16

Ich torkelte rückwärts und stürzte in den Sand. Ich spürte Blut am Mund.

Ächzend trat ich zu. Mit wirbelnden Fäusten stürzte er sich auf mich.

Ich hörte das Geschrei der Zuschauer von den Rängen. Ich ließ mich zur Seite rollen und wich dem Angreifer aus.

Unsicher kam ich wieder auf die Füße. Auch er war bereits wieder aufgesprungen. Keuchend versuchte ich ihn fortzustoßen. Er traf mich mit dem Kopf in den Unterleib und drängte mich ein Stück in Richtung Bande. Wieder senkte er den Kopf. Ich verschränkte die Hände, riß sie hoch und erwischte ihn unter dem Kinn. Er taumelte zurück. Ich spuckte Blut in den Sand. Wieder stürmte er auf mich los, packte mich und drängte mich gegen die niedrige Umrandung. »Kämpft! Kämpft!« schrien Stimmen. »Jason!« wurde ich angefeuert. »Kaibar!« brüllte es. »Jetzt hast du ihn!« tobte man. »Weg von der Bande!« kreischte Kenneth. In dem Augenblick preßte der Sklave Kaibar, der aus den Ställen Shandus kam, die Hände zusammen, hieb zur Seite und traf mich mit dem linken und dann dem rechten Ellenbogen. »Weg von der Mauer!« ertönte der Schrei. Ich ächzte und steckte zwei Hiebe in den Unterleib ein – die Fäuste meines Gegners bewegten sich wie Rammen. »Weg von der Bande!« Aber nicht er wurde dagegengedrückt, der Schweinehund, sondern ich. Keuchend klammerte ich mich an Kaibar fest; er versuchte mich abzuschütteln. »Keine Verzögerung im Kampf!« warnte der Schiedsrichter, der um uns herumtänzelte. Ich spürte den schneidenden Hieb seiner Peitsche. Schon ging er zwischen uns und drängte uns auseinander. Nun war ich wieder in der Mitte der Arena. Kaibar und ich sahen uns an. Wir waren beide blutüberströmt und erschöpft. Mit geballter Faust schlug er nach mir. Ich blockte die Bewegung ab. Er war kräftig. Der Arm tat mir weh. Es ist anstrengend, die Hiebe eines solchen Gegners nur zu parieren. Schultern und Arme taten mir weh. Ich vermochte kaum noch die Fäuste zu heben. Wieder taumelte Kaibar auf mich zu. Wieder klammerte ich mich an ihm fest.

Im nächsten Augenblick wurde gegen die Metallstange geschlagen.

»Hier!« rief Kenneth. Ich drehte mich um, folgte dem Klang seiner Stimme und ließ mich wehrlos von ihm in die Box hinabziehen. Barus tauchte einen Schwamm in einen Eimer und benetzte meinen Kopf.

»Du machst dich großartig!« sagte Kenneth beruhigend.

Ich konnte ihm nicht mehr antworten.

Barus wusch mir Blut und Sand ab.

»Etwas zu trinken«, sagte Kenneth zu Taphris, die neben uns kniete.

Sie hielt Kenneth die Flasche hin. Darin befand sich mit reichlich Zucker versetztes Wasser, das er mir einflößte. Ich spuckte einen Handvoll in den Sand.

Barus rieb meinen Körper ab. Mit schwacher Bewegung schob ich ihn fort. An Schweiß und Wasser, so hoffte ich, würden die Schläge abgleiten, soweit sie in seitlichem Winkel auftrafen.

Dann trocknete er das Leder meiner Fäuste, damit es nur gut Halt fand, wenn es auf Fleisch traf.

Wieder ertönte das Zeichen, ein durchdringender, hallender Ton.

»Du hast ihn im Griff«, sagte Kenneth. »Mach ihn fertig!«

Ich wurde förmlich hochgestoßen und torkelte in die Mitte der Kampfgrube. Kenneth mußte den Verstand verloren haben. Allerdings hatte er schon viele hundert Kämpfe dieser Art mitgemacht.

