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Ich spürte, wie ich rücksichtslos auf den Rücken gerollt wurde. »Veck, Kajira«, sagte eine rauhe Stimme. Ich riß erschrocken die Augen auf. Eine Metallspitze berührte an der linken Hüfte meinen Körper; der Speer wurde gewendet und mir mit dem Schaft heftig gegen den Oberschenkel gestoßen. Der Mann trug einen Bart. Ich lag zwischen seinen Beinen und blickte entsetzt zu ihm auf.

Er war nicht allein; ein Stück hinter ihm stand ein zweiter Mann. Beide trugen rote Tuniken, Schwerter und Dolche; der weiter entfernt stehende Mann hatte sich einen Schild auf den Rücken geschnallt und trug einen Speer, unter dessen Klinge ein Helm mit einem flauschigen Federbüschel hing; um den Hals trug er eine Kette aus den Zähnen eines mir unbekannten wilden Tiers. Der Mann hatte Helm und Schild abgelegt; die Helme schienen den ganzen Kopf zu umschließen und besaßen vorn Öffnungen, die ungefähr die Form eines ›Y‹ aufwiesen. Beide Männer trugen ihr Haar lang.

Ich stand auf und versuchte meine Blöße zu bedecken. Solchen Männern war ich noch nicht begegnet. Sie strahlten etwas beängstigend Animalisches aus.

Der Bärtige trat dicht vor mich hin. Ich sah die breiten schimmernden Ledergurte, die die mächtige Klinge hielten; darunter spannte sich das rote Leinengewebe seiner Tunika. Wenn er mich jetzt ergriffe und mit aller Kraft an sich drückte, deren ich ihn für fähig hielt, so müßten sich die Gurte und das grobe Gewebe auf meinen Brüsten abzeichnen.

Ich spürte seine Dolchspitze unter meinem Kinn. Ich schrie auf und stellte mich auf die Zehenspitzen. So stand ich vor den beiden, aufrechter als je zuvor.

Der Mann trat zurück und begann, begleitet von dem anderen, um mich herumzugehen. Sie schienen sich über mich zu äußern – in einer Sprache, die ich nicht verstand. Ich zitterte. Es dauerte mehrere Minuten, bis die beiden ihre Inspektion beendet hatten. Sie beeilten sich nicht.

Ich spürte das Gewicht des Kragens; die Kette drückte gegen meine Brust.

»Bitte«, flüsterte ich, ohne die Haltung zu verändern.

Der Bärtige trat vor und versetzte mir plötzlich mit der rechten Hand eine heftige Ohrfeige. Ich hatte das Gefühl, daß mir der Kopf explodierte. Ich schmeckte Blut auf den Lippen.

Der Mann bellte ein Kommando. In meiner Panik wußte ich nicht, was ich tun sollte. Unwillkürlich fragte ich mich, wie es um die Frauen auf dieser Welt bestellt sein mochte – auf einer Welt, da es solche Männer gab.

Meine Haare sind dunkelbraun – von der Farbe, die auch meine Augen haben. Meine Haut ist hell, ich bin etwa einsfünfundsechzig groß und wiege ungefähr hundertundzehn Pfund. Meine Figur ist nicht auffällig, aber doch sehr gut.

Ich heiße Judy Thornton, bin Dozentin für Englisch und habe auch ein bißchen Lyrik veröffentlicht.

Nackt und angekettet kniete ich nun vor den beiden Barbaren und hatte entsetzliche Angst. Ich mußte nie derknien und die Beine spreizen, und die Männer blickten auf mich herab.

Ich wagte kaum zu atmen, aus Furcht, wieder geschlagen zu werden. Ich wußte nicht, wozu diese unberechenbaren Männer fähig waren. Ich beschloß, ihnen keinen Grund zum Zorn zu geben.

Die Männer musterten mich eingehend, und der Bärtige sagte etwas Unverständliches. Mit dem Speerschaft zwängte er schließlich meine Knie noch weiter auseinander. Unwillkürlich stöhnte ich auf, in dieser Position fühlte ich mich absolut hilflos. Wie ich später erfahren sollte, kniete ich so in der Haltung einer goreanischen Vergnügungssklavin.

Die beiden Ungeheuer wandten sich von mir ab und machten sich in der Nähe des Felsens zu schaffen. Anscheinend suchten sie etwas.

Nach einer Weile kam der Bärtige zu mir. »Bina?« fragte er aufgebracht. »Bina, Kajira? Var Bina?«

»Ich weiß nicht, was Sie wollen«, flüsterte ich. »Ich verstehe Sie nicht.«

Offenbar fragte er mich nach dem gesuchten Gegenstand.

Plötzlich versetzte er mir mit dem Handrücken einen brutalen Schlag ins Gesicht. Ich war außer mir vor Entsetzen über die Rücksichtslosigkeit dieses Verhaltens und kämpfte gegen die Bewußtlosigkeit. Galt diesem Vieh eine Frau nichts? Er zerrte mich an der Kette hoch und vergrub seine Hände in meinem Haar. »Var Bina, Kajira?« rief er.

»Ich verstehe nicht, was Sie meinen!« schrie ich verzweifelt. Der Schmerz war unglaublich. Meine zarten Finger vermochten gegen seine breiten Hände nichts auszurichten.

Er warf mich kettenrasselnd zu Boden. Entsetzt lag ich vor ihm. »Bitte schlagen Sie mich nicht!« rief ich. »Bitte!« Ich bedeckte den Kopf mit den Händen.

Zornig stand er über mir. Ich wagte nicht aufzublicken, sondern schluchzte vor mich hin.

Plötzlich sagte der andere Mann etwas und stieß mich mit dem Speerschaft an.

Ich richtete mich auf Hände und Knie auf und nahm die knieende Position wieder ein.

Die beiden Männer berieten sich. Zu meinem Entsetzen kam der Bärtige wieder auf mich zu. Er hockte sich vor mir nieder und zog den etwa sieben Zoll langen zweischneidigen Dolch aus der Scheide. Der andere Mann stellte sich hinter mich und zog mir den Kopf zurück.

»Nein!« flehte ich. »Nein!«

»Var Bina, Kajira?« fragte der Bärtige. »Var Bina?«

»Bitte!« flüsterte ich. Ich hätte alles getan für diese Männer. Ich hätte ihnen alles gesagt, was ich wußte, nur hatte ich keine Ahnung, was sie wollten. Ich konnte ihnen die gewünschte Information nicht geben.

