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Zornig kniete ich am Feuer und blies in die Flammen, die in der Schale flackerten. Funken sprühten und verbrannten meine Haut.

Eta schritt an mir vorbei. Ich haßte sie. Sie war dunkelhaarig und unglaublich schön. Das Haar fiel ihr bis zur Taille herab. Sie durfte Kleidung tragen, ich nicht. Ich beneidete sie um das ärmellose, kurze Gewand, das sie kaum verhüllte.

Abseits hockte ein Mann auf dem Boden und genoß ein starkes Getränk, das Paga genannt wurde. In seiner Nähe waren Speere zu einer Pyramide zusammengestellt, und an den schützenden Felsklippen lehnten Schilde. Wir befanden uns in einem bewaldeten Tal, von denen es in dieser Gegend viele gab. Ein Bach führte mitten durch das Lager. Das Lager wurde zu etwa zwei Dritteln durch die schützenden Felswände des Canyons begrenzt, der Rest wurde durch einen Wall abgeschnittener Dornendickichte abgeschirmt, der etwa acht Fuß hoch und zehn Fuß dick war, eine Schutzwehr gegen Tiere. Im eigentlichen Lager befanden sich einige Bäume, die zum Teil eine stattliche Höhe erreichten. Aus der Luft war das Lager kaum zu sehen; und vom Boden war es erst auszumachen, wenn man praktisch darüber stolperte. Mein Herr und ich waren nach etwa viertägiger Wanderung hier eingetroffen. In dieser Zeit hatte er nicht mit mir gesprochen, und ich war ihm in einigem Abstand gefolgt. Wie erleichtert war ich, daß er mich nicht zum Verkehr gezwungen hatte! Dennoch war mein Zorn von Tag zu Tag gestiegen. Ich schien Luft für ihn zu sein. Gefiel ich ihm nicht? Er hatte seine Gewalt über mich bisher nicht ausgenutzt. Was für ein Glück! Gleichzeitig ärgerte ich mich darüber, haßte ihn sogar! Zuletzt waren wir wieder viel bei Tage unterwegs gewesen, wobei ich seinen Schild hatte tragen müssen. Offenbar hatten wir das feindliche Gebiet verlassen. Daß dieses Lager so geschützt war, hielt ich für eine übliche Vorsichtsmaßnahme bei Männern wie ihm.

Mit einem steifen Lederstück fächelte ich Luft in die Flammen. Aus den Kohlen ragte ein Eisen.

Eta ging zum zweitenmal an mir vorbei, sie trug jetzt ein schweres Fleischstück auf der Schulter, von dem ihr Fett ins Haar troff. Sie war eine langbeinige, sinnliche Dirne, die heiße Blicke zu werfen verstand. Sie war die Art Frau, von der die Männer der Erde nicht einmal zu träumen wagen. Zu den selbstbewußten goreanischen Männern, die gedankenlos mit ihr umsprangen, wie es ihnen gefiel, paßte sie aber recht gut.

Ich fand sie widerlich! Ich haßte sie!

Ich war seit etwas über zwei Tagen hier. Wir waren vor zwei Tagen gegen Abend im Lager eingetroffen. Als wir uns dem Ziel näherten, hatte mir mein Herr den Schild, den ich für ihn trug, wieder abgenommen. Man geht nicht unbewaffnet auf ein Lager zu, nicht einmal auf das eigene, weiß man doch nicht, was sich in der Zeit der Abwesenheit verändert hat.

Ich mußte mich hinknien und reglos hockenbleiben, während er das Lager erkundete. Kurz darauf kam er zurück und gab mir ein Zeichen. Daraufhin war er singend zum Lager marschiert, wobei er mit dem Schwert gegen seinen Schild schlug. Losungsworte wurden gerufen.

Von den Männern im Lager wurde er wie ein König empfangen; offenbar war er ihr Anführer. Die Männer stürmten auf ihn zu, brüllten, schlugen ihm auf die Schulter und lachten. Ich hielt mich erschrocken im Hintergrund. Im nächsten Augenblick war der Blick meines Herrn auf eine langbeinige Schönheit gefallen, Eta, die schüchtern am Lagereingang stand, wo während der Tagesstunden die Dornbüsche zur Seite geschoben wurden. Mein Herr gab ihr ein Zeichen, daß sie sich ihm nähern dürfe. Strahlend war sie zu ihm geeilt und vor ihm niedergekniet. Auf ein Wort von ihm sprang sie auf, warf sich in seine Arme und küßte ihn. So etwas hatte ich noch nie gesehen – ein Kuß als sinnliche Ausdrucksform, die mich bis ins Mark erschütterte. Es war der Kuß zweier Liebender, die aber in einer ganz besonderen Abhängigkeitsbeziehung zueinander standen – der Mann, der besitzt, die Frau, die Besitztum ist.

