Jerome Mangali (Auszug aus der Begrüßungsansprache): … Zwei Jahre Vorbereitungen waren nötig, bevor wir diese Konferenz einberufen konnten. Ich bedanke mich speziell bei unserem Kollegen Lester Hawk, der für die begleitenden Medienaktionen sorgte und im Übrigen auch das Kommunikationssystem, das uns hier im Haus zur Verfügung steht, organisiert hat.
Das gilt vor allem für den vergangenen Tag und für die Zeit danach, wenn die Ergebnisse vorliegen. Wie wir übereinstimmend beschlossen haben, sind während der Konferenz alle Verbindungen mit der Außenwelt unterbrochen. Natürlich sorgen wir für eine umfassende Dokumentation – auch sie liegt in den Händen von Lester Hawk. Wir haben uns ja in diesen entlegenen Winkel der Erde zurückgezogen, damit wir völlig ungestört und unbeeinflusst arbeiten können …
… Ich komme noch einmal kurz auf die Thematik der Konferenz zurück, auf die Situation, die nicht nur eine engere Zusammenarbeit innerhalb der Wirtschaftssparten verlangt, sondern auch die Verbindung der verschiedenen Wirtschaftssparten untereinander. Wie jedermann weiß, stehen sie in Abhängigkeit voneinander, so dass eine Koordination der heute oft noch divergierenden Kräfte dringend notwendig erscheint. Es wird nun darauf ankommen, wie weit wir uns diesem Ziel nähern. Als Nächstes werden wir eine Tagesordnung zusammenstellen, die mit den Vorschlägen und Anträgen der Teilnehmer beginnt. Bekanntlich hat jeder von Ihnen die Vollmacht, ohne Rückfragen Entscheidungen zu treffen und sich mit je einer Stimme für oder gegen die gestellten Anträge auszusprechen. Um spätere Unzufriedenheit und Proteste zu vermeiden, sind für die Annahme alle Stimmen nötig … Unsere Kollegin Cherkoff hat sich gemeldet – ich darf ihr das Wort erteilen.
Vera Cherkoff: Entschuldigen Sie die Unterbrechung, doch ich muss auf eine geringfügige Ungenauigkeit unseres Kollegen Mangali hinweisen. Es stimmt, dass jeder der Kollegen mit einer Stimme betraut ist, allerdings mit einer Ausnahme: Da ich zwei Wirtschaftssparten vertrete, nämlich einerseits Energie und andererseits Verkehr, verfüge ich über zwei Stimmen. Ich bitte, das ins Protokoll aufzunehmen.
Jerome Mangali: Es handelt sich keineswegs um einen Irrtum, verehrte Kollegin. Sie haben übersehen, dass vor einem Jahr die Sparten Energie und Verkehr zusammengelegt wurden, und das bedeutet, dass …
Die lang dauernde Diskussion, die sich über diese Forderung entwickelte, brauche ich hier nicht wiederzugeben. Dem Ansinnen der Russin wurde übrigens nicht stattgegeben.
Ich habe diese Anfangssequenz nur als typisches Beispiel für den Verlauf der Konferenz an den ersten beiden Tagen aufgenommen – ein Verlauf mit ermüdenden Debatten über Nebensächliches, die von einigen der Teilnehmer mit großem Eifer geführt wurde, die anderen aber mit wachsender Unruhe erfüllte. Mangali wies mehrfach darauf hin, dass man unbeschränkte Redezeiten vereinbart hatte und sich eine Konzentration auf das Hauptthema der Konferenz nur erreichen ließe, wenn sich die Teilnehmer kurz fassten – woran sich aber niemand hielt.
So dauerte es bis weit in den folgenden Tag hinein, bis endlich die Liste der Anträge aufgestellt war. Mehrere Ideen betrafen jene Länder, die sich bisher der Globalisierung entzogen haben.