»Töten Sie mich nicht!« flehte ich. »Ich tue alles, was Sie wollen! Behalten Sie mich als Gefangene! Bin ich nicht schön? Könnte ich Ihnen nicht zu Diensten sein? Ihre Sklavin? Bitte!«

Ich erbebte, wurde mir doch erst in diesem Augenblick klar, was ich da Schreckliches sagte. »Ich will Eure Sklavin sein, Ihr Herren!« stöhnte ich mein Elend hinaus. Ich wußte es nicht, doch diese beiden Männer, reiche und mächtige Herren, verfügten über viele Frauen, die von gleichem oder größerem Reiz waren als ich. Auf der Erde hatte ich als Schönheit gegolten, während auf Gor – das sollte mir später aufgehen – Mädchen wie auf den Märkten für eine Handvoll Kupfertarsks den Besitzer wechselten. Ich war nichts Besonderes. Auf dem Elite-College war ich das schönste Mädchen der Unterstufe gewesen; im Jahrgang über mir hatte es nur ein Mädchen gegeben, das als schöner gegolten hatte als ich, die hübsche Elicia Nevins, eine Anthropologiestudentin. Wie ich diese Rivalin gehaßt hatte!

Ich spürte die Schneide des Dolches auf meiner Haut. Ich spürte Hand und Arm des Mannes. Mein Leben sollte zu Ende gehen! Ich sollte getötet werden, weil ich den Männern nichts mehr nützen konnte!

Doch die Klinge verhielt und entfernte sich wieder von meinem Hals. Der Bärtige blickte zur Seite, über die Ebene. Im gleichen Augenblick hörte ich es ebenfalls. Ein Mann sang unbeschwert vor sich hin, eine ins Ohr gehende Melodie, in der sich die Tonfolgen laufend wiederholten.

Der Bärtige hob zornig den Kopf, steckte den Dolch fort und ergriff Schild und Speer. Der andere Mann blickte dem Wanderer entgegen, wobei er den Speer in der rechten Hand balancierte. Der Bärtige stand in der Nähe seines Helms.

Ich hockte auf allen vieren im Gras. Der Schock hatte mir die Glieder gelähmt, ich mußte mich erbrechen. Ich zerrte hilflos an dem elenden Metallkragen. Wenn ich nur hätte fortlaufen oder wegkriechen können! Doch ich war angekettet.

Der dritte Mann näherte sich mit gleichmäßigen Schritten. Er machte einen gutgelaunten Eindruck. Er sang aus vollem Hals, als sei er an lange Wanderungen gewöhnt. Sein Haar war schwarz und lang. Auch er trug ein rotes Gewand und war ähnlich gerüstet wie die beiden anderen: mit einem kurzen Schwert an der linken Hüfte, einem kurzen Dolch und schweren Sandalen, die fast schon Stiefel waren. Über der linken Schulter trug er einen Speer, an dem ein Schild und ein Helm baumelten; über der rechten Schulter hing ein Beutel, in dem sich wohl seine Vorräte befanden; an seinem Gürtel war links hinter dem Schwert ein Sack befestigt, der vermutlich Wasser enthielt. Lächelnd kam er durch das hohe Gras näher. Auf den ersten Blick ähnelte er den beiden Männern, die mich miß handelt hatten. Die se aber reagierten auf ihn, als seien sie über sein Erscheinen nicht sonderlich erfreut. Seine Tunika war etwas anders geschnitten; an der linken Schulter befand sich ein Zeichen, das sie nicht hatten. Die Unterschiede waren minimal, doch wer solche Details zu deuten verstand, konnte einiges daraus ableiten. Ich zog an der Kette. Niemand kümmerte sich um mich. Ohne die Kette hätte ich mich vielleicht davonschleichen können.

Etwa zwanzig Meter vor uns hörte der Mann zu singen auf und stand lächelnd im Gras. Er hielt den Speer mit den daran hängenden Gegenständen in der linken Hand und hob die Rechte zum fröhlichen Gruß, die Handfläche nach innen gerichtet, zum Körper.

»Tal, Rarii!« sagte er lächelnd.

»Tal, Rarius«, antwortete der Bärtige.

Der Neuankömmling löste den Wassersack von seinem Gürtel und ließ den Beutel von der Schulter gleiten.

Der Bärtige schwenkte zornig den Arm. Er befahl dem anderen zu verschwinden. Dabei deutete er auf sich und seinen Begleiter. Sie waren zu zweit! Der Neuankömmling lächelte, legte den Speer auf den Boden und löste Helm und Schild.

Der Bärtige setzte den Helm auf, womit sein Gesicht unkenntlich wurde.

Der Neuankömmling kam gelassen näher; dabei trug er den Schild am linken Arm und den Speer in der rechten Hand. Sein Helm hing an Schnüren, die er mit der Rechten hielt.

Wieder winkte ihn der Bärtige weiter. Daraufhin begann ein Palaver, von dem ich nichts verstand. Der dritte Mann äußerte sich in aller Ruhe. Einmal schlug er sich lachend auf die Schenkel. Der Zorn der beiden anderen steigerte sich noch mehr. Einmal schüttelte der Begleiter des Bärtigen seinen Speer.

Der Neuankömmling kümmerte sich nicht um ihn. Er blickte an den beiden Männern vorbei auf mich.

In diesem Augenblick wurde mir eine seltsame emotionelle und physische Reaktion bewußt, die ich eben erlebt hatte, als ich die Männer anflehte, mein Leben zu schonen und mich dafür zu unterwerfen. Bei allen Gefühlen des Entsetzens hatte ich – wie mir jetzt erst aufging – die seltsame und fast hysterische Freigabe einer Spannung, einer aufgestauten Emotion empfunden. Ich hatte Dinge gesagt, von denen ich nie geglaubt hätte, daß sie mir je über die Lippen kommen würden. Daß ich voller Todesfurcht gewesen war und um jeden Preis hatte weiterleben wollen, war Anlaß und Rechtfertigung für mein Flehen – diese Angst war aber keine Erklärung für mein uneingeschränktes Nachgeben, für das Durchbrechen von Beschränkungen, die mir bisher auferlegt gewesen waren, für das sturzflutartige Entzücken, die Hingabe, die Kapitulation vor meiner Angst und vor meinen Instinkten. Es war, als hätte ich durch mein Flehen um Unterwerfung unsichtbare Ketten abgeworfen, die bisher verhindert hatten, daß ich zu mir selbst fand. Aber auf welche Weise? fragte ich mich erschrocken. Durch Preisgabe meiner selbst und meiner Selbstachtung. Meine Gefühle waren aber nicht nur von Entsetzen bestimmt gewesen; sie hatten auch Elemente der Freude, der Befreiung enthalten – und ich war seltsamerweise auch sexuell erregt gewesen. Nie zuvor hatte ich dermaßen erotisch reagiert wie in jenen unglaublichen Sekunden.

