Ich erwachte in der goreanischen Dämmerstunde zu seinen Füßen. Vorsichtig legte ich die Hände auf seine Fußgelenke. Behutsam berührte ich seine Waden mit den Lippen, ganz sanft, damit er den Kuß nicht spürte und sich über die Kühnheit seiner Sklavin nicht entrüstete. Dann lag ich neben ihm. Glücksschauer durchströmten mich. Die gestreiften Zeltbahnen bewegten sich sanft in der Morgenbrise. Der Tag kündigte sich mit einem ersten grauen Schimmer an. Vor dem Zelt funkelte Tau auf den Grashalmen. Vögel riefen einander zu. Ich lag geschützt in den Fellen. Nun ließ ich mich auf den Bauch rollen und betrachtete den Mann, dessen Eigentum ich war. Es war für mich überwältigend gewesen, doch ließ die Reaktion seiner Sklavin sicher nichts zu wünschen übrig. Wie erregt ich gewesen war! Wie glücklich ich war, ihm ergeben, seiner Gnade ausgeliefert. Ein Mädchen, das von seinem Herrn nicht besessen wurde, versteht wahrscheinlich nicht die Gefühle einer Sklavin, die ihrem Herrn wahrhaft gehört. Ich selbst hätte so etwas niemals für möglich gehalten, wäre es mir nicht jetzt widerfahren.
Sanft senkte ich den Kopf und küßte ihn, ganz vorsichtig, damit er nicht erwachte.
Während der Nacht hatte er einmal leise aufgelacht, mich hilflos an sich pressend in meine Augen geblickt, erfreut über seine Herrschaft über dieses Mädchen. Und wie dankbar und entzückt war ich gewesen!
Ich lauschte auf die Vogelstimmen des frühen Morgens.
Wie weit entfernt kam mir in diesem Augenblick die Erde vor, mit ihren Menschenmassen, ihrem Schmutz, ihrer Verstellung. Vorsichtig berührte ich mein Brandzeichen, zuckte aber zusammen. Die Stelle war geschwollen. Schorf bildete sich.
Im nächsten Augenblick berührte mich Etas Gerte. »Kajira«, flüsterte sie.
Es war noch sehr früh. Mein Herr schlief. Im Lager war nur Eta auf den Beinen. Ich kroch aus dem Zelt.
Eta wollte mir meine Arbeit zuweisen. Als Sklavin würde ich viele Pflichten haben.
Ich betrachtete die schlafenden Männer in ihren Fellen. Sie waren die Herren. Wir Frauen mußten jetzt das Lager vorbereiten. Es gab viel zu tun. Wasser mußte geholt, Holz herbeigetragen werden, das Feuer mußte angezündet werden, das Frühstück war zu machen. Sobald die Männer aufstanden, mußten die Mädchen alles fertig haben.
Ich summte während der Arbeit leise vor mich hin. Eta schien ebenfalls gut gelaunt zu sein. Einmal küßte sie mich.
Die Männer ließen sich Zeit, und Eta schickte mich zum Bach, wo ich Tuniken waschen mußte. Ich arbeitete mit schnellen Bewegungen. Die Luft war frisch und klar. Nach kurzer Zeit wehte der Geruch von gebratenen Vuloeiern zu mir herüber, gefolgt von angenehmen Kaffeedüften. Auf Gor wächst der Kaffee in erster Linie an den Hängen der Thentis-Berge. Die Frucht, die hier Schwarzer Wein genannt wird, stammte vermutlich, wie so manches goreanische Produkt, von der Erde. Vielleicht war es aber auch gerade umgekehrt; vielleicht war der Schwarze Wein auf Gor entstanden, während die irdischen Kaffeebohnen von Gor hinübergebracht worden waren. Ich halte das aber für unwahrscheinlich, ist der Kaffee auf der Erde doch weit mehr verbreitet als auf Gor, wo er außer in Thentis, einer reichen Stadt, die für ihre Tarnscharen berühmt ist, als Luxusartikel gilt. Hätte ich damals schon besser über Gor Bescheid gewußt, hätte ich vielleicht vermutet, daß die Männer im Lager der Verteidigung von Thentis verpflichtet waren, daß sie aus die ser Stadt stammten; doch ich sollte später erfahren, daß ihre Heimat eine andere Stadt war, die Ar genannt wurde.
Als der erste Mann gähnend zum Feuer kam, waren wir bereit. Eta servierte ihm gebratene Eier auf einem kleinen Teller und reichte ihm dazu getoastetes Brot, während ich einen Becher mit heißem schwarzem Kaffee füllte.
Dann folgte ich Etas Beispiel und füllte einen Teller und einen Napf für mich. Wir aßen, während wir auf die anderen Männer warteten. Sobald ein Mann den ersten Bissen und den ersten Schluck zu sich genommen hatte, konnten wir uns offenbar ebenfalls gütlich tun. Wir griffen hungrig zu.
Bald kamen auch die anderen Männer ans Feuer und wurden versorgt. Als schließlich mein Herr aus dem Zelt trat, eilte ich mit solchem Eifer zu ihm und kniete vor ihm nieder, daß die Männer zu lachen begannen.
»He«, rief einer der Männer, »er muß es dir aber ordentlich besorgt haben.«
Ich dachte an die vergangene Nacht. Er hatte mir gezeigt, was mein Brandzeichen bedeutete. Und ich liebte ihn.
Er bedeutete mir aufzustehen, und ich sprang hoch und stand voller Stolz vor ihm. Mein Herr beugte sich vor und untersuchte das Brandmal an meinem Schenkel. Ich wagte es nicht, ihn zu berühren. Als er sich wieder aufrichtete, schien er einigermaßen zufrieden zu sein, was mich doch sehr erleichterte. Er sollte bei guter Laune sein, nicht nur mit seinem Mädchen zufrieden, sondern auch mit dessen Brandzeichen. Eta betrachtete die winzige Sklavenblume ebenfalls und lä chelte und umarmte mich. Das Zeichen war offenbar gut ausgefallen. Sie gestattete mir, meinen Herrn zu bedienen. Ich bemühte mich, ihm auch den geringsten Wunsch von den Augen abzulesen.
