Stoff riß. »Nein!« schrie sie, riß sich entsetzt von ihm los und floh zur gegenüberliegenden Wand.
Mit der linken Hand winkte er sie zu sich. Seine Rechte umklammerte ein Schwert. »Komm her, meine Süße!« sagte er.
»Nein, bitte!« rief sie. Sie atmete heftig. Sie war in Panik. Mit der rechten Hand hielt sie über der Schulter das zerrissene Gewand zusammen.
Der bärtige Bursche steckte grinsend das Schwert fort.
»Sei gnädig!« flehte sie.
»Ich werde dir die Gnade erweisen, die ein Herr seiner Sklavin zeigt!« rief er lachend.
Er sprang vor und riß ihr das Kleid von den Schultern.
Irgendwo draußen hörte ich ein Mädchen schreien. Vermutlich Bonnie.
Lachend ließ der Bärtige Sklavenhandschellen um Lady Florences Gelenk zuschnappen.
Sie schrie angstvoll auf, als ich den Kerl im Nacken ergriff, den Rand des Helms umfassend, und ihn mit dem Kopf voran gegen die Wand prallen ließ. Betäubt drehte er sich um, doch ich war bereits über ihm. Weder das Schwert noch den Dolch bekam er rechtzeitig heraus. Wieder hämmerte ich das behelmte Gesicht seitlich gegen die Wand. Dann riß ich den Helmgurt los und zerrte den Helm, oben zupackend, zurück, wobei ich dem Mann beinahe das Genick brach. Dann drehte ich ihn um und besah ihn mir. Er konnte sich nicht verteidigen. Er mußte meinen Schlag erwarten. Ich traf ihn links auf die Wange. Der Kopf ruckte zurück, und er sank bewußtlos zu Boden. Ich trat zurück.
»Jason!« rief Lady Florence.
Ich schaute sie an.
Sie errötete. »Ich bin gefesselt«, sagte sie und hob die schmalen Handgelenke empor.
»Du machst dich gut in Sklavenfesseln«, sagte ich.
Die Rötung ihrer Haut verstärkte sich. »Befreie mich!« bat sie.
Ich blickte mich zum Gürtelbeutel des Bewußtlosen und fand dort die Schlüssel zu den Handschellen. Ich nahm ihr die unwillkommene Last ab. Sie rieb sich die Arme.
»Es sind noch andere im Haus«, sagte sie angstvoll. »Noch mehr Räuber.«
»Das weiß ich«, erwiderte ich. »Dieselbe Horde – oder eine andere – hat auch schon die Besitzungen von Dorto und Gordon überfallen.«
»Wo sind die Wächter Vondas?«
»Wenn es in der Gegend von Vonda Überlebende gegeben hat«, sagte ich, »sind sie vielleicht morgen abend hier.«
»Morgen abend?« fragte sie bestürzt.
»Vielleicht.«
Draußen gingen zwei Männer vorbei, und wir erstarrten.
»Befreie mich von diesen Räubern«, stöhnte Lady Florence.
»Warum?«
»Weil sie mich zur Sklavin machen werden.«
»Du würdest eine hübsche Sklavin abgeben«, erwiderte ich.
»Bitte, Jason!« flehte sie inbrünstig und schaute zu mir auf. »Bitte, Jason!« Wie klein und schwach kam mir die Herrin in diesem Augenblick vor – wie wenig war doch übrig von der stolzen und hochmütigen Frau, die mich zuvor ganz selbstverständlich und unverschämt herumkommandiert hatte.
Ich blickte sie wortlos an.
»Ich gebe dir die Freiheit«, sagte sie plötzlich.
Ich schwieg.
»Du bist frei!« wiederholte sie. »Du bist frei!«
Sie eilte zu einem kleinen Ankleidetisch in der Nähe des Bettes, holte aus einer Schublade einen Schlüssel und eilte zu mir, wobei sie mit der linken Hand ihr Kleid zusammenhielt.
»Nimm du mir den Kragen ab«, befahl ich.
»Bitte, Jason!«
»Nimm ihn ab!«
Errötend ließ sie zu, daß das Oberteil ihres Gewandes wieder herabfiel, hob die Hände und schloß meinen Kragen auf.
»Du bist jetzt ein freier Mann, Jason«, flüsterte sie lächelnd.
»Vorhin«, sagte ich, »habe ich Krondar besiegt, einen Kampfsklaven aus Ar, der seit kurzem Miles aus Vonda gehört.«
»Ich beglückwünsche dich zu deinem Sieg«, sagte sie.
