das für Dinger? Eier?“ fragte Gurronsevas, während er die Bälle einen nach dem anderen auf das geöffnete, wartende Maul des Patienten zuwarf. Eins-Dreizehns Kiefer schlössen sich viel zu schnell, als daß Gurronsevas hätte sehen können, ob es sich um eine weiche Substanz mit einer festen, ungleichmäßigen Schale handelte, oder ob sie ganz und gar hart war. Doch seine Neugier wurde erst gestillt, nachdem der letzte der Bälle zwischen den gewaltigen Kiefern verschwunden war und der Patient sein Maul wieder zum Sprechen frei hatte.

„Bekommen Sie genug zu essen?“ fragte Gurronsevas. „Im Verhältnis zu Ihrer Körpergröße scheinen mir die Portionen, na ja, recht dürftig zu sein.“

„Daß ich mit meiner Antwort so lange gewartet habe, sollten Sie nicht als Unhöflichkeit auffassen“, erwiderte Eins-Dreizehn. „Auf Chalderescol stellt die Nahrungsaufnahme eine wichtige und angenehme Tätigkeit dar, und sich beim Essen zu unterhalten wird als indirekte Kritik am Gastgeber angesehen, weil man das Mahl offenbar als fade und langweilig empfindet. Selbst hier, wo man die Verpflegung ernsthaft kritisieren kann, behalten wir unsere guten Manieren.“

„Ich verstehe“, sagte Gurronsevas.

„Um Ihre Frage zu beantworten“, fuhr Eins-Dreizehn fort, „die Bälle, aus denen meine Mahlzeit bestanden hat, ähneln zwar Eiern, sind aber keine, auch wenn sie eine harte, genießbare Schale haben, die einen Kern aus einem — natürlich synthetischen — Nahrungskonzentrat umschließt, das sich bei Berührung mit den Verdauungssäften zu einem Vielfachen des ursprünglichen Volumens ausdehnt und auf diese Weise ein körperliches Sättigungsgefühl hervorruft. Auch wenn wir Chalder allesamt einen verwöhnten Gaumen haben und sehr gut wissen, daß Hunger der beste Koch ist, haben diese Bälle einen künstlichen und alles andere als feinen Geschmack, der obendrein. Um sie vollständiger zu beschreiben, müßte meine Ausdrucksweise zwangsläufig ungehobelt werden.“

„Nun, das kann ich gut nachvollziehen“, pflichtete ihm Gurronsevas bei. „Aber können Sie mir neben den Geschmacksunterschieden auch die Unterschiede im Aussehen und in der Konsistenz zwischen den verschiedenen natürlichen und synthetischen Nahrungsmitteln beschreiben? Übrigens verletzen Sie mein Zartgefühl keineswegs, wenn Sie übelschmeckende oder schlecht zubereitete Speisen mit ungehobelten Ausdrücken belegen, weil ich das bei meinem Küchenpersonal eine ganze Reihe von Jahren selbst gemacht habe.“

Patient Eins-Dreizehn begann, indem er betonte, er wolle dem Hospital gegenüber nicht undankbar klingen, da ihm die Behandlung, die ihm hier gewährt worden sei, immerhin das Leben gerettet habe. In den engen und für einen AUGL geradezu Platzangst hervorrufenden Grenzen der überfüllten Station seien medizinische und chirurgische Wunder vollbracht worden, und sich dann darüber zu beklagen, daß das Essen unappetitlich sei, erscheine ihm unter diesen Umständen kleinlich. Seinen Erzählungen zufolge war auf seinem Heimatplaneten selbstverständlich genügend Platz vorhanden, um zu essen, sich zu bewegen und die Geschmacksrezeptoren durch die Erwartung und Ungewißheit zu schärfen, die aufgrund der Notwendigkeit entstand, bestimmte Beutetierarten zu jagen, die nicht einfach zu fangen waren.

In der Wasserwelt von Chalderescol II, so berichtete Eins-Dreizehn weiter, verspürten die Chalder trotz der zivilisierenden Einflüsse mehrerer Jahrhunderte immer noch das sowohl physiologische als auch ästhetische Bedürfnis, sich ihr Fleisch nicht in totem Zustand und — was ihre Instinkte anging — im Frühstadium der Verwesung auf einem Teller servieren zu lassen, sondern es selbst zu jagen. Um körperlich gesund zu bleiben, mußten sie die Kiefer, die Zähne und ihre schweren gepanzerten Körper beschäftigen, und die Zeit, in der sie sich am stärksten anstrengten und am meisten Spaß hatten, stellte sich — abgesehen von der kurzen jährlichen Periode, in der sie sich fortpflanzen konnten — dann für sie ein, wenn sie aßen.

Die im Hospital als Mahlzeit servierten Bälle wiesen laut Eins-Dreizehn zwar eine Schale auf, die hart genug war, und sie stellten zweifellos auch ein nahrhaftes Gericht dar, aber ihr Kern bestand aus einem weichen, geschmacklosen, ekelhaften Brei, der dem zum Teil vorverdauten Fleisch von frisch erlegten Beutetieren ähnelte, mit dem die AUGLs ihre zahnlosen Kleinkinder fütterten. Sofern ihn nicht eine schwere Krankheit oder Verletzung zur Bewegungslosigkeit verdammte, war ein erwachsener Chalder gezwungen, sich auf andere, angenehmere Dinge zu konzentrieren, wenn er beim Verzehr dieses scheußlichen Zeugs keinen Brechreiz verspüren wollte.