Im nächsten Augenblick lachte er, stie ß sie zur Seite und wandte sich in meine Richtung. Wie sehr ich mir wünschte, daß er mich so gehalten und geküßt hätte! Wie eifersüchtig ich war! Als mir klar wurde, daß alle mich anblickten, schreckte ich zusammen.

Die Männer und das Mädchen umringten mic h und musterten mich unverschämt, warfen sich Bemerkungen über mich zu, als wäre ich auf dem Markt. Einige Kommentare, das spürte ich, waren nicht gerade schmeichelhaft, andere ziemlich abwertend. Als besonders grausam empfand ich das Gelächter. Oh, was spotteten die Männer über den Schatz, den mein Herr mit nach Haus gebracht hatte – über mich! Lachend schlug er nach ihnen. Die ganze Zeit über ließ das Mädchen seinen Arm nicht los, lächelte ihn an, küßte ihn, zog ihn von mir fort. Schließlich machte die ganze Gruppe kehrt und ging ins Lager. Ich blieb allein vor dem Eingang zurück, außer mir vor Zorn. Offenbar hatte man mich abgelehnt. Auf eine solche Behandlung war ich nicht vorbereitet gewesen. Ich spürte den Kies der Schlucht unter meinen bloßen Füßen, das Sonnenlicht, das von den Felsmauern zurückgestrahlt wurde. Ich ballte die Fäuste. Wofür hielten sich diese Barbaren? Doch als ich an Eta dachte, wurde mir klar, daß solche Schönheit auf dieser Welt nicht viel bedeutet.

Ich ging durch die Dickic htwand und kniete nieder. Ich wollte beschützt werden und etwas zu essen haben. Ich wollte jeden Preis bezahlen für mein Wohnrecht. Das hohe Dornendickicht wurde mit Hilfe von Hakenstangen hinter mir zugezogen. Ich war mit den Männern und dem Mädchen im Lager eingeschlossen. Seither waren zwei Tage vergangen. Ich hatte viele niedrige Arbeiten verrichten müssen, was mir gar nicht schmeckte.

Ich mußte Feuer anmachen und beim Kochen helfen. Ich mußte mit bedienen und den Männern Wein und Paga einschenken, als wäre ich eine gemeine Dienstbotin. Hinterher mußte ich die nicht gegessenen Rest abräumen und Kelche und Teller säubern. Ich mußte zerrissene Kleidungsstücke flicken, wobei Eta meine fertige Arbeit einmal wieder auftrennte und mich zwang, eine geradere Naht zu machen. Ich mußte am Ufer des kleinen Baches Wäsche waschen; das Leinen wurde auf Felsen geschlagen und tüchtig durchgeknetet und mehrfach gespült. Außerhalb des Lagers schickte man mich zum Beerenpflücken und Holzsammeln. Bei diesen Ausflü gen wurde ich von einem Mann begleitet. Auf der Erde hatte ich eine ziemlich geschützte Stellung im Leben innegehabt. Hier verrichtete ich nun primitive Arbeiten, die einer Judy Thornton nicht anstanden! Wenn keine Männer in der Nähe waren, verweigerte ich Eta zuweilen die Hilfe. Dann machte sie sich mürrisch allein ans Werk. In der Gegenwart von Männern wagte ich ihr nicht zu widersprechen. Ich fürchtete die Männer.

Es waren sechzehn Männer im Lager, mein Herr eingeschlossen. Während des Tages hielten sich allerdings selten mehr als vier oder fünf im Lager auf.

Mein Herr hatte mir persönlich aufgetragen, mich um das Feuer zu kümmern, in dem das Eisen erhitzt wurde. Ich wagte es nicht, ihm zu widersprechen. Es überraschte mich nicht, daß für das Feuerbecken Kohlen zur Verfügung standen, hatte ich doch schon an meinem ersten Tag im Lager festgestellt, daß ausreichend Vorräte zur Verfügung standen. Offenbar handelte es sich um eine Art Vorratslager, das von Zeit zu Zeit aufgesucht wurde. In einer leicht zugänglichen Höhle standen mehrere Kisten, von denen nicht alle verschlossen waren. Ich entdeckte Flaschen mit Wein und Paga, Vorräte an Salz, Korn, Trockenfleisch und Gemüse; dazu Tuniken, Stoffe, Decken und Nähzeug, außerdem Werkzeuge und andere Gerätschaften, ferner Parfüms und Schmuck. Ich entdeckte eine Kiste mit Arzneimitteln und Bandagen, dahinter etliche Rollen aus Fellen und einen Kasten voller Lederwaren und Lederriemen verschiedener Länge. Mein Blick fiel auf zwei Peitschen. Wozu wurden sie gebraucht? Es gab keine Tiere im Lager.