»Ich brauche jetzt eine Frau«, sagte ich. »Laß dein Kleid herunter.« Ihre Hände zögerten, faßten aber nicht zu. Ihr Körper war zierlich und weich und wies prächtige Formen auf. Wie unglaublich schön doch die Frauen sind!
»Natürlich«, sagte sie nervös. »Das ist verständlich. Du hast freie Wahl.«
Ich warf die Sklavenfesseln, die ich weiter in der Hand gehalten hatte, auf das Bett. »Ich wähle dich«, sagte ich und machte einen Schritt auf sie zu. Die Frau, die meine Herrin gewesen war, keuchte und stöhnte in meinen Armen und atmete tief durch, den Kopf in den Nacken gebogen. Vergeblich wehrte sie sich gegen meinen Griff, aber ihre Gegenwehr hielt nicht lange an. »Weißt du, was du getan hast?« fragte sie schließlich.
»Ja«, antwortete ich und hielt sie zur Stille an, denn ich hörte Männer sprechen. Ihre Stimmen drangen durch das Fenster herein.
»Habt ihr die Stalldirnen erwischt?« fragte ein Mann.
»Eine ist noch auf der Flucht«, lautete die Antwort.
»Und die Haussklaven?« wollte die erste Stimme wissen.
»Sie tragen unsere Ketten.«
»Macht sie an den Sattelringen fest«, befahl die erste Stimme. »Wir müssen bald starten.«
»Wo ist Orgus?« fragte jemand.
»Er wollte sich um die Hausherrin kümmern«, antwortete eine dritte Stimme.
»Wo ist er?«
»Vermutlich hat er sein großes Vergnügen mit ihr«, antwortete eine Stimme. Draußen wurde gelacht, und ich mußte lächeln.
»Bist du eine Frau, mit der man sein großes Vergnügen haben kann?« fragte ich das hilflose Mädchen in meinen Armen.
»Ich bin eine freie Frau!« fauchte sie. »Ich bin Lady Florence aus Vonda. Oh! Oh!«
Ich lachte leise vor mich hin. Wie wenig begriff sie doch die Möglichkeiten, die ihre Schönheit ihr eröffneten.
»Du hast dich selbst unterschätzt, Lady Florence«, sagte ich.
Aufgebracht blickte sie mich an. »Sleen!« fauchte sie, dann aber schloß sie wieder die Augen und ergab sich den Wonnen, die ich ihr bereitete.
»Ach, übrigens«, fragte ich einige Zeit später. »Wo ist eigentlich die ›neue Sklavin‹, die du zu mir in den Tunnel schicken ließest?«
Angstvoll blickte sie zu mir auf. »Ich habe sie verkauft!« rief sie hastig.
»Orgus! Orgus!« vernahmen wir eine Stimme.
»Bitte laß mich nicht wieder schwach werden!« flehte sie unter mir.
Und hilflos schrie sie auf.
»Hörst du sie?« lachte ein Mann vor dem Fenster.
»Orgus ist noch immer mit ihr beschäftigt«, sagte ein anderer lachend.
»Trotzdem mußt du ihn jetzt holen«, sagte die erste Stimme. »Wir müssen losfliegen.«
Ich lächelte, löste mich von dem Mädchen und ging zur Tür. Unterwegs schnappte ich mir eine Sitzbank.
Das Mädchen hockte auf dem Bett. Ihr Gesicht war unter dem zerwühlten Haar kaum zu erkennen.
»Ah!« sagte der Mann, der durch die Tür hereinkam. »Da ist ja unsere Schönheit.« Er sah sich um. »Orgus!« rief er. »Was ist passiert?«
»Sei gegrüßt«, sagte ich.
Er fuhr herum und hatte das Schwert bereits halb aus der Scheide, als die Bank ihn in den Unterleib traf. Dann hob ich das Möbel an und zerschmetterte es auf seinem Rücken.
Ich kniete neben ihm nieder und nahm ihm Waffen und Ausrüstung ab. Dann zog ich ihm die Tunika über den Kopf und legte sie an, ebenso wie seine Sandalen.
»Du bist kräftig, Jason«, sagte Lady Florence und betrachtete die zerbrochene Bank. »Sehr kräftig.«
»Wenn diese Burschen erwachen«, sagte ich, »ist es wohl kaum ratsam, sich in ihrer Nähe aufzuhalten.« Ich legte Lederzeug und Waffen an. Dabei ging es mir in erster Linie um die Verkleidung; wie man mit goreanischem Stahl umging, wußte ich nicht. Ein Meister seines Waffenfachs konnte mich in Stücke hacken, daran zweifelte ich nicht.
