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Als die Taxitür geöffnet wurde, spürte ich einen kalten Lufthauch.

Langsam und schmerzhaft kehrte ich in das Bewußtsein zurück.

Ich spürte, wie Miß Henderson aus dem Wagen gehoben wurde. Dann griffen auch bei mir zwei Männer zu und zerrten mich heraus. Wir befanden uns im Inneren eines garagenähnlichen Baus. Der Boden bestand aus Zement. Miß Henderson lag flach ausgebreitet auf dem Bauch. Vier Glühbirnen, an langen Leitungen hängend, lieferten das Licht. Sie besaßen dunkle Metallschirme, deren Inneres mit weißem Emaille bedeckt war, und wurden durch ein Drahtgeflecht geschützt.

Ich wurde ebenfalls auf den kalten Boden gelegt. Man zog mir die Hände auf den Rücken und fesselte sie zu meiner Verblüffung mit Handschellen.

Ich vermochte fünf Männer auszumachen. Da war zunächst der Fahrer des Taxis, dann drei stämmige Burschen, zwei in Jacken und einer mit Pullover, und schließlich ein fünfter Mann in zerknittertem Anzug und mit gelockerter Krawatte. Er war großgewachsen und massig. Er hatte breite, schwere Hände und wirkte ungemein kräftig. Trotz seines spärlichen Haares machte er einen sehr männlichen Eindruck.

»Weckt die Sklavin«, befahl er.

Einer der Männer schob von hinten die Hände in Miß Hendersons Haar und zerrte sie grob empor, was sie zu einem schmerzhaften Aufschrei veranlaßte.

»Sie sind das!« rief sie in kniender Position. »Der Mann aus der Wohnung!«

»Niemand hat dir das Sprechen gestattet!« sagte er.

»Ich brauche dazu keine Erlaubnis!« rief sie. »Ich bin eine freie Frau! Ich bin keine Sklavin!«

»Oh!« schrie sie, denn die Hände des Mannes, der sie hielt, verkrampften sich in ihrem Haar und zerrten ihren Kopf zurück.

Ihre kleinen Hände legten sich nutzlos um seine dicken Unterarme.

»Sklavin, du solltest dich rechtzeitig daran gewöhnen, freie Männer als ›Herr‹ anzureden!« sagte der massige Mann.

»Ich bin aber keine Sklavin!« Und wieder schrie sie auf, so stark zerrte der Mann an ihrem Haar. Dann fügte sie hinzu:

»… Herr.«

»Schon besser«, sagte der Mann. »Auf eine Weise bist du Sklavin, auf eine andere Weise noch nicht. Im natürlichen Sinne bist du Sklavin von Geburt. Erspar dir die Reaktion, meine Liebe. Ich habe recht. Das ist jedem bekannt, der solche Dinge kennt. So etwas weiß man bei einer Frau auf einen Blick. Und falls es dich irgendwie beruhigt: bei dir offenbart sich das natürliche Sklaventum so klar und deutlich wie bei kaum einer anderen. Dein Sklaventum tritt beinahe offen zutage.«

»Nein!« rief sie. »Nein!«

»Die Erdkultur bietet sehr wenig Gelegenheit, Sklavenbedürfnisse zu befriedigen und zu erfüllen«, fuhr er fort. »Andere Kulturen, das wirst du feststellen, sind in dieser Beziehung toleranter und großzügiger.«

»Nein!« rief sie.

»Der Aspekt, unter dem du eigentlich noch nicht als Sklavin anzusehen bist, ist dagegen zweitrangig. Im Rahmen der Institution der Sklaverei bist du noch nicht offiziell versklavt, bist noch keine Sklavin nach dem Gesetz.«

Sie starrte ihn entsetzt an.

»Aber sei unbesorgt«, sprach er weiter. »Die gesetzlichen Bestimmungen werden auch in deinem Fall über kurz oder lang eingehalten – und dann bist du mit Haut und Haaren Sklavin und weiter nichts.« Er lächelte sie an. »Du darfst jetzt antworten: ›Ja, Herr‹.«

»Ja, Herr«, flüsterte sie.