Ich betrachtete den Neuankömmling, der mich mit offensichtlichem Interesse musterte. Ich erschauderte. Nackt und angekettet stand ich vor ihm und spürte plötzlich die Hitze des Verlangens. Vielleicht hatte er die Körper vieler Frauen studiert. Jedenfalls grinste er mich wissend an. Zornig errötete ich unter seinem kühn-abschätzenden Blick und senkte den Kopf. Wofür hielt er mich? Für eine angekettete Sklavin, deren Schönheit dem Stärksten gehörte, dem Manne, der das schnellste Schwert führte?

Der Neuankömmling begann zu sprechen und deutete auf mich. Der Bärtige und sein Begleiter reagierten zornig. Der dritte Mann forderte mich! Er wollte mich haben! Er forderte die anderen auf, mich ihm zu überlassen! Welche Kühnheit! Wie sehr ich ihn in diesem Augenblick haßte, wie sehr ich mich zugleich freute! Die Männer lachten. Ich hatte Angst. Sie waren zu zweit! Er sollte fliehen! Er sollte um sein Leben rennen!

»Kajira canjellne!« sagte der Neuankömmling und deutete mit dem Speer auf mich. Sein Blick aber war auf die beiden Männer gerichtet. Dann trat er einige Schritte zurück, hockte sich hin, riß einen Grashalm aus und begann darauf herumzukauen.

Der bärtige Mann kam auf mich zu. Aus seiner Tunika nahm er zwei schwarze geflochtene Lederschnüre, mit denen er mir Hand- und Fußgelenke fesselte. Dann zerrte er mich am Haar empor und schob einen schweren Schlüssel in das Schloß des Kragens. Ich hörte es klicken, dann sprang das Metallband auf. Ich betrachtete das Gebilde. Wie vermutet paßte es zur Kette, ein schweres rundes Band aus schwarzem Eisen – wirksam, praktisch, beängstigend.

Ich war den Kragen los! Trotzdem konnte ich mich nicht rühren! Verzweifelt zerrte ich an meinen Fesseln.

»Kajira canjellne?« fragte der Bärtige. Es war, als wolle er dem Fremden Gelegenheit geben, es sich anders zu überlegen. Vielleicht hatte er sich geirrt? Vielleicht lag ein Mißverständnis vor?

Der Fremde hockte im Gras, den Schild neben sich, den Speerschaft in den Boden gestoßen, die Spitze zum Himmel zeigend. Man hatte ihn durchaus richtig verstanden. »Kajira canjellne«, sagte er.

Zornig zeichnete der andere mit der Speerspitze einen etwa drei Meter durchmessenden Kreis ins Gras und stieß mich hinein. Ich kniete im Kreis.

Dann begann ein Palaver, das wohl dazu dienen sollte, die Bedingungen festzulegen. Es dauerte nicht lange.

Der Fremde hatte sich ebenfalls aufgerichtet und setzte nun den Helm auf. Er befestigte seinen Schild, zog die kurze Klinge an seiner linken Hüfte ein Stück aus der Scheide und überzeugte sich auf diese Weise, ob die Waffe locker saß. Dann wog er den Speer in der rechten Hand. Das Ding hatte einen langen, schweren Schaft, etwa zwei Zoll dick und sieben Fuß lang; die Klinge war einschließlich Halterung zwanzig Zoll lang und beidseitig scharf geschliffen; sie bestand aus Bronze. Angesichts der Solidität der Waffe, der geringen Schwerkraft und der Stärke des Mannes traute ich der Spitze eine große Durchschlagskraft zu; die Schilde wirkten zwar widerstandsfähig, konnten aber einen mit voller Kraft geführten Stoß sicher nicht abwehren, davon war ich überzeugt.

Die beiden Männer, die mich in der Gewalt hatten, sprachen sich kurz ab. Der Mann ohne Bart trat schließlich mit erhobenen Waffen vor. Die Entfernung zum Fremden betrug etwa vierzig Fuß.

Ich war vergessen. Ich kniete im Gras und versuchte mich vergeblich zu befreien. Es dauerte eine Weile, bis sich die Männer zu rühren begannen. Der Fremde lachte laut, hob den Speer und schlug mit dem Schaft gegen den Boden. »Kajira canjellne!« rief er.

Ich traute meinen Augen nicht. Er schien sich förmlich zu freuen! Die Aussicht auf einen Kampf stimmte ihn heiter! Was für ein schrecklicher Mann! Wie stolz, wie großartig!

Vorsichtig begannen sich die Männer zu umkreisen. Ich wartete angstvoll. Plötzlich gingen sie wie auf ein Signal hin brüllend aufeinander los.

Das Ritual des Speerwerfens hatte begonnen.

Der Speer des Mannes ohne Bart schien nach oben zu springen; die Spitze prallte von dem schräggehaltenen Schild des Fremden ab und bohrte sich gut hundert Fuß entfernt ins Gras. Der Speer des Fremden dagegen hatte den Schild des Bartlosen durchbohrt. Der Fremde hebelte die Waffe herum und riß auf diese Weise seinen Gegner, der sich nicht rechtzeitig aus den Schildgurten befreien konnte, hilflos vor sich zu Boden. Der Fremde hatte blitzschnell die Klinge gezogen, die sich nun auf den Hals des Gegners richtete.

Der Fremde stach allerdings nicht zu. Er durchtrennte die Schildgurte des Wehrlosen und befreite seinen Arm. Dann warf er ebenfalls den Schild fort. Mit blankem Schwert wartete er auf den Angriff.

Der andere stemmte sich auf und sprang hoch. Er war außer sich vor Zorn. Sein Schwert zuckte aus der Scheide. Er attackierte den Fremden. Der Kampf begann.

Heftig, doch wohlberechnet waren die Hiebe. Vor und zurück wogte die Auseinandersetzung. Was für Männer waren dies? Warum flohen sie nicht entsetzt vor solchen Klingen? Doch sie hieben stur aufeinander ein, um Leben und Tod. Wie sehr ich solche Männer fürchtete und noch immer fürchte! Was bleibt einer Frau anderes übrig, als vor Wesen dieser Art zu verzagen?

Einer der Kämpfer zuckte ächzend zurück, drehte sich zur Seite, brach in die Knie , fiel auf die Seite. Zusammengekrümmt lag er da, die Hände gegen den Bauch gepreßt, die Klinge im Gras. Er begann zu bluten.

Der Fremde trat mit befleckter Klinge zurück. Sein Blick suchte den Bärtigen.

Dieser hob Schild und Speer. »Kajira canjellne!« sagte er und machte Anstalten, seinen Speer aus dem Schild des Verwundeten zu ziehen. Im gleichen Augenblick stieß der Bärtige einen lauten Schrei aus und stürzte sich mit erhobenem Speer auf den anderen.

