Remrath bewegte sich über den unebenen Boden der Talsohle noch langsamer als Tawsar und hatte eindeutig stärkere Schmerzen als sie. Zudem weigerte er sich standhaft, eine derjenigen Stellen zu betreten, die von den Strahlen der frühen Nachmittagssonne beschienen wurden. Beide Probleme wurden von Naydrad behoben, die mit dem schwerelosen Krankentransporter herbeieilte und über dem anfänglich widerwilligen Insassen das Sonnenschutzschild ausfuhr. Die Oberschwester hatte die Anweisung erhalten, nur die Trage zu lenken und das Gespräch allein Gurronsevas zu überlassen. Der aufgewühlte Zustand ihres Fells zeigte, was sie von dem erzwungenen Schweigen hielt. Danalta, dessen Aufgabe als Beschützer sich als überflüssig erwiesen hatte, war auf die Rhabwar zu Prilicla und Murchison zurückgekehrt, um zu helfen, die durch Tawsar gewonnenen physiologischen Daten über die Wemarer auszuwerten.
Die Schüler, die nur am Vor- und frühen Nachmittag nach draußen kamen, über Mittag jedoch in der großen Höhle behalten wurden, um nicht dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt zu sein und gleichzeitig in den Genuß der maximalen natürlichen Beleuchtung durch die Fenster zu kommen, hatten die Mine verlassen, um wieder im Freien zu arbeiten, und Remrath schien die zeitliche Grenze, die er dem Sammeln von Pflanzenproben gesetzt hatte, völlig vergessen zu haben. Ganz offensichtlich genoß er die Bequemlichkeit des Fahrens auf der Trage, und an den merkwürdigen Dingen, die Gurronsevas sagte und tat, fand er noch mehr Vergnügen.
„Blumen essen Sie auf Ihrem Planeten doch wohl nicht, oder?“ fragte er während eines Halts auf den höheren, unbebauten Hängen.
„Manchmal kann man die Stiele, Blätter oder Blüten zerdrücken oder kochen und als Ergänzung oder Kontrast zu den übrigen Zutaten verwenden oder auf dem Teller verteilen, damit das Essen reizvoller aussieht, oder mit ihnen einfach den Eßtisch dekorieren, um ihm ein gefälliges Aussehen und einen angenehmen Duft zu verleihen“, antwortete Gurronsevas. „Aber manchmal essen wir sie auch.“ Erneut stieß Remrath einen Laut aus, der nicht übersetzt wurde. Das hatte er schon fast den ganzen Nachmittag lang getan.
„Diese Beeren mit der braun gepunkteten grünen Haut“, fuhr Gurronsevas fort, wobei er auf einen niedrigen Strauch mit dichtem, drahtigem Blätterwerk deutete, den er als die Pflanze wiedererkannte, die er vorhin benutzt hatte, um die Teller sauber zu schrubben, „sind die genießbar?“
„Ja, aber nur in geringen Mengen“, antwortete der Chefkoch. „Das sind die Rankenbeeren. Im Moment haben sie noch einen herben Geschmack, aber wenn sie ganz reif sind, schmecken sie süß. Doch wir essen sie nicht, sofern nicht einer von uns Schwierigkeiten mit der Ausscheidung von Abfallstoffen hat. Und Sie, Sie werden die auch nicht zu sich nehmen!“
„Ich werde Proben von allem sammeln, insbesondere von Heilpflanzen, die manchmal nicht nur einem Gericht mehr Geschmack verleihen, sondern auch gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzen“, erklärte Gurronsevas. „Sie sagen, die Wemarer verwenden viele solcher Pflanzen. Wer ist für die Verschreibung verantwortlich?“
„Ich“, antwortete Remrath.
Als Chefkoch der Einrichtung hatte Remrath viel mit ihm gemein, dachte Gurronsevas. Natürlich waren das Wissen und der Wortschatz des Wemarers stark beschränkt, doch sie sprachen beide dieselbe Sprache. Für das medizinische Team wäre es hilfreich, überlegte der Tralthaner, wenn er herausfinden könnte, was auf Wemar einem Arzt entsprach.
„Und wer von Ihnen beschäftigt sich mit den schwerer erkrankten oder verletzten Wemarern?“ erkundigte er sich. „Gibt es einen speziellen Ort, an dem sie behandelt werden? Und was wird für sie getan?“
Es trat eine lange Stille ein, und Gurronsevas wunderte sich schon, ob er den Chefkoch mit seinen anscheinend arglosen Fragen gekränkt haben könnte, als sich Remrath doch noch zu einer Antwort durchrang.