Mit geschickter Bewegung warf der Mann, der das Mädchen festhielt, sein Opfer wieder auf den Bauch. An der Seite riß er ihr das Kleid auf. Der andere nahm eine Ledertasche aus einem weißen Schrank. In der Tasche befanden sich zwei Ampullen, Baumwolle und etliche Einmal-Spritzen. Der Mann kniete neben dem Mädchen nieder, benetzte einen Wattebausch mit Flüssigkeit aus einer der Ampullen und rieb ihr damit ein Stück Haut oberhalb der rechten Hüfte ein.

Dann öffnete der Mann die Hülle einer Injektionsnadel und zog sie mit einer grünlichen Flüssigkeit auf, die in der anderen Ampulle enthalten war.

»Was machen Sie da?«

»Ich bereite dich für den Transport vor.«

»Transport?« rief sie. »Wohin denn?«

»Na, errätst du das nicht, du kleiner Dummkopf?«

»Oh!« rief sie, als die Nadel in ihr Fleisch drang.

Ich versuchte mich aufzurichten, doch ein gestiefelter Fuß drückte mich wieder zu Boden.

Der massige Mann injizierte geduldig das Mittel und zog die Nadel schließlich wieder heraus. Erneut desinfizierte er die Einstichstelle.

»Wohin werde ich gebracht, Herr?« rief das Mädchen.

»Na, auf den Planeten Gor, wohin sonst?« antwortete er.

»Gor existiert doch gar nicht!«

»Verzichten wir auf nutzlose Streitereien«, sagte er. »Du wirst die Wahrheit besser beurteilen können, wenn du angekettet in einem goreanischen Verlies erwachst.«

Er stand auf und reichte einem der Männer die Injektionsspritze.

»Ich kann unmöglich Sklavin sein!« schluchzte sie.

»Das bist du bereits«, erwiderte er.

»Du hast mich betäubt«, sagte sie zitternd.

»Beruhige dich. Es ist besser so für den Flug.«

Sie begann laut zu schluchzen.

»Entspanne dich, kleine Sklavin«, sagte er beruhigend.

»Ja, Herr«, erwiderte sie und verlor das Bewußtsein.

Entsetzt sah ich zu, wie Miß Henderson die Kleidung vom Leib geschnitten wurde. Anschließend wurde sie seitlich in eine speziell vorbereitete Kiste gesetzt, mit ausreichenden Sicherungen für Kopf und Arme. Ein Paar Fußfesseln mit eingravierter Nummer stellte die Identifikation sicher. Der Deckel wurde mit zwei Schnapphaken gesichert. Außerdem drehten die Männer zusätzlich zehn Schrauben ein. Die Luftzufuhr erfolgte durch zwei kleine runde Löcher in der oberen Hälfte.

»Bringt die Kiste zum Wagen hinaus«, sagte der massige Mann.

Zwei Männer hoben die Kiste an. Ein dritter ging voraus, vermutlich um auf den Weg zu achten und die Tür des Wagens zu öffnen.

Am Boden spürte ich plötzlich einen frischen Luftzug. Irgendwo war eine Tür geöffnet worden. Ich spannte die Muskeln an. Im nächsten Moment spürte ich einen Stiefel auf der Kehrseite. »Daß du mir nichts Törichtes versuchst«, sagte ein Stimme – es war der Fahrer des Taxis. Gleich darauf hörte das Ziehen auf. Ich hörte das leise Zuknallen einer Tür.

Nun wandte sich der massige Mann zu mir um.

»Sie haben sie behandelt wie eine Ware!« sagte ich zornig.

»Das ist sie auch, eine Sklavin«, erwiderte er.

»Was machen Sie mit ihr?«

»Sie wird auf eine andere Welt verschickt, die Gor heißt«, antwortete er. »Dort erhält sie das Brandzeichen als Sklavin und wird auf einem offenen Markt verkauft.«

»Wie können Sie das tun?«

»Es ist mein Beruf«, erwiderte er. »Ich bin Sklavenhändler.«

»Aber haben Sie kein Mitleid mit Ihren armen Opfern?«

»Sie verdienen kein Mitleid. Es sind doch nur Sklaven.«

»Aber was ist mit ihrem Recht auf Glück?« fragte ich.