Einer der Männer stellte ihm eine Frage, die anscheinend mich betraf; jedenfalls deuteten sein Blick und seine Geste darauf hin. Mein Herr antwortete grinsend. Die Männer sahen mich an. Offenbar sprachen sie über mich. Obwohl ich die goreanische Sprache nicht verstand, errötete ich und senkte den Kopf. Goreanische Sklavenherren finden nichts dabei, die Qualität ihrer Mädchen offen zu diskutieren, auch wenn die Sklavinnen dabei sind. So wurden nun mein Gesicht, meine Figur und meine Fähigkeiten offen besprochen. Dabei wurde mir klar, daß ich in mancher Hinsicht wohl noch zu wünschen übrig ließ. Ich kam mir klein und hilflos vor.
Mein Herr hob seinen Becher. Dankbar füllte ich ihn mit dampfendem Schwarzen Wein.
Er war freundlich zu mir. Er gestattete mir, ihn zu bedienen. Ich sah ihn an. Sollte es denn gar kein Geheimnis zwischen uns geben? Mußten meine Mängel, meine Hilflosigkeit, die Absolutheit meiner Unterwerfung in aller Öffentlichkeit besprochen werden? Seine Augen verrieten mir, daß solche Fragen fehl am Platze waren. Seine Augen verrieten mir, daß ich seine Skla vin war, weiter nichts.
Ich senkte den Blick und zog mich zurück.
Voller Freude nahm ich später am Tage von meinem Herrn eine kurze, kaum ausreichende braune Tunika entgegen, einen Fetzen Reptuch. Ich freute mich über das Kleidungsstück, als handelte es sich um ein Abendkleid aus Paris. Stolz über meine neue Errungenschaft, drehte ich mich vor meinem Herrn. Er zeigte Eta, wo das Gewand noch ein wenig gerafft werden mußte, die beiden Schließhaken mußten versetzt werden. Jedenfalls war mir die Tunika zu groß; sie hatte früher Eta gehört, die stärker gebaut war als ich.
Anschließend traf mein Herr seine Anweisungen und verließ mit den Männern das Lager. Wir blieben allein zurück. Eta entfernte sich und holte Nadeln, eine kleine Schere und Faden. Die Änderung meines Kleides stand offenbar als erstes auf dem Programm. Den weniger wichtigen Aufgaben konnten wir uns später zuwenden.
Eta war eine geübte Schneiderin und leistete gute Arbeit. Als sie fertig war, betrachtete sie mich und ging um mich herum. Sie marschie rte los und holte aus der Höhle einen großen Spiegel, in dem ich mich betrachten konnte. Entsetzt starrte ich mein Spiegelbild an. Ich hatte mich noch nicht als Sklavin gesehen. Ich war zugleich schockiert und verblüfft. Ich konnte kaum glauben, daß ich das war! Wie schön dieses Mädchen aussah, eine reizende Sklavin! Sollte ich das sein? Ich blickte Eta an, die mir anerkennend zunickte. Mir wurde bang, ahnte ich doch, was Schönheit auf einer Welt wie Gor bedeuten mußte. Welcher Mann würde darauf verzichten, eine solche Schönheit mit Ketten oder einem Sklavenkragen an sich zu binden?
Ich trat näher vor den Spiegel, hob vorsichtig den Saum des Kleides und betrachtete das Brandzeichen. Die Stelle fühlte sich noch immer entzündet an, doch die Form zeichnete sich klar und deutlich ab. An meinem Schenkel schimmerte die Sklavenblume Dina. Kein Zweifel, das Geschöpf im Spiegel war eine goreanische Sklavin – sie trug ein Sklavenwams und das Sklavenbrandzeichen. Fehlte nur noch der Sklavenkragen, der vermutlich nicht mehr lange auf sich warten ließ. Ich hob das Kinn und stellte mir vor, wie das Metallband an meinem Hals aussehen würde. Ich hätte nichts dagegen gehabt, ein solches Band zu tragen, von dem ich mir einbildete, daß es doch sehr attraktiv aussehen würde. Erschaudernd machte ich mir klar, daß sich ein Mädchen nicht aussuchen kann, wessen Kragen sie trägt; diese Entscheidung obliegt allein dem Manne, er allein legt ihr den Kragen um.
Plötzlich schlug meine Stimmung um. Mir wurde klar, wie elend doch das Dasein einer Sklavin war. Ich mußte jedem beliebigen Mann gehören. Jedem, der mich erobern konnte oder meinen Preis bezahlen wollte. Vielleicht wechselte ich eines Tages sogar als Spielschuld den Besitzer. Ich war nichts als ein Besitzstück, hilflos und schön anzuschauen, ohne Einfluß darauf, wem ich gehören würde. Ich war ein ... Ding! Tränen schossen mir in die Augen. Mein Herr würde mich doch nicht verkaufen! Ich wollte mir größte Mühe geben, ihn zufriedenzustellen, ich wollte nicht auf dem Sklavenmarkt feilgeboten werden. Wie leid mir die Schönheit im Spiegel plötzlich tat. Aber welcher Mann würde so töricht sein, sie mit einem anderen zu teilen? Oder sie zu verkaufen? Ich wischte mir die Tränen aus den Augen.
In diesem Augenblick rief Eta meinen Namen.
Ich riß mich von meinen Gedanken los und eilte zu ihr.
Sie hatte sich niedergekniet, und ich nahm ihr gegenüber eine ähnliche Position ein. »La Kajira«, sagte Eta und deutete auf sich. »Tu Kajira«, fuhr sie fort und zeigte auf mic h.
»La Kajira«, sagte ich und deutete auf mich. »Tu Kajira«, fuhr ich fort und deutete auf sie. Ich bin eine Sklavin. Du bist eine Sklavin.
Eta lächelte und deutete auf ihr Brandzeichen. »Kanlara«, sagte sie und deutete auf meinen Schenkel. »Kan-lara Dina«, fuhr sie fort, und ich wiederholte die Worte.
»Kra-gen«, sagte sie und deutete auf ihr Halsband.