Noel Bonfrere: Ich weise auf eine erfreuliche Tatsache hin: In unseren Wirtschaftssystemen sind schon mehr als 90 Prozent aller Länder vereinigt. Diejenigen, die sich bisher der Globalisierung entzogen haben, sind politisch bedeutungslos und wirtschaftlich schwach. Trotzdem erweisen sie sich als Unruheherde in unserem System. Da aus dem politischen Aspekt heraus wenig Hoffnung auf eine engere Kooperation mit diesen Staaten besteht, bietet es sich an, dieses Ziel über die Ebene der Wirtschaft zu erreichen. Ich beantrage, mit diesen Staaten Verhandlungen aufzunehmen: mit dem Ziel einer Einbeziehung der entsprechenden Wirtschaftsverbände in unser System. Da wir hier frei reden können, füge ich noch eine Bemerkung hinzu, die unter uns bleiben sollte: Um unser Ziel zu erreichen, sollten alle jene Druckmittel angewandt werden, die in der Wirtschaft üblich sind: Embargo, Dumping, Börsenaktionen … Es wird zwar zunächst einiges kosten, aber später Gewinn erbringen. Und es dient letztlich einem guten Zweck.
Dieser Vorschlag führte zwar schon recht nahe an die Grenze des Unerlaubten, doch mit einer Verschwörung, die die Konferenz gefährden könnte, hatte er wohl nichts zu tun. Abgesehen davon dauerte es wieder unerträglich lange, bis sich die Delegierten zu einer Zustimmung durchrangen. Diese ermüdenden Auseinandersetzungen führten bei mir zu einem gewissen Überdruss, einer Reaktion der Langeweile, die dazu angetan war, meine Aufmerksamkeit zu beeinträchtigen. Als ich mir dessen bewusst geworden war, versuchte ich, meine Wachsamkeit zu steigern. Aus der Apotheke holte ich mir ein paar Tabletten mit einem Mittel zur Steigerung der Aufmerksamkeit und konzentrierte mich von nun an nicht mehr so sehr auf den Inhalt der Debatten, sondern suchte im Umfeld nach Anzeichen für mögliches Unheil.
Es war am frühen Nachmittag des zweiten Tages, als plötzlich das Bild meiner im Saal versteckten Kamera erlosch. Ich erschrak: War es ein Defekt? Oder war meine Anlage entdeckt worden? Vielleicht suchte man schon nach mir? Eilig verließ ich mein Zimmer und lief zum Konferenzsaal. Aus dem Orientierungsplan, den mir Ellen überlassen hatte, war die genaue Lage des Regieraums zu ersehen, von dem aus sich die Vorführung von Bildern oder Tonsequenzen steuern ließ. Es war eine überhöht eingebaute Kabine, die an den rückwärtigen Teil des Saals grenzte. Da während der Diskussionen der Delegierten keine Bildvorführungen geplant waren, hielt sich dort niemand auf. Die schmale Tür in einem Seitengang war versperrt, aber sie sprang auf, als ich meinen Chip mit dem elektronischen Universalschlüssel an den Sensor legte.
Ich stieg die paar Stufen hinauf und kam an ein breites Fenster: Das Glas war leicht getrübt, vermutlich war es so präpariert, dass es das Licht nur in einer Richtung durchließ; trotzdem hatte ich eine gute Sicht in den Saal und konnte das Geschehen sogar besser beobachten als von meinem Zimmer aus. An der Seitenwand hing nach wie vor das Bild, in dessen Rahmen ich meine Kamera eingesetzt hatte – und mit Erleichterung erkannte ich auch gleich den Grund für den Abbruch der Übertragung: Da hatte jemand, dem es wohl zu heiß geworden war, seine Jacke an einer Ecke des Rahmens aufgehängt. Ich merkte, dass meine Knie weich geworden waren, ich lehnte mich an die Wand – mein Herz schlug noch immer heftig, und ich atmete einige Male tief ein und aus, um die Erregung abzubauen.