Ein gutes Stück von meinem Feuer entfernt war Eta damit beschäftigt, das Fleischstück an einem Spieß zu rösten. Es duftete verführerisch, und mein Hunger regte sich.

Auch im Lager hatte ich nur die Brocken essen dürfen, die mein Herr mir reichte. Ich haßte ihn, hielt ihn aber zugleich für den attraktivsten Mann, den ich je gesehen hatte. Ich hoffte, daß er mir ein Stück des Bratens abgab.

Nach und nach waren die Männer ins Lager zurückgekehrt. Etwas abseits saßen zwei über einem Spielbrett voll hoher Figuren. Das Brett wies hundert Quadrate auf. Vier oder fünf Gestalten hockten im Kreis darum und beobachteten das Spiel. Andere saßen im Gras und unterhielten sich. Zwei tranken Wein. Einer bearbeitete seine Schwertscheide mit einem zierlichen kleinen Werkzeug. Ein anderer schärfte mit ruhigen Bewegungen seine Lanzenspitze. Mein Herr saß mit zwei Helfern über einer Karte, die auf den Boden gezeichnet worden war und besprach irgend ein Projekt. Einmal hob einer der Männer den Blick und sah mich an, dann blickte er wieder auf die Karte.

Eta summte und sang vor sich hin, während sie den schweren Fleischbrocken wendete, dessen Fett zischend ins Feuer tropfte. Von Zeit zu Zeit blickte sie zu mir herüber. Ihr Lächeln gefiel mir ganz und gar nicht. Sie schien ungewöhnlich gut gelaunt zu sein, obwohl ich mich am Nachmittag mehrmals geweigert hatte, ihr zu helfen. Beim letztenmal hatte ich ihr beim Lederputzen helfen sollen, ein Ansinnen, das ich natürlich von mir wies. Solche Arbeit war nichts für mich! Schließlich war ich keine Köchin und kein Hausmädchen! Ich war Judy Thornton, die es gewöhnt war, selbst Dienstboten zu haben.

Ich verstand nicht, was mit dem Eisen geschehen sollte, das im Feuer lag. Es handelte sich eindeutig um eine Markierung, wohl um ein Brandeisen. Dabei gab es im Lager gar keine Tiere, die damit gezeichnet werden konnten. Ich hatte damit gerechnet, daß man ein Tier hereinbringen würde, das vielleicht gekauft worden war, doch es rührte sic h nichts. Vielleicht wollte einer der Männer eines seiner Besitztümer kennzeichnen – einen Gürtel oder eine Waffenscheide oder das Leder eines Schildes. Ich hielt das für eine gute Idee.

Die Sonne war untergegangen. Bald war das Abendessen bereit. Die Kohlen im Becken glühten hell.

In der Nähe befand sich ein umgestürzter Baum mit weißer Rinde. Der Stamm war in etwa einem Meter Höhe abgebrochen und bildete eine leichte Schräge zum Boden.

Ich sah mich im Lager um und betrachtete die Männer. Es waren rauhe Kerle, die grausame Scherze liebten. Am Abend zuvor hatte ich mit Eta bedienen müssen, hatte Fleisch und Paga serviert. Jeden Kelch mußte ich mit den Lippen berühren, ehe ich ihn reichte. Nach dem Essen wurde Eta an Händen und Füßen mit Glöckchen versehen. Einige Meter von ihr entfernt nahmen fünf Männer Aufstellung. Ein Schiedsrichter riß Eta das kurze Gewand vom Leib und verhüllte ihr Gesicht. An ihrem linken Schenkel machte ich ein Mal aus, das ich in der Dunkelheit aber nicht genau erkennen konnte. Schließlich wurden ihr die Hände auf dem Rücken gefesselt. Die Männer begannen Wetten abzuschließen.

Das Spiel heißt Mädchenjagd. Die Sklavin wird verschleiert, damit sie den Ausgang des Wettkampfes nicht beeinflussen kann. Den Männern wurden ebenfalls die Augen zugebunden. Eta stand absolut still; keines der Glöckchen an ihrem Leib war zu hören. Die fünf Wettstreiter wurden anschließend zur Freude der Zuschauer im Lager herumgeführt, im Kreis gedreht und an verschiedenen Stellen stehengelassen. Ich war entsetzt und aufgeregt zugleich.