»Das ist ja dasselbe Wort wie bei uns!« rief ich. Sie verstand meinen Ausbruch nicht. Ich sollte noch aus anderen Beispielen erfahren, daß das Goreanische viele Worte enthält, die irdischen Sprachen entlehnt sind.
»Kragen!« sagte ich, und Eta runzelte die Stirn.
»Kra-gen«, wiederholte sie mit anderer Betonung und deutete wieder auf das Stahlband, das ihren Hals umschloß.
Dann zog sie an dem kurzen Kleid, das sie am Leib trug. »Ta-Teera«, erklärte sie. »Var Kra-gen?« fragte Eta, und ich deutete auf ihr Halsband. »Var Ta-Teera?« Ich wies auf mein kurzes Kleid. Eta schien sich zu freuen. Meine erste Goreanischstunde hatte begonnen.
Plötzlich fiel mir etwas ein. »Eta – var – var Bina?«
Eta blickte mich überrascht an.
Ich mußte an die beiden Männer denken, die mich auf der Ebene bedrängt hatten. »Var Bina? Var Bina, Kajira?« hatten sie immer wieder gefragt. Ich hatte ihre Worte nicht verstehen können, und sie hatten mich geschlagen. »Var Bina, Eta?« fragte ich jetzt.
Eta stand leichtfüßig auf und verschwand in der Höhle. Nach wenigen Sekunden kehrte sie zurück. In den Händen schwang sie mehrere Perlenketten, einfachen Modeschmuck aus kleinen gefärbten Holzkugeln.
Sie hielt die Halsbänder hoch. Mit dem Finger bewegte sie dann die winzigen farbigen Holzkugeln, die auf die Schnur gefädelt waren. »Da Bina«, sagte sie lä chelnd. Sie hob die Kette empor. »Bina«, wiederholte sie. Offenbar war ›Bina‹ das Wort für Perle oder Kugel oder eine Perlenkette. Dieser Schmuck war aber ziemlich wertlos.
Von Eta gefolgt, ging ich in die Höhle. Dort öffnete ich eine der Truhen, nahm Ketten mit Perlen, Goldanhängern und Rubinen heraus und hielt sie in die Höhe. »Bina?« fragte ich.
Eta lachte. »Bana«, erwiderte sie. »Ki Bina. Bana.« Aus einem anderen Kasten nahm Eta ein weiteres Halsband, das aus billigen Glaskugeln bestand, und deutete darauf. »Bina«, sagte sie. »Bina«. Bina waren offenbar wertlose Kugeln; ich sollte später erfahren, daß als ›Bina‹ Sklavenperlen bezeichnet wurden – wertlos, ein billiger Schmuck für Mädchen, die ihrem Herrn Untertan waren.
Eta und ich kehrten ins Freie zurück, um den Sprachunterricht fortzusetzen.
Obwohl ich nun wußte, was die Worte bedeuteten, verstand ich noch immer nicht, was auf der Ebene vor sich gegangen war. »Var Bina? Var Bina?« hatten die Männer gefragt. Die Bina, Sklavenperlen, waren den Fremden wichtiger gewesen als mein Leben. Nicht auf mich war es ihnen angekommen, sondern auf die Kugeln. Als sie dann begriffen, daß ich ihnen nicht weiterhelfen konnte, hatten sie Anstalten gemacht, mich umzubringen. Erschaudernd dachte ich daran, wie knapp ich dem Tode entronnen war – gerettet durch den Mann, dessen Sklavin ich je tzt war. Vielleicht hatten die Männer ein seltenes und wertvolles Schmuckstück bei mir vermutet. Weshalb aber hatten sie sich dann nach ›Bina‹ erkundigt, nach Schmuckkugeln, von denen ich inzwischen wußte, daß sie ganz wertlos waren. Ich verstand nicht, warum die beiden Männer so grimmig nach einem dermaßen trivialen Gegenstand gesucht hatten. Welche Bedeutung konnte eine billige Sklavenkette für sie haben? Weshalb sollte ich sie tragen? Und sollte ich die Perlenkette je gehabt haben, wohin war sie verschwunden? Wer könnte sie haben wollen? Ich begriff das alles nicht.
Eta nahm eine dicke Peitsche zur Hand, die in fünf weichen, breiten Riemen auslief. »Kurt«, sagte sie, und ich wich unwillkürlich zurück. »Kurt«, wiederholte ich. Dann hob sie einen Halskragen mit Ketten hoch, die in Arm- und Beinringen ausliefen. »Sirik«, sagte Eta. »Sirik«, wiederholte ich. Auf Kommando hatte ich die Ta-Teera ausgezogen und stand nun zwischen den Männern.
Der Krieger legte mir eine Schnur um den Leib und zog sie fest; daran baumelte eine ziemlich große Glocke. Weitere Glöckchen hingen an meinem Hals. Sie waren bei der geringsten Bewegung zu hören. Der Mann griff zu und fesselte mir die Hände auf dem Rücken. Wie konnte mein Herr das zulassen? Bedeutete es ihm gar nichts, daß er mir letzte Nacht die Jungfräulichkeit genommen hatte, daß er sich stundenlang an meinem Körper erfreuen konnte? War es ihm gleichgültig, daß er mich erobert hatte, daß ich mich ihm total hingegeben hatte? Ich versuchte einen Schritt in seine Richtung zu machen, doch der Krieger hielt mich fest. Gequält blickte ich meinen Herrn an. Er saß mit untergeschlagenen Beinen da und beachtete mich nicht. Eta hatte ihm gerade einen Kelch mit Paga gebracht. Liebte er mich nicht im geringsten? Wie konnte er das zulassen? Aus zusammengekniffenen Augen musterte er mich nun über den Rand des Gefäßes. »Tu mir das nicht an?« rief ich ihm hilflos zu. »Ich liebe dich doch!« Obwohl er die englische Sprache nicht beherrschte, mußte er doch meine Qual, meine Hilflosigkeit erkennen! Seine Augen verrieten mir jedoch, daß ihm als goreanischem Mann meine Leiden, meine Gefühle nichts bedeuteten. Ich war Sklavin. Er gab das Zeichen, und einer der Männer schob mir eine lichtundurchlässige Kapuze über den Kopf und band sie mir unter dem Kinn zu.