Ich steckte den ersten Hieb ein und torkelte zur Seite. Im Aufrichten, stolpernd, hämmerte ich Kaibar die Faust in den Bauch. Er griff nach mir, doch ich schlug die Hände zur Seite und traf ihn links am Gesicht. Schwankend standen wir im Sand.

»Kämpft!« rief der Schiedsrichter. »Kämpft!« forderte die Menge, ein aufgeregtes, buntes Gemisch von Männern aus niedriger Kaste, in dem man aber hier und dort auch verschleierte freie Frauen ausmachen konnte. Auf besonders günstigen Plätzen saßen vereinzelt auch Angehörige hoher Kasten, erkennbar an den Farben und der Beschaffenheit ihrer Gewänder. Hinter einem Gitter drängten sich Sklavinnen, die dem jeweiligen Champion ihrer Ställe zujubelten.

»Kämpft!« forderte der Schiedsrichter. Seine Peitsche traf Kaibar.

Plötzlich war mir kalt. Ich erkannte, daß ich mich von Barus hätte abtrocknen lassen müssen. Ich bekam Angst vor Muskelkrämpfen. Schweiß und Wasser bildeten auf meiner heißen Haut eine klebrige Schicht, an der Kaibars Leder wohl eher festhaken würde.

»Kämpft!« wiederholte der Schiedsrichter und hieb nun nach mir.

Kaibar und ich torkelten wieder aufeinander los. Ich hatte bisher achtzehn Kampfperioden überstanden.

Und plötzlich wollte mir scheinen, als hätte ich wieder die Gunni an den Händen und stünde in der Trainingsscheune vor dem mächtigen Holzpfeiler. Wie aus der Ferne vernahm ich das Geschrei der Menge. Ich arbeitete gegen die Zeit. Wie eine Lawine prasselten Hiebe gegen den dröhnenden Pfosten. Lachend, tobend, frohlockend, schrecklich – bis der Pfosten vor mir splitterte.

»Halt, halt!« rief Kenneth. Er lief zu mir und hielt mich fest. Blutüberströmt stand ich im Sand. Zu meinen Füßen, sandbedeckt, lag Kaibar. Er war bewußtlos.

»Ist er tot?« rief jemand.

»Nein!« gab der Schiedsrichter zurück.

Ich wurde in die Mitte des Rings gezerrt, und der Schiedsrichter und Kenneth hoben meine Arme in die Höhe. Ich hatte gesiegt.

Den Kopf zurücklegend, atmete ich tief ein. Meine Hände waren angeschwollen. Die blutigen Lederstreifen wurden mir von den Händen geschnitten.

»Ich werde einen Champion aufbieten, der deinen Jason besiegen kann!« brüllte Miles aus Vonda von der Bande.

»Dann bring ihn!« rief Kenneth. »Die Ställe der Lady Florence aus Vonda erwarten ihn!«

Ich hatte den Champion der Ställe des Miles aus Vonda schon vor zwei Wochen besiegt. Es war der Kampf gewesen, der meine führende Position bei den Ställen aus der Umgebung Vondas festigte. Nach diesem Kampf hatte ich als Champion festgestanden. Miles aus Vonda aber hatte diesen Sieg nicht verwunden. Dabei ging es nicht nur darum, daß sein eigener Champion besiegt worden war und er beim Wetten ziemlich viel Geld verloren hatte, sondern auch darum, daß er vor längerer Zeit einmal von Lady Florence abgewiesen worden war – wie etliche andere jüngere Herren der Gegend, die sich um eine Gefährtenschaft bemüht hatten.

Halb zerrte, halb schob man mich inmitten einer Menschenmenge durch das Gittertor, das den Ring abschloß. Barus und Kenneth blieben neben mir, Taphris folgte nach. Dem Publikum würde sogleich ein neuer Kampf geboten werden. Zahlreiche Glückwünsche wurden geäußert, von freien Personen wie auch von Sklaven.