Aufmerksam lauschte Gurronsevas jedem einzelnen Wort von AUGL-Eins-Dreizehn. Hin und wieder bat er zwar um genauere Erklärungen oder machte Vorschläge, dachte aber immer daran, die schöpferische Übertreibungskraft eines Patienten, der sich offensichtlich freute, einen neuen Gesprächspartner gefunden zu haben, bei dem er sich beklagen konnte, in angemessener Weise zu berücksichtigen. Die ständige Diskussion über Essen in seinen vielen, für einen Chalder unschmackhaften Formen erinnerte Gurronsevas dennoch daran, daß es bereits vier Stunden her war, seit er selbst etwas zu sich genommen hatte.

„Falls ich Sie mal unterbrechen dürfte, um das Problem zusammenzufassen“, sagte Gurronsevas, als Eins-Dreizehn sich mit nur geringen Abweichungen zu wiederholen begann. „Als erstes wäre da die Form und Konsistenz der Nahrung, die insofern angemessen ist, als sie Kiefer und Zähne beschäftigt, Zweitens ist der Geschmack unbefriedigend, weil er künstlich durch chemische Zusätze erzeugt wird und der anspruchsvolle Gaumen der Chalder jeden derartigen Ersatz augenblicklich bemerkt. Und drittens fehlen die sich im Wasser ausbreitenden Gerüche, die von den echten Beutetieren ausgehen, wenn sie gejagt werden.

Bei meiner kürzlichen Untersuchung ähnlich gelagerter Probleme anderer Lebensformen im Hospital habe ich herausgefunden, daß die Stationsverpflegung nicht in der Verantwortung der Lebensmitteltechniker liegt, sondern sich in der Hand des klinischen Diätisten befindet, der wiederum auf Anweisung des verantwortlichen Arztes handelt“, fuhr Gurronsevas fort. „Das Hauptinteresse des betreffenden Arztes besteht ganz zu Recht darin, Mahlzeiten zu verordnen, die die medizinischen Bedürfnisse des Patienten unterstützen. Da diese Verordnung zugleich eine Ausweitung der medizinischen Behandlung des Patienten darstellt, spielen Geschmack und Geruch nur eine untergeordnete Rolle, falls sie überhaupt berücksichtigt werden. Doch meiner Ansicht nach sollten sie sehr wohl in Betracht gezogen werden, und zwar ernsthaft, sei es auch nur für die heilsamen psychologischen Auswirkungen auf Patienten wie Sie, die sich auf dem Weg der Besserung befinden und ermuntert werden sollten, zu essen und sich körperlich zu betätigen.

Bedauerlicherweise kann ich vorläufig nur wenig für den Geschmack und die Beschaffenheit Ihrer Verpflegung tun, da ich erst einmal den für Sie verantwortlichen Arzt und den entsprechenden Nahrungssynthetiker zu Rate ziehen muß“, setzte Gurronsevas seine Ausführungen fort, wobei die Begeisterung für das Thema den nagenden Hunger betäubte. „Doch in der Regel kann man die meisten Gerichte schon dadurch appetitlicher erscheinen lassen, indem man sich verschiedene Anrichtungsarten einfallen läßt. Zum Beispiel durch eine interessante Farbkombination oder durch eine phantasievolle Formgebung und Anordnung der Bestandteile auf einem Teller, damit das Essen sowohl eine optische Anziehungskraft ausübt als auch.“

Als Gurronsevas einfiel, daß Patient AUGL-Eins-Dreizehn nicht von einem Teller aß und der optische Reiz seiner Nahrung für ihn in erster Linie in ihrer Fähigkeit bestand, überall im Essensbereich hin und her zu flitzen, brach er mitten im Satz ab. Doch seine Verlegenheit währte nur kurz, denn Hredlichli war aus dem Personalraum aufgetaucht und kam im Eiltempo auf sie zugeschwommen.

„Ich muß Sie in Ihrem übermäßig langen und für mich alles andere als interessanten Gespräch unterbrechen“, sagte die Oberschwester, während sie sich zwischen den Patienten und Gurronsevas treiben ließ. „Chefarzt Edanelt müßte jeden Moment seine Abendvisite machen. Kehren Sie bitte zu Ihrem Schlafgestell zurück, Eins-Dreizehn. Und Diätist Gurronsevas, falls Sie das Gespräch fortsetzen möchten, werden Sie warten müssen, bis Doktor Edanelt seine Runde durch die Station beendet hat. Soll ich mich dann mit Ihnen in Verbindung setzen?“

„Nein danke“, antwortete Gurronsevas. „Patient Eins-Dreizehn hat mir einige äußerst nützliche Auskünfte gegeben. Ich bin Ihnen beiden sehr dankbar und werde hoffentlich nicht eher zurückkehren müssen, bevor es mir gelungen ist, bei der Stationsverpflegung der AUGLs eine Verbesserung erzielt zu haben.“

„Na, dann viel Glück. Das glaube ich erst, wenn ich es sehe“, höhnte Oberschwester Hredlichli.

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