12. Kapitel

Wie sich schon bald herausstellte, war der Leiter des Ladeplatzes mit den Gedankengängen des Verwaltungsleiters keineswegs vertraut, denn Gurronsevas gelang es nicht, mit Colonel Skempton zu sprechen, obwohl er es dreimal versuchte. Als er sich zum vierten Mal um ein Gespräch bemühte, setzte ihn ein Untergebener des Colonels davon in Kenntnis, daß der gesamte Fall Gurronsevas dem Chefpsychologen übertragen worden sei, der Colonel Skemptons Lösungsvorschläge erhalten habe. Es sei demzufolge Major O’Mara, mit dem sich Gurronsevas unterhalten solle, und zwar unverzüglich.

Die Atmosphäre im Vorzimmer der psychologischen Abteilung erinnerte Gurronsevas an eine Versammlung um den Leichnam eines geschätzten Freundes im Sterbezimmer, doch weder Braithwaite, noch Lioren oder Cha Thrat hatten eine Chance, mit ihm zu sprechen, da ihn Major O’Mara nicht warten ließ.

„Chefdiätist Gurronsevas“, begann O’Mara ohne Einleitung, „Sie scheinen sich der Ernsthaftigkeit Ihrer Lage nicht bewußt zu sein. Oder wollen Sie mir etwa erzählen, Sie seien unschuldig und hätten recht, während sich alle anderen im Irrtum befinden?“

„Selbstverständlich nicht“, erwiderte Gurronsevas. „Ich gebe ja zu, daß ich eine gewisse Verantwortung für den Unfall trage, aber nur, weil ich mich genau zur falschen Zeit am falschen Ort befunden habe, und zwar unter Umständen, unter denen ein Unfall fast unvermeidlich war. Doch die gesamte Verantwortung dafür kann mir nicht zugeschoben werden, weil man jemanden, dem man keinen vollständigen Einfluß auf eine Situation gibt, auch nicht voll und ganz für das verantwortlich machen kann, was geschieht. Ich habe nur wenig Einfluß auf die Situation gehabt und trage deshalb auch nur eine stark beschränkte Verantwortung für den Vorfall.“

Eine lange Zeit starrte ihn O’Mara schweigend von unten an. Die sichelförmigen Haarbüschel über den Augen hatte er zu dicken grauen Strichen nach unten gezogen, und die Lippen waren fest zusammengepreßt, so daß er — recht vernehmlich — durch die Nasenöffnungen atmete. Schließlich ergriff er wieder das Wort.

„Was die Frage der Verantwortung betrifft, bedarf es noch der Klärung. Kurz nach dem Unfall hat sich ein Hudlarer mit mir in Verbindung gesetzt, der behauptete, er trage gemeinsam mit Ihnen die Verantwortung für den Unfall. Was haben Sie mir dazu zu sagen?“

Gurronsevas zögerte. Sollte der hudlarische Assistenzarzt nicht nur in den Unfall auf dem Ladeplatz hineingezogen, sondern auch sein eventueller Fehltritt auf dem Frachter bekannt werden, dann verlor er womöglich seine Assistenzarztstelle am Hospital. Der FROB war jemand, der gute Manieren besaß, ihm mit seinen Vorschlägen zu den Schwierigkeiten mit der hudlarischen Nahrung behilflich gewesen war und der ohne Zweifel über Fachkompetenz verfügte, denn sonst wäre er erst gar nicht zur Ausbildung am Orbit Hospital angenommen worden.

„Sie haben den Hudlarer mißverstanden“, antwortete Gurronsevas in bestimmtem Ton. „Er hatte etwas an Bord zu erledigen und hat mich auf die Trivennleth begleitet, wobei er mir als Führer und als Ratgeber hinsichtlich einiger Probleme mit der Verpflegung gedient hat. Er wollte mich auch wieder aus dem Schiff hinausbegleiten, doch habe ich darauf bestanden, allein zurückzukehren. Da ich Chefdiätist bin, er dagegen nur Assistenzarzt ist, hatte er keine andere Wahl, als sich zu fügen. In dieser Angelegenheit trifft den Hudlarer also keine Schuld.“

„Ich verstehe“, sagte O’Mara. Dann stieß er einen unübersetzbaren Laut aus und fügte hinzu: „Doch sollten Sie wissen, daß es mich nicht besonders beeindruckt, wenn man andere nicht verpetzen will. Also gut, Gurronsevas, das, was mir Ihr hudlarischer Assistenzarzt vor kurzem erzählt hat, wird offiziell nicht zur Kenntnis genommen, aber nur, weil in diesem Fall geteiltes Leid nicht halbes Leid sein muß. Haben Sie sonst noch etwas zu Ihrer Verteidigung zu sagen?“

„Nein“, antwortete Gurronsevas, „denn es gibt weiter nichts, was ich falsch gemacht habe.“

„Glauben Sie das wirklich?“ fragte der Major.