Freilich: Gegen die aufgehängte Jacke konnte ich im Moment nichts unternehmen. Ein fataler Zufall, das Ganze! Was konnte ich tun? Es kam mir in den Sinn, während der nächsten Pause in den Saal zu gehen und den Besitzer des Kleidungsstücks zu bitten, es vom wertvollen Bild zu entfernen. Aber diese Idee verwarf ich so schnell, wie sie mir gekommen war – warum sollte ich unnützes Aufsehen erregen?
Da bot es sich eher an, die Beobachtung einfach von hier aus weiterzuführen. Ich setzte mich an den Schalttisch und fand mühelos den Druckknopf zum Einschalten der akustischen Übertragung. So war ich über die Dinge, die dort unten abliefen, informiert und konnte mich, wenn sich das Ende der Sitzung abzeichnete, rechtzeitig aus dem Staub machen.
Nachdem ich einige Zeit still beobachtet hatte, begann sich bei mir wieder die schon vorher empfundene Enttäuschung einzustellen, und ich ertappte mich dabei, dass ich trotz meiner Tabletten in einen dösenden Zustand absackte. Gegen Langeweile wegen erzwungenen Nichtstuns konnte ich mich nur schwer wehren. Doch dann wurde ich plötzlich hellwach: Es war der chinesische Delegierte, an dem mir etwas auffiel. Wenn er in die Debatte eingriff, entstanden nämlich hin und wieder kleine Wartezeiten, solange der Translator die Ausführungen seiner Kollegen ins Chinesische übersetzte; Jafei machte eine erklärende und zugleich entschuldigende Geste, indem er mit der Hand auf sein mit einer Hörkapsel versehenes Ohr deutete. Zunächst wusste ich nicht, was mich dabei störte, aber dann kam ich doch darauf: Es war der zeitliche Ablauf, der nicht stimmte. So waren für die Übertragung einer einfachen Zustimmung des Gesprächspartners oft mehr als zehn Sekunden nötig.
Der Chinese hatte den Gesprächen bisher ohne große Anteilnahme zugehört, und so wirkte es ein wenig seltsam, dass er sich gerade jetzt so eifrig in die Diskussion einschaltete. Dabei ging es nur um den wenig bedeutenden Antrag des Gewerkschaftlers Alvaro Mir, den Ort der Versammlung zu wechseln. Anstatt des großen Saals schlug der wackere Revolutionär das gemütlichere Dachcafe vor, und Jafei brachte alle möglichen Gründe dagegen vor.
Je länger ich Jafei beobachtete, umso sicherer wurde ich, dass da etwas nicht stimmte. Wenn es sich aber nicht um eine normale Übersetzung handelte, dann konnten es eigentlich nur Informationen anderer Art sein, die der Chinese von unbekannter Seite bekam … Also ein Nachrichtensystem, das raffiniert getarnt war! Wenn das so war, dann lag auch der Schluss nahe, dass Jafei in Wirklichkeit Englisch verstand und keinen Translator brauchte. Wie könnte ich das bestätigen?
Bald fiel mir eine ganz einfache Möglichkeit ein. Zwischen dem Ende der Sitzung und dem Abendessen gab es eine einstündige Pause, in der die meisten Diplomaten ihre Räume aufsuchten, um auszuruhen oder sich für den Abend umzuziehen. Dann rief ich bei Jafei an – er war da und meldete sich. Ohne ein Bild einzuschalten, sagte ich auf Englisch: »Hier Miller von der Rezeption. Herr Mangali lässt Sie bitten, möglichst rasch in den Presseraum neben dem Foyer zu kommen. Es gibt etwas sehr Eiliges zu besprechen.« Dann legte ich auf. Wenig später hatte ich mich in einer der Sitzecken im Foyer niedergelassen und wartete. Und tatsächlich: Wenig später kam der Chinese und verschwand im Presseraum. Bevor er wieder herauskam, hatte ich mich davongemacht.