Niedergeschlagen, verängstigt stand ich da. Ich hörte die Männer lachen. Fünf würden Jagd auf mich machen.
Ich haßte die Glöckchen, die an mir befestigt waren und die mich den Männern verraten würden. »Bitte, Herr!« rief ich. »Beschütze mich! Ich liebe dich! Ich möchte allein für dich da sein, Herr!«
Die Männer lachten, unterhielten sich, schlossen sicher Wetten miteinander ab. Meine Häscher bekamen Augenbinden umgelegt. Allerdings brauchten sie keine Glöckchen zu tragen und waren auch nicht gefesselt.
Ich begann zu weinen. Ich war nichts als eine namenlose Sklavin, den rauhen Spaßen barbarischer Krieger hilflos ausgeliefert, ein hübsches zweibeiniges Spielzeug, ein bloßer Preis in einem grausamen Spiel.
Ich hörte einen Mann in meiner Nähe und wußte nicht, ob es sich um den Schiedsrichter oder einen der Teilnehmer handelte.
Ich spürte, wie die Gerte meinen Körper berührte.
Ich zuckte zusammen, und die Glocken begannen zu klirren. Ich atmete tief ein. Ich hörte einen anderen Mann näherkommen, der zweifellos mit den Armen in der Luft herumtastete, und einen zweiten Mann links von mir.
Plötzlich hörte ich wieder das Zischen der Gerte und spürte gleichzeitig einen brennenden Schmerz auf meinem nackten Hintern. Mit großen Schritten lief ich los. In meinen Augen brannten die Tränen. Die Männer lachten.
Weinend stolperte ich durch das Lager. Ich hörte Männer stürzen und sich wieder aufrappeln. Ich bekam die Hände nicht frei. Einmal fiel ich einem Mann in die Arme und stieß einen lauten Entsetzensschrei aus, doch er schob mich weiter. Lautes Gelächter ertönte. Er nahm an dem Spiel nicht teil. Ein andermal stoppte mich der Schiedsrichter und drückte mich kurz gegen die Felswand, damit ich wußte, wo ich mich befand; er hatte verhindert, daß ich in vollem Lauf gegen die Klippen lief, die das Lager begrenzten. Ich hastete weiter, verlor gleich wieder die Orientie rung. Ich hatte Angst, gefangen zu werden. Wieder hielt mich ein Mann am Arm fest und verhinderte damit, daß ic h in die Dornenhecke rannte und mich verletzte. Mehr als einmal hörte ich einen meiner Häscher ganz dicht vor mir fluchen, woraufhin ich zur Seite auswich und weiterlief. Einmal stieß ich gegen einen Mann und stürzte glockenklirrend zu Boden. Ich hörte, wie er sich auf mich zu werfen versuchte, spürte seine Hand an meiner rechten Hüfte, rollte zur Seite, kroch davon und floh. Einmal hatte ich den Eindruck, von Felswänden eingeschlossen zu sein, dann fand ich den Ausweg und befand mich gleich darauf wieder in der Mitte des Lagers. Allmählich stellte ich mich auf das Spiel ein und lauschte intensiver auf meine Umwelt. Der Schiedsrichter brauchte nur zweimal mit der Gerte einzugreifen, weil ich meine Glocken zu lange hatte schweigen lassen.
Beim zweitenmal huschte ich los – und direkt in die Arme eines Mannes. Ich wartete darauf, daß er mich wieder freiließ, daß er mich zurückschob. Doch seine Arme ließen nicht los! »O nein!« flehte ich. Er drückte mich an sich, hob mich mühelos auf seine Schulter, obwohl ich mich aus Leibeskräften wehrte. Gelächter ertönte.
Eta lachte ebenfalls. War sie nicht meine Leidensgenossin? Verstand sie nicht, wie mir in diesem Augenblick zumute war? Mein Häscher, wer immer er sein mochte, zögerte nun nicht länger. Er warf mich in den Dreck zu seinen Füßen. Ich spürte seine Hände an meinen Fußgelenken. Aufstöhnend wandte ich den Kopf zur Seite. Er wälzte sich keuchend auf mich. Ich wimmerte vor Schmerz und Scham, als er in mich eindrang.
Als er mit mir fertig war, blieb ich hilflos im Schmutz liegen. Der Mann wurde von der Augenbinde befreit und ging zu den anderen, die am Feuer saßen.
Als Eta mir später Kapuze und Fesseln abgenommen hatte, hätte ich sie am liebsten in die Arme geschlossen. Doch sie tröstete mich nicht. Sie machte sich daran, die Glöckchen von meinem Körper zu entfernen. Dann bedeutete sie mir, ihr beim Bedienen der Männer zu helfen.
Entsetzt starrte ich sie an. Wie konnte ich die Männer jetzt bedienen? Begriff sie nicht, was mir eben hier angetan worden war? Ich war schließlich kein goreanisches Mädchen, sondern stammte von der Erde. Bedeutete es gar nichts, daß ich hier dem Willen eines Mannes unterworfen worden war, ohne gefragt zu werden? Ich sah die Antwort in Etas Augen, die mich freundlich ansahen. Ja, mein Wille war ohne Bedeutung. Ich war eine Sklavin. Hatte ich etwas anderes erwartet? Hatte ich keinen Spaß daran gehabt?
Mürrisch starrte ich zu Boden. Ich war ein Erdenmädchen, doch zugleich auch Sklavin. Nun gut, meine Gefühle waren hier unwichtig. Doch warum hatte mein Herr dieses grausame Spiel zugelassen? War ich nicht sein? Bedeutete ich ihm so wenig?
Ich goß Wein aus dem Sack in den Kelch und hielt ihn einem der Männer hin. Doch er rührte sich nicht. Zornig drückte ich meine Lippen an den Kelch und hielt ihm das Gefäß von neuem hin. Diesmal griff er zu.
Gemeinsam mit Eta bediente ich auch die anderen Männer. Zwischendurch hielten wir uns außerhalb des Feuerscheins auf. Die Männer unterhielten sich lebhaft; offenbar ging es um ein wichtiges Thema.