Da Gurronsevas diese Frage bereits beantwortet hatte, überhörte er sie einfach, und entgegnete statt dessen: „Da wäre noch eine andere Sache. Um weitere Verbesserungen an der Verpflegung vorzunehmen, benötige ich Zutaten, die im Hospital zur Zeit nicht zur Verfügung stehen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob man diese Artikel, die von vielen verschiedenen Planeten hierher transportiert werden müssen und von daher beträchtliche Kosten aufwerfen werden, einfach bestellen kann oder ob man dafür die besondere Erlaubnis der Hospitalverwaltung benötigt. Falls letzteres zutrifft, gebietet es schon die bloße Höflichkeit, daß ich den Verwaltungsleiter persönlich darum bitte. Aber aus irgendeinem Grund weigert sich Colonel Skempton, mit mir zu sprechen oder auch nur.“

O’Mara hatte eine Hand erhoben. „Der eine Grund dafür ist, daß ich ihm davon abgeraten habe, Sie zu empfangen, zumindest solange, bis sich die Aufregung gelegt hat. Doch es gibt noch weitere Gründe. Sie haben diesen Schlamassel auf Ladeplatz zwölf angerichtet — natürlich nicht absichtlich. Und eine schwere Verseuchung, eine Druckverminderung und die strukturellen Schäden an der Frachtschleuse und am Laderaum der Trivennleth sind eine kostspielige Sache, sowohl von der Arbeitszeit der Wartungsabteilung als auch von den Kosten her, die.“

„Das ist doch wohl nicht zu glauben!“ empörte sich Gurronsevas. „Wenn ich durch ein Fehlurteil und eine Verdrehung der Vorschriften des Monitorkorps für diese Schäden verantwortlich gemacht werden soll, dann werde ich sie natürlich bezahlen. Ich bin nicht arm, und falls mein Vermögen dennoch nicht ausreichen sollte, können Abzüge von meinem Gehalt vorgenommen werden, bis die Kosten voll bezahlt sind.“

„Wenn Sie so lange wie ein Groalterri leben würden, wäre das vielleicht möglich“, klärte ihn O’Mara auf. „Das ist jedoch nicht der Fall — außerdem wird man Sie sowieso nicht auffordern, den Schaden zu begleichen. Wie man festgestellt hat, sind die Traktorstrahltechniker in ihrer Arbeit dermaßen schnell und erfahren geworden, daß sie vielleicht ein bißchen zu viel Routine entwickelt haben, und deshalb werden die Sicherheitsbestimmungen für sie verschärft. Die finanzielle Seite wird von der Versicherung der Trivennleth und mit dem Etat des Monitorkorps geregelt und braucht Sie nicht weiter zu kümmern. Doch gibt es noch einen anderen Preis, den Sie auf jeden Fall zahlen müssen, und ich bin mir nicht sicher, ob Sie sich den erlauben können:

Sie büßen Ihre gesamten Rücklagen an Wohlwollen ein.

Während der Besichtigung der Trivennleth und Ihres anschließenden außerplanmäßigen Außeneinsatzes haben sich nämlich auf der AUGL-Station zusätzlich Vorfälle ereignet, die allerdings nicht eine ganz so große Katastrophe gewesen sind“, fuhr O’Mara fort, ohne Gurronsevas Zeit zum Sprechen zu lassen. „Die Chalder, die sich auf dem Weg der Besserung befinden, sind bei der Jagd auf die sich von selbst bewegende Beute in etwas zu starke Aufregung geraten und haben Oberschwester Hredlichli zufolge beinahe die gesamte Station zerstört. Genau gesagt: elf Abschnitte der Innenwandverkleidung sind stark verbogen und vier Schlafgestelle der Chalder so schwer beschädigt worden, daß sie nicht mehr zu reparieren sind, zum Glück ohne schlimme Folgen für die Patienten, die sich zu der Zeit in diesen Gestellen befunden haben.