»Wenn Orgus und Andar zurück sind, steckt ihr das Haus in Brand«, sagte eine Stimme draußen.
»Haben wir denn alle Wertsachen und Sklaven draußen?« erkundigte sich eine Stimme.
»Bis auf die Herrin des Hauses«, antwortete ein Mann. »Aber darum hat sich ja schon Orgus gekümmert.«
Gelächter ertönte.
Erschrocken sah mich das Mädchen an. Ich setzte gerade Orgus’ Helm auf. »Wie furchteinflößend du in dem Helm aussiehst«, sagte sie.
Ich packte das Mädchen, als hätte ich sie mir eben zur Sklavin gemacht, und schritt eilig durch die Säle des Hauses. Überall waren Möbelstücke aufgerissen und der Inhalt verstreut worden. Wandvorhänge hingen in Fetzen herab. Truhen waren gewaltsam geöffnet. Ich trat durch die Haupttür ins Freie und marschierte mit schnellen Schritten um das Haus herum, wobei ich Richtung auf die Ställe nahm.
»Orgus!« rief eine Stimme aus dem Garten. »Ho, Orgus!«
»Wir sind hier!« rief eine andere Stimme.
Entschlossen setzte ich meinen Marsch zu den Ställen fort.
»Orgus! Orgus!« rief man hinter mir her.
»Wir sind startbereit!« rief eine Stimme. »Orgus!«
»Bist du das, Orgus?«
In diesem Augenblick faßte ich den Arm des Mädchens fester und begann zu laufen, wobei ich sie mitzerrte. Ich war sicher, daß die Verfolgung sofort losgehen würde.
»Ihnen nach!« rief eine Stimme.
Ich schaute zurück. Vier Männer liefen auf uns zu. »Beeil dich!« rief ich dem Mädchen zu.
Wir hasteten weiter.
Ich erreichte die Tür des Jungtierschuppens und drückte sie auf. Ich stieß das Mädchen vor mir ins Innere und trat die Tür hinter mir zu, die ich mit einem schweren Holzriegel sicherte.
Schon wurden die Griffe von Kurzschwertern gegen die Tür geschlagen.
»Wir sind gefangen!« schluchzte sie.
»Du bist gefangen, nicht ich«, stellte ich richtig und sah mich um. Dann eilte ich, das gefangene Mädchen hinter mir herreißend, zu der Falltür im Boden, durch die die frisch geschlüpften Tharlarions vom Nistschuppen in den Jungtierraum gebracht werden.
Fensterglas brach klirrend. »Halt!« riefen Stimmen.
Lady Florence und ich hasteten die glatte Rampe hinab und betraten den Tunnel. Wir hörten, wie hinter uns die Tür aufgebrochen wurde.
»Beeil dich, Gefangene!« rief ich.
»Gefangene!« wiederholte sie.
Als wir etwa fünfzig Meter tief in die Schwärze des Tunnels eingedrungen waren, blieb ich stehen. Wie erwartet, folgten die Männer uns nicht blindlings. Sie schienen anzunehmen, daß wir das Tunnelsystem kannten. Und ich war bewaffnet, denn der Stahl des Räubers Orgus hing an meiner linken Schulter.
»Bringt Fackeln!« rief eine Stimme.
Leise lachend setzte ich meinen Weg durch die Dunkelheit fort.
»Ich bin nicht deine Gefangene!« sagte sie.
Ich wandte mich um, stieß sie zur Seite und begann sie zu fesseln.
»Was machst du?« flüsterte sie.
»Ich binde dir die Beine zusammen«, antwortete ich.
»Nein, Nein!«
»Warum nicht?«
»Man wird mich finden.«
»Wer will schon eine Frau mitnehmen, die zu dumm ist, um zu erkennen, daß sie eine Gefangene ist«, bemerkte ich.
»Aber ich bin doch deine Gefangene!«
»Wirklich und wahrhaftig?«
»Na schön«, sagte ich und nahm ihr die Fußfessel wieder ab. Dann riß ich sie hoch und zog sie wieder hinter mir her.
Etwa eine Minute lang liefen wir weiter, dann blieb ich erneut stehen.
»Warum halten wir an?« fragte sie.
»Erinnerst du dich an die Stelle?« fragte ich.
»Es ist dunkel hier.«
»Hier hast du einmal zwei Sklaven bei einem Rendezvous überrascht«, sagte ich. »Außerdem schicktest du eine ›neue Sklavin‹ an diesen Ort; sie sollte meine Bedürfnisse befriedigen.«
Und schon hasteten wir weiter.