21

Die lederne Sklavenhaube wurde mir vom Kopf gezogen. Ich hörte den Aufschrei der Menge. Barus rieb mir den Rücken ein. Kenneth wickelte lange Lederstreifen um meine Hände. Ich sah Sklavinnen am Gittertor stehen, einige auf den höheren Querstreben. »Jason! Jason!« riefen einige. »Krondar!« brüllten etliche freie Personen in der Menge. »Jason!« setzten andere dagegen.

Neues Geschrei stieg vom Publikum auf, als ein untersetzter, stämmiger Mann in die sandbedeckte runde Arena geführt wurde. Er wehrte sich gegen die Handschellen, die seine Arme auf dem Rücken zusammenhielten. »Er scheint begierig zu sein, den Kampf zu beginnen«, dachte ich.

»Krondar! Krondar!« riefen Männer im Publikum.

»Ich habe noch nie von diesem Sklaven gehört«, sagte ich zu Kenneth. »Ist nicht Gort der Champion des Miles aus Vonda?«

»Hier«, rief einer der Helfer des Schiedsrichters und deutete auf mich, »haben wir Jason, den Champion der Ställe der Lady Florence aus Vonda!« Jubelrufe wurden laut. »Jason! Jason!« riefen etliche Sklavinnen. Die Frauen im Publikum zeigten sich aufgeregt.

»Er scheint stark zu sein«, sagte ich zu Kenneth.

»Ja«, antwortete Kenneth, ohne sich zu mir umzudrehen; er beschäftigte sich weiter mit den Lederbändern.

»Sein Körper«, fuhr ich fort, »ist sehr vernarbt.«

»Kein Wunder«, sagte Kenneth. Ich verstand seine Bemerkung nicht.

»Krondar!« riefen freie Personen von den Rängen.

»Jason!« brüllten andere.

Ich blickte zu den Tribünen empor und entdeckte die prächtig herausgeputzte Gestalt des Miles aus Vonda. Er lächelte. Ich mußte daran denken, daß er einmal zu den abgewiesenen Freiern der Lady Florence aus Vonda gehört hatte. Er galt als einer der führenden TharlarionZüchter der Gegend. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ein so stolzer Mann die Abweisung gelassen eingesteckt hatte. Heute war Lady Florence bei den Kämpfen nicht zugegen. Aus Gründen, die ihrem Gesinde und den Sklaven nicht klar waren, hatte sie ein Unwohlsein angeführt und war in der Abgeschiedenheit des Hauses geblieben. Danach befragt, hatte Kenneth lediglich gegrinst und gefragt: »Weißt du es nicht?«

»Vielleicht«, hatte ich lächelnd geantwortet.

Miles aus Vonda gab einem der Schiedsrichterhelfer ein Zeichen, und er nahm dem stämmigen Mann, der mir gegenüber in der Arena stand, die Sklavenhaube ab.

»Aii!« flüsterte ich.

Ein entsetztes Luftschnappen ging durch die Tribünen.

»Und dies«, rief ein anderer Schiedsrichterassistent und deutete auf den untersetzten Mann, dessen Sekundanten ihm bereits die Handfesseln öffneten, »ist Krondar, ein frisch erworbener Sklave Miles’ aus Vonda, der neue Champion seiner Ställe!«

Krondar bäumte sich auf, wurde von seinen Sekundanten aber festgehalten. Einer der Schiedsrichterassistenten zog eine kurze, scharfe goreanische Klinge und bohrte sie dem Stämmigen ein Stückchen in den Leib. Krondar beruhigte sich. Er wußte, was es bedeutete, von goreanischem Stahl bedroht zu sein. Eine solche Klinge läßt sich mühelos in einen Körper versenken.

Nun suchte Krondars Blick den meinen. Unter den vorgewölbten Brauen wirkten seine Augen klein. Sein Gesicht war eine einzige Fläche vernarbten Gewebes.

»Das ist kein gewöhnlicher Kampfsklave«, sagte ich zu Kenneth.

»Nein«, antwortete dieser, ohne mich anzuschauen. »Das ist Krondar, ein berühmter Kampfsklave aus Ar.«

»Sein Gesicht«, sagte ich beinahe ehrfürchtig.