„Leider bin ich dafür verantwortlich“, sagte er. „Außerdem spreche ich mit Fremdweltlern über derartige Dinge nicht, Gurronsevas, und nicht einmal mit Freunden. Erzählen Sie mir lieber noch mehr über Ihre merkwürdigen Serviermethoden.“
Sie kehrten zu dem Thema zurück, das, wie Gurronsevas wußte, ungefährlich war, und das er persönlich sowieso viel aufregender fand.
Anfangs interessierte sich Remrath lediglich aus Höflichkeit dafür. Offensichtlich fand er Gefallen an der komfortablen Fahrt auf der Trage und war darauf bedacht, dieses Vergnügen zu verlängern. Doch kaum hatte Gurronsevas den Chefkoch dazu gebracht, den Gedanken zu akzeptieren, daß Essen vielleicht etwas mehr als die bloße Aufnahme von organischem Brennstoff sei, und ihm mit Begeisterung von den vielen Zeremonien und Raffinessen, die auf anderen Planeten beim Zubereiten und Anrichten ins Spiel kamen, und von den zahlreichen verschiedenen Gängen berichtet, die als Teil einer einzigen Mahlzeit serviert werden konnten, war Remraths Interesse ernsthafter geworden, wenn sich auch gelegentlich ein hohes Maß an Ungläubigkeit hineinmischte.
„Daß Sie ein Gericht als Kunstwerk ansehen, wie es zum Beispiel eine schöne Holzschnitzerei oder ein Wandgemälde ist, kann ich ja noch nachvollziehen“, warf Remrath an einer Stelle ein. „Obwohl so ein Gericht zwangsläufig ein sehr kurzlebiges Kunstwerk ist, zumal dann, wenn der Kochkünstler mit seiner Arbeit Erfolg hat. Doch das Geschmacksempfinden mit den Freuden zu vergleichen, die man beim Schaffen eines Kunstwerks hat. das ist doch wohl übertrieben, oder?“
„Vielleicht nicht, wenn Sie bedenken, daß man sich beim Essen einen Augenblick intensiven Genusses verschafft, der durch Erfahrung und kontrolliertes Hinauszögern verstärkt und ausgedehnt werden kann“, gab Gurronsevas zu bedenken. „Ein normales Kunstwerk hingegen bereitet einem eine ständige, wenn auch zugegebenermaßen weniger starke Freude, die bedeutend länger anhält, die nicht so sehr durch das Alter oder körperliche Erschöpfung beeinflußt wird und auf keinen Fall vorzeitig vorbei ist.“
„Wenn Sie das mit Nahrungsmitteln erreichen können, müssen Sie wirklich ein sehr guter Koch sein“, stellte Remrath fest. „Ich bin der beste“, merkte Gurronsevas in aller Bescheidenheit an.
Remrath stieß einen Laut aus, der nicht übersetzt wurde, und das gleiche tat aus irgendeinem Grund auch Naydrad.
Als man sich auf den Rückweg zur Mine machte, lagen nur noch die obersten Berghänge über dem Tal im Licht der untergehenden Sonne, und die Lufttemperatur war bereits merklich gefallen. Die jungen Mitglieder der Arbeitsgruppen und Klassen liefen und hüpften unbeaufsichtigt in kleinen Rudeln über den ebenen Boden vor dem Eingang. Wie Remrath erklärt hatte, handelte es sich hierbei um eine Beschäftigung, in der die Kinder bestärkt wurden, damit sie Hunger für das Abendbrot bekamen und ihre überschüssige Energie abbauten, um besser zu schlafen; sie konnten sich nämlich irreparable Verletzungen zuziehen, wenn sie nachts in den Stollen herumliefen. Obwohl die Schaufelräder ständig Strom erzeugten, war die Mine außer unter besonderen Umständen nachts nicht beleuchtet, da der geringe noch vorhandene Vorrat an Glühbirnen nicht aufgestockt werden konnte.