Jetzt war ich erst recht neugierig geworden und wollte mehr wissen. Was waren das für Nachrichten, die dem Chinesen übermittelt wurden? War es möglich, sie abzuhören? Nach kurzem Überlegen kam ich auf eine mir selbst etwas verwegen erscheinende Methode. Dazu brauchte ich meine in Nanotechnik gebauten Abhörkapseln in der Form von Kügelchen, so groß wie Salzkörner. Sie waren recht empfindlich, enthielten aber keine Batterien, sondern entzogen die Energie den Wärmeschwankungen der Umgebung. Sie hatten sich schon bewährt, als ich die Gespräche der Politiker in den Sitzgruppen des Foyers verfolgt hatte. Diese musste ich nur möglichst nahe an Jafeis Körper anbringen, um seine Gespräche mitzuhören. Die Gelegenheit dazu würde sich beim Abendessen bieten.
Der Speisesaal lag im ersten Stock und erstreckte sich über zwei Etagen. In Höhe der zweiten gab es einen balkonartigen, nur mit einem Geländer abgetrennten Rundgang, von dem aus man auf die großzügig verteilten Tische hinuntersehen konnte. Von dort konnte ich die Vorbereitungen für das Essen verfolgen. Ich suchte mir einen Tisch aus, der senkrecht unter der Balkonbrüstung lag, dann ging ich hinunter und mischte mich unter die Kellner. Die Tische waren mit Namensschildern versehen. Ich suchte mir jenes von Jafei und vertauschte es unauffällig mit einem anderen, das auf dem für meine Absicht günstig positionierten Tisch stand.
Nun wieder zurück auf den Balkon! Glücklicherweise reichte der volle Lichtschein der Lampen nicht hier herauf, so dass ich damit rechnen durfte, unbemerkt zu bleiben. Ich hielt mich im Schatten und musste mich vorerst eine Weile gedulden. Ich wartete, bis die Nachspeise serviert wurde. Es gab Vanilleeis mit Streuseln und einen mit Früchten belegten Kuchen. Dann war es so weit, die Speisen standen auf dem Tisch. Bevor die Gäste zugreifen konnten, trat ich ans Geländer und ließ genau über Jafeis Schüssel einige von meinen Nanokapseln fallen. Die Aktion war so berechnet, dass sie in die Eisschüssel fielen und inmitten der Streuseln nicht zu sehen waren. Ob ich mein Ziel getroffen hatte, konnte ich nicht erkennen. Ich beobachtete noch, wie der Chinese zum Löffel griff, dann zog ich mich zurück.
Ich wusste nicht, wann sich die unbekannten Partner des Chinesen wieder melden würden, und das bedeutete, dass ich mich nicht weiter als 20 Meter von Jafei entfernen durfte, denn die Reichweite meiner Kapseln war beschränkt; es musste sich also ein Relais in der Nähe befinden, das die Impulse verstärkte, so dass sie auch noch in größeren Entfernungen aufgenommen werden konnten. Darum suchte ich eine nahe an Jafeis Zimmer gelegene Besenkammer auf und machte es mir auf einigen dort aufbewahrten Decken bequem. Einen Einstecklautsprecher hatte ich im Ohr und ein Relais in der Tasche. Jetzt musste mich wieder auf eine längere Wartezeit einstellen.
Ich konnte nur hoffen, dass Jafei möglichst bald Kontakt mit seinen Partnern aufnehmen würde, denn die Verweilzeit der Kapseln im Körper konnte nicht viel mehr als 24 Stunden betragen, ehe sie wieder ausgeschieden würden.
Eineinhalb Stunden vergingen, die mir recht lang vorkamen, doch schließlich schreckte mich ein Knacken auf. Hoffentlich sprechen sie nicht Chinesisch, schoss mir noch durch den Kopf – und mein Wunsch ging in Erfüllung.
»Ist noch etwas vorgefallen?«, erkundigte sich eine Stimme ohne jede Vorrede. Der Unbekannte sprach ein einwandfreies Englisch. Und ich verstand ihn gut, wenn es auch ein bisschen leise war.