»In den Arenen Ars«, erklärte Kenneth, »hat er gegen das gespickte Leder und mit Messerhandschuhen gekämpft.«

»Zweifellos hat er Miles aus Vonda eine große Summe gekostet«, stellte Barus fest, der mir noch immer den Rücken einrieb.

»Warum sollte Miles aus Vonda einen solchen Sklaven kaufen?« fragte ich. »Ist es möglich, daß ihm die Stallmeisterschaft dieser Stadt soviel bedeutet?«

»Es geht um mehr als eine Ortsmeisterschaft«, erwiderte Barus. »Es hat Miles sehr mißfallen, daß sein früherer Champion Gort dir weichen mußte. Er mißbilligt, daß seine Ställe gegenüber denen der Lady Florence verloren haben, um die er einmal vergeblich geworben hat. Außerdem ist allgemein bekannt, daß du zuvor Seidensklave der Lady Florence warst. So dürfte er wohl nicht ganz unzufrieden sein, solltest du in der Arena erniedrigt und überlegen besiegt, ja, vielleicht sogar zerschmettert, entstellt und vernichtet werden.«

»Er kann doch unmöglich auf mich eifersüchtig sein«, sagte ich staunend. »Er ist eine freie Person, ich aber nur ein einfacher Sklave.«

Kenneth lachte.

Auf der anderen Seite der Arena waren Krondars Sekundanten damit beschäftigt, ihm Lederstreifen um die Fäuste zu wickeln.

»Daß du dich nicht täuschst«, sagte Kenneth. »Er wird jeden Schlag genießen, der gegen deinen Körper geführt wird. Wenn du zerschmettert und blutüberströmt vor Krondar zu Boden sinkst und dich nicht mehr bewegen kannst – wäre das keine süße Rache für ihn? An dir und gewissermaßen auch an Lady Florence?«

»Zweifellos.«

»Nimm keine Rücksicht – ziele auf sein Gesicht, Krondar!« rief Miles aus Vonda seinem Sklaven zu.

»Ja, Herr!« brummte der Sklave.

»Wenn Krondar mit ihm fertig ist, wird kein weiblicher Tharlarion ihn mehr als Seidensklaven haben wollen!« Dieser Ausruf löste lautes Gelächter aus.

»Krondar scheint mir ein eindrucksvoller Gegner zu sein«, sagte ich.

Barus lachte auf.

»Er ist einer der besten Kampfsklaven Ars«, sagte Kenneth.

»Es sieht aus, als könne er mich in Stücke reißen«, sagte ich lächelnd.

»Ich halte das nicht für unmöglich«, erwiderte Kenneth und beendete seine Arbeit an meinen Händen.

Ich verspürte Unbehagen. »Meinst du, ich kann siegen?«

»Natürlich nicht.«

»Warum kämpfe ich dann überhaupt?«

»Du bist Champion«, stellte Kenneth fest. »Du mußt kämpfen.«

»Hast du auf mich gesetzt?« fragte ich.

»Nein«, antwortete Kenneth.

»Aber auf Krondar?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Eine solche Wette würde die Ehrlichkeit der Stallkämpfe in Zweifel ziehen«, erwiderte Kenneth.

»Solche Wetten ließen sich aber heimlich durch Mittelsmänner plazieren.«

»Zweifellos.«

»Aber du hast das nicht getan?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Ich wette nicht gegen meine eigenen Leute«, sagte Kenneth.

»Sagt der Herr da die Wahrheit?«

»Eine kühne Frage.«

»Und die Antwort?«

»Ja«, sagte Kenneth lächelnd und schlug mir auf die Schulter, »ich sage die Wahrheit!«

»Dann wette!« forderte ich ihn auf.

»Ich soll wetten?«

»Ja«, sagte ich grinsend. »Ich werde nämlich siegen.«

»Du bist ja verrückt!« rief Barus.

»Nach den ersten Hieben«, sagte Kenneth, »solltest du Desorientierung vortäuschen und dich nach einem weiteren Schlag in den Sand fallen lassen.«

»Und dann?«

»Na, den Bewußtlosen spielen«, erwiderte Kenneth. »Oder so tun, als könntest du dich nicht mehr erheben.«

Ich schaute ihn an.