Der Schiedsrichter rief ein Wort, das offenbar den Beginn anzeigte. Im gleichen Augenblick erhielt Eta einen Schlag mit einer Gerte, woraufhin sie aufschrie und ihre Ausgangsposition verriet. Mit klirrenden Glöckchen setzte sie sich in Bewegung. Die Männer näherten sich dem Geräusch. Eta blieb stehen. Sie verharrte in geduckter Haltung, die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Ob die dünne Gerte oft angewendet werden mußte, hing allein von der Geschicklichkeit des Mädchens ab. Nach den Regeln muß sie sich alle fünf Ihn, das sind knapp fünf Sekunden, mindestens einmal bewegen. Tut sie das nicht, etwa aus Angst oder weil sie sich verzählt hat, versetzt ihr der Schiedsrichter einen Hieb und identifiziert damit die Position des Mädchens. Kurz bevor die fünf Ihn vorüber waren, huschte Eta klirrend davon, genau zwischen zwei Männern hindurch.

Sie stellte sich geschickt an, doch die Männer verstanden sich auf das Spiel. Es dauerte nicht lange, da hatte es den Anschein, als wisse sie nicht mehr, in welche Richtung sie sich wenden sollte. Die Männer umstanden sie stumm.

Blindlings rannte sie los – genau in die Arme eines blonden jungen Mannes, von dem auch ich mich am liebsten hätte fangen lassen. Mit einem Freudenschrei packte er sie, schleuderte sie ins Gras und warf sich auf sie.

Der Schiedsrichter klatschte dem Mann auf die Schulter. Die anderen Männer traten zurück. Zu meinem Entsetzen sah ich, daß Eta, die noch immer gefesselt und verhüllt war, im Gras vor aller Augen von dem Mann bestiegen wurde. Die Umstehenden brüllten vor Vergnügen.

Als der junge Mann mit ihr fertig war, stand er auf und entfernte seine Augenbinde. Die anderen Männer hoben ihre Kelche und prosteten ihm lachend zu. Eta lag auf der Seite im Gras.

Sie wirkte klein und hilflos, doch niemand kümmerte sich um sie. Meine arme Geschlechtsgenossin tat mir fürchterlich leid.

Der Schiedsrichter nahm ihr die Haube ab. Sie warf den Kopf zurück, schüttelte ihr Haar und atmete tief ein. Ihr Gesicht war gerötet. Seltsamerweise schien sie sich zu schämen. Sie setzte sich ins Gras und löste die Glöckchen von Händen und Füßen. Dann sah sie mich an.

Zornig erwiderte ich ihren Blick.

Sie lächelte, eilte zu mir und gab mir einen Kuß. Ich ignorierte sie.

Dann holte sie das schlichte Gewand, das ihr der Schiedsrichter vor dem Spiel abgenommen hatte. Sie zog es nicht wieder an, sondern trug es nachlässig in der Hand und legte sich meinem Herrn zu Füßen. Ich dachte an den Blick, den sie mir zugeworfen hatte. Es war der Blick einer Frau, die um ihre Reize weiß. Ich war zornig auf sie, zugleich erfüllte mich Neid. Es war inzwischen völlig dunkel geworden. Zwei Männer hatten das Fleisch samt Spieß vom Feuer genommen und zum Schneiden ins Gras gelegt. Ich war froh, daß wir nun bald essen würden.

Zwei andere Männer kamen zu mir und packten mich an den Armen. Rücksichtslos zerrten sie mich zu dem abgebrochenen Baum, der sich ganz in der Nähe befand. Sie warfen mich rücklings auf den liegenden Stamm, fesselten mir die Hände zusammen und banden mich mit gestreckten Armen fest. »Was tut ihr da?« rief ich. Ich konnte mich kaum noch bewegen. »Nein! Nein! Nein!«

Mein Herr war zu dem Feuerbecken gegangen, nahm einen Lederhandschuh aus dem Gras und zog das weißglühende Eisen aus den Flammen. »Nein!« Zwei kräftige große Männer hielten meinen linken Schenkel fest.

Ich starrte meinen Herrn ungläubig an. »Bitte nein!« schluchzte ich.

Hilflos gefesselt, wurde ich zur goreanischen Sklavin gestempelt.

Das Branden dauerte vermutlich nur wenige Sekunden, doch ich hatte das Gefühl, als ob sich das Eisen stundenlang in mein Fleisch grub. Ich konnte gar nicht wieder aufhören zu schreien. Ich war allein mit dem Schmerz, mit der Erniedrigung, mit dem erbarmungslos zischenden Gebilde, das mir entsetzlich weh tat. Ein Geruch nach verbranntem Fleisch stieg mir in die Nase. Mein Körper wurde mißhandelt! Doch ich vermochte das Bein nicht zu bewegen. Sauber und tief wurde das Zeichen eingebrannt, dann löste sich das Eisen von mir.

