»Ich gebe dir vier Kupfertarsks für sie«, sagte der Soldatenführer.
»Zehn«, forderte Löffelhändler.
»Sechs«, sagte der Soldat.
»Gemacht!«
Mein Körper tat mir weh. Meine Handgelenke waren gefesselt. Ich war nackt – und hatte soeben den Besitzer gewechselt.
Der Hauptmann hatte mich gründlich untersucht. Seiner Berührung hatte ich nicht widerstehen können.
»Sie muß wohl noch ein bißchen gezähmt werden«, sagte er. »Das schaffen wir aber schon.«
Tup Löffelhändler erhielt sein Geld und ging.
»Sieh mich an«, sagte der Hauptmann.
Ich öffnete die Augen.
»Du bist jetzt ein turisches Mädchen«, stellte er fest.
»Ja, Herr«, erwiderte ich. Für sechs Kupfertarsks war ich verkauft worden. Dies war mein Wert auf Gor.
Mein neuer Herr ging zu seinem Tisch und nahm einen offenen Sklavenkragen aus einer Schublade. Das Gebilde unterschied sich von den üblichen goreanischen Kragen: es handelte sich um einen turischen Kragen. Üblicherweise bestehen die Kragen aus einem flachen gebogenen Band mit Scharnier, das den Hals des Mädchens eng umschließt. Der turische Kragen aber sitzt wesentlich lockerer und erinnert an einen aufklappbaren Halsring.
Der Mann warf den Ring auf den Tisch. Ich sah zu, wie er klirrend landete. Noch hatte ich keinen Sklavenkragen getragen und hatte plötzlich Angst. Ich würde das Ding nie wieder loswerden!
Mit einem ominösen Klicken schloß sich der Kragen um meinen Hals.
Daraufhin wandte sich der Hauptmann ab und bewegte eine Glocke. Ein Wächter erschien. »Laß Sucha kommen«, ordnete mein Herr an. »Wir haben ein neues Mädchen.«
Ich hockte vor seinem Tisch. Mein Herr setzte sich wieder und begann zu schreiben – vielleicht trug er mich und den gezahlten Preis in seine Bücher ein. Unauffällig berührte ich den runden schimmernden Stahlkragen mit den Fingern.
Ein leises Klirren ertönte. Neben mir erschien eine Frau. Vier Reihen kleiner Glocken hingen an ihrem linken Fußgelenk. Eine Peitsche stieß mich in die Seite.
»Steh auf!« sagte sie. Das Mädchen trug ein kurzes gelbes Seidengewand. Sein dunkles Haar war mit einem gelben Seidenband zurückgebunden.
Ich gehorchte.
»Eine Dina«, stellte die Frau fest.
Sie trug das übliche Kajira-Zeichen deutlich sichtbar am Bein.
»Ich bin Sucha«, sagte die Sklavin. »Wie bist du bisher genannt worden?«
»Dina«, antwortete ich.
Sucha blickte zu dem Hauptmann hinüber. »Den Namen können wir behalten«, entschied er.
»Folge mir, Dina«, befahl Sucha und machte kehrt.
Wir gingen durch einen langen Korridor, bogen ab und passierten nacheinander mehrere Gänge. Dabei kamen wir an zahlreichen Lagerräumen vorbei, die mit Gittertüren verschlossen waren. Einmal wurde vor uns eine schwere Eisentür geöffnet, an der ein Wächter stand. Dahinter erstreckten sich Korridore mit weiteren Warenlagern.
»Halt!« sagte Sucha schließlich. »Dies ist der Eingang zu den Unterkünften der Sklavinnen.«
Wir standen vor einer kleinen, soliden Eisentür.
»Tritt ein«, forderte mich Sucha auf.
Ich drückte den Griff der Tür nieder, ließ mich auf die Knie sinken und kroch durch die niedrige Öffnung. Sucha folgte mir.
Drinnen standen wir auf, und ich sah mich erstaunt um. Der Raum war hoch und hell; er enthielt zahlreiche schmale weiße Säulen und war mit kostbaren Wandbehängen ausgestattet; Kacheln schimmerten in sattem Purpur, ein Schwimmbecken war in den Boden eingelassen, an einigen Wänden befanden sich schimmernde Mosaiken. Dargestellt waren Szenen mit Skla venmädchen, die ihren Herren zu Diensten waren. Durch hohe vergitterte Fenster strömte Licht herein. Hier und dort lagen Mädchen am Becken, die offenbar nichts zu tun hatten. Sie musterten mich abschätzend.
»Ein schönes Zimmer«, sagte ich.
»Knie nieder!« befahl Sucha.
Ich gehorchte.