Ehe ich aufschreien konnte, hatte der Fremde reagiert; aus seiner gebückten Stellung heraus ließ er sich zur Seite rollen, sprang im Bruchteil einer Sekunde hoch und erwartete den anderen. Als mein Schreckensschrei schließlich doch ertönte, war die Speerspitze des Bärtigen bereits links am Helm des Fremden vorbeigefahren. Der Fremde war zur Seite gesprungen; zum erstenmal schien er sich über etwas zu ärgern. Der Speer des Bärtigen bohrte sich tief ins Gras. Mit gezogenem Schwert stand er nun dem Fremden gegenüber. Kaum war der Stoß vorbeigegangen, da hatte er den Speer auch schon losgelassen und war herumgewirbelt, um sein Schwert zu ziehen. Der andere hatte die Gelegenheit aber nicht genutzt. Er wartete in Lauerposition und machte eine Geste mit seiner Klinge, zum Zeichen, daß der Kampf nun beginnen könne.

Mit einem Wutschrei sprang der Bärtige los, den Schild vorstoßend, das Schwert tief haltend. Der Fremde stand aber nicht mehr an Ort und Stelle. Noch zweimal griff der Bärtige an, und jedesmal wich der andere geschickt aus. Beim viertenmal huschte der Fremde sogar links hinter seinen Angreifer und richtete die Klinge auf seine Achselhöhle. Der Bärtige erstarrte. Das Schwert des Fremden bewegte sich, durchschnitt die Schildgurte des Bärtigen. Der Schild fiel zu Boden, kippte um, wackelte ein wenig und lag schließlich still, die konkave Innenseite nach oben gerichtet. Ich sah die durchtrennten Bänder.

Die beiden Männer starrten sich an und begannen zu kämpfen.

Erst in diesem Augenblick ging mir auf, mit welcher Geschicklichkeit der Fremde kämpfte. Keinen Augenblick lang ließ er seinen Gegner merken, wie gut er wirklich war – der Bärtige lief ihm immer wieder in die Falle. Viermal unterlief der Fremde die Abwehr des anderen und richtete seine Klinge auf Brust oder Hals, verzichtete aber auf den tödlichen Hieb oder Stich. Er drängte den Bärtigen zurück, bis dieser den liegenden Schild hinter den Füßen spürte, stolperte und dann hilflos vor dem Angreifer im Gras lag. Verächtlich trat der Mann zurück, und der Bärtige rappelte sich wieder auf.

Schließlich nahm er seine Klinge und stach sie tief ins Gras. Dann betrachtete er den Fremden.

Dieser ließ das Schwert in die Scheide gleiten. Der Bärtige lockerte seinen Gürtel und ließ ihn samt Dolch ins Gras fallen. Dann ging er langsam zu seinem Begleiter und entwaffnete ihn ebenfalls. Der Mann preßte seine blutige Tunika auf die Wunde. Der Bärtige zerrte den anderen hoch, stützte ihn und entfernte sich langsam vom Ort des Geschehens.

Der Fremde blickte den beiden nach, bis sie in der Ferne verschwanden.

Nach einiger Zeit machte er sich daran, seinen Speer von dem durchstoßenen Schild zu lösen; schließlich preßte er ihn wie eine Standarte mit dem Heft voran in die Erde und lehnte seinen Schild daran.

Dann erst wandte er sich zu mir um.

Langsam kam er auf mich zu. Angst stieg in mir auf. Er mußte doch mein Entsetzen spüren! Wurde es nicht sichtbar in meinem gefesselten Körper, in meiner Verwundbarkeit? Ich wartete darauf, daß er ein freundliches Wort sagte, irgend etwas, das mich beruhigen konnte, das meine Befürchtungen eindämmte. Doch er schwieg.

Ich wagte den Kopf nicht zu heben. Warum sagte er nichts zu mir? Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, daß er den Helm abnahm und ins Gras fallen ließ.

Dann spürte ich seine Hand im Haar, nicht grausam, sondern fest und gleichgültig, als betastete er die Mähne eines Pferdes. Er zerrte meinen Kopf zurück, bis ich rückwärts geneigt vor ihm hockte, erschreckt in den Himmel blickend. Er betrachtete mich, dann warf er mich auf die Seite und streckte mich aus. Er ging um mich herum und betrachtete mich. Er trat gegen meine Zehen, bis sie nach unten zeigten. Er hockte sich neben mich, rieb mit der Hand über die Abschürfungen an meinem Hals. Er befühlte meine Oberarme und meine Finger. Seine Hände strichen mit fester Bewegung über meinen Körper, als wollte er meinen Atem erspüren. Er bewegte meine Beine.

Noch nie hatte mich ein Mann so schamlos berührt, kein Mann von der Erde hätte es gewagt, so mit einer Frau umzugehen. Er untersuchte sogar meine Zähne! Mich entsetzte die Rücksichtslosigkeit, mit der er mich befühlte. Hielt er mich denn für ein Tier? Für ein bloßes Besitzstück?

Schließlich stand er über mir und betrachtete mich.

Ich überlegte mir, wie ich für ihn wohl aussehen mochte. Während der Untersuchung hatte ich seine unglaubliche Männlichkeit gespürt, sein tierisches Mannsein, so anders als die entartete, verkrüppelte Sexualität, wie sie bei den Männern der Erde zu finden ist. Zum erstenmal in meinem Leben glaubte ich zu verstehen, was das Wort ›Mann‹ bedeutete – und stellte mir gleich darauf die beunruhigende Frage, wie es dann wohl mit dem Begriff ›Frau‹ stand.

Er sagte etwas zu mir. Ich spürte seinen Atem im Gesicht und begann zu zittern. »Bitte«, sagte ich. »Ich spreche Ihre Sprache nicht. Bitte lösen Sie meine Fesseln.«

Schließlich zerrte er mich an den Armen hoch und blickte mir in die Augen. Ich reichte ihm nur bis zur Brust, deren Umfang mich faszinierte. Wieder fragte er etwas, und ich stammelte: »Ich verstehe Sie nicht.« Plötzlich begann er mic h zu schütteln. Ich hatte das Gefühl, der Kopf würde mir abgerissen. Dann ließ er mich los. Da ich an Füßen und Händen gefesselt war, sank ich hilflos zu Boden. Schluchzend blickte ich zu ihm empor.

Im nächsten Augenblick zog er das Schwert aus der Scheide.

»Töten Sie mich nicht!« flehte ich. »Bitte töten Sie mich nicht!«

Die Klinge näherte sich. Mühelos durchtrennte die scharfe Kante meine Fußfesseln.