Die psychologische Wirkung dieses Ereignisses war unbeschreiblich. Der Schmerz war schlimm, erschien mir aber relativ unwichtig im Vergleich zu der unvorstellbaren Erkenntnis, die sich in mir ausbreitete. Mein Bein würde mir tagelang weh tun, ein Umstand, der allerdings unwichtig und sogar trivial war. Dieses Zeichen in meinem Fleisch würde nicht wie der Schmerz verschwinden. Dieses Zeichen brandmarkte mich für alle Zeiten. Aber als was? Ich ahnte die Wahrheit. Die ses Zeichen, das wußte ich, trug eine durchgreifende Veränderung in mein Leben. Auf Gor begründete die ses Zeichen einen legalen Status. Wer dieses Zeichen trägt, ist ein Objekt ohne Rechte vor dem Gesetz, ganz zu schweigen von der zutiefst persönlichen und psychologischen Auswirkung auf das betroffene Mädchen. Ich war zwar noch an den Baum gefesselt und konnte mich kaum bewegen, doch ahnte ich schon in diesem Augenblick, daß die stärksten Fesseln auf Gor nicht die Lederschnüre an meinen Handgelenken und Füßen waren, sondern das frische Brandzeichen an meinem linken Oberschenkel.

Ich hörte die Geräusche des Lagerlebens ringsum. Die Männer saßen in der Nähe des Feuers. Der Braten wurde aufgeteilt. Man unterhielt sich. Eta, wunderhübsch anzuschauen, bediente sie. Ich blickte in die goreanische Nacht hinauf, die durchsetzt war mit herrlich schimmernden Sternen. Wenn ich den Kopf wandte, konnte ich die drei Monde erkennen. Ich spürte die glatte, brüchige weiße Rinde des Baums unter mir. Ich hörte Insekten summen. Ich hatte viel geweint. Meine Wangen spannten sich unter den getrockneten salzigen Tränen.

Vom Feuer her näherte sich eine Gruppe Männer, gefolgt von Eta.

Mein Herr nahm meine Hände zwischen die seinen und zog sie empor, so daß ich ihn ansehen mußte. Ich erwartete in seinen Augen Mitleid zu sehen, doch das gab es nicht. Ich erschauderte in seinem Griff. »Kajira«, sagte er zu mir und ließ meine Hand los. »Kajira.« Ich starrte ihn an.

»Kajira«, wiederholte ich.

Ich erinnerte mich, daß ich dieses Wort schon mehrfach gehört hatte. Die Männer, die in der Wildnis als erste zu mir gekommen waren, hatten es gebraucht.

»La Kajira«, sagte Eta und deutete auf sich selbst. Gleichzeitig drehte sie sich zur Seite, zog den Rocksaum hoch und entblößte ihren linken Oberschenkel. Sie trug dort ebenfalls ein Brandzeichen.

Mir wurde klar, daß Eta und ich auf besondere Weise nun wieder auf gleicher Stufe standen; wir trugen beide das Brandzeichen. Ich war ihr in keiner Weise mehr überlegen. Ich war nicht mehr und nicht weniger als Eta; was immer sie sein mochte, durch das Brandzeichen war ich genau dasselbe.

Ihr Zeichen unterschied sich allerdings von dem meinen. Es war schmaler, sah wie ein Stengel mit blumenblattähnlichen Kringeln aus, etwa vier Zentimeter hoch und anderthalb breit; ich sollte später erfahren, daß es sich um den Anfangsbuchstaben des goreanischen Wortes ›Kajira‹ in Kursivschrift handelte; mein Zeichen dagegen war die ›Dina‹, eine kleine Blume mit zahlreichen Blütenblättern und kurzem Stiel, die gewöhnlich auf Hängen in den nördlichen gemäßigten Klimazonen Gors anzutreffen ist. Die Blüte erinnerte an eine Rose; es ist eine exotische, fremdartige Blume und wird im Norden ›Sklavenblume‹ genannt.

Dieses Zeichen war nun in mein Fleisch eingebrannt.