Zornig sah ich zu. Mein Herr zeichnete mit einem Stein Landkarten auf den Boden rings um das Feuer. Einige der Zeichnungen hatte ich schon gesehen. Er hatte sie am Abend zuvor für seine Adjutanten aufgemalt. Nun äußerte er sich mit schnellen, entschlossenen Worten, wobei er zuweilen mit dem Felsbrocken auf bestimmte Stellen deutete. Manchmal wies er auch auf den größten der drei Monde am Himmel, der in einigen Tagen voll am Himmel scheinen würde. Ich überlegte, was es mit dem Lager, in dem wir uns befanden, auf sich haben mochte. Um ein Jagdlager schien es sich nicht zu handeln, obwohl von hier aus auch gejagt wurde. Ferner hielt ich es nicht für einen Banditenunterschlupf, kamen mir die Männer doch nicht wie Räuber vor. Schnitt und Insignien ihrer Tuniken deuteten auf eine Art Uniform hin, außerdem bestand eine klare Gliederung in der Truppe und eine Disziplin, die darauf schließen ließ, daß sich hier nicht Gesetzlose versammelt hatten. Im übrigen wirkten die Männer kräftig, sauber, zuverlässig, selbstbewußt, gut ausgebildet; von der Nachlässigkeit und dem Chaos, wie ich sie in einem Räuberlager erwartet hätte, war nichts zu spüren. Ich vermutete also, daß ich mich in dem Soldatenlager irgendeiner Stadt oder eines Landes befand, wogegen allerdings die Lage sprach, die es nicht gerade zu einem Vorposten oder einer Wachbastion machte. Von hier war kein Terrain zu überschauen, das Lager war kaum befestigt, es war zu klein für die Ausbildung oder Überwinterung. Und viel zu klein, um als Ausgangslager für einen Kriegszug zu dienen: sechzehn Männer mit zwei Mädchen als Sklaven! Von Armeen, Divisionen oder Regimentern konnte nicht die Rede sein. Es gab keine Waffen für einen breit angelegten Feldzug, Waffen, mit denen sich Invasionen zurückschlagen oder einleiten oder große Schlachten schla gen ließen. Welchen Zweck also mochte dieses Lager haben?
Einer der Männer hob seinen Kelch, und ich eilte zu ihm und schenkte ihm nach. Ich drückte die Lippen gegen das Metall und reichte ihm das Gefäß. Ohne mich zu beachten, wandte er sich wieder der auf den Boden gezeichneten Landkarte zu. Mir fiel auf, daß sich Eta in der Nähe des gutaussehenden Blonden hielt, der mir am Abend zuvor schon aufgefallen war. Ich hatte nichts dagegen. Eta gefiel mir, auch wenn sie das Erste Mädchen im Lager war und über mir stand.
Ich beobachtete meinen Herrn. Mit dem Felsbrocken deutete er nachdrücklich auf die Karte. Jemand stellte eine Frage, und er antwortete. Man hing an seinen Lippen. Ich blickte mich im Kreise der Männer um. Was für phantastische Gestalten – stark, mächtig, selbstbewußt! Ich fühlte mich klein und hilflos neben ihnen. Und wie stolz ich war auf meinen Herrn, der in dieser Gruppe der Stärkste und Mächtigste war. Ich bewegte mich unauffällig in seine Richtung. Ich wollte ihm Wein einschenken und seinen Kelch küssen, sobald er sein Mädchen dazu aufforderte. Von dem Gespräch bekam ich nichts mit. Ich hatte keine Ahnung, worum es ging. Ich vermutete, daß ein militärischer Plan geschmiedet wurde, bei dem es um geduldiges Abwarten ging. Mehr als einmal blickte jemand zu dem größten Mond empor, der erst in einigen Tagen als Vollmond am Himmel stehen würde.
Mein Herr warf den Stein auf eine bestimmte Stelle der Karte. Dort blieb er liegen, halb in den lockeren Grund gebohrt. Vermutlich sollte an dieser Stelle das Ereignis stattfinden, um das es bei diesem Gespräch ging. Die Männer brummten zustimmend. An der Stelle verlief ein Fluß, oder ein Fluß mündete in einen anderen; außerdem schien die Gegend bewaldet zu sein. Die Männer nickten. Mein Herr sah sich um. Nie mand hatte Fragen. Die Krieger schienen zufrieden zu sein. Sie sahen ihn mit blitzenden Augen an.
Die Männer standen auf und begaben sich zu ihren Fellen.
Mein Herr sah mich an und hob seinen Kelch. Ich eilte zu ihm und versorgte ihn. Dann kniete ich vor ihm nieder. Aus meinen Augen war zweifellos abzule sen, daß ich bereit war, daß mich nach ihm verlangte. Doch er wandte sich wortlos ab.
War ich denn eine dermaßen armselige Sklavin, daß er mich verachten, daß er mich zurückstoßen mußte?
Plötzlich wogten all der Zorn, die Erniedrigung eines mißachteten Erdenmädchens in mir auf. Ich begann zu würgen vor Wut. Ich sprang auf, schob Eta den Weinbeutel in die Hand und scheuchte sie fort. Sie versuchte mich zu beruhigen, doch ich ließ sie nicht an mich heran. »Verschwinde!« kreischte ich. Einige Männer blickten in meine Richtung. Eta nahm den Wein und hastete erschrocken davon. Ich stand neben dem Feuer, das bereits in sich zusammengefallen war und ballte die Fäuste. Tränen liefen mir über die Wangen.