„Beabsichtigen Sie, diese Wunderwerke des Geschmacks auch für uns zu vollbringen?“ fragte Remrath plötzlich. „Wie wollen Sie das machen, wo Sie doch überhaupt keine Ahnung von Wemarer Nahrungsmitteln haben und kaum eine Messerspitzevoll von meinem Eintopf probiert haben?“
„Ich will es zumindest versuchen“, antwortete Gurronsevas. „Doch zuerst müssen die Proben untersucht werden, um sicherzustellen, daß sie für mich nicht schädlich sind. Sollten sie sich nicht bloß für die Wemarer, sondern auch für mich als genießbar erweisen, dann und nur dann werde ich versuchen, etwas zu kreieren. Selbstverständlich muß ich jedes Gericht beziehungsweise jeden einzelnen Gang eines Menüs, das ich zubereite, zuerst selbst probieren. Für Ratschläge zu Geschmacksvorlieben und — Intensitäten wäre ich Ihnen sehr dankbar, da sich mein tralthanischer Geschmackssinn in gewisser Hinsicht bestimmt von dem der Wemarer unterscheidet, doch ich würde niemals jemandem ein Gericht servieren, das ich vorher nicht bis auf den letzten Bissen selbst verzehrt hätte.“
„Selbst ein Vorhaben, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, kann interessant zu beobachten sein“, merkte Remrath an. „Möchten Sie jetzt in die Küche zurückkehren?“
„Nein“, lehnte Gurronsevas in entschiedenem Ton ab, da er es nicht gewohnt war, seine künstlerischen Fähigkeiten in dieser Weise in Zweifel gezogen zu sehen. „Die Analyse und das erste Experimentieren mit den Proben könnte etwas Zeit in Anspruch nehmen. Ich werde morgen oder vielleicht ein oder zwei Tage später wiederkommen. Natürlich nur mit Ihrer Erlaubnis.“
„Brauchen Sie einen Führer, um wieder den Weg zu meiner Küche zu finden?“ fragte Remrath.
„Nein danke“, entgegnete Gurronsevas. „An den erinnere ich mich noch.“
Die beiden wechselten kein weiteres Wort miteinander, bis sie bei den tobenden jungen Wemarern vor dem Mineneingang ankamen. Zwei der Kinder halfen Remrath aus dem Transporter, und ein anderes versuchte, durch die Lücke zwischen der scheinbar in der Luft schwebenden Unterseite und dem Boden hindurchzukriechen, und berichtete den anderen dann aufgeregt schnatternd von dem eigenartigen Kribbeln, das das Repulsionsfeld bei ihm an Kopf und Armen hervorgerufen hatte. Ein weiterer Wemarer wollte gerade auf den leeren Transporter steigen, als Remrath ihn verscheuchte, indem er ihm androhte, ihn gleich in der Luft zu zerreißen und noch auf andere grausame Weise zu bestrafen, was angesichts der körperlichen Schwäche und eingeschränkten Bewegungsfreiheit des Chefkochs weder er selbst noch der junge Wemarer ernst nahmen.
Schon steuerte Naydrad den Transporter wieder auf das Schiff zu, und Gurronsevas wandte sich gerade ab, um sich ihr anzuschließen, als sich Remrath noch einmal zu Wort meldete.
„Tawsar würde sich ebenfalls freuen, wenn Sie uns wieder besuchten, um den Kindern von den fremden Planeten und Lebewesen und von den Wundern zu erzählen, die Sie gesehen haben“, sagte er. „Doch über Ihre Arbeit in der Küche dürfen Sie nur mir berichten, damit nicht wieder einer Ihrer Einfalle bezüglich des Essens bei jemandem zu psychischer Erregung oder Übelkeit führt.“
Der Tralthaner war gerade noch in der Lage, die eigene psychische Erregung unter Kontrolle zu halten, die durch die Erschütterung und die Wut darüber hervorgerufen wurde, daß es jemand auch nur anzudeuten wagte, der große Gurronsevas sei imstande, eine Mahlzeit zuzubereiten, von der irgend jemandem übel werden könne, bevor er in den näheren Bereich von Priliclas empathischen Fähigkeiten geriet.
Als er aufs Unfalldeck der Rhabwar zurückkehrte, hatte Naydrad die Proben bereits ausgeladen und machte sich gerade am Essensspender zu schaffen, wobei sich ihr Fell schon im voraus kräuselte, während Danalta völlig unbegreifliche Dinge an der Analysatorkonsole trieb.
Gurronsevas blickte sich nach Prilicla um, doch die Pathologin beantwortete ihm seine Frage, bevor er sie überhaupt stellen konnte.