»Krondar wird dich vermutlich einige Male treten, und das könnte dir gebrochene Rippen einbringen, oder er zieht dich am Haar auf die Knie hoch, um dir die Zähne zu lockern oder dir das Kinn zu zerschmettern, aber wenigstens wirst du es überleben.«

»Als Sklave, der aufs schändlichste erniedrigt und besiegt wurde.«

»Natürlich.«

»Gibt mir der Herr den Befehl dazu – mir, dem Sklaven?«

»Ich gebe dir den Rat«, antwortete Kenneth, »dich entsprechend zu verhalten, denn damit ist dir am besten gedient.«

»Gibt mir der Herr den Befehl?«

»Ich habe dich beobachtet, Jason«, sagte Kenneth. »An deinen Hals gehört kein Kragen. Du bist kein Jammerlappen, der sklavisch zu Füßen eines anderen liegt. Du bist aus dem Stoff, aus dem Sklavenherren sind.«

»Es ist also nicht dein ausdrücklicher Befehl«, stellte ich fest.

»Nein«, bestätigte Kenneth.

»Vielen Dank, Herr.« Ich musterte Krondar, der auf der anderen Seite der Arena wartete.

»Bald wird das Zeichen zum Beginn gegeben«, sagte Barus.

Krondar war begierig, den Kampf zu beginnen. Das freute mich. Ich nahm mir vor, ihn kurz abzufertigen.

»Ich habe getan, was ich konnte«, sagte Kenneth.

»Nicht alles«, erwiderte ich.

»Was könnte ich denn noch tun?«

»Nun ja, wetten!«

»Du hast wirklich den Verstand verloren!«

Plötzlich wurde der Gong geschlagen, und ich sprang auf und eilte in den Sand hinaus.

Allerdings stand ich meinem Gegner nicht im Weg, als sich Krondar tobend auf mich stürzte. An die Schläfe getroffen, geriet er ins Torkeln und prallte gegen die Holzbarriere, die die Arena umgrenzte.

Die Menge schien gelähmt vor Verblüffung.

Ich nutzte den Vorteil nicht aus. »Auch außerhalb von Ar gibt es Kämpfer«, sagte ich zu Krondar. »Ich hoffe, daß du das klar begreifst.«

Er starrte mich aufgebracht an.

»Eine goldene Tarsk-Münze auf Jason!« hörte ich Barus brüllen. »Akzeptiert!« rief ein Mann in den Rängen.

»Aber zehn zu eins!« rief Barus zurück.

»Einverstanden!« rief der Mann.

»Ich will auch wetten!« rief ein anderer.

Zornig senkte Krondar den Kopf und stürmte erneut vor. Folglich war er nicht in der Lage, sich gegen den nach oben geführten Hieb zu schützen, mit dem ich ihn erwischte. Zum Glück kämpften wir nicht mit Messerhandschuhen, sonst hätte ich ihm den Kopf von den Schultern trennen können, aber auch so mochten die Lederbänder genügen, ihm das Kinn zu zerschmettern. Ich spürte die Erschütterung des Aufpralls im ganzen rechten Arm und in der Schulter. Er taumelte rückwärts und zur Seite. Wieder nutzte ich den günstigen Moment nicht aus. »Ich sage dir, auch in den Gebieten, die du die Wildnis oder das Ausland schimpfst, gibt es Leute, die das Kämpfen verstehen«, sagte ich. Er atmete heftig. »Sogar in den Ställen von Vonda findet man Champions.« Jubelschrei wurde in den Rängen laut. Sogar die Sklavinnen machten ihrer Freude Luft.

»Eine goldene Tarsk-Münze auf Jason!« rief Barus. »Zehn zu eins!« Keine Antwort. »Acht zu eins!« rief Barus. »Fünf zu eins!«

»Akzeptiert!« rief ein Mann unsicher.

Aufgebracht ging Krondar von neuem zum Angriff über. Diesmal schlug ich nicht zu, sondern ließ ihn mit sandwirbelnden Schritten an mir vorbeistürzen. Hastig, erstaunt machte er an der Bande kehrt. Er wußte, daß ich nicht zugeschlagen hatte.

»Wir wollen uns gegenseitig ernst nehmen«, sagte ich.

»Eine goldene Tarsk-Münze auf Jason!« rief Barus. »Fünf zu eins! Fünf zu eins? Drei zu eins? Zwei zu eins? Eins zu eins!«

»Akzeptiert!« rief ein Mann. »Akzeptiert!« meldete sich ein anderer.

