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Ich kniete in der kühlen Tiefe des Ladens von Turbus Veminius, eines Parfumherstellers in Venna. In dieser Stadt gibt es viele kleine und vornehme Läden für die wohlhabende Kundschaft, die die Bäder und die Hotels der Umgebung frequentiert. Ich, Sklave, ohne Begleitung einer freien Person, mußte warten, bis alle freien Kunden bedient waren. Aus dem langen Raum hinter der Theke wehten zahlreich Parfumdüfte herbei. An Arbeitsbänken standen Parfumhersteller, die von Turbus ausgebildet wurden, und maßen und rührten und vermischten. Obwohl man normalerweise in eine Kaste hineingeboren wird, darf man das dazugehörige Handwerk oft erst ausüben, wenn man eine bestimmte Lehrzeit absolviert hat. Diese Regelung gewährleistet die Qualität der Kastenprodukte. Es ist auch möglich, wenn es auch selten praktiziert wird, daß Kastenmitglieder spezifische Arbeiten nicht durchführen dürfen, sondern sich auf Handreichungen beschränken müssen. So kann es vorkommen, daß ein Metallarbeiter Eisen nicht bearbeiten darf, es allerdings bemalen, transportieren oder verkaufen könnte. Das schränkt natürlich die allgemeinen, durch Geburt verliehenen Kastenrechte wie die Unterstützung in Not und Kastenzuflucht nicht ein. Die Frauen einer Kaste sind normalerweise in die Arbeit nicht eingespannt – so arbeitet zum Beispiel eine Frau aus der Kaste der Metallarbeiter üblicherweise nicht am Blasebalg, ebensowenig ist eine Frau aus der Kaste der Hausbauer auf einer Festungsbaustelle zu finden. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet die Kaste der Ärzte, in der die Frauen oft selbständig arbeiten. Für die Goreaner ist die Kastenzugehörigkeit meistens eine Sache der Geburt; sie hat im allgemeinen nicht mit einem bestimmten Leistungsniveau zu tun. Das Wohl und Wehe der Kaste geht in der Regel über den Ehrgeiz des einzelnen. Das Wohl einer größeren Anzahl von Individuen, so argumentieren die Goreaner, ist wichtiger als der Vorteil einer kleineren Gruppe.

»Vielen Dank, Lady Tela«, sagte Turbus Veminius, der Besitzer des Ladens, nahm Münzen entgegen und reichte einer vornehm gekleideten Frau ein Fläschchen. Sie ging. Der Parfumhersteller wandte sich einer anderen Kundin zu.

Für den Goreaner hat die Kaste eine Bedeutung, die für jemanden schwer erklärbar ist, in dessen eigener Heimat Kastenstrukturen unbekannt sind. So kann man in beinah jeder Stadt davon ausgehen, daß hier Kastenbrüder wohnen, auf die man sich verlassen kann. Zum Beispiel hat die Mildtätigkeit fast ausschließlich mit Kastenrechten zu tun. Einer der Gründe, warum es auf Gor so wenig Gesetzlose gibt, liegt zweifellos in dem Umstand, daß der Geächtete durch sein Tun Kastenrechte aufgibt. Die Sklaven besitzen natürlich von vornherein keinerlei Kastenrechte. Sie stehen außerhalb der gesellschaftlichen Strukturen. Es heißt auf Gor, daß nur die Sklaven, Gesetzlosen und Priesterkönige – die im fernen SardarGebirge leben und angeblich die Herrscher Gors sind – keine Kastenzugehörigkeit besitzen. Dies ist natürlich nur eine Binsenwahrheit. Zum Beispiel gibt es Individuen, die die Kastenzugehörigkeit verloren haben oder ausgestoßen wurden; andere sind außerhalb einer Kaste geboren worden; dann wieder gibt es Tätigkeiten, die traditionsgemäß nichts mit einer Kaste zu tun haben, beispielsweise die Gärtnerei, der Dienst im Haushalt und das Herdentreiben; und tatsächlich gibt es auf Gor ganze Kulturen und Völkerscharen, denen Kasten fremd sind. In ähnlicher Weise sind die Grenzen zwischen den Kasten zuweilen ungenau bestimmt, ebenso die Beziehungen zwischen Kasten und Unter-Kasten. So halten sich Sklavenhändler zuweilen für Mitglieder der Kaufmannskaste, manchmal allerdings auch für eine getrennte Gruppe. Sie haben eigene Farben, Blau und Gelb, während die Kaufleute sich mit Weiß und Gold schmücken. Es soll nicht verschwiegen sein, daß es Methoden gibt, die Kaste zu wechseln oder seinen Status zu verbessern, doch nutzt der Goreaner so etwas selten aus. Den meistens ist der Gedanke, die Kaste zu wechseln, fremd. Sie sind im allgemeinen viel zu stolz auf ihre Kaste, die viel zu sehr ein Teil ihres Lebens ist, als daß sie sich jemals davon lösen könnten. Jeder weiß, daß die Kasten, jedenfalls die meisten, nützliche, löbliche, nötige Funktionen erfüllen. So verschwendet der Lederarbeiter keine Zeit darauf, den Metallarbeiter zu beneiden, oder der Metallarbeiter den Lederarbeiter oder beide die Tuchwirker, und so weiter. Alle brauchen Sandalen und Geldbörsen und Kleidung und metallenes Werkzeug. Allerdings hält jeder die eigene Kaste für etwas Besonderes, für etwas, das den anderen vielleicht ein wenig vorzuziehen wäre. Dieser Kastenstolz bringt es mit sich, daß die meisten Goreaner mit ihren Kasten äußerst zufrieden sind. Ich bin sicher, daß die Kastenstruktur viel zur Stabilität der goreanischen Gesellschaft beiträgt. Unter anderem mindert sie das Chaos des Wettbewerbs im sozialen und wirtschaftlichen Bereich und verhindert die Polarisierung von Intelligenz und Ehrgeiz auf eine kleine Anzahl begehrter Prestigeberufe. Wenn man von den Ergebnissen großer KaissaTurniere ausgeht – wohlgemerkt: Amateurturniere, an denen keine Mitglieder der Spielerkaste teilnehmen –, dann gibt es kluge Männer in den meisten Kasten.

