25 Pandämonium

5. JANUAR

Das Ende nahm seinen Anfang mit einem kleinen Ding, das Ali auf dem Boden erblickte. Es hätte ein Engel sein können, der dort unsichtbar für alle Augen bis auf ihre lag und ihr mitteilte, sie solle sich bereithalten. Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, setzte sie den Fuß auf die Nachricht und zermalmte sie. Wahrscheinlich war es ohnehin unnötig. Wer sonst hätte soviel aus einem roten M&M herausgelesen?

Das unscheinbare Öllämpchen steckte in Augenhöhe vor ihr in einer Felsspalte. Auf der stinkenden, improvisierten Latrine hockend, die Hände schmerzhaft gefesselt, schaffte Ali es trotzdem, die Finger in den Spalt zu zwängen. Sie erwartete eine versteckte Nachricht von Ike, aber als sie das Lämpchen herauszog, spürte sie den daran geknüpften Faden. Sie zog weiter, und der glatte Knauf eines Messers folgte.

»Was treibst du bloß da drin?«, rief der Wächter. Ali ließ das Messer in ihren Kleidern verschwinden, und der Wächter brachte sie in die kleine Kammer zurück, die zu ihrem Kerker geworden war. Mit klopfendem Herzen ließ sich Ali neben dem Mädchen nieder. Sie hatte Angst und war gleichzeitig wild entschlossen. Das war ihre Chance. Sollte sie ihre Fesseln durchtrennen oder noch abwarten? Welche Fähigkeiten traute Ike ihr zu? Er musste doch wissen, dass es gewisse Grenzen gab. Sie war eine Nonne.

Drei Söldner stolzierten mit einigem Abstand durch die Terrakotta-Armee, die den Turm bewachte. »Das ist reine Zeitverschwendung«, sagte einer, »der ist längst weg. An seiner Stelle wäre ich auch abgehauen.«

»Was haben wir überhaupt hier verloren? Wir sitzen fest. Will der Colonel sich vielleicht noch mal mit den Haddies anlegen?«

»Wir sind nur die Totenwache für ihn, Mann. Er will, dass wir ihm das Händchen halten, während er verfault. Und dann auch noch die ganze Zeit Gefangene durchfüttern. Ich habe die Schnauze voll.«

»Außerdem sitzen wir hier wie auf dem Präsentierteller. Frei zum Abschuss.«

»Wir müssen uns abseilen, Mann. Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Der Colonel stiehlt uns die Zeit. Die Zivilisten stehlen uns das Essen. Und die Verwundeten sind sozusagen tot. Ziemlich beschissene Lage hier.«

»Wer macht noch mit?«

»Mit euch beiden sind wir zwölf. Dazu kommt der Schwachkopf Shoat. Er will einfach nicht den Code für seinen Peilsender ausspucken.«

»Wenn ihr mir den Burschen nur eine Stunde überlasst, kriegt ihr euren Code. Und dazu die Telefonnummer seiner