»Das ist unwichtig«, gab er zurück. »Aber falls es dich interessiert – keine Frau ist wirklich glücklich, solange sie nicht wahrhaftig unterworfen und beherrscht wird.«

Ich schwieg.

»Befreit man eine Frau«, sagte er, »wird sie versuchen, einen zu vernichten. Versklavt man sie aber, kriecht sie vor ihrem Herrn auf dem Bauch und erfleht sich die Gnade, ihm die Sandalen zu lecken.«

»Wahnsinn!« rief ich. »Das ist doch absolut falsch!«

Der massige Mann lächelte den hinter mir stehenden Wächter an. »Er redet wie ein typischer Erdenmann, nicht wahr?«

»In der Tat«, erwiderte der andere. In diesem Moment spürte ich wieder den Luftzug. Gleich darauf kehrten die anderen drei Männer zurück. »Die Kiste ist im Wagen bei den anderen«, meldete einer.

Ich war überrascht. Offenbar mußten noch andere Mädchen das entsetzliche Schicksal Miß Hendersons teilen.

Nun aber stand ich im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, was mich doch sehr erschreckte. Ich begann zu schwitzen. Mir ging auf, daß weder Miß Henderson noch ich eine Augenbinde erhalten hatten. Den Männern schien es nichts auszumachen, daß ich sie zu einem späteren Zeitpunkt identifizieren konnte, ebenso wie das Innere dieses Gebäudes.

»Was … was haben Sie mit mir vor?« fragte ich.

Der Mann, der das Taxi gefahren hatte, wanderte um mich herum, bis er etwa drei Meter vor mir stand. Dabei sah ich, daß er mit einem Revolver bewaffnet war. Aus der Jackentasche zog er einen hohlen, zylindrischen Gegenstand und drehte ihn auf die Mündung der Waffe. Es war ein Schalldämpfer, der den Schußlärm vermindern würde.

»Was haben Sie mit mir vor?« fragte ich.

»Du hast zuviel gesehen, und du kannst uns nichts nützen«, sagte der massige Mann.

Ich versuchte auf die Füße zu kommen, wurde aber von zwei Männern zu Boden gedrückt.

Aus den Augenwinkeln sah ich den Revolver mit dem Schalldämpfer. Dann spürte ich das stumpfe Ende der Mündung an der linken Schläfe.

»Erschießen Sie mich nicht!« flehte ich. »Bitte!«

»Er ist die Kugel nicht wert«, meinte der massige Mann. »Hebt ihn auf die Knie. Nehmt eine Drahtgarrotte.«

Der Taxifahrer schraubte den Schalldämpfer ab, ließ ihn in seiner Tasche verschwinden und steckte sich den Revolver wieder in den Gürtel. Man zerrte mich auf die Knie hoch, zwei Männer hielten meine Hände auf dem Rücken.

Der fünfte Mann, der den Kistenträgern die Tür geöffnet hatte, trat hinter mich. Abrupt wurde mir ein dünner Draht um den Hals geschlungen.

»Ich muß noch jemanden auflesen«, sagte der Mann, der das Taxi gefahren hatte.

»Wir treffen uns dann an der Autobahn«, erwiderte der massige Mann. »Du kennst die Stelle.«

Der andere nickte.

»Um vier Uhr früh sollen wir am neuen Startplatz sein«, fuhr der massige Mann fort.

»Sie hat um zwei Uhr Arbeitsschluß«, antwortete der Taxifahrer. »Ich werde sie abfangen.«

»Die Zeit wird knapp werden, aber mach nur. Wir können sie im Wagen ausziehen, betäuben und in die Kiste packen.«

Ich spürte, wie sich die Schlinge zusammenzog.

»Bitte nicht!« flehte ich.

»Es wird schnell vorüber sein«, sagte der Massige.

»Bitte töten Sie mich nicht!«

»Flehst du um dein Leben?«

»Ja, ja, ja!«

»Aber was sollen wir mit dir anfangen?«

Der massige Mann betrachtete mich, wie ich hilflos vor ihm kniete. »Da seht, ein typischer Erdenmann!« sagte er.

»Wir sind nicht alle so schwach und feige«, sagte einer der Männer mürrisch.