„Wie Sie wahrscheinlich wissen, sind Cinrussker nicht gerade ausdauernd“, erklärte Murchison lächelnd. „Prilicla schläft seit vier Stunden, und wir bemühen uns, unsere emotionale Ausstrahlung nicht zu stark werden zu lassen. Sie haben einen langen Tag hinter sich, Gurronsevas. Brauchen Sie was zu essen oder Schlaf oder beides?“
„Weder noch“, antwortete der Tralthaner. „Was ich brauche, sind Informationen.“
„Brauchen wir die nicht alle?“ entgegnete Murchison stirnrunzelnd. „Was wollen Sie denn genau wissen?“
Gurronsevas beantwortete die Frage so präzise wie möglich. Dafür brauchte er eine ganze Weile, und Murchison wollte ihm gerade die gewünschten Auskünfte erteilen, als Prilicla hereingeflogen kam, um sich zu ihnen zu gesellen. Mit einem seiner zierlichen Greiforgane gab er der Pathologin das Zeichen fortzufahren.
„Zuerst zu Ihren Fragen bezüglich der Untersuchung der Wemarer Pflanzen auf die Verträglichkeit für die Klassifikation FGLI, also Ihre eigene, und für die einheimischen DHCGs“, begann Murchison in forschem Ton. „Von Tawsar haben wir mehr physiologische Daten erhalten, als ihr bewußt war. Obwohl wir noch viele Fragen zur inneren Sekretion der Wemarer haben sowie zu den festgestellten Anzeichen für einen möglichen entwicklungsgeschichtlichen Sprung im Bereich des Wechsels vom Pflanzen- zum Fleischfresser — oder vielleicht auch zum Allesfresser—, der in der Pubertät stattfindet, müßte uns dies alles klar werden, wenn wir mehr. Tut mir leid, Gurronsevas, dieser Teil der Untersuchung ist ein medizinisches Spezialgebiet und für Sie nicht von Interesse.
Was wir Ihnen mitteilen können, ist, daß unsere Untersuchungen des Zungenaufbaus und die Speichelanalyse auf das Vorhandensein eines Geschmackssinns und eines Vorverdauungssystems im Mund hindeuten, das in den meisten Beziehungen demjenigen ähnelt, das man bei der Mehrheit der warmblütigen sauerstoffatmenden Lebensformen einschließlich Ihrer eigenen vorfindet“, fuhr die Pathologin fort. „Wenn Sie die Pflanzen, die Sie gesammelt haben, bestimmen und mit einem Anhänger versehen und uns ein paar Stunden Zeit geben, um uns damit zu beschäftigen, werden wir in der Lage sein, Ihnen mit einem recht hohen Maß an Gewißheit zu sagen, welche Pflanzen oder Pflanzenteile — wie etwa Wurzeln, Stiele, Blätter oder die Frucht — die Wemarer und Sie selbst essen können und welche mehr oder weniger giftig sind. Da Stoffe, die wir als giftig einstufen, wenn man sie direkt in den Blutkreislauf bringt, oft durch die normalen Entgiftungsprozesse bei der Verdauung unschädlich gemacht werden, ist es unwahrscheinlich, daß Sie einen Wemarer oder sich selbst vergiften, wenn Sie die untersuchten Pflanzen zuerst nur in geringen Mengen verwenden. Dasselbe gilt für alle Nahrungsmittel, die der Synthesizer der Rhabwar für die Wemarer herstellt.
Wie die einzelnen Pflanzenproben genau schmecken, können wir Ihnen nicht sagen“, setzte Murchison ihre Ausführungen fort. „Zwar zeigt die chemische Zusammensetzung an, ob die betreffende Pflanze einen kräftigen oder faden Geschmack hat, aber nicht, ob dieser Geschmack den Wemarern angenehm oder unangenehm sein wird. Wie Sie selbst besser als irgend jemand sonst an Bord wissen, ist Geschmack eine Frage der persönlichen Vorliebe und schon bei Mitgliedern ein und derselben Spezies vollkommen verschieden, ganz zu schweigen von denjenigen mit einer völlig anderen Evolution.“
„Mir scheint, ich werde den Gaumen der Wemarer umerziehen müssen“, merkte Gurronsevas an.