»Nichts, was der Rede wert wäre«, antwortete Jafei. »Noch beim Abendessen das unsägliche Geschwätz, das wir uns den ganzen Tag über anhören mussten. Zuletzt stritten sie darüber, wie sie die Wirtschaft der nicht assoziierten asiatischen und afrikanischen Staaten in die Hände kriegen.«
»Diese lächerlichen Diktatoren sollten doch kein Problem sein, mit denen machen wir kurzen Prozess. Im Übrigen war es gut, dass du die Verlegung der Gespräche in andere Räume verhindern konntest. Das hätte uns nicht in den Kram gepasst.«
»Das war gar nicht so leicht, denn im Konferenzsaal ist es nicht gerade gemütlich. Aber ich konnte die Leute dann doch überzeugen.«
»Wann kommen diese Schwätzer endlich zur Sache? Langsam verliere ich die Geduld. Also Schluss mit diesem Affentheater. Morgen Vormittag wird der Antrag gestellt.«
»Morgen Vormittag, in Ordnung, ich werde ihn informieren.«
»Ich werde wieder zugeschaltet sein, für den Fall, dass du eilig eine Anweisung brauchst.«
»In Ordnung.«
»Dann also …«
Das Gespräch war beendet, an diesem Abend war wohl nichts mehr zu erwarten, und ich konnte mich zurückziehen. Und wenn ich Glück hatte, bekam ich morgen noch etwas zu hören.
So hatte ich zum ersten Mal eindeutige Beweise dafür, dass bei dieser Konferenz etwas faul war. Zwar war nichts Illegales zur Sprache gekommen, einen Antrag konnte jeder stellen, aber zumindest stand nun fest, dass da im Hintergrund noch andere mitmischten, die hier nichts zu suchen hatten. Wo mochte sich der geheimnisvolle Auftraggeber befinden? Jedenfalls war die totale Abgeschiedenheit, die immer wieder betont wurde, durchlässig. Ich war auf den Antrag neugierig, den der Chinese stellen sollte – vielleicht ließen sich daraus weitere Schlüsse ziehen.
Ich ging in mein Zimmer, wo ich eine Nachricht von Ellen vorfand. Ob ich ihr ein wenig Gesellschaft leisten wolle?
Ich sagte spontan zu und ging zu ihr ins Apartment. Sie erzählte mir von ihrem Leben im Hotel, und auch ich hätte gern etwas von mir erzählt. Doch irgendetwas hielt mich zurück.
Sie war klug und sympathisch, eine Frau, wie man sie sich wünscht. Schade, dachte ich – im Moment kann ich nichts für dich tun. Ich habe eine Verpflichtung, die mich voll ausfüllt. Nachher, vielleicht …
Seltsam, über das Leben danach hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Keine Absichten, keine Wünsche, keine Hoffnungen.
So saßen wir uns eine Weile schweigend gegenüber, es bestand kein Zwang zu reden – es war einfach schön, zusammen zu sein. Und dann überkam mich wieder diese Unrast, wie schon so oft in diesen Tagen. Ich entschuldigte mich mit den Aufzeichnungen, die ich in dieser Nacht noch abhören musste. Dann ging ich.
Allem Anschein nach begann jetzt wirklich die heiße Phase der Veranstaltung. Der Hinweis auf einen Antrag von besonderer Bedeutung hatte mich geradezu elektrisiert. In dieser Nacht hatte ich wenig geschlafen, immer wieder hörte ich die Aufzeichnung des geheimnisvollen Gesprächs an und versuchte, darin irgendwelche Hinweise zu finden. Das gelang mir zwar nicht, aber allein die Tatsache, dass die immer wieder betonte Isolation des Versammlungsortes Lücken aufwies, war als Beweis für einen frechen Schwindel zu sehen.
Es war ja auch bemerkenswert, dass die andere Seite über den Fortgang der Konferenz informiert war, wahrscheinlich war es Jafei, der Informationen darüber herausgab.