Wie ich weiß, ist Ihnen Hredlichli wegen der Verbesserungen, die Sie an der illensanischen Verpflegung vorgenommen haben, verpflichtet“, setzte der Major seine Ausführungen fort, „doch im Moment möchte ich nicht gerade behaupten, daß sie sich als Ihre Freundin betrachtet. Das gleiche gilt übrigens für Lieutenant Timmins, der nicht nur für die Reparatur der Schäden auf der Station der Chalder, sondern auch an den Hilfsunterbauten auf Ladeplatz zwölf verantwortlich ist.

Doch es ist Colonel Skempton, um dessentwillen Sie sich Sorgen machen und dem Sie aus dem Weg gehen sollten. Der Colonel will nämlich, daß Sie aus dem Hospital hinausgeworfen und zurück auf Ihren früheren Heimatplaneten gebracht werden, und zwar sofort.“

Für einen Moment verschlug es Gurronsevas die Sprache. Ihm kam es vor, als wäre sein unbeweglicher, kuppeiförmiger Schädel ein untätiger Vulkan, der durch den doppelten Druck des Schamgefühls und der Wut über das Schicksal, das eine derart schreiende Ungerechtigkeit gegenüber jemanden zugelassen hatte, der fachlich so umfassend gebildet war wie er und dieser Einrichtung derart viel zu bieten hatte, kurz vorm Ausbruch stand. Da das vorherrschende Gefühl jedoch die Scham war, zwang sich Gurronsevas, das einzige zu sagen, das unter diesen Umständen angebracht war.

Er wandte sich zum Gehen, wobei er gar nicht erst versuchte, den Lärm, den seine Füße beim Auftreten machten, zu dämpfen, und sagte: „Ich werde meine sofortige Kündigung einreichen.“

„Ich habe festgestellt, daß Ausdrücke wie „sofort“ oder „unverzüglich“ gewöhnlich sehr locker gebraucht werden“, verkündete O’Mara mit einer Stimme, die zwar leise war, Gurronsevas jedoch irgendwie mitten in der Drehung innehalten ließ. „Überlegen Sie es sich noch mal.

Die nächsten Wochen fliegt möglicherweise kein Schiff mit dem Flugziel Traltha oder Nidia — oder wohin Sie sich sonst zu fliegen entschlossen haben — das Orbit Hospital an“, fuhr der Chefpsychologe fort. „Und falls Sie es vorziehen, auf eine unbedeutende tralthanische Planetenkolonie zu gehen, die nur selten von Schiffen kommerzieller Betreiber oder des Monitorkorps angeflogen wird, dauert es noch sehr viel länger. Durch diese Verzögerung wäre es Ihnen möglich, alle laufenden Projekte zu beenden, bevor Sie abreisen müssen. Das würde auch dem Hospital zugute kommen, vorausgesetzt, Sie verwickeln es nicht in weitere Beinahekatastrophen. Und Sie persönlich würden ebenfalls davon profitieren, denn je länger die Zeit ist, die Sie hier verbringen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß Außenstehende, zu denen auch Ihre Kollegen in den Hotels für viele verschiedene Spezies gehören, den Eindruck gewinnen, Ihre Trennung vom Orbit Hospital sei unfreiwillig vollzogen worden, und Ihr fachlicher Ruf würde nur minimalen Schaden davontragen.

Versuchen Sie, sich zurückzuhalten — soweit das für einen Tralthaner möglich ist“, setzte O’Mara seine Ausführungen fort, wobei er kurz die Zähne entblößte. „Vermeiden Sie alles, womit Sie Colonel Skemptons Aufmerksamkeit erregen könnten, und ärgern Sie auch sonst keinen Verantwortlichen. Dann werden Sie rasch feststellen, daß Ihre Abreise alles andere als überstürzt stattfinden muß.“

„Aber gehen werde ich letztendlich trotzdem müssen“, warf Gurronsevas ein, womit er eher eine Feststellung traf, als eine Frage stellte.

„Der Colonel hat darauf bestanden, daß Sie das Hospital schnellstens verlassen, und ich habe es ihm zugesichert“, entgegnete O’Mara. „Hätte ich das nicht getan, wären Sie in Ihrer Unterkunft unter Arrest gestellt worden.“

Der Chefpsychologe lehnte sich im Stuhl zurück und gab damit deutlich und wortlos zu verstehen, daß die Unterredung damit für ihn beendet war, doch Gurronsevas rührte sich nicht vom Fleck.