»Du bist Dina«, sagte sie. »Du bist jetzt Sklavin in der Feste Turmussteine. Es handelt sich um eine Kaufmannsfestung, die unter dem Banner und Schild Turias steht.«
Daß die Burg unter dem Banner Turias stand, war nicht nur eine Abgrenzung zu den Burgen anderer Städte, sondern in erster Linie zu den ›freien Burgen‹, die ohne Bindung an eine bestimmte Stadt auf eigene Rechnung von der Kaufmannskaste unterhalten werden. Diese Kaste arbeitet auch in anderer Hinsicht gewissermaßen international. Sie organisiert die großen Jahrmärkte, die viermal im Jahr in der Nähe des Sardargebirges stattfinden. Außerdem ist die Kaufmannskaste für gewisse freie Hafenstädte an der Küste des Thassa und einige Inseln zuständig. In einer ›freien Burg‹ kann der Lagerraum von jedem angemietet werden. In einer Bannerburg, die von einer bestimmten Stadt geführt wird, haben die Händler und Bürger der betreffenden Stadt natürlich Vorrechte oder sogar Exklusivität. Daß Turmussteine außerdem noch unter dem Schild Turias stand, besagte, daß sich hier eine turische Garnison befand. Es kommt durchaus vor, daß eine Kaufmannsfestung das Banner einer Stadt führt und von jener Stadt bewacht wird, in deren Bereich sie steht. Turmussteine jedoch war ganz turisch.
»Die Garnison umfaßt hundert Mann und fünf Offiziere«, fuhr Sacha fort. »Außerdem haben wir zwanzig Mann zusätzliches Personal – Arzt, Träger, Schriftgelehrte und so weiter.«
Die anderen Mädchen umringten Sucha und mich. Die meisten waren nackt. Alle trugen turische Sklavenkragen.
»Ein neues Mädchen für die Seide.«
»In Turmussteine sind wir achtundzwanzig Mädchen«, erläuterte Sucha. »Wir kommen aus neunzehn Städten.
»Sie ist hübsch«, sagte eine Sklavin.
Ich lächelte.
»Zeigt ihr, daß sie das geringste Mädchen hier ist«, sagte Sucha.
Ich wurde von hinten am Haar gepackt und rücklings auf den Boden geschleudert. Ich schrie auf. Die anderen Mädchen begannen mich zu treten und auf mich einzuschlagen. Ich wand mich hilflos.
»Es reicht«, befahl Sucha. Die Szene hatte nur wenige Sekunden gedauert. Ich sollte eingeschüchtert werden. Entsetzt hob ich den Kopf.
»Du bist das neueste Mädchen hier«, stellte Sucha fest.
»Ja, Herrin«, antwortete ich verschreckt. Ich wagte es nicht, den anderen in die Augen zu blicken. Ich spürte ihre Bereitschaft, mich beim geringsten Anlaß von neuem an meinen unwürdigen Status zu erinnern.
Aus der Nähe hörte ich plötzlich das Rasseln eines Gitters und eine männliche Stimme.
»Sulda soll sich fertigmachen!« rief der Mann befehlsgewohnt. »Hak Haran wartet auf sie!«
»Beeil dich, Sulda«, flüsterte Sucha. »Hak Haran wartet nicht gern.«
»Ja, Herrin!« sagte eine bildhübsche Brünette, die sich sichtlich freute.
»Das Mädchen kommt!« rief Sucha zum Gitter hinüber und schickte dann die anderen Sklavinnen fort.
»Sie mögen mich nicht«, sagte ich.
»Du bist eben sehr hübsch«, antwortete Sucha. »Ganz natürlich, daß sie etwas gegen dich haben. Denk daran, daß du die Geringste unter ihnen bist. Sei ihnen zu Gefallen. Verhalte dich vorsichtig.«
»Ja. Herrin.«
»Jetzt folge mir.«
Mir war bekannt, daß es oft den Sklavinnen überlassen wurde, unter sich eine Rangordnung zu schaffen. Sklavenherren mischten sich in solche Dinge selten ein. Normalerweise hatte das größte und kräftigste Mädchen die Oberhand und stellte es gewöhnlich den anderen frei, sich zu arrangieren. Dabei kann es zu erbitterten Kämpfen kommen. In einem abgeschlossenen Sklavenquartier wie dem unseren waren diese Dinge gewöhnlich genau festgelegt. Ich war jedenfalls das jüngste Mädchen.
»Deine Unterkunft«, sagte Sucha. »Hier wirst du jeden Abend eingeschlossen, wenn du nicht die Männer bedienst.«
»Ja, Herrin«, sagte ich.
Es handelte sich um eine zellenähnliche Nische, die von dem großen Zimmer abging und eine kleine Gittertür besaß. Die Schwelle ließ sich nur auf Händen und Knien überschreiten. Die Einrichtung bestand aus einer dünnen roten Matratze und einer zerknitterten Sklavendecke.
»Ich hoffe, du bist mit deiner Unterkunft zufrieden«, sagte Sucha.
»Ja, Herrin«, erwiderte ich und lächelte. In der Tat handelte es sich um den luxuriösesten Käfig, den ich bisher auf Gor gesehen hatte. Was konnte sich ein Mädchen mehr wünschen – es sei denn in den Fellen ihres Herrn zu liegen?
»Folge mir.« – »Ja. Herrin.«
Sie führte mich um das Schwimmbecken herum in einen anderen Raum.
»Wir sind vorhin durch die Hintertür gekommen«, erklärte sie. »Wie du siehst, hat die Tür auf dieser Seite keinen Griff. Sie kann nur von außen geöffnet werden.«
Ich dachte an das Eisentor weiter unten am Korridor, vor dem ein Wächter stand.