»Ist das Parfum für Lady Kita aus Bazi fertig?« rief Turbus Veminius nach hinten.

»Nein!« antwortete eine Stimme.

»Laß dir Zeit«, rief Turbus Veminius. »Das Parfum muß vollkommen sein!«

Turbus Veminius wandte sich daraufhin streng an Lady Kita, eine kleine zierliche braunhäutige Frau, die einen dünnen gelben Schleier trug, wie er in Bazi gebräuchlich war. Sie trat einen Schritt zurück. »Wann sollte dein Parfum fertig sein, Lady Kita?« fragte sie. Die beiden großen, dunkelhäutigen Wächter, die mit verschränkten Armen hinter ihr standen, schienen ihn nicht im geringsten zu stören.

»Zur fünfzehnten Ahn«, antwortete sie schüchtern.

»Wir haben jetzt die vierzehnte Ahn«, murrte er und warf einen vielsagenden Blick auf die Wasseruhr, die rechts von ihm auf der Theke stand.

»Ich bin zu früh gekommen«, sagte sie.

»Offensichtlich. Sei zur fünfzehnten Ahn wieder zur Stelle.«

»Jawohl, Turbus«, sagte sie, machte kehrt und eilte mit ihren Wächtern hinaus.

Turbus Veminius schaute ihr nach. Wie viele Parfumhersteller und Kosmetiker, behandelte er seine Kundinnen beinah wie Sklavinnen. Er war berühmt für den Ausspruch: »Es sind doch alles nur Sklavinnen.« Obwohl sie barsch und autoritär behandelt wurden, strömten die Frauen von hoher Kaste nur so in seinen Laden – ich verstand das nicht. Natürlich gehörte er zu den führenden Parfumherstellern Ars und hatte Preise, die nur für die Vermögendsten der Vermögenden erschwinglich waren. Außerdem gab es in seinem Laden kein Sklavenparfum zu kaufen.

»Wird das Parfum der Lady Kita aus Bazi zur fünfzehnten Ahn fertig sein?« rief Turbus nach hinten.

»Ich weiß es nicht«, antwortete die Stimme.

»Kein Grund zur Eile!« rief er. »Wenn es nicht fertig ist, wird sie warten oder morgen wiederkommen müssen. Die Ware muß vollkommen sein.«

»Ja, Turbus.«

Ich mußte lächeln bei dem Gedanken, einer freien Frau zu sagen, sie müsse warten oder morgen wiederkommen, und zu wissen, daß sie gehorchen werde.