In dem kantigen, auf scheußliche Weise vernarbten Gesicht Krondars zeigte sich eine Sekunde lang das Begreifen, daß er sich hier zwar in der Nähe Vondas befand, daß aber der Mann, mit dem er die flache Sandarena teilte, vielleicht auch Kämpfer genannt werden konnte.

»Eine goldene Tarsk-Münze auf Jason!« rief Barus. »Eins zu eins!«

Es kam keine Antwort von den Rängen.

Wie von Sinnen griff Krondar an, doch ich erkannte, daß er meine Gefährlichkeit eingesehen hatte. Diesmal wich ich nach rechts aus und schlug mit der linken Faust von unten nach oben, als er die Hände ausstreckte, um mich zu packen. Anschließend hieb ich mit der rechten Faust diagonal zu und dann noch einmal mit der Linken, diesmal in den Unterleib. Das brachte seinen Kopf in eine günstige Position für einen neuen Haken mit der Rechten. Die Kombination der Schläge kam schnell und wurde aus geringer Entfernung angesetzt. Das Publikum raste. Ich stellte mir vor, wie der Trainingspfosten in der Scheune zerbarst. Krondar schüttelte den Kopf und wich zurück. Vorsichtig folgte ich ihm. Hastig bohrte er die rechte Fußspitze in den Sand, um mich mit den Körnern zu überschütten, aber ich reagierte zu schnell. Eine solche Handlungsweise schwächt die Balance. Viermal schlug ich zu, ehe er gegen die Bande prallte und sich zur Seite abwandte.

»In den Arenen Ars würdest du es nicht wagen, diesen Trick zu versuchen«, schalt ich ihn. »Glaubst du, du kannst dich bei mir dermaßen aus dem Gleichgewicht bringen – ohne Folgen?

Willst du mich beschämen? Nächstesmal werde ich meinen Vorteil nachdrücklich nutzen!«

Krondar grinste und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. »Du bist schnell«, sagte er achselzuckend.

»Auch in Vonda gibt es Champions!« rief ein Mann von den Rängen. »Ja!« fielen andere ein.

»Ein Gold-Tarsk auf Jason!« rief Barus. »Eins zu eins! Eins zu eins!«

Aber niemand nahm die Wette an.

Vorsichtig näherte sich Krondar der Mitte des Sandringes. Er winkte mir zu. »Komm her«, sagte er. »Wir wollen uns näher miteinander bekannt machen.«

»Glaubst du, ich habe Angst, in deine Nähe zu kommen?« fragte ich.

Plötzlich stürmte er wieder los, und wir umklammerten einander mit lederumwickelten Händen. Er ächzte, verzweifelt bemüht, mich von den Beinen und gegen die Bande zu stoßen. Schwankend standen wir im Sand und japsten.

Die Sklavinnen schrien.

Krondar prallte heftig gegen die Bande. Die Holzbarriere wackelte und zeigte Blutspuren.

Das Publikum geriet in Ekstase. Krondar schüttelte den Kopf. Er war noch immer bei Bewußtsein.

»Ein Silber-Tarsk auf Jason!« bot Barus. »Zwei zu eins für Jason! Vier zu eins? Zehn zu eins für Jason!«

In diesem Moment ertönte der Gong, und die erste Kampfrunde war zu Ende. Das Publikum tobte.

Schwankend stand ich in der Mitte der Arena. Es war die vierte Kampfrunde. Kenneth und Barus liefen zu mir. Ich fühlte, wie meine blutigen, ledergebundenen Fäuste zum Sieg gehoben wurden. Gold regnete in die Arena. Halbnackte Sklavinnen knieten weinend vor mir nieder. Männer jubelten. Viele schlugen in goreanischem Applaus die Fäuste gegen die linke Schulter. Ich sah, daß Miles aus Vonda gegangen war. Ich löste mich aus der Menge und zerrte Krondar hoch, der aus vielen Wunden blutete. Wir umarmten uns. »Du könntest in Ar kämpfen«, sagte er. Dann wurde er fortgezogen und angekettet und in eine Sklavenhaube gesteckt. Kenneth und Barus führten mich aus der Kampfarena. Wir drängten uns durch die Menge, die uns nicht fortlassen wollte.

Das Tor, das zu den Umkleideboxen führte, wurde gegen den Druck der Begeisterten hinter uns geschlossen.