»Warum steht denn ein Wächter im Korridor?«
Sucha musterte mich erstaunt. »Hast du nicht die Türen am Gang gesehen?«
»Doch.«
»Na, die muß der Soldat bewachen!«
»Nicht uns?«
Sucha lachte. »Wir sind das am wenigsten Wertvolle in der Festung«, antwortete sie.
»Oh«, sagte ich enttäuscht und starrte auf das kleine, kompakte Tor, das sich von innen nicht öffnen ließ. Im Korridor dahinter befanden sich die Lagerräume für hochwertige Waren, die einen zusätzlichen Wächter im Korridor erforderten. Die außerhalb dieses Bereichs untergebrachten Güter waren offenbar nicht so wertvoll. Suchas Worte, wonach wir das am wenigsten Wertvolle in der Festung waren, ärgerten mich, bis mir einfiel, daß ich ja selbst nur sechs Kupfertarsks gekostet hatte.
Sucha ging an einem kleinen Zimmer vorbei und erreichte einen kurzen Korridor, der aus dem großen Zimmer führte. Dieser Gang war durch ein riesiges Gittertor versperrt; etwa zwanzig Fuß dahinter ragte ein zweites Tor auf. Gegen dieses Tor hatte der Mann gehämmert, ehe er Sulda rief. Die Tore waren mit schweren Schlössern gesichert.
»Du siehst, es gibt kein Entkommen«, sagte Sucha. »Und jetzt gehen wir weiter.«
Mit einem letzten Blick auf die dicken Gitterstäbe und Schlösser folgte ich ihr. Sie führte mich in das kleine Zimmer, das wir eben schon passiert hatten. Hier konnten sich die Sklavinnen auf ihre Aufgaben vorbereiten.
Hier wurde gebadet; hier wurden mir die Haare gewaschen und gekämmt. Hier wurde mir gezeigt, wie ich die Seidengewänder und Glöckchen der Tanzskla vin anlegen mußte. Ich erhielt einen ersten Eindruck von den vielen Details, die bei den kosmetischen Vorbereitungen einer Sklavin zu beachten waren.
»Du scheinst mir nicht gerade viel zu wissen«, stellte Sucha schließlich fest.
»Sehr wenig, Herrin.«
»Du hast keine Ahnung von den Künsten, die eine Sklavin beherrschen muß«, wiederholte Sucha. »Du scheinst nichts zu wissen über Bewegungen und Blicke, über Positionen und Variationen im Gesichtsausdruck einer Sklavin, geschweige denn von den Techniken, die für dein weiteres Wohlergehen entscheidend sein können.«
Erschrocken blickte ich sie an.
»Du bist jedenfalls hübsch«, fuhr sie fort. »Bei einem hübschen Mädchen sind die Männer großzügiger. Noch ist alle Hoffnung nicht verloren.«
»Vielen Dank, Herrin«, flüsterte ich. Später kamen andere Sklavinnen in das Vorbereitungszimmer; wie ich mußten sie das Abendessen auftragen und die Männer anschließend mit Getränken versorgen. In einer goreanischen Festung, die sich nicht im Kriegszustand befindet, wird die abendliche Freizeit höchst angenehm zugebracht.
»In fünf Ehn«, rief ein Mann von draußen, »müßt ihr im Eßsaal sein!«
Die Mädchen beendeten hastig ihre Vorbereitungen. Einige verbesserten ihr Make-up, zwei hätten sich beinahe wegen einer Schale mit Lidschatten gestritten, doch Sucha schob ihre Peitsche dazwischen. Sulda kehrte strahlend vom Lager Hak Harans zurück. Die Mädchen glätteten ihre Seidengewänder.
Ich starrte auf das unglaublich hübsche Mädchen, das mich aus dem Spiegel anschaute – gekleidet in einen roten Seidenfetzen, parfümiert, angemalt, weich, mit Armreifen und Glöckchen an den Armen, am Hals der turische Kragen, um den einige Goldperlen gewunden worden waren.
»Sie ist schön«, flüsterte ich. Sucha hatte mir sehr geholfen, mich herauszuputzen.
»Für ein Hausierermädchen nicht übel«, stellte Sucha lächelnd fest.
»Ich habe Angst«, sagte ich.
»Du brauchst keine Angst zu haben.«
»Was muß ich tun?«
»Deine Schönheit zur Schau tragen und gehorchen«, antwortete die andere. Ich betrachtete das Mädchen im Spiegel und dachte an Thurnus’ Worte: »Dein Platz ist zu den Füßen eines Mannes.« Daran zweifelte ich nun nicht mehr – das Mädchen im Spiegel war eine wahre Sklavin.
Das innere Tor wurde rasselnd aufgestoßen.
Die Mädchen waren nervös, sogar ängstlich. Auch Sucha schien sich von dieser Stimmung anstecken zu lassen. »Beeil dich!« rief sie.
Wir eilten aus dem kleinen Zimmer in den Korridor, unseren abendlichen Aufgaben entgegen.