Ich kniete auf den Kacheln. Draußen war es heiß, im Laden jedoch angenehm kühl. Ich genoß die Parfumdüfte, die durch den Laden wehten; viele davon wurden hinten im Laden aus Signaturrezepten verschnitten. Signaturrezepte sind einzigartig und geheim. Sie sind das Ergebnis der Beratungen und Versuche eines Parfumherstellers, die Folge des Bemühens, für eine bestimmte Frau das vollkommene Duftmittel zu schaffen, möglicherweise sogar auf eine Tageszeit und Stimmung bezogen. Eine reiche Frau kann bis zu fünfzehn Signaturrezepte ihr eigen nennen, alle verschieden. Sie tragen diesen Namen nicht nur, weil sie auf eine Frau zugeschnitten sind, sondern weil das Rezept zugleich die Signatur des Herstellers trägt, worin die Auffassung zum Ausdruck kommt, daß er dieses Parfum für wert erachtet, den Namen seines Hauses zu tragen. Die Rezepte werden interessanterweise in den Tresoren der Parfumhersteller aufbewahrt. Zutaten und Herstellung bleiben das Geheimnis des Meisters. Natürlich gibt es auch Parfums eines bestimmten Hauses, die von mehr als einer Frau erworben werden können. Diese Parfums werden in Erweiterung des Begriffs manchmal auch Signaturrezepte genannt, weil sie ja in bezug auf den Hersteller einzigartig sein sollen. Darunter gibt es jede Menge Standardparfums, deren Herstellung allgemein bekannt ist, und dann natürlich den weiten Bereich der Sklavenparfums.

Turbus Veminius war nun mit der Kundin fertig und sah mich an. Ich senkte den Kopf. Da er mich nicht zu sich rief, mußte ich weiter warten.

Von draußen drang die Stimme eines Brotverkäufers herein. Ich hob den Blick. Turbus Veminius beachtete mich schon nicht mehr.

»Ist das Parfum der Lady Kita aus Bazi bereit?« rief er nach hinten und blickte auf die Wasseruhr.

»Ja«, antwortete eine Stimme. »Du mußt es nur noch testen.«

Daraufhin verließ Turbus die Theke und verschwand im hinteren Bereich des Ladens.

Es ist auf Gor nicht ungewöhnlich, daß die Waren, die in einem Laden verkauft werden, auch im gleichen Haus hergestellt worden sind. Sehr oft ist dies im Handwerk der Fall und gilt beispielsweise für Glas- und Metallwaren, Gold- und Silbergeräte, Teppiche und Matten, Sandalen und Schmuck. Der Verkäufer hat somit einen unmittelbaren Einfluß auf die Qualität seiner Ware. Es gibt natürlich auch viele Läden, die sich auf den Verkauf ausländischer Güter spezialisiert haben, wenn man es einmal so ausdrücken will. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Gor und der Erde besteht darin, daß es auf Gor kaum Läden mit einem breitgefächerten Angebot gibt. So muß man in der Regel von einem Geschäft zum anderen wandern und sich seinen Einkauf zusammensuchen. In mancher Beziehung ist das vielleicht nicht so angenehm, aber man hat wenigstens die Gewähr, daß der Ladenbesitzer seine Ware kennt und die Quantität seines Einkommens unmittelbar mit der Qualität seiner Produkte zusammenhängt. Ein breiteres Angebot findet man im wesentlichen auf Bazaren und Märkten, wo sich auf engstem Raum zahlreiche Verkaufsstände drängen.

Turbus Veminius war noch nicht wieder in den Verkaufsraum zurückgekehrt.

Zur Seite blickend, machte ich zwei große Männer in braunen Tuniken aus, die im Ladeneingang innehielten. Sie machten nicht den Eindruck, als könnten sie sich für die Waren des Turbus Veminius interessieren. Sie schauten mich an, dann wieder nach hinten in den Laden. Schließlich warfen sie sich gegenseitig einen kurzen Blick zu, ehe sie wieder mich fixierten. Zuletzt machten sie kehrt und verließen den Laden. Ich wußte nicht, was sie wollten. Ich hatte sie heute schon zweimal gesehen, als ich mit einem anderen Auftrag für meine Herrin unterwegs war. Ließ Lady Florence mich beobachten? Dabei war ich doch ein fügsamer und eingeschüchterter Sklave, der die Peitsche kennengelernt hatte.

Turbus Veminius kehrte zurück. In der Hand hielt er eine kleine Parfumampulle. Er stellte sie seitlich in einen Schrank. Zweifellos befand sich darin das Parfum für die kleine braunhäutige Kita aus Bazi. Wieder blickte er auf die Wasseruhr. Es war fünf vor der fünfzehnten Ahn. Die goreanische Mittagsstunde ist die zehnte Ahn. Die Schatten draußen waren lang geworden an diesem warmen Sommernachmittag.

Ich veränderte die Stellung, um ein wenig aus der Tür schauen zu können. Keine Spur von den beiden braungekleideten Männern. Sie machten mich irgendwie nervös.

Die Hände waren mir auf dem Rücken gefesselt. Manchmal werden Sklaven gefesselt losgeschickt, um Einkäufe zu erledigen. An einem Lederband hing mir ein kleiner Sack um den Hals. Darin befanden sich ein Zettel und Münzen. Den Zettel konnte ich natürlich nicht lesen, da ich die goreanische Schrift nicht beherrschte.