Murchison lachte. „Zum Glück ist das nicht mein Problem. Wollen Sie sonst noch etwas wissen?“
„Danke, ja“, antwortete Gurronsevas und richtete sämtliche Augen auf Prilicla. „Doch dabei geht es weder um eine medizinische Angelegenheit, noch um eine, die etwas mit der Esse^z^ere^^ zu tun hat. Ich würde gerne wissen, wieviel Zeit ich für die Bewältigung dieses Problems habe. Das momentan freundliche Verhältnis zu den Wemarern in der Mine könnte sich rasch ändern, sobald die Jagdgruppe zurückkehrt. Wann wird die eintreffen?“
„Das zu wissen wäre für uns ebenfalls nützlich“, entgegnete der Chefarzt. „Freund Fletcher?“
„Es gibt da ein kleines Problem, Doktor“, verkündete die Stimme des Captains aus dem Wandlautsprecher. „Die Tremaar hat ihre Überwachung auf ein kreisförmiges Gebiet mit einem Radius von achtzig Kilometern rings um die Mine konzentriert und keine Spur von den Jägern entdeckt. Außerhalb dieses Umkreises ist die Planetenoberfläche uneben und bewaldet, und dadurch entstehen große Gebiete, die einen natürlichen Schutz bieten, so daß die Beobachtungen der Tremaar alles andere als zuverlässig sind. Zwar werden noch weitere Siedlungen überwacht, aber die nächste liegt etwa fünfhundert Kilometer entfernt am Ufer eines Gebirgssees. Wegen der Abneigung der Wemarer gegen das Sonnenlicht glaubt man auf der Tremaar, daß sie möglicherweise nachts marschieren und sich tagsüber an einer Stelle ausruhen, an der man sie nicht sehen kann. Ob nun das eine oder das andere zutrifft, die Jäger haben jedenfalls keine tragbare Ausrüstung mit einer Strahlungssignatur dabei, die den Sensoren im Orbit ihren Aufenthaltsort verraten würde.
Aber ich könnte unser unbemanntes Aufklärungsflugzeug für Verletzte hochschicken“, fuhr Fletcher fort. „Das spürt auch das geringste Lebenszeichen auf, selbst wenn es kurz vorm Erlöschen ist. Es wird den Boden aus geringer Höhe auf einem spiralförmigen Kurs absuchen, und sofern nicht sämtliche Jäger tot sind, werden Sie die Gruppenstärke, die Marschgeschwindigkeit und die geschätzte Ankunftszeit bis auf einen oder zwei Tage genau erfahren — das hängt davon ab, wie weit die Gruppe im Moment entfernt ist.“
„Schicken Sie das Flugzeug bitte sofort los“, forderte ihn Prilicla auf. Dann flog er näher an Gurronsevas heran und sagte: „Ich kann Ihre Befriedigung spüren, mein Freund, aber wir anderen sind mit unseren Fortschritten alles andere als zufrieden. Schließlich sind wir nur ein kleines und für diese Aufgabe ungewöhnlich ausgerüstetes medizinisches Team. Wir haben zu wenige Mitarbeiter, um die Krankheiten eines ganzen Planeten zu heilen.“
„Dafür sind wir aber äußerst bescheiden“, warf Naydrad ein, wobei sie sich vom Essensspender zu den anderen umsah.
„…sollten jedoch imstande sein, die Schwierigkeiten einer kleinen, isolierten Bevölkerungsgruppe zu beheben. Aber unser Kontakt läuft nicht gut. Aus Ihren Gesprächen mit Remrath sind die Gründe für die Scham klargeworden, die er als Erwachsener empfindet, weil er gezwungen ist, Kindernahrung zu essen. Tawsar hingegen widerstrebt es noch immer, uns in bestimmten, für das volle Verständnis wichtigen Bereichen Auskünfte zu erteilen. Nur in der Küche der Wemarer werden auf der gemeinsamen Basis der Kochkunst Fortschritte erzielt. Das ist zweifellos der erste Fall dieser Art in der Geschichte der Erstkontaktverfahren, Chefdiätist Gurronsevas.“
Der Tralthaner entgegnete nichts. Er freute sich sowohl über das unerwartete Kompliment als auch über den Gebrauch seines Titels in Verbindung damit, und er wußte, daß auch Prilicla seine Freude spürte.