Im Süden, unterhalb des goreanischen Äquators, ist die Blume seltener und wird höher geschätzt; noch vor Jahren war es nicht ungewöhnlich, daß Eltern aus den unteren Kasten ihre Töchter ›Dina‹ nannten. Mit der Ausweitung des Handels ist der Name allerdings seltener geworden. Die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte zwischen Städten wie Ko-ro-ba und Ar einerseits und dem Riesen der südlichen Hemisphäre, Turia, andererseits haben in letzter Zeit sehr zugenommen. Beim Sturz Turias waren vor einigen Jahren viele tausend Bürger geflohen, darunter Kaufleute und ihre Familien, von denen viele nach der Wiederherstellung des Ubarats von Phanias Turmus zurückgekehrt waren. Inzwischen hatte es aber neue Kontakte gegeben, neue Produkte waren entdeckt worden, und selbst jene, die nicht in die alte Heimat zurückkehrten, betätigten sich nun als Agenten oder Importeure für turische Waren und die Lederprodukte der Wagenvölker, die durch Turia vertrieben wurden. Auf diese Weise hatte man im Süden auch mitbekommen, daß die Dina als Sklavenblume gilt, mit den entsprechenden Folgen. Die Abbildung der Dina-Blüte gehörte zu den am weitesten verbreiteten Brandzeichen für Skla ven auf Gor.

Lächelnd beugte sich Eta über mich. Sie deutete auf das Stahlband, das sich an ihren Hals schmiegte. Buchstaben waren in das Metall eingraviert, in einer Schrift, die ich nicht entziffern konnte. Nicht ohne Mühe drehte sie den Eisenkragen ein Stück.

Dann wandte sie sich meinem Herrn zu. »La Kajira«, sagte sie und neigte unterwürfig den Kopf vor ihm. Als Mann hätte ich ihren Tonfall vermutlich aufregend gefunden. Lachend sah mich Eta an und deutete auf meinen Mund. Ich begriff nicht, was sie wollte, und sie wiederholte das Wort, wobei sie zuerst auf ihren, dann auf meinen Mund deutete. Ich blickte in das Gesicht des Mannes, der mich beherrschte. »La Kajira«, sagte ich zu ihm und neigte weinend den Kopf. Er nickte, drehte sich um und kehrte mit den anderen zum Feuer zurück, um die Mahlzeit fortzusetzen.

Wieder lag ich allein auf dem schrägen Stamm. Welchen Status hatte ich nun auf dieser Welt? Nur Tiere wurden mit einem Brandzeichen versehen – und ich trug ein solches Zeichen! Erst jetzt, da ich das Zeichen trug, machten die Menschen hier Anstalten, mir ihre Sprache beizubringen. Bis je tzt hatten sie mir nicht einmal gewisse grundlegende Befehle verdeutlicht. Vermutlich war nun die Zeit gekommen, mich eingehend mit der Sprache zu befassen. Dabei konnte ich nicht damit rechnen, daß man mir mit Geduld begegnete. Nun war ich eine Kajira – und nahm einen Status ein, den ich mit Eta teilte. Sie hatte das Wort vor dem Manne ausgesprochen. Sie und ich trugen Brandzeichen. Eta hatte sogar einen Kragen um den Hals. Was war eine Kajira? Es wollte mir nur eine Antwort einfallen, die ich am liebsten sofort wieder verworfen hätte. Doch ich kam nicht darum herum: die Worte ›La Kajira‹, die ich zu meinem Herrn gesagt hatte, bedeuteten: ›Ich bin eine Sklavin.‹

Zwei Männer banden mich los, zerrten mich an den Armen mit und ließen mich vor meinem Herrn niederknien, der mit untergeschlagenen Beinen am Feuer saß. Mit gesenktem Kopf hockte ich vor ihm, ein zitterndes Sklavenmädchen.

Eta trat vor. In der Hand hielt sie zwei Kupferschalen mit Brei. Sie kniete neben mir nieder, stellte eine Schale vor sich hin. Dann hielt sie meinem Herrn die andere Schale entgegen. Der Mann nahm Eta die Schale ab und reichte sie ihr wortlos zurück. Daraufhin blickten mich die Männer und Eta erwartungsvoll an. Ich verstand sofort, was ich tun mußte. Ich nahm die Schale mit beiden Händen und reichte sie meinem Herrn. Er nahm mir die Schale ab und gab sie mir zurück. Nun durfte ich essen. Die Bedeutung dieser Geste war mir durchaus klar. Von ihm erhielt ich symbolisch meine Nahrung. Er ernährte mich. Von ihm hing ich ab. Wollte er mir nicht zu essen geben, bekam ich auch nichts. Ich folgte Etas Beispiel und begann den Brei zu essen. Mit Fingern und Zunge, wie die Katzen, leerten wir die Schalen. Der Brei schmeckte nach nichts, er enthielt weder Zucker noch Salz. Es war Sklavenbrei. Trotzdem war ich dankbar dafür, hatte ich doch großen Hunger. Verstohlen musterte ich den Mann über den Rand der Schale.