Barus warf mir ein Handtuch um die Schultern und begann mich abzutrocknen.

Gutgelaunt schob mich Kenneth den Korridor entlang und in die strohgefüllte Box. »Gut gemacht, Jason!« rief er.

Barus griff nach den Fesseln, die an einem Haken hingen.

»Ich will eine Frau«, japste ich, während mir die Hände gefesselt wurden.

»Ich wünschte, ich könnte dir ein Mädchen überlassen«, sagte Kenneth. »Du hättest sie verdient.«

»Aber die Herrin ist dagegen?« fragte ich.

»Ich nehme es an.«

»Was ist mit der ›neuen Sklavin‹«, fragte ich lächelnd, »die zu mir in den Tunnel geschickt wurde?«

»Ich muß davon ausgehen, daß die Herrin nicht einverstanden wäre«, sagte er und zog mir die Sklavenkapuze über den Kopf.

Barus trocknete mich weiter ab. Ich hörte Geschrei aus der Richtung der Arena, doch es war nicht das übliche Lärmen des Publikums, es war kein Geschrei der Begeisterung oder Aufregung, wie es oft bei den Kämpfen zu hören ist.

»Was geht da vor?« fragte Kenneth.

»Männer aus Cos, Tarnkämpfer, haben die Vororte Ars angegriffen!« rief ein Mann.

»Das bedeutet Krieg!« antwortete ein anderer.

»Infanteristen aus Vonda und Ar sind nördlich von Venna aufeinandergestoßen!« meldete eine Stimme.

»Krieg«, stellte Barus fest.

»Mit welchem Recht dringen die Vondianer so tief nach Süden vor?« fragte ein Mann.

»Es geschieht nun mal!« rief ein anderer.

»Vielleicht wird die gesamte Salerianische Konföderation hineingezogen«, meinte Kenneth.

»Und auch Tyros«, bemerkte ein anderer.

»Ein ernstes Kaissa-Spiel ist da im Gange«, bemerkte jemand.

»Sind die Berichte zutreffend?« wollte Kenneth wissen.

»Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln.«

»Der erste Stahl ist blutbefleckt«, sagte Kenneth ernst. »Nun ist es soweit. Wir haben Krieg.«

»Ar und Venna sind weit von hier«, sagte ein Mann.

»Das ist unser Glück«, bemerkte ein anderer.

Barus rieb weiter meinen Körper ab. Nach kurzer Zeit hörte ich wieder das gewohnte Kampfgeschrei des Publikums.

»Unsere Männer sind fertig«, sagte Kenneth. »Wir wollen sie in den Wagen bringen.«

»Zuerst kassiere ich meine Wettgewinne«, sagte Barus.

»Gut, wir treffen uns dann am Wagen.«

»Einverstanden.«

Ich spürte Kenneth’s Hand am Arm. Er führte mich aus der Box zu dem Sklavenwagen, in dem ich und meine Kameraden, andere Kampfsklaven, zu den Kämpfen gebracht worden waren.

»Die Auseinandersetzungen finden weit von hier statt«, hörte ich einen Mann sagen. »Wir haben nichts zu befürchten.« Die Rückfahrt zu den Ländereien der Lady Florence aus Vonda dauerte bereits zwei Ahn.

Ich kenne den Burschen nicht, der uns anhielt. Vielleicht war er Bauer oder Tharlarion-Züchter, vielleicht auch nur ein patrouillereitender Wächter. »Nehmt euch vor Räubern in acht!« rief er. »Sie sind irgendwo in der Nähe! Sie haben bereits die Güter Gordons und Dortos angegriffen!«

»Unser Dank, mein Freund!« rief Kenneth ihm zu und wandte sich an Barus: »Paß auf. Halte die Schlüssel bereit.«

»Jawohl«, antwortete Barus.

Ich bewegte mich unbehaglich in den Ketten.

»Glaubst du, daß wir in Gefahr sind?« wandte sich Barus an Kenneth.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Kenneth.

Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung. In meiner Nähe rasselten Ketten. Einer meiner Mitgefangenen bewegte sich zornig.

»Schau mal, dort rechts«, sagte Barus einige Zeit später.

»Aha«, sagte Kenneth.

»Und noch weiter rechts.«

»Ja«, sagte Kenneth.