»Ich hasse euch alle!« schrie ich. Dann stolperte ich zu der dünnen Decke, die mir Eta gegeben hatte. Ich riß sie hoch und bedeckte mich damit. Geschüttelt von lautem Schluchzen, stand ich da. Ich konnte diese Erniedrigung nicht länger ertragen. »Ich bin besser als ihr alle!« rief ich den Männern zu, die mich neugierig musterten. »Ich stamme von der Erde! Ihr seid Barbaren, ich aber kenne die Zivilisation. Eigentlich müßtet ihr euch vor mir beugen, nicht umgekehrt! Eigentlich müßte ich das Kommando führen!« Eta eilte an meine Seite und versuchte mich zum Schweigen zu bringen. Natürlich verstand niemand im Lager meine Worte, doch der Ton war klar genug – meine Hysterie, mein Zorn waren nicht zu verkennen. Eta schien Angst zu haben. Hätte ich in diesem Augenblick mehr über Gor gewußt, wäre ich wahrscheinlich sofort wieder verstummt. Mein einziger Schutz war meine Unkenntnis, die Ahnungslosigkeit eines dummen Mädchens. Ich schrie und keifte die Männer an. Plötzlich sah ich meinen Herrn vor mir stehen. Ich blickte zornig zu ihm auf. Er hatte mich bei einem Kampf gegen zwei Männer gewonnen, er hatte mir sein Brandzeichen aufgedrückt und mir die Jungfräulichkeit geraubt. »Ich hasse dich!« rief ich außer mir und raffte die dünne Decke um mich, die mir Mut verlieh. Dieser Mann hatte mich beispiellos erniedrigt und mich doch dazu gebracht, daß ich ihn liebte! Ich liebte ihn! Dabei bedeutete ich ihm gar nichts.
Im Mondlicht erblickte ich seine Hand. Sie war in meine Richtung gestreckt.
»Du darfst mich nicht schlecht behandeln«, sagte ich. »Du mußt mich gut behandeln. Ich habe meine Rechte. Und ich liebe dich. Ich bin eine freie Frau.«
Seine Hand rührte sich nicht. Ich ahnte nicht, wie groß seine Geduld war.
Ich gab ihm die Decke und stand nackt vor ihm. Nachdenklich betrachtete er den Stoff in seiner Hand.
Dann warf er ihn mir mit einer ruckhaften Bewegung über den Kopf und wand mir eine lockere Schnur um den Hals, so daß ich nichts mehr sehen konnte. Und so überließ er mich seinen Männern, die nacheinander über mich herfielen und mich vergewaltigten. Irgendwann verlor ich die Besinnung. Ich lag in meiner Decke. Ringsum schliefen die Männer, meine Herren. Ich lag mit angezogenen Knien in der kühlen Nachtluft. Wie spät es war, wußte ich nicht. Noch standen die Monde am Himmel.
Mühsam stemmte ich mich auf die Knie hoch, wobei ich die Decke eng um mich schlang. Mein ganzer Körper tat mir weh. Mir war speiübel.
Ich blickte auf. Hoch oben auf der Felswand hockte der Wächter. Er blickte nicht in meine Richtung. Nach goreanischem Recht war ich eine Sklavin, das verriet mir mein Brandzeichen; doch zugleich überlegte ich mir, ob ich mich nicht im Grunde meines Herzens selbst als Sklavin fühlte. Diese Frage beunruhigte mich sehr. Seit dem Branden war ich von widerstreitenden Gefühlen geplagt worden. Es war, als versuchte ich mich selbst zu ergründen, meine tiefsten Emotionen und Bedürfnisse. Zuweilen hatte ich das Gefühl gehabt, dicht davor zu sein, den Kampf aufzugeben und meinem entsetzten Bewußtsein verbotene Wahrheiten einzugestehen, lang abgestrittene Realitäten, Spuren eines lang unterdrückten urzeitlichen Wesens. Ich wußte nicht, welche Neigungen in meiner Erbmasse verborgen waren – Neigungen, die in der beengenden, künstlichen irdischen Gesellschaft fehl am Platze gewesen waren. Ich fragte mich, wie die wahre Natur des Mannes, wie die wahre Natur der Frau aussehen mochte.
Wahrscheinlich wäre ich nicht auf solche Gedanken gekommen, hätte mir nicht eine Erinnerung sehr zu schaffen gemacht, die mit dem gestrigen Abend zusammenhing. Mein Herr hatte mich seinen Männern überlassen, die sich nacheinander mit mir vergnügt und dann an den nächsten weitergegeben hatten, der schon begierig darauf wartete, bis die Reihe an ihm war. Dabei war ich mir bei einem Mann plötzlich eines unbeschreiblichen Gefühls bewußt geworden. Zuerst hatte ich mich heftig gesträubt, doch plötzlich überkam mich die Erkenntnis, daß ich den Mißbrauch, den mein Körper hier erfuhr, willkommen hieß – als eine gerechte Strafe dafür, mich dem Willen der Männer widersetzt zu haben. Dieser Gedanke gebar ein unglaubliches Hochgefühl, getragen von der Ergänzung zwischen Mann und Frau, von ihm, der nimmt, und ihr, die genommen wird, die besessen wird. Mit einem Freudenschrei umklammerte ich plötzlich den Mann, preßte mich an ihn, spürte, wie sich mein Körper in plötzlichem Erschaudern entkrampfte. Ich hatte keine Gewalt über die Reflexe, die in mir explodierten, stemmte mich ihm entgegen, ging auf seinen heftigen Rhythmus ein.
Männer lachten. »Kajira«, sagte einer bewundernd
Dann fiel der nächste über mich her.
Ich saß im stillen Lager, eingehüllt in meine dünne Decke, und überlegte.
Ich hatte mich einem der Männer mit Lust und Wonne hingegeben. Am liebsten hätte ich mir eingeredet, daß es gar nicht geschehen war. Doch kam ich nicht darum herum. Wie sehr ich mich schämte! Verzweifelt stellte ich mir die Frage, was das bedeuten mochte. Ich durfte mich nicht von der Schwäche verzehren lassen, die meine Persönlichkeit in ihren Grundfesten erschütterte. Ich durfte mich nicht wieder so gehen lassen. Ich dachte an Elicia Nevins, meine Rivalin vom College. Sie wäre sicher sehr belustigt gewesen, hätte sie Judy Thornton bei dieser Szene beobachten können, nicht mehr Herrin über sich selbst, einem Manne völlig ausgeliefert.
Da wurde mir klar, daß ich fliehen mußte. Keine leichte Aufgabe, wenn man ein Brandzeichen trägt.