„Ich verstehe“, sagte er. „Und ich möchte Ihnen gerne sagen, daß Sie gegenüber meinen Empfindungen in dieser Situation Feingefühl und Rücksicht bewiesen haben. Ihre Reaktion ist für mich, na ja, gleichzeitig überraschend und verwirrend, denn bisher hatte ich mir nicht vorstellen können, daß sich jemand mit Ihrem Ruf dermaßen verständnisvoll verhält.“

Verlegen brach Gurronsevas ab, weil er sich bewußt war, daß der Versuch, seine Dankbarkeit auszudrücken, ans Beleidigende grenzte. O’Mara beugte sich wieder vor.

„Dann lassen Sie mich einen Teil Ihrer Verwirrung ausräumen“, schlug er grinsend vor. „Natürlich bin ich mir bewußt, daß Sie heimliche Versuche mit meinen Mahlzeiten angestellt haben, und das ist mir von Anfang an klar gewesen. Nein, das Vorzimmerpersonal hat Sie nicht verraten. Sie vergessen, daß ich Psychologe bin, und die ständigen nichtsprachlichen Anzeichen, die ich bei Braithwaite, Cha Thrat und Lioren beobachtet habe, waren unmöglich vor mir zu verbergen. Außerdem haben Sie sich selbst verraten, indem Sie den Geschmack von Gerichten wesentlich verbessert haben, die vorher so unschmackhaft gewesen sind, daß ich beim Essen gefahrlos an wichtigere Dinge denken konnte. Aber das kann ich jetzt nicht mehr. Ich verschwende kostbare Zeit damit, mich zu fragen, welche kulinarische Überraschung mich als nächstes erwartet, oder darüber zu grübeln, wie genau Sie einen bestimmten Geschmack erreicht haben. Nicht alle Änderungen, die Sie vorgenommen haben, sind Verbesserungen gewesen, und ich habe Ihnen bereits eine Liste meiner Reaktionen auf sämtliche Abwandlungen zusammen mit Vorschlägen für weitere Verbesserungen zukommen lassen.“

„Das. das ist wirklich äußerst liebenswürdig von Ihnen, Sir“, stammelte Gurronsevas erstaunt.

„Ich bin weder liebenswürdig noch verständnisvoll, noch besitze iAh irgendeine der anderen Eigenschaften, die Sie mir zuzuschreiben versuchen“, widersprach O’Mara in scharfem Ton. „Ich habe keinen Grund, jemandem dankbar zu sein, der lediglich seine Arbeit tut. Gibt es noch etwas, das Sie mir sagen wollen, bevor Sie gehen?“

„Nein.“

Als Gurronsevas aus dem Büro stampfte, konnte er die beweglichen Einrichrungsgegenstände und die Dekorationsstücke auf O’Maras Schreibtisch klappern hören.

„Was ist passiert?“ fragte Cha Thrat, nachdem Gurronsevas die Tür zu O’Maras Büro hinter sich geschlossen hatte. Nach der Art, wie ihn die drei anstarrten, war klar, daß sich die Sommaradvanerin auch im Namen von Lioren und Braithwaite erkundigte.

Durch die Wut und Enttäuschung fiel es dem Tralthaner schwer, die Stimme auf Zimmerlautstärke zu halten, als er antwortete: „Ich muß das Hospital verlassen, nicht sofort, aber bald. Bis dahin habe ich, wie es O’Mara ausdrückt, meine Arbeit zu tun, ohne die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Leider weiß der Major, daß Sie mir behilflich gewesen sind, die Änderungen an den Gerichten vorzunehmen. Zwar ist er damit zufrieden gewesen, aber er ist mir nicht dankbar. Hat jemand von Ihnen wegen dieser Verschwörung eine Bestrafung zu befürchten?“

Braithwaite schüttelte den Kopf. „Wenn uns O’Mara hätte bestrafen wollen, würden wir inzwischen davon wissen. Aber versuchen Sie doch, das Ganze von der positiven Seite zu sehen, Gurronsevas, und machen Sie es so, wie es O’Mara gesagt hat. Schließlich scheint der Major von einigen Sachen, die Sie tun, etwas zu halten und möchte, daß Sie die weiterfuhren. Wäre er unzufrieden gewesen, tja, dann hätten Sie das Hospital nicht bald verlassen müssen, sondern säßen schon längst auf dem erstbesten Schiff nach Nirgendwo. Sie wissen doch gar nicht, was in Zukunft noch geschehen wird.“

„Ich weiß nur, daß mich Colonel Skempton unter allen Umständen loswerden will“, murmelte Gurronsevas in kläglichem Ton.

„Vielleicht könnten Sie dem Colonel heimlich Substanzen ins Essen mischen, die das Problem beseitigen“, schlug Lioren in sanftem Ton vor.