Ich begriff den Sinn dieses Gesprächs nicht – den anderen Sklaven auf dem Wagen erging es vermutlich ebenso.

»Und schau dort!« rief Barus plötzlich. »Am Himmel!«

»Ich seh’s«, antwortete Kenneth, und der Wagen hielt an.

Ich hörte jemanden vom Kutschbock steigen. Gleich darauf ratterte hinten am Wagen ein Schloß. In schneller Folge wurden Schlüssel umgedreht. »Aus dem Wagen!« sagte Barus zu jemandem, der weiter unten an der Reihe angekettet war. Und schon wurden auch meine Hand- und Fußfesseln geöffnet. »Aus dem Wagen!« befahl Barus.

»Schnell!« rief Kenneth. »Er wird gleich mit Verstärkung zurück sein!«

Halb zerrte mich Barus aus dem Sklavenkäfig und zum Ende des Wagens. Ich trug noch immer die Sklavenhaube, die mir die Sicht raubte.

»Aus dem Wagen!« hörte ich Barus einem anderen Mann zubrüllen.

Ich prallte gegen die Stangen an der Rückseite des Wagens. Vorsichtig ließ ich mich auf den Boden sinken und glitt mit den Füßen voran durch die kleine Gittertür, die in der Größe so bemessen war, daß jeweils nur ein Mann hindurch paßte. Barfuß stand ich dann im Staub der Straße.

Zu meiner Verblüffung öffnete Kenneth auch das Schloß meiner Handfessel.

»Er kommt mit den anderen zurück!« rief Kenneth.

»Aus dem Wagen!« befahl Barus.

Die Handfesseln wurden mir abgezogen und durch das Gitter in den Wagen geworfen.

»Haube ab!« befahl Kenneth, der bereits mit den Fesseln eines anderen Mannes beschäftigt war. Ich hantierte an den Schnallen herum und streifte schließlich die Haube ab. Die frische Luft fühlte sich wunderbar kalt an.

»Spätestens in einer Ehn werden sie hier sein!« rief Kenneth.

Ich sah mich um. Rechts von uns stiegen zwei Rauchsäulen auf. Außerdem bemerkte ich Punkte, die auf den ersten Blick wie ein Vogelschwarm aussahen.

»Sie kommen schnell näher!« sagte Kenneth.

Da erst ging mir auf, was ich da in der Ferne beobachtete: Es waren Vögel, aber Tarns, in deren Sätteln zweifellos entschlossene, bewaffnete Männer saßen.

»Was geht hier vor?« rief einer der Sklaven.

Kenneth deutete zum Himmel empor. »Tarnkämpfer!« sagte er.

»Aus Ar?« fragte ein Sklave.

»Das, oder Schlimmeres«, erwiderte Kenneth und befreite den Mann. »Nimm die Haube ab«, befahl er. Blinzelnd gehorchte der Mann.

Ich beobachtete die näherkommenden Flugreiter, die noch etwa einen Pasang entfernt waren, vier- bis fünfhundert Fuß hoch.

»Was werden die wohl mit euch anstellen?« fragte Kenneth in die Runde.

Wir verharrten unsicher, verwirrt.

»Haltet ihr euch für hübsche Frauen, nackt und begehrenswert, die von diesen Männern mit ins Lager genommen und mit hübschen Sklavenkragen versehen werden?«

Wir starrten ihn verständnislos an.

»Flieht!« rief Kenneth. »Verteilt euch!«

Verwirrt, überrascht ergriffen wir die Flucht und liefen in verschiedene Richtungen auseinander.

Ich schaute nur einmal zurück und sah, wie auch Kenneth und Barus hastig den Wagen im Stich ließen. Ich sah mich erst wieder um, als ich den Schutz eines weitläufigen Unterholz- und Baumbestandes am Rande eines kleinen Flusses erreicht hatte. Da brannte der Wagen bereits. Nach kurzer Pause stiegen die Tarnkämpfer wieder in die Lüfte empor. Sie verfolgten uns nicht. Sie flogen auf die doppelte Rauchsäule in der Ferne zu. Der Tharlarion, der den Wagen gezogen hatte, war losgeschnitten worden und galoppierte behäbig davon. Ich atmete gepreßt. Das Herz schlug mir bis in den Hals. Mit den Fingern betastete ich den schweren Eisenkragen mitsamt seinem Ring, der meinen Hals beschwerte.

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