Dann wandte er sich ab, holte Beutel und Wassersack und befestigte beides an seinem Gürtel. Er ergriff seinen Helm, ging zu dem Speer, machte Helm und Schild daran fest und legte sich diese Last über die Schulter. Ohne mich anzusehen setzte er sich in Marsch. Ich blickte ihm nach. Dann rappelte ich mich auf, was mit gefesselten Händen gar nicht so einfach war. Ich sah mich am Ort des Geschehens um, ich betrachtete die zurückgebliebenen Schilde, die herumliegenden Waffen. Der Mann war bereits ein gutes Stück entfernt. »Verlassen Sie mich nicht!« rief ich. »Lassen Sie mich nicht allein!«

Ich verließ den Kreis, in dem ich mich aufgehalten hatte, und rannte ihm nach. »Bleiben Sie doch stehen!« rief ich. »Warten Sie! Bitte warten Sie doch!«

Keuchend eilte ich hinter ihm her, stolpernd, immer wieder fallend. »Bitte warten Sie!« rief ich.

Atemlos, stolpernd, mich aufraffend, so folgte ich ihm.

Einmal drehte er sich um und beobachtete mich. Schweratmend blieb ich stehen. Er wandte mir wieder den Rücken zu und ging weiter. Als ich nur noch zwanzig Meter von ihm entfernt war, drehte er sich wieder um. Sein Blick führte dazu, daß ich unwillkürlich den Kopf senkte. Er ging weiter, und kurz darauf hatte ich ihn eingeholt. Ich hielt mich etwa drei Meter hinter ihm. Als er sich das nächstemal umdrehte, kam er auf mich zu und blieb etwa einen Meter vor mir stehen. Ich stand starr, ohne den Blick zu heben. Das Bewußtsein seiner Nähe und meiner Nacktheit war überwältigend. Er legte mir einen Finger unter das Kinn und hob meinen Kopf. Als ich in seine Augen sah, wandte ich hastig den Blick ab. Zu meinem Entsetzen wollte ich, daß er mich reizvoll fand. Er betrachtete mich eine Minute lang, dann nahm er Schild und Helm und Beutel und Wassersack und band sie mir um den Hals. Ich drohte das Gleichgewicht zu verlieren, so schwer waren die Lasten. Dann marschierte er weiter. Schwerbeladen folgte ich ihm.

Ich wußte nicht, was mit mir geschah. Ich war angekettet und nackt auf einer fremden Welt erwacht. Männer, die den Schlüssel zu meinem Metallkragen besaßen, waren gekommen und wollten mich offenbar abholen. Aber wer hatte mich vorher dort abgesetzt? Was wollten sie von mir? Sie hatten mich ausgefragt und geschlagen. Ihre Forderungen kreisten um das oft gesprochene Wort ›Bina‹, das ich nicht kannte. Was bedeutete dieses Wort? Offenbar hatten die Männer erwartet, daß ich etwas bei mir hatte, etwas, das nun nicht mehr zu finden war. Vielleicht war ein wichtiger Plan durcheinandergebracht worden oder fehlgeschla gen. Ich wußte es nicht. Ich verstand überhaupt nichts. Es konnte genauso gut sein, daß noch alles nach Plan verlief. Vielleicht trug ich noch in diesem Augenblick ein Geheimnis bei mir, das die beiden Männer nicht kannten. Vielleicht waren sie von unvollständigen oder unrichtigen Informationen ausgegangen. Ich ahnte, daß ich eine wesentliche Rolle bei etwas spielte, von dem ich ansonsten nichts wußte. Weshalb sollte ich sonst auf diese Welt gebracht worden sein? Wenn ich lediglich als Frau hier abgesetzt worden war, zur Freude von Männern, ergab das gründliche Verhör der Männer keinen Sinn. Warum hätten sie dann Anstalten machen sollen, mich umzubringen?

Schließlich war der Fremde gekommen und hatte mich befreit.

Ich blickte zu den drei Monden empor. Ich folgte diesem Mann im hellen Schein der herrlichen Monde, ich trug seinen Schild, seine Vorräte, ich folgte ihm wie ein Lasttier, wie eine Gefangene, nackt und gefesselt – trotz allem erfüllte mich ein phantastisches Gefühl der Freiheit, der psychischen Erleichterung. Ich wäre am liebsten zu ihm gelaufen und hätte den Kopf an seine Schulter gelegt. Stundenlang marschierten wir durch das Grasland.

Von Zeit zu Zeit stürzte ich, doch er blieb nicht stehen. Taumelnd kam ich immer wieder hoch und hastete hinter ihm her. Schließlich konnte ich nicht weiter. Mein Körper war solche Belastungen nicht gewöhnt; ich war ja nur ein Erdenmädchen. Mein Atem kam stoßweise, meine Beine zitterten. Ich lag im Gras und konnte mich nicht mehr rühren. Nach einer Weile spürte ich ihn neben mir stehen und auf mich herabblicken. Ich blickte empor und versuchte zu lä cheln. »Ich kann nicht mehr«, sagte ich. Er mußte meine Erschöpfung sehen, meine Hilflosigkeit. Ich konnte mich nicht einmal mehr bewegen! Ich sah, wie er den Gürtel lockerte. Verzweifelt rappelte ich mich auf. Er sah zornig aus. Er hätte mich geschlagen! Er machte den Gürtel wieder zu und wandte sich ab. Ich folgte ihm.

Gegen Morgen überquerten wir einige Bäche. Das Wasser umspielte eiskalt meine Beine. Die Bäche waren von Unterholz und Bäumen gesäumt. Auf der Ebene erhoben sich einzelne Baumgruppen. Etwa eine Stunde vor Beginn der Morgendämmerung blieb er plötzlich stehen. Wir befanden uns an einem Wasserlauf zwischen Bäumen. Er nahm mir Beutel, Wassersack und Schild ab. Ich ließ mich unter den Bäumen ins Gras sinken, rieb mir kurz die Handgelenke und verlor das Bewußtsein. Nach kurzer Zeit wurde ich wachgerüttelt. Eine Hand schob mir kleingeschnittenes Trockenfleisch in den Mund. Auf der Seite liegend kaute und schluckte ich. Erst jetzt ging mir auf, wie hungrig ich war. Gleich darauf zog er mich in eine sitzende Position hoch und schob mir die Spitze des Wassersacks in den Mund, wobei mich seine andere Hand im Rücken stützte. Gierig trank ich. Er gab mir ausreichend zu trinken. Dann hob er mich mühelos hoch und trug mich zu einem Baum. Noch während er meinen rechten Fuß an den Baum band, überwältigte mich die Erschöpfung. Ich glaubte in meinem weichen Bett zu liegen und reckte mich in der angenehmen Wärme.

Plötzlich erwachte ich. Ich lag in einem Dickicht auf einer fremden Welt. Es war warm, und die Sonne schimmerte durch die Äste der Bäume. Ich betrachtete meine Handgelenke, die ohne Fesseln waren. Sie wie sen tiefe Druckstellen auf, die von den Lederriemen herrührten. Ich rieb meine Haut und sah mich um. Mit dem rechten Fuß war ich an einen kleinen Baum gebunden. Ich richtete mich auf, lehnte mich mit dem Rücken dagegen und beobachtete den Mann, der ein Stück entfernt im Schneidersitz hockte und seine Schwertklinge mit Öl einrieb.