„Padre!“ ermahnte ihn Braithwaite.

„Ich meinte keine giftigen Substanzen, die zum Tode führen“, stellte Lioren klar, „sondern geschmacksverstärkende Zutaten ähnlich denen, die Sie bei Major O’Maras Gerichten verwendet haben. Unter den terrestrischen DBDGs gibt es ein geläufiges Sprichwort, nach dem der Weg zum Herzen eines Wesens direkt über dessen Magen führt.“

„Zweifellos ein fragwürdiger und sehr riskanter operativer Eingriff“, warf Cha Thrat ein.

„Ich werde Ihnen den Sinn dieses Sprichworts später erklären, Cha Thrat“, mischte sich Braithwaite lächelnd ein. „Lioren, psychologisch gesehen ist das zwar ein vernünftiger Ratschlag, aber es ist unwahrscheinlich, daß Skempton durch Gurronsevas’ Kochkunst derart leicht zu beeinflussen ist. Nach seiner psychologischen Akte handelt es sich bei Skempton um einen Vegetarier, und das bedeutet, er ist.“

„Also, das verstehe ich jetzt nicht“, mischte sich Cha Thrat erneut ein. „Weshalb sollte sich ein Mitglied der Klassifikation DBDG, die zu den Allesfressern gehört, entschließen, Pflanzenfresser zu werden? Insbesondere, wo die Grundstoffe der Nahrung hier doch sowieso synthetisch sind. Handelt es sich dabei um eine Art religiöses Bedürfnis?“

„Vielleicht hat Skempton ähnliche Überzeugungen wie der Ull, der sagt, daß derjenige, der das Fleisch eines anderen Lebewesens ißt, sei es vernunftbegabt oder nicht, dessen Seele im eigenen Leib bewahrt“, gab Lioren zu bedenken. „Doch der Colonel hat mich in religiösen Angelegenheiten nie um Rat gefragt, deshalb kann ich diesbezüglich nichts mit Sicherheit sagen.“

„Für Pflanzenfresser zu kochen ist für mich nie ein Problem gewesen“, meinte Gurronsevas beiläufig.

Braithwaite nickte, und Cha Thrat blieb stumm. Beide blickten den Padre an, der sämtliche Augen unverwandt auf Gurronsevas gerichtet hatte.

„Darf ich Sie zudem daran erinnern, daß es sich beim Orbit Hospital um eine äußerst große Einrichtung handelt, die viele tausend Lebewesen beherbergt, die aufgrund der Natur der Arbeit, die sie verrichten, und der Gefühle und Motivationen, die diese Arbeit in ihnen hervorruft, gewöhnlich ein äußerst kurzes Gedächtnis haben, was gelegentliche persönliche Auseinandersetzungen betrifft?“ fragte Lioren leise. „Wenn man an einem Ort wie diesem nachtragend wäre, würde der allgemeine psychische Gesundheitszustand äußerst schlecht aussehen, und die Sorte von Leuten, die nachtragend sind, werden schon bei der Bewerbung durch die psychologische Durchleuchtung ausgesondert.

Vielleicht ereignen sich andere Vorfälle — wenn auch hoffentlich nicht mit einem so großen Katastrophenpotential wie Ihr jüngstes Abenteuer—, die Colonel Skemptons Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenken und seine momentane Feindseligkeit Ihnen gegenüber verringern“, fuhr der Tarlaner fort. „Sie sagen, Sie müßten das Hospital bald verlassen, doch als Zeitmaß betrachtet, ist diese Frist unbestimmt, und vielleicht steht der Beschluß, daß Sie abreisen müssen, noch gar nicht dauerhaft fest. Für Gott oder das Schicksal oder irgendwelche willkürlichen Wirkungsweisen der Gesetze des Zufalls, an die Sie vielleicht glauben oder auch nicht, ist alles möglich.“

Lioren hielt kurz inne und fügte dann hinzu: „Mein Rat an Sie lautet: Befolgen Sie den Rat des Majors, und konzentrieren Sie sich auf die Arbeit, die zu leisten Sie allein in der Lage sind, und geben Sie die Hoffnung nicht auf.“

Dieser Ratschlag klang zwar vernünftig, war aber nach Gurronsevas Dafürhalten in geradezu lachhafter Weise übertrieben optimistisch. Doch als er die drei Mitarbeiter des Chefpsychologen verließ, setzte er die Füße leise auf und hatte keine Ahnung, weshalb er sich plötzlich ein ganzes Stück besser fühlte.

Загрузка...