„Wir haben Remraths Einladung an Sie mitgehört“, sagte Prilicla. „Was haben Sie nun vor?“
„Ich würde gern morgen zur gleichen Zeit in die Mine zurückkehren“, antwortete Gurronsevas. „Bis dahin werden die genießbaren Pflanzen analysiert und bestimmt sein, und ich werde genug wissen, um ein paar Experimente mit dem Essen anzustellen, während ich mich mit Remrath unterhalte und ihm in der Küche helfe. Doch ein persönlicher Schutz ist nicht erforderlich. Ich fühle mich bei der Arbeit dort drinnen sehr wohl.“
Daß er sich in Remraths dampfenden und qualmenden und insgesamt primitiven Küche heimischer fühlte als inmitten der blitzenden, keimfreien medizinischen Ausstattung auf dem Unfalldeck, fügte er nicht hinzu.
„Ich bin mir Ihrer Empfindungen durchaus bewußt, mein Freund“, sagte der Empath in sanftem Ton. „Doch ich wäre glücklicher, wenn Danalta Sie begleiten würde. Er könnte Ihnen nicht nur unmittelbar helfen, sondern stünde auch bei einem medizinischen Notfall sofort zur Verfügung. Statistiken zufolge ist die Küche der Ort, in dem die zweitgrößte Wahrscheinlichkeit für einen Unfall besteht.“
„Insbesondere in der Küche eines Haufens von Kannibalen“, warf Naydrad ein.
„Ganz wie Sie wollen, Doktor“, willigte Gurronsevas ein, wobei er die Oberschwester einfach überhörte. „Darf ich Remraths Gastfreundschaft erwidern und ihn hierher einladen?“
„Selbstverständlich“, stimmte Prilicla sofort zu. „Aber seien Sie vorsichtig. Dieselbe Einladung haben wir schon gegenüber Tawsar ausgesprochen, die sie heftig abgelehnt hat. Tawsars emotionale Ausstrahlung war in diesem Moment sehr kompliziert und intensiv und sogar unfreundlich. Remrath könnte in gleicher Weise reagieren.
Deshalb müssen wir auch mit Ihnen erst die Gesamtsituation hier auf Wemar besprechen — die Tatsachen also, die uns bekannt sind, und unsere Vermutungen, die darauf beruhen—, bevor Sie sich wieder mit Remrath unterhalten können“, fuhr der Cinrussker fort. „Da man uns gegenüber aus irgendeinem unbekannten Grund ein Gefühl der Abneigung oder des Mißtrauens entgegenbringt, sind Sie derjenige, der unsere vielversprechendste Verbindung mit den Wemarern aufrechterhält. Dieser Kontakt darf natürlich nicht versehentlich abreißen, nur weil wir Sie nicht mit allen verfügbaren Informationen versehen haben.“
Ich bin Koch und kein Arzt oder Kontaktspezialist für fremde Spezies, dachte Gurronsevas. Doch jetzt behandelte man ihn offenbar so, als würde er alle drei Berufe auf einmal bekleiden. Das ließ seltsam angenehme Empfindungen in ihm aufkommen, und er war kein bißchen ängstlich.
„Wir werden Ihre Gespräche mit Remrath in der Mine und im Freien zwar weiterhin verfolgen und aufzeichnen, halten es aber nicht mehr für notwendig, Sie mit überflüssigen Ratschlägen abzulenken“, setzte Prilicla seine Ausführungen in beruhigendem Ton fort. „Sollte sich ein Notfall ereignen, werden wir natürlich schnell reagieren, und unser Schweigen wird dann nicht bedeuten, daß wir Sie vergessen haben. Über die persönlichen Sicherheitsmaßnahmen werden wir Sie in den genauen Instruktionen unterrichten.“
„Vielen Dank“, sagte Gurronsevas.
„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, mein Freund, weder um Ihre Sicherheit noch um Ihre Fähigkeit, mit der Aufgabe fertig zu werden“, beruhigte ihn der Empath. „Sie haben bereits gute Arbeit geleistet und werden das auch weiterhin tun. Allerdings finde ich es schon etwas merkwürdig, daß sich ein Fachmann von Ihrer Bedeutung noch nicht wegen der niedrigen Dienste, die er hier verrichtet, beklagt hat und auch nicht viel mehr als eine ganz leichte und vorübergehende emotionale Anspannung verspürt hat. Schließlich behandelt man Sie hier auf Wemar nicht mit dem Respekt, der Ihnen gebührt.“
„Auf Wemar muß ich mir den Respekt erst noch verdienen“, stellte Gurronsevas klar.