Er beachtete mich nicht im geringsten. Er mußte mein Erwachen, meine Bewegungen gespürt haben; trotzdem schenkte er mir keinen Blick. Ich war zornig, war ich es doch nicht gewöhnt, ignoriert zu werden, und schon gar nicht von einem Mann!

Der Bursche war nicht unansehnlich. Ich fragte mich, ob ich auf eine interessante Beziehung mit ihm hoffen konnte. Natürlich mußte er es lernen, mich als Frau zu respektieren.

Er wischte die Klinge mit einem Tuch ab und schob Tuch und Ölfläschchen in seinen Beutel zurück. Dann wischte er sich an Gras und Tunika die Hände ab und ließ das Schwert in die Scheide gleiten. Dann erst sah er mich an.

Ich lächelte. Ich wollte mich mit ihm anfreunden. Er schlug sich aufs rechte Bein und deutete darauf. Ich löste nicht ohne Mühe den Knoten, der mich an den Baum fesselte und reichte ihm schließlich das weiche Lederband, das er wieder in seinen Beutel steckte. Dann bedeutete er mir, die Haltung einzunehmen, die ich tags zuvor schon gelernt hatte, mit gespreizten Beinen auf den Hacken sitzend, den Rücken durchgedrückt. Wie konnte ich in dieser Position Freundschaft mit ihm schließen? Wie konnte ich ihn dazu bringen, mich als selbständige Persönlichkeit zu sehen, solange ich hilflos vor ihm hockte?

Ich beugte mich vor und packte mit den Zähnen das Stück Fleisch, das er mir reichte.

Ich fühlte mich denkbar elend. Ich durfte nicht einmal allein essen!

Als ich das Fleisch hinuntergeschlungen hatte, gab er mir wieder zu trinken.

Er mußte begreifen, daß ich ein gleichgestellter Mensch war! Ich löste mich aus der Stellung, die er mir befohlen hatte, setzte mich mit angezogenen Knien vor ihn ins Gras. »Sir«, sagte ich. »Ich weiß, Sie verstehen meine Sprache nicht, und ich kenne die Ihre nicht – aber vielleicht verrät meine Stimme Ihnen etwas von meinen Gefühlen und meiner Stimmung. Gestern haben Sie mir das Leben gerettet. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.«

Im nächsten Augenblick hatte ich das Gefühl, der Kopf fliege mir davon, mit solcher Schnelligkeit und Kraft schlug seine offene Hand zu. Ich wurde ein Stück zur Seite geschleudert und erbrach mich ins Gras; im ersten Augenblick vermochte ich nichts zu erkennen. Schwärze umgab mich, durchschossen von Lichtern und Funken. Ich schüttelte den Kopf und ließ mich auf die Seite fallen.

Dann ertönte ein Kommando, das ich bereits kannte. Ich hatte es gestern gehört. Hastig nahm ich die Stellung ein, die ich zu verlassen gewagt hatte. Voller Entsetzen kniete ich vor dem mächtigen Mann.

Blut rann mir über das Kinn. Mein Herz klopfte wild. In diesem Augenblick ahnte ich nicht, wie schlimm der Verstoß war, den ich begangen hatte, wie leicht ich davongekommen war. Ich hatte ohne Erlaubnis gesprochen und ohne Erlaubnis die Position verändert.

Ich kniete vor dem Mann, der mit gespreizten Beinen und verschränkten Armen dastand. Ich gab mich keiner Täuschung mehr hin, daß er mich als Gleichgestellte behandeln würde. Die Ironie dieser Illusion war mir inzwischen klar angesichts der unüberwindlichen biologischen Realität, die er mir aufgezwungen hatte. Ich mußte an die Rituale der Beherrschung und Unterwerfung denken, wie sie im Reich der Tiere praktiziert werden; nie zuvor hatte ich diese Worte so klar begriffen. Ich hatte Angst.

Zu meiner Erleichterung wandte er sich ab. Trotzdem rührte ich mich nicht. Es war später Nachmittag. Er legte sich zum Schlafen nieder, und noch immer veränderte ich meine Stellung nicht. Er hatte es mir nicht erlaubt. Vielleicht wollte er mich strafen. Ich wußte es nicht. Ich hatte große Angst vor ihm.

Etwa zwei Stunden später, am frühen Abend, erwachte er und sah mich an. Ich hatte mich nicht gerührt. Er nahm Beutel und Wassersack auf und befestigte sie an seinem Gürtel. Dann hängte er sich das Schwert über die Schulter, setzte den Helm auf und ergriff Schild und Speer. Ich sah ihn an. Sollte ich diese Lasten nicht mehr für ihn tragen?

Mit einem Fingerschnipsen und einer Kopfbewegung befreite er mich aus meiner Position. Dankbar bewegte ich meinen Körper und reckte mich wie eine Katze. Ich errötete, als ich seinen kritischen Blick bemerkte, und hielt inne. Er gab mir ein kurzes Kommando, und ich machte weiter. Ich rieb mir die Beine, um die Zirkulation anzuregen, massierte die verkrampften Muskeln. Dabei war ich mir bewußt, daß ich mich doch irgendwie anders bewegte, als wenn ich allein gewesen wäre.

Schließlich legte ich mich im Gras zurück und blickte zum Himmel auf. Es war inzwischen dunkler geworden. Der Mann, in dessen Begleitung ich war, in dessen Gewalt ich mich befand, hatte das Dickicht verlassen. Ich hatte keine Sorge, daß er nicht zurückkommen würde. Er war nicht zornig auf mich gewesen. Außerdem hatte ich den Blick bemerkt, mit dem er mich gemustert hatte.

Auf der Erde waren junge Männer für mich wenig interessant gewesen – bis auf die Bewunderung, die sie mir entgegenbrachten. Obwohl ich oft ausgegangen war, hatte ich mich ziemlich zurückgehalten. Für wilde Parties hatte ich nicht viel übrig gehabt; und es machte mir keine Mühe, die Burschen auf Abstand zu halten. Bei der geringsten Abwehr ihrer Avancen stotterten sie, erröteten, entschuldigten sich. Ob ich wütend sei? Könne ich noch einmal verzeihen? Würde ich noch einmal mit ihm ausgehen?

Ich dachte an den Fremden und lachte leise. Er war kein grüner Junge. Jungen Männern hatte ich mich stets überlegen gefühlt – was bei diesem starken Mann wahrlich nicht der Fall war. Er hielt das Szepter in der Hand. Ein leises Kommando genügte, und ich beeilte mich, ihn zu bedienen. Wie wütend und eifersüchtig wären die naiven jungen Männer von der Erde gewesen, hätten sie gesehen, wie das hochmütige schöne Mädchen, das sie nicht beeindrucken oder für sich interessieren konnten, auf das Fingerschnipsen eines anderen Mannes reagierte, eines echten Mannes!