Wer waren diese Hintermänner, und was beabsichtigten sie? Und wo befanden sie sich? Wenn man die technischen Gegebenheiten berücksichtigte, so sollten sie sich eigentlich in nächster Nähe aufhalten, denn für eine Übertragung aus größerer Entfernung wäre eine größere Sendeleistung nötig gewesen, und ein solcher Sender wäre aufgefallen. Wer kam dafür infrage? Mein Verdacht fiel sofort auf die Angehörigen des Ordnungsdienstes, die die beste Gelegenheit dazu hatten. Sollten sie ins Komplott einbezogen sein? Prinzipiell kamen aber zweifellos auch Angehörige der Truppe infrage, die sich außerhalb des Hotels auf der Bohrinsel eingerichtet hatten.
Zunächst aber wartete ich mit Spannung auf den Antrag, der da gestellt werden sollte. Und tatsächlich meldete sich gleich zu Beginn Lester Hawk zu Wort. Meine Geduld wurde aber auf die Probe gestellt, denn auf der Liste standen noch einige andere Antragsteller von der letzten Sitzung, so dass ihn Mangali, der Diskussionsleiter, erst für Nachmittag vormerkte. Dann würde er genügend Zeit für seine Ausführungen bekommen.
Da in den nächsten Stunden nichts Besonderes zur Debatte stand, hielt ich es nicht für nötig, mich den Vormittag über in meinem Zimmer aufzuhalten. So trat ich auf den Gang hinaus, verließ den von den Angestellten bewohnten Teil des Hotels und machte mich in den öffentlich zugänglichen Räumen zu schaffen, teils in der Nähe des Konferenzsaals, teils auch in den weitläufigen Gängen der anderen Etagen. Dabei fiel mir nichts Besonderes auf.
Als ich mich gerade in jenem Stockwerk befand, in dem sich der Ordnungsdienst niedergelassen hatte, lief mir Ellen über den Weg.
»Was tust du hier?«, fragte sie erstaunt. »Ich dachte, du bist bei deiner Arbeit im Zimmer.«
Sie hatte meine »Arbeit« so betont, dass ich sofort wusste, was sie meinte. Ich war ihr dankbar für ihre Vorsicht – inzwischen hatte ich meine Unbefangenheit schon längst verloren und fühlte mich von allen Seiten her beobachtet und verfolgt.
Ich erzählte ihr von meinen neuesten Erkenntnissen – seltsam, dass ich ihr so vorbehaltlos vertraute.
»Ich bin jetzt sicher, dass der Ordnungsdienst etwas damit zu tun hat«, meinte Ellen. »Ich habe mich schon gefragt, warum sich so viele von denen im Hotel aufhalten und was sie für eine Aufgabe haben.«
»Das habe ich mich schon am ersten Tag gefragt – als ich hier ankam. Die Akribie, mit der man mich untersucht hat, war ungewöhnlich.«
»Ich habe den Eindruck, dass sie seit gestern aktiver geworden sind. Bisher hat man kaum etwas von ihnen gesehen, doch das hat sich geändert – jetzt treiben sie sich im ganzen Haus herum. Heute habe ich den Leutnant und zwei seiner Leute im obersten Stockwerk gesehen, wo sie nichts zu suchen haben.«
»Vielleicht geht es um den Schutz der Konferenzteilnehmer«, sagte ich, aber ich glaubte selbst nicht daran. Ich nahm mir vor, den Aktivitäten der Sicherheitsleute mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
»Sei vorsichtig«, mahnte Ellen, bevor wir uns wieder trennten.
Gleich nach Beginn der Mittagspause betrat ich den Konferenzsaal, der sich langsam leerte. Da und dort standen noch Gruppen von Teilnehmern herum, in lebhafte Diskussionen vertieft. Dann trat ich zwischen die Sitzreihen, rückte hier einen Stuhl zurecht, sammelte dort ein paar Papierschnitzel auf und sah mich unauffällig nach Anzeichen für Aktivitäten des Sicherheitsdienstes um. Das Einzige, was mir auffiel, waren zwei Angehörige des Ordnungsdienstes, die an der Tür standen, als hätten sie nichts zu tun.
Um zwei Uhr am Nachmittag saß ich wieder in meinem Zimmer am ComSet und wartete gespannt auf den Antrag von Hawk. Und tatsächlich – diesmal ging es zur Sache.