Eta hielt plötzlich eine Gerte in der Hand und stand auf.

Ich setzte die Schale ab und senkte den Kopf. Sie schlug mich nicht. Ich erkannte, daß sie das Erste Mädchen im Lager war, daß ich ihr gehorchen mußte, daß sie mit der Gerte die Vollmacht erhalten hatte, mir die Arbeit zuzuteilen. Plötzlich hatte ich Angst vor ihr. Bis vor kurzem hatte ich noch auf sie herabgesehen, jetzt begann ich zu zittern. Ich machte mir klar, daß ich ihr gehorchen mußte.

Eta bedeutete mir aufzustehen. Gemeinsam säuberten wir in dem kleinen Bach die Kupferschalen und wischten sie wieder trocken. Dann räumten wir im Lager auf.

Männer riefen. Eta eilte los und brachte ihnen Wein und Paga. Ich half ihr, indem ich Getränke und Kelche zum Feuer trug. Als sie die Männer zu bedienen begann, hielt ich mich im Hintergrund. Wie hübsch sie anzuschauen war; die wohlgeformten Beine unter dem kurzen Kleidungsstück, der Widerschein des Feuers auf ihrem Gesicht und Haar. Wie selbstverständlich, wie natürlich kam es mir in diesem Augenblick vor, daß ein schönes Geschöpf wie sie die Männer bediente.

»Kajira!« rief ein Mann. Ich begann zu zittern. Er meinte mich! Ich hastete zu ihm und kniete nieder. Mit sicheren Bewegungen fesselte er mir die Hände auf dem Rücken, deutete auf ein Stück Fleisch und gab mir einen Schubs. Lachend wies er auf das Fleisch. Wie konnte ich ihn bedienen, wenn ich gefesselt war? Mein Herr winkte mich zu sich. Mit Mühe stemmte ich mich hoch, was die Männer zum Lachen reizte, und ging zu meinem Herrn und kniete vor ihm nieder. Er schnitt ein kleines Stück geröstetes Tabukfleisch ab und schob es mir zwischen die Zähne. Dann deutete er mit dem Messer auf den anderen Mann. Dieser gab mir durch Zeichen zu verstehen, daß ich näherkommen und ihm das Fleisch in den Mund schieben sollte. Schamrot gehorchte ich, und er griff das Fleisch mit den Lippen und zog es mir aus dem Mund. Die anderen Männer lachten brüllend. Nacheinander mußte ich auch die übrigen Angehörigen des Lagers auf diese Weise versorgen – nur der Mann, der mir die Fleischstücke abschnitt, mein Herr, ließ sich nicht bedienen. Dabei wäre ich von allen am liebsten zu ihm gekrochen. Ich wollte seine Lippen auf den meinen spüren, ich wollte meinen gefesselten Körper in seine Arme werfen. Da runzelte er die Stirn, und ich zuckte zurück. Er schnitt weitere Fleischstücke zurecht und warf sie mir hin; jetzt durfte auch ich essen. Tränen fielen ins Gras, während ich das Fleisch vom Boden aufnahm wie ein Tier. Einer der Männer löste meine Fesseln, und ich kroch zu Eta, die außerhalb des Feuerscheins hockte, und versteckte mich in ihren Armen.

Später begannen die Männer Geschichten zu erzählen und zu singen. Sie verlangten mehr Wein und Paga, und Eta und ich versorgten sie mit allem Nötigen. Dabei mußte ich das Getränk einschenken, den Kelch an die Lippen pressen und ihn dem Mann übergeben.

»Paga!« rief mein Herr. Zitternd füllte ich seinen Kelch; ich stellte mich ungeschickt dabei an. Der Paga schwappte im Kelch herum, wurde aber nicht verschüttet. Ich reichte ihm den Kelch. Doch er nahm ihn nicht. Verwirrt kauerte ich mich zusammen. Da erkannte ich, daß ich in meiner Verwirrung vergessen hatte, die Lippen an den Kelch zu pressen. Ich holte dieses Versäumnis nach, inbrünstig, liebevoll, mit geschlossenen Augen. Auf der Erde hatte ich keinen Mann mit der Hilflosigkeit und Leidenschaft geküßt, die ich dem Trinkkelch meines goreanischen Herrn zuteil werden ließ. Ich gehörte ihm. Ich liebte ihn! Ich spürte das Metall des Gefäßes auf meinen Lippen, öffnete die Augen und reichte ihm das Gefäß. Es war, als böte ich mich selbst ihm dar. Er nahm den Kelch und ließ mich gehen.

Später am Abend begaben sich die Männer zu ihren Zelten. Eta und ich verstauten die übriggebliebenen Nahrungsmittel, spülten die Kelche und räumten an der Feuerstelle auf. Dann reichte sie mir eine dünne Decke aus rauhem Reptuch. »Eta!« rief ein Mann. Sie ging zu ihm, verschwand unter seiner Zeltbahn, legte sich zu ihm auf seine Felle. Ich sah, wie sie die kurze Tunika hochzog, wie sie die Arme um den Mann schlang, der sich auf sie wälzte.

Plötzlich hatte ich Angst. Die winzige Decke um die Schultern geschlagen, ging ich zur Felswand und blickte an den steilen Klippen empor, die im Mondlicht schimmerten. Verzweifelt versuchte ich mit den Fingern Halt zu finden. Dann ging ich zu der mächtigen Dornenmauer, eine kleine, bleiche Gestalt in der Nacht, ein Stück Reptuch um den Schultern. Die Dornenbarriere war acht Fuß hoch. Vorsichtig streckte ich die Hand aus, zog sie aber sofort wieder zurück. Ich kehrte zu der Stelle zurück, wo Eta mir das Reptuch gegeben hatte, und legte mich zitternd auf den harten Boden, in dem Bewußtsein, daß ich jederzeit wie Eta in das Zelt eines Mannes gerufen werden konnte. Die Hauptpflichten eines Sklavenmädchens bestehen wohl nicht darin, zu kochen, zu nähen oder zu waschen, sondern dem Manne zu gefallen, ihn auf exquisite Weise zu erfreuen.

Bei diesem Gedanken wurde mir heiß. Mich erschreckte die Totalität meines Sklavendaseins. »Ich bin ein Erdenmädchen!« redete ich mir ein. »Ich bin keine Sklavin! Ich kann keine Sklavin sein!«

»Kajira!« rief in diesem Augenblick eine Stimme.

Entsetzt raffte ich meine Reptuchdecke um mich, hockte mich auf die Knie. Mein Herr stand vor seinem Zelt. Unter der Plane sah ich seine Felle im Schein einer kleinen Lampe.

Ich wollte nicht, daß er seinen Befehl wiederholen mußte.

Ich ging zu ihm. Er reichte mir einen Kelch, den ich in einem Schluck leerte. Die Flüssigkeit schmeckte übel, doch ich wagte keinen Widerspruch. Damals wußte ich noch nicht, daß es sich um Sklavenwein handelte, eine Mischung, die empfängnisverhütend wirkte.

Mein Herr nahm mir das Gefäß wieder ab, warf es ins Gras. Er hatte den Blick nicht von mir gewandt. Ich spürte seine Hände an meiner Schulter. Er öffnete die Decke, hob sie zur Seite, ließ sie fallen.

Er blickte mich an. Ich stand dicht vor ihm. Dann umfaßte er meinen linken Arm und schob mich in die niedrige Öffnung seines Zelts. Unter der Plane konnte man nicht stehen. Ich kniete auf den Fellen, die den Boden bedeckten. Ihre Weichheit und meine ärmliche Reptuchdecke ließen sich nicht miteinander vergleichen. Der Zeltstoff war auf der Innenseite gestreift; die kleine Lampe kunstvoll verziert. Außen war das Zelt interessanterweise dunkelbraun, eine Farbe, die zwischen Bäumen und im Unterholz kaum auszumachen ist. Der Mann folgte mir ins Zelt, hockte sich neben mir hin. Er löste seinen Schwertgürtel und legte ihn zur Seite. Dann sah er mich an. Er hob die Lampe, um das Brandzeichen an meinem Schenkel zu untersuchen. Seine Hand, die meinen Schenkel berührte, ängstigte mich. Sie war stark und doch zärtlich. Das Zeichen war sauber ausgefallen, ein feminin-liebliches, anmutig geschwungenes Zeichen. Ich starrte in die Augen meines Herrn. Noch nie hatte ich mich so schwach, so verwundbar, so hilflos gefühlt – und so sehr als Frau. In meinen Augen standen Tränen. Ich wußte, daß ich diesem Kämpfer gehörte, bedingungslos. Ich sah, wie er die Lampe zur Seite stellte. Ich hob meine Lippen den seinen entgegen. Ich spürte seine Arme, die mich umschlossen.

Hingebungsvoll ließ ich mich auf die Felle sinken. Ich spürte, wie meine Beine auseinandergedrängt wurden und zog die Knie an.

»Ich liebe dich«, flüsterte ich, hilflos in seinen Armen liegend, » – Herr.«

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