»Das stimmt«, sagte der massige Mann. »Aber gibt es für ein Männchen wie dich denn überhaupt eine Hoffnung?«

»Ich verstehe nicht, was Sie eigentlich meinen«, stammelte ich.

»Wie sehr ich deinen Typ verachte!« rief er. »Narren, Feiglinge, Schwächlinge, von Schuldgefühlen geplagt, verwirrt, selbstgefällig, sinnlos lebend, Vorspiegelungen nachhängend, weich – Männchen, die sich die UrPrivilegien ihres Geschlechts haben nehmen lassen, des Geburtsrechts ihrer eigenen Männlichkeit, Kreaturen, die sich die Bedürfnisse des eigenen Blutes nicht einzugestehen wagen, Männchen, die zu schwach, zu verängstigt, zu beschämt sind, um als Männer aufzutreten.«

Seine Worte gingen mir durch und durch, denn ich hatte geglaubt, in meiner Männlichkeit etwas Besonderes zu sein. Oft hatte man mich verspottet, weil ich angeblich zu maskulin wäre. Dieser Mann sprach nun aber über mich, als ahnte ich bisher nicht einmal, was wahre Männlichkeit bedeute. Ich war erschüttert. Ich begann zu zittern. Was mochte diese biologische Männlichkeit sein, in der Fülle ihrer Durchdachtheit und Stärke? Ich ahnte bereits, daß eine solche Männlichkeit keine bloße Vorspiegelung war, wie man mich gelehrt hatte, sondern eine Art Auslese in der langen, harten Realität einer brutalen Evolution – wie das Wesen des Adlers und des Löwen. Jetzt aber ging mir auf, daß meine Vorstellung von Männlichkeit, so fortschrittlich ich sie gefunden hatte, die Pracht einer bisher unterdrückten, verzerrten, gefolterten Realität nicht einmal im Ansatz erahnen konnte, einer Realität, die in jeder Körperzelle des Mannes genetisch angelegt ist, einer Realität, die von einer anti-biologischen Kultur gefürchtet und ausgemerzt worden war. Ich kam von einer Welt, in der die Adler nicht fliegen können. Ich senkte den Kopf. Löwen gedeihen nicht in einem Land voller Gifte.

»Schau mich an!« forderte der massige Mann.

Ich hob den Kopf.

»Ich weiß nicht recht, ob es für ein fehlgeleitetes Wesen wie dich überhaupt Hoffnung gibt.«

»Er hat den Tod verdient«, sagte einer der anderen Männer.

»Ist er nicht ein typischer Erdenwicht?« fragte der Massige.

»Ja, ja«, sagten die Männer im Chor.

»Aber darüber hinaus scheinen seine Züge symmetrisch zu sein, und sein Körper, wenn er sich auch weich und schwach darstellt, ist groß.«

»Ja?« fragte einer der Männer.

»Ob eine Frau wohl Gefallen an ihm finden könnte?« fuhr der große Mann fort.

»Vielleicht«, lächelte einer der anderen.

»Werft ihn auf den Bauch und fesselt ihm die Beine!« befahl der massige Mann.

Ich spürte, wie sich der Draht von meinem Hals löste. In Sekundenschnelle wurden mir die Fußgelenke zusammengebunden. Dann riß man mir auf der linken Seite die Kleider vom Leib, ich spürte die kalte Berührung des alkoholgetränkten Wattebauschs und den Einstich der Nadel.

»Was haben Sie mit mir vor?« fragte ich entsetzt.

»Man wird dich auf den Planeten Gor schaffen«, antwortete er. »Ich glaube, ich kenne dort einen kleinen Markt, wo man Interesse an dir hat.«

»Gor gibt es doch gar nicht.«

Er stand auf und warf den Wattebausch und die zweite Injektionsspritze fort.

»Gor gibt es nicht!« rief ich.

»Schafft ihn in den Wagen«, sagte er zu den Männern.

»Ihr seid ja verrückt, ihr alle!« rief ich. Zwei Männer hoben mich vom Boden auf. »Gor gibt es nicht!« rief ich. Man trug mich zur Tür. »Gor existiert nicht!« rief ich.

Dann verlor ich das Bewußtsein.

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