Ich war hochnäsig und selbstgefällig gewesen und hatte mich für zu gut gehalten. Jetzt beherrschte mich die Angst, daß ich diesem Manne mißfallen könnte.

Ich ahnte seine Rückkehr, rollte hastig herum und stützte mich auf den Ellbogen. Er stand dicht vor mir.

Er bedeutete mir aufzustehen. Ich gehorchte. Er hatte sich auf seinen Speer gestützt und kümmerte sich nicht weiter um mich. Ich war einfach vorhanden, seinem Willen unterworfen.

Nach einer Weile wanderte er auf der kleinen Lichtung herum und verwischte mit dem Fuß unsere Spuren. Wir hatten kein Feuer angezündet.

Ich beobachtete ihn, während sich meine Gedanken überstürzten. Im Gegensatz zu gestern war er nicht bei Tageslicht gewandert, sondern hatte den Tag auf der winzigen Lichtung verbracht, die ringsum von Bäumen eingeschlossen war. Er hatte kein Feuer angezündet. Dies und die Tatsache, daß er unsere Spuren beseitigte, brachte mich auf den Gedanken, daß wir uns vielleicht in feindlichem Gebiet befanden, bei Menschen, die uns nicht wohlgesonnen waren. Ich erschauderte und sah mich besorgt in den Schatten um. Lauerten hier womöglich seine Feinde, bereit, uns zu überfallen? In einem Busch raschelte etwas, und ich hätte vor Angst beinahe aufgeschrien. Ich kauerte mich zusammen, sank auf die Knie und versuchte mich an seinem linken Bein festzuhalten, doch er schob mich mit dem Speerschaft von sich. Daraufhin hielt ich mich dicht hinter ihm. Hätte ich eine kleine Waffe besessen, etwa eine Pistole, wäre meine Angst gleich viel geringer gewesen. Doch hier standen nur die Kraft und die Geschicklichkeit des Mannes zwischen mir und dem unbekannten Wesen, das sich da wenige Fuß entfernt im schwarzen Gebüsch regte. Ich war völlig auf diesen Mann angewiesen. Ich brauchte ihn.

Meine Hand fuhr an den Mund. Ich sah das Geschöpf aus dem Gebüsch kommen. Wegen seiner schlangenähnlichen Bewegungen hielt ich es im ersten Augenblick für ein Reptil, aber das war ein Irrtum. Dann hatte ich den Eindruck, daß es sich um eine Rie senechse handelte. Im nächsten Moment fiel Mondlicht auf das Wesen, und ich sah keine Schuppen, sondern ein gestreiftes Fell. Das Licht fing sich in den Augen, die kupfern blinkten. Das Wesen fauchte, und ich hielt den Atem an. Es hatte sechs Beine, war etwa zwanzig Fuß lang und wog an die tausend Pfund. Zischend kam es näher.

Der Mann redete beruhigend auf das Ungeheuer ein, hielt aber die Speerspitze auf den mächtigen Schädel gerichtet. Das Wesen umkreiste uns, und der Mann drehte sich mit kampfbereit erhobenem Speer in die gleiche Richtung, während ich mich hinter dem Kämpfer hielt. Dann verschwand das Biest wieder in den Schatten, und ich sank bebend zu Füßen des Mannes nieder. Sein Verhalten deutete nicht gerade darauf hin, daß er das Biest gefürchtet hatte. Damit meine ich nicht nur, daß er mutig war, sondern ich sollte später erfahren, daß er die Gewohnheiten dieser Tiere kannte. Das Monstrum hatte es nicht auf uns abgesehen. Üblicherweise schleicht so ein Tier, Sleen genannt, sein Opfer unbemerkt an und schlägt urplötzlich zu. Dieses Tier hatte eine andere Witterung in der Nase gehabt, vielleicht einen Tabuk, eines jener kleinen einhörnigen antilopenähnlichen Wesen, von denen es normalerweise lebt. Wir hatten den Sleen lediglich gestört. Er ist ein ausdauernder Jäger und wird gezähmt oft als Spurensucher eingesetzt.

Ich hatte nicht geahnt, daß es solche Tiere gab. Plötzlich war mir klar, wie gefährlich die Welt war, auf der ich mich befand. Ich war völlig wehrlos. In einer solchen Umgebung brauchte ich einen starken Mann als Beschützer. Ich blickte zu ihm auf. Er mußte für mich einstehen. Für seinen Schutz war ich bereit, jeden Preis zu zahlen. Seine Augen ließen erkennen, daß er jeden Preis fordern würde, der ihm gefiel. Wie sehr schockte mich eine Welt, auf der es solche Männer und solche Ungeheuer gab! Diese Welt heißt Gor. Er bedeutete mir aufzustehen. Ich wich seinem Blick aus. In seiner Gegenwart machte ich zum erstenmal in meinem Leben überwältigende sexuelle Empfindungen durch. Ich wollte ihm zu Gefallen sein. Ja! Ist so etwas in einer solchen Situation vorstellbar? Daß ich, ein Mädchen von der Erde, hilflose Gefangene eines brutal-hübschen Barbaren, ihm als Frau gefallen wollte? Ja, es stimmt. Sie können mich dafür verachten, ich habe nichts dagegen. Ich schäme mich nicht. Mich erfüllten sogar eine unbestimmte Dankbarkeit für seine Stärke und Stolz darauf, obwohl mir zugleich bewußt war, daß ich das hilflose Objekt war, an dem diese Stärke ausgeübt werden würde.

Ich fand diese Regungen zutiefst beunruhigend, doch gleichzeitig angenehm-aufwühlend.

Er hob den Kopf und blickte über mich hinweg in die Bäume. Am liebsten hätte ich ihn angefleht, mich an Ort und Stelle zu nehmen.

Er machte kehrt und verließ die Lichtung. Mit schnellen Schritten folgte ich ihm.

Wir gingen nicht weit.

Unterwegs begann ich meine Schwäche schon zu bereuen. Wie sehr ich mich haßte! Ich mußte mich bemühen, stark zu sein. Fast hätte ich meine Identität und Integrität als Mensch aufgegeben! Ich, eine Frau von der Erde, hatte mir vorgestellt, mich diesem Mann hinzugeben, einem grobschlächtigen Barbaren! Hatte ich alle Selbstachtung verloren? Hätte er mich vorhin auf der Lichtung nur an der Schulter berührt, wäre ich stöhnend zu seinen Füßen hingesunken. Ich war erleichtert, daß ich dieser Erniedrigung entgangen war. Zugleich war ich zornig, daß er mich nicht genommen hatte. Waren ihm meine Gefühle gleichgültig? Übte ich keinen Reiz auf ihn aus?

Er drehte sich um und forderte mich mit einer Handbewegung zur Ruhe auf. Wir befanden uns am Rand einer Baumgruppe.

Aus der Dunkelheit näherten sich etwa zwanzig Fackeln. Ich hatte Angst. Ich wußte nicht, was für Männer das sein mochten.

In dem langen Zug machte ich etwa siebzig bis achtzig Menschen aus. Auf jeder Seite schützten zehn Bewaffnete die Prozession; sie trugen die Fackeln. Fünf weitere Krie ger bildeten die Vorhut, drei die Nachhut. Zehn bis zwölf Bewaffnete verteilten sich außerdem im Zug. Ich sah zwei Plattformen und weiter hinten einen Wagen. Die Plattformen waren weiß und ruhten auf den Schultern von je zehn Männern; der Wagen war braun und wurde von zwei großen, zottigen ochsenähnlichen Tieren gezogen; zwei Männer führten diese Geschöpfe an den weit ausladenden Hörnern. Träger und Tierführer waren ähnlich gekleidet wie die Bewaffneten, die den Zug bewachten.

Die Prozession kam langsam näher. Der Mann, in dessen Gewalt ich mich befand, zog sich ein Stück zwischen die Bäume zurück; natürlich folgte ich ihm. Der seltsame Zug schien ihn nicht zu beunruhigen oder zu überraschen. Ich spürte, daß er damit gerechnet hatte, daß er vielleicht sogar darauf gewartet hatte, daß das Ziel seiner Wanderung diese Begegnung war.

Der Zug näherte sich den Bäumen. Ich bemerkte auf der ersten weißen Plattform fünf Frauen; auf der zweiten standen mehrere Truhen und Kästen, von denen einige mit schimmernden Stoffen bedeckt waren.

Im Wagen standen unter einer lockeren Plane weitere Kisten, die primitiver gestaltet waren, dazu Stangen und Zeltmaterial, Waffen und Behälter mit Wasser und Getränken.

Wir zogen uns noch tiefer ins Unterholz zurück. Der Zug würde dicht an uns vorbeikommen. Mein Herr hatte Schild und Speer abgelegt und sich links hinter mich gestellt. Seine Hände lagen auf meinen Oberarmen. Im Licht der Fackeln blickten wir dem Zug entgegen.

Ein Schauder überlief mich: es war ein barbarischer Anblick.

Wie anders die Menschen hier waren, auf dieser wilden, barbarischen Welt, die sich so sehr von der mir bekannten unterschied! Ich fragte mich, warum ich hierhergebracht worden war, was mir hier bevorstand.

Plötzlich hätte ich am liebsten losgeschrien, ein Impuls, der vielleicht von einer winzigen Bewegung meines Körpers begleitet wurde. Doch schon erstarrte ich wieder, denn sofort legte sich eine lange Klinge vor meine Kehle. Der Mann wußte, was in mir vorging. Die Männer dort draußen, denen wir uns offenbar nicht zeigen sollten, konnten mich vielleicht retten! Auf keinen Fall konnten sie mich schlimmer behandeln als der rücksichtslose Kerl, der mich jetzt an sich preßte. Er war alles andere als ein Gentleman. Vielleicht war das bei den Männern dort draußen anders. Die Fremden konnten mich vielleicht zur Erde zurückbringen oder mich zu Leuten führen, die eine Rückreise arrangieren konnten.

Ich sah die Frauen auf der weißen Plattform. Sie waren herrlich gekleidet.

Offenbar behandelten diese Männer ihre Frauen mit dem nötigen Respekt – und nicht wie Tiere.

Doch nun preßte sich eine Hand auf meinen Mund, und ein Messer lag an meiner Kehle, und ich konnte keinen Laut von mir geben. Ich wehrte mich auch gar nicht gegen seinen Griff.

Die Vorhut der Prozession passierte uns, und gleich darauf schwankte die erste Plattform vorbei. Fünf Frauen saßen darauf, Mädchen. Vier trugen ärmellose weiße Gewänder von klassischem Zuschnitt. Sie waren unverschleiert und barfuß. Um ihren Hals trugen sie Metallkragen, die aus Gold zu bestehen schienen, und am linken Handgelenk ein weiteres Goldband. Sie knieten oder saßen am Fuße eines verzierten weißen Stuhls, in dem das fünfte Mädchen anmutig saß. Seine Züge waren nicht zu erkennen, denn es trug mehrere Schleier. Die Kostbarkeit der Gewänder faszinierte mich; die Stoffe schimmerten in changierenden Farben, und besonders an den Säumen schienen die verschie denfarbigen Kleidungsstücke miteinander um den Blick des Beobachters zu wetteifern. Über den Roben, über der Kapuze lagen Medaillons und Bänder aus geschmiedetem Gold, behängt mit Edelsteinen. Die weißen Handschuhe des Mädchens waren mit goldenen Haken geschlossen. Unter dem Saum der innersten Robe lugten die Spitzen juwelenbesetzter goldener Sandalen hervor, die im Fackelschein blitzten. Nur auf einer barbarischen Welt konnten Gewänder so kostbar, so farbenfroh sein.

Dann war die Sänfte meinen Blicken entschwunden, weitere Männer mit Fackeln marschierten vorbei. Die zweite Plattform war vollbeladen mit Kisten und Truhen, die durch Messingbeschläge verstärkt und deren Schlösser durch Ketten gesichert waren. Einige waren mit kostbaren Tüchern bedeckt, die im unruhigen Licht der Fackeln schimmerten.

Ich hielt die Prozession für einen Hochzeitszug. Die zweite Plattform enthielt die Geschenke, vielleicht sogar die Mitgift der Braut, während der folgende Wagen die Vorräte für die Begleitmannschaft transportierte. Offenbar handelte es sich um eine lange Reise. Die Braut und die Mädchen, die ich für ihre Zofen hielt, hatten einen weiten Weg zurückzulegen.

Nach kurzer Zeit verschwanden die Männer mit ihren Fackeln zwischen den Bäumen. Der Zug war vorüber.

Die Hand löste sich von meinem Mund. Das Messer verschwand. Die Knie zitterten mir, und ich wäre fast umgefallen. Er steckte das Messer fort, packte meinen Arm und drehte mich zu sich herum. Angstvoll senkte ich den Blick. Er wußte, daß ich hatte schreien wollen.

Er machte kehrt und verließ den Wald. Ich eilte ihm nach, erleichtert, daß er mich nicht geschlagen hatte. Ich glaubte zu wissen, wie ich mit diesem Mann umgehen mußte. Ich brauchte nur seiner Eitelkeit zu schmeicheln, brauchte ihm nur mit beruhigender Geste zu begegnen. Ich hielt mich für schlau – doch sollte ich bald erfahren, daß ich in diesen Dingen noch wenig Ahnung hatte.

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