Turbus Veminius beschäftigte sich nun damit, Parfumfläschchen zurechtzurücken. Ich begann mir Sorgen zu machen. Heute abend sollte ich die Gemächer meiner Herrin aufsuchen. Sie würde sich bestimmt nicht erfreut zeigen, wenn ich zu spät erschien. Ich hatte wenig Lust, erneut durchgepeitscht zu werden.

»Darf ich sprechen, Herr?« fragte ich.

Turbus Veminius sah mich an. »Komm näher, Sklave!« sagte er barsch.

Ich eilte zu ihm und senkte den Kopf. Er nahm mir das Lederband mit dem Beutel ab.

»Du bist Jason«, fragte er, »der Sklave der Lady Florence aus Vonda?« Er blickte auf den Zettel, den er aus dem Beutel genommen hatte.

»Ja, Herr.«

»Das Parfum war bereits gestern fertig«, sagte er und ging zu einem der Schränke. Aus dem Beutel nahm er die Münzen. Es waren fünf Silber-Tarsks. Er legte sie in eine Schublade, schrieb etwas auf den Zettel und tat das Papier und die Ampulle in den Beutel. Wieder neigte ich den Kopf, und er streifte mir das Band über.

»Sieh dich mit dem Parfum vor«, sagte er. »Es ist teuer. Es ist ein Signaturparfum.«

»Ja, Herr.«

»Ist deine Herrin schön?« fragte er.

»Ja, Herr.«

»Würde sie sich in einem Sklavenkragen gut machen?«

»Ich bin nur ein armer Sklave«, antwortete ich. »Wie könnte ich mir dazu eine Meinung bilden?«

Er musterte mich streng.

»Ja, Herr«, sagte ich. »Sie würde sich in einem Kragen gut machen.«

»Ich finde es schade, daß eine schöne Frau ihre Zeit mit einem Seidensklaven vertut«, meinte er. »Sie sollte im Kragen zu den Füßen eines echten Mannes liegen.«

Ich schwieg.

»Lauf!« rief er plötzlich. »Lauf, Sklave!«

Ich hastete aus dem Laden.

Auf der Straße stieß ich sofort mit zwei Männern zusammen. »Verzeiht, ihr Herren«, sagte ich, doch schon wurden meine Arme festgehalten. »Ich wollte euch nicht berühren«, sagte ich. Ich wurde die Straße entlanggezerrt. Die Schatten waren schon sehr lang. Der warme Nachmittag ging dem Ende entgegen. Nur noch wenige Passanten waren unterwegs. Die Männer, die mich festhielten, waren die beiden Burschen in den braunen Tuniken, die ich zuvor schon bemerkt hatte.

»Tut mir leid, ihr Herren«, sagte ich. »Schlagt mich und laßt mich gehen, bitte.« Jetzt erst bemerkte ich, daß sie mich zu einer Gasse zerrten. Meine nackten Füße scharrten über das Pflaster. Meine Hände versuchten die Fessel zu sprengen, die ich schon den ganzen Tag trug. Ein vorbeigehender Bäcker blickte uns erstaunt nach. »Was wollt ihr von mir?« fragte ich. »Ich bin Jason, Sklave der Lady Florence aus Vonda. Ihr könnt es unmöglich auf mich abgesehen haben. Seht euch den Kragen an! Ruft einen Wächter!« Ich wurde durch die Gasse gestoßen. Etwa fünfzig Meter weiter stand ein Tharlarion-Wagen mit hohen Seitenbrettern und einer Leinenplane. Brutal drückte man mich gegen eine Wand und schlug mir die Beine unter dem Körper fort. Die beiden waren es offenbar gewöhnt, mit Sklaven umzugehen.

»Wer seid ihr?« fragte ich. Einer der Männer zog eine Sklavenhaube aus seinem Gewand und streifte sie mir über den Kopf. Schon wurde mir das knebelnde Mundstück zwischen die Zähne geschoben und mit einem Gurt hinten im Nacken verankert. Einer der Männer warf mich auf die Ladefläche des Wagens, zerrte mir die Haube über die Augen und fesselte mir die Beine. Dann wurde ich in einen Sklavenkäfig geschoben, dessen Tür hinter mir zuknallte.

»Plane herunter«, sagte einer der Männer.

Gleich darauf spürte ich die Bewegung des eisenbereiften Wagens auf dem Pflaster.

Ich bäumte mich eine Weile in den Fesseln auf, vermochte aber nichts auszurichten. Widerstand war sinnlos.

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