»Gut gemacht, Jason«, sagte Kenneth. »Gut gemacht.«

Aus dem Ring tönte der Glockenton der Metallstange. Ein neuer Kampf begann.

Wir gingen hinter der Tribüne entlang. Kenneth scheuchte die hartnäckigsten Bewunderer fort. In der Nähe des Tors zu dem Gehege, in dem die Kämpfer vorbereitet wurden, blieben wir stehen.

»Die Herrin!« sagte Kenneth.

Ich hob den Blick. Vor uns standen zwei verschleierte freie Frauen in prächtigen Gewändern.

Hastig kniete ich nieder. Eine dieser Frauen war meine Herrin.

»Meinen Glückwunsch, Jason«, sagte Lady Florence aus Vonda. »Du hast gut gekämpft.«

»Vielen Dank, Herrin«, antwortete ich und blickte zu ihr auf. Mein Hals steckte in ihrem Sklavenkragen. Ich atmete noch immer schwer.

Trotz des Schleiers hätte ich sie mühelos erkannt – ihre Augen, ihre Haltung, die Formen ihres Körpers. Zu meiner Überraschung erkannte ich auch die Frau neben ihr.

»Kenneth«, fuhr Lady Florence fort, »ich möchte dir meine liebe Freundin, Lady Melpomene aus Vonda, vorstellen.«

»Entzückt, Lady Melpomene«, sagte Kenneth und verbeugte sich.

»Jason«, sagte Lady Florence, »vielleicht erinnerst du dich an meine liebe Freundin, Lady Melpomene aus Vonda, meiner Heimatstadt.«

»Ja, Herrin«, erwiderte ich und senkte den Kopf.

»Wir haben unsere Differenzen beigelegt, Jason«, fuhr Lady Florence fort, »und sind jetzt ganz schnell die besten Freundinnen geworden.«

»Das freut mich zu hören, Herrin«, sagte ich.

»Lady Melpomene wird zwei oder drei Tage lang bei uns wohnen«, sagte Lady Florence. »In Kürze werden wir überdies weitere Hausgäste begrüßen können.«

»Ja, Herrin.«

»Du wirst dafür sorgen, daß das Grundstück und die Ställe in bestem Zustand sind, nicht wahr, Kenneth?«

»Selbstverständlich, Lady Florence«, erwiderte dieser.

»Und du läßt die Sklavendirnen an den Ketten, nicht wahr, damit unsere Gäste durch ihren Anblick nicht gestört werden.«

»Wie Lady Florence befiehlt.«

»Oh, Kenneth – wie macht sich denn das neue Mädchen, wie heißt es doch gleich?«

»Taphris«, sagte Kenneth.

»Ach ja! Stellt sie sich geschickt an?«

»Ja«, erwiderte Kenneth. »Sie hat die Anlagen zu einer hervorragenden Stalldirne.«

Taphris schnappte nach Luft und lief rot an.

»Lady Florence«, fuhr Kenneth fort, »ich wußte gar nicht, daß du dich für Stallkämpfe interessierst.«

»Das tue ich auch nicht«, erwiderte sie. »Nur hielten es Lady Melpomene und ich für ganz amüsant, uns einmal anzuschauen, wie niedere Kasten ihre freie Zeit verbringen.«

»Aha«, erwiderte Kenneth. »Hat der Kampf Lady Florence gefallen?«

»Einer Dame von Geschmack und Empfinden kann so etwas nicht gefallen. Solche Kämpfe sind viel zu brutal.«

»Mit deiner Erlaubnis, Lady Florence«, sagte Kenneth, »möchte ich Jason jetzt ins Gehege bringen, um ihn abzutrocknen und aufzuwärmen. Er soll sich nicht erkälten.«

»Ich hoffe, du kümmerst dich um meine Tharlarions so sehr wie um deine Kämpfer«, bemerkte Lady Florence.

»Selbstverständlich«, antwortete Kenneth grinsend.

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