Ich blickte zu dem Wächter empor. Er achtete nicht auf mich. Ich kroch zur Klippenwand und untersuchte sie im Mondlicht. Es gab keine Stelle, an der ich mehr als einen Meter hoch klettern konnte. Ich kratzte mir am harten Gestein die Fingernägel wund. Daraufhin wandte ich mich der Dornenhecke zu, vor der ich Angst hatte.
Der Wächter blickte in die andere Richtung. Das Lager ging ihn nichts an; er mußte darauf achten, daß sich niemand unbemerkt durch die Täler näherte.
Erschrocken schrie ich auf. Das Dornendickicht sank unter meinem Gewicht zusammen. Mein rechtes Bein steckte tief zwischen den Ästen, mein rechter Arm kam nicht mehr frei. Ich wandte den Kopf zur Seite und kniff die Augen zusammen. Die Dornen schmerzten höllisch. Sie schienen förmlich an mir zu reißen. Ich steckte mit dem halbem Körper im Dornendickicht. Ich hing fest und wagte es nicht mehr, mich zu bewegen. Verzweifelt begann ich zu schreien.
Mein Herr traf als erster bei mir ein. Er schien unmutig zu sein. Gleich darauf kam ein zweiter Mann mit einer Fackel, die er in der Glut des niedergebrannten Feuers entzündet hatte. Andere Männer eilten aus der Dunkelheit herbei, kehrten aber wieder zu ihren Fellen zurück, als sie sahen, daß es nur um eine Skla vin ging. Eta tauchte auf, wurde jedoch von meinem Herrn wieder fortgeschickt.
Dann zog er meinen Kopf am Haar zurück, damit mir die Dornen nicht die Augen ausstachen. Schließlich gelang es mir, den rechten Arm herauszuziehen, wobei ich mir lange, tiefe Kratzer holte. Mein Herr sah mich an. Ich begann zu fürchten, daß er mich in dieser Stellung zurücklassen würde. Ohne Hilfe bekam ich das Bein nicht frei. »Bitte hilf mir, Herr!« flehte ich.
Er nahm mich in die Arme und hob mich hoch, wodurch mein Bein freikam – wenn auch arg zerkratzt. Ich erschauderte in seinen Armen. Er hatte keine Mühe, mich zu halten. Ich liebte es, wie sich seine starken Arme anfühlten. Kühn legte ich den Kopf an die Schulter seiner Tunika. Im nächsten Augenblick stellte er mich wieder auf die Füße.
Ich wich seinem Blick aus. Ich kam mir klein und unbedeutend vor. Kein Zweifel, daß ich hatte fliehen wollen. Damals wußte ich noch nicht, welche Strafe ein Mädchen zu erwarten hat, das zu fliehen versucht und sich wieder einfangen läßt – wie es fast ausnahmslos geschieht.
Es kommt nur sehr selten vor, daß Sklavinnen ihren Herren entfliehen, was in erster Linie an dem Halskragen liegt, auf dem der Name des Herrn und seine Heimatstadt verzeichnet sind. Die Strafe für einen Fluchtversuch ist streng – nur beim erstenmal wird sie mild behandelt und kommt normalerweise mit einer Auspeitschung davon.
Ich wußte es damals noch nicht – doch schon der Gedanke an Flucht war töricht gewesen.
Hat ein Mädchen das Glück, ihrem Herrn zu entkommen und womöglich die Mauern der früheren Heimatstadt zu erreichen, kann es ihr passieren, daß sie gar nicht eingelassen wird. Ihr Status als Sklave hat sie aller Rechte beraubt und ihr sogar die Angehörigkeit zur Bürgerschaft genommen.
»Flieh oder komm in die Ketten!« heißt es dann. Meistens machen die Mädchen kehrt und eilen schluchzend davon.
Einige Mädchen versuchen die grünen Wälder des Nordens zu erreichen, in denen sich Banden aus freien Frauen zusammengefunden haben, die geschmeidigen und wilden Panthermädchen von Gor – diese Mädchen aber verachten alle, die nicht von dem gleichen wilden Freiheitsdrang besessen sind wie sie; einer Sklavin, die sich Männern unterworfen hatte, kann es passieren, daß sie gejagt und grausam gepeinigt wird, ehe die Panthermädchen sie an Sklavenhändler zurückverkaufen – wobei der Preis meist in Waffen oder Süßigkeiten gezahlt wird.
Mit einem Speer und einer Seilschlinge öffnete mein Herr einen Durchgang im Dornendickicht und deutete darauf. Mein Fluchtweg stand mir offen. Ich brauchte nur zu laufen.
Ich betrachtete meinen Herrn im Mondlicht. Mir war schwach in den Knien, und ich begann zu zittern. Angstvoll starrte ich auf den schmalen Durchgang, der sich zwischen den gefährlichen Dornenwänden gebildet hatte. Ich brauchte nur loszurennen.
Im nächsten Augenblic k kniete ich vor meinem Herrn und drückte zitternd meine Lippen gegen seine Füße. »Behalte mich, Herr!« flehte ich. »Behalte mich!«
Ich verharrte in meiner knieenden Stellung, während er sich von mir abwandte und die Öffnung im Dornengestrüpp wieder schloß. Dann kehrte er zurück und bedeutete mir, ihm zu folgen. Unterwürfig schritt ich hinter ihm durch das Lager, gefolgt von dem zweiten Mann, der die Fackel trug.
Vor den zusammengerollten Fellen eines Kriegers blieben wir stehen. Der Mann blinzelte in den Fackelschein und stemmte sich auf den Ellbogen. Mein Herr wechselte einige knappe Worte mit ihm. Ich betrachtete den Mann, den ich gut kannte. Ich hatte mir immer Mühe gegeben, ihm nicht zu nahe zu kommen. Er war der am wenigsten attraktive Lagerangehörige.
Mein Herr sagte etwas zu mir und deutete auf den liegenden Krieger. Den genauen Sinn seiner Worte verstand ich nicht, doch ahnte ich bestürzt, was er wollte. Ich sollte diesem Manne als Sklavin zu Gefallen sein.
Ich unterdrückte ein Schluchzen und beugte mich über den Liegenden. Später fesselte mich mein Herr an den Hand- und Fußgelenken, stieß mich neben seinem Zelt zu Boden, warf die dünne Decke über mich und ließ mich liegen.
Kurze Zeit später näherte sich Eta. Ich starrte sie mit tränenlosen Augen an. Sie machte keinen Versuch, mich loszubinden. Sie wagte es nicht, gegen den Willen des Herrn zu verstoßen. Ich drehte mich von Eta fort.
Ich überlegte, warum mein Herr mir den Pfad durch das Dornendickicht geöffnet hatte; bedeutete ich ihm wirklich gar nichts; war es ihm gleichgültig, ob ich im Lager blieb oder in die Dunkelheit hinauslief, ob ich hungerte oder von Ungeheuern zerrissen wurde oder anderen Männern in die Hände fiel? In letzter Konsequenz war ihm das alles wohl gleichgültig. Und doch errötete ich bei dem Gedanken. Er hatte den Fluchtweg für mich geöffnet. Er hatte seine Skla vin besser verstanden als sie sich selbst; zweifellos hatte er schon bei vielen Frauen Erfahrungen gesammelt; vielleicht hatte er schon vor mir Erdenmädchen besessen. Jedenfalls hatte er mich durch und durch ergründet, meine Emotionen, meine Natur richtig gedeutet, die ich vor ihm nicht hatte verbergen können. Ich war erfreut und verängstigt zugleich bei dem Gedanken, daß dieser Mann mich verstand. Erfreut, weil ich im tiefsten Innern Verständnis suchte, und erschrocken, weil ich die Macht spürte, die dieses Verständnis ihm über mich gab. Ich hatte wenig Zweifel, daß er ein Mann war, der seine Macht auch ausüben würde – so selbstverständlich, so unschuldig, so wild, so schnell, wie ein Eber seine Hauer oder ein Löwe seine Klauen einsetzt. Er verstand mich durch und durch, ich war sein – hätte ich noch hilfloser sein können?
Ich ballte die gefesselten Hände.
Mein Herr hatte gewußt, daß seine Sklavin nicht flie hen würde – eine Erkenntnis, die ihr erst in dem Augenblick kam, da sie darum flehte, bei ihrem Herrn bleiben zu dürfen. Und das war der eigentliche Zweck der kleinen Demonstration gewesen: sie – nicht er – sollte am eigenen Leibe erfahren, daß sie gar nicht flie hen wollte, daß sie vor ihm niederknien und ihn anfle hen würde, nicht verstoßen zu werden. Und dann hatte er mich zu dem Mann geführt, der für mich der abstoßendste im Lager war.
Ich hatte ein Schluchzen unterdrückt und mir Mühe gegeben, dem freien Mann zu gefallen. Ich versuchte auf seine Hinweise zu reagieren, spürte aber, daß ich nicht gut war – ein ungeschicktes, ahnungsloses, ängstliches Geschöpf. Doch nach einiger Zeit hatte er mich unter sich geworfen und mich sicher nicht ohne Vergnügen durch die Phasen sexueller Erregung geführt. Dabei war ich entschlossen gewesen, mich ihm zu widersetzen und nüchtern und unbewegt zu bleiben, ein Vorsatz, den ich nicht hatte halten können. Schließlich hatte ich den Kopf auf die Seite gedreht und mich stöhnend hingegeben.
Gefesselt und nackt, so lag ich nun unter meiner dünnen Decke. Ich fragte mich, warum mein Herr mich gefesselt hatte – doch wohl nicht, um meine Flucht zu verhindern. Dazu reichten die Felswände und das Dornendickicht nun völlig aus. Handelte es sich um eine psychologisch gedachte zusätzliche Strafe? Das erschien mir nicht wahrscheinlich, denn mein Herr hatte nicht unzufrieden gewirkt.
Ich hatte mich nicht gerade großartig geschlagen, doch hatte ich mir größte Mühe gegeben, dem Mann zu gefallen. Ich schämte mich nur, daß ich mich ihm so total hingegeben hatte.
Doch sofort kam die Frage auf, weshalb ich mich eigentlich schämte. War es falsch, wenn eine Frau ihrer Natur folgte? War es falsch, wenn das Herz schlug, wenn die Lungen atmeten? Die Sklaverei öffnete mir die Freiheit, eine Frau zu sein. Abhängig zwar, aber auch frei jeder Verantwortung und Entscheidung. Und ich hatte keine andere Wahl. Mich überkam das unstillbare Verlangen, zu den Männern zu kriechen, ihnen zu gefallen, ihnen meine Schönheit zu zeigen, damit sie sich dazu bewegen ließen, mich in die Arme zu nehmen. Ich wollte geben, ohne Forderung einer Gegenleistung. In meinem bisherigen Leben war ich stets auf meinen Vorteil bedacht gewesen. Jetzt wollte ich aus ganzem Herzen geben – ich wollte Sklavin sein!
Ich erschauderte in der selbstlosen Ekstase des Skla venmädchens.
»Binde mich los!« flehte ich Eta an, die meine Worte nicht verstand, meine Geste mit den gefesselten Händen aber zu deuten wußte.
Sie schüttelte den Kopf.
Ich wand mich in den Schnüren. Ich wußte plötzlich, warum ich gefesselt war. Ich sollte die Männer nicht stören.
Eta drückte mich sanft wieder ins Gras. Sie legte die dünne Decke über mich.
Ich sah sie an. »La Kajira«, sagte ich.
Eta nickte und »Tu Kajira«, antwortete sie, küßte mich und ließ mich allein.
Ich lag unter meiner Decke und starrte zu den Monden empor. Judy Thornton – das Wesen, das auf einer fernen, eingeengten Welt einmal Judy Thornton gewesen war – freute sich nun, eine Sklavin zu sein. Sie schlief im Freien in einem Lager voller Barbaren. Gab sich lustvoll jedem Mann hin, lag nackt unter einem dunklen Himmel voller Sterne. An meinem Schenkel war das Brandzeichen einer Sklavin.
Ich hatte mich damit abgefunden. Aber noch mehr: Ich war dabei nicht unglücklich.
Ich blickte zu den Monden empor. »La Kajira«, sagte ich. »Ich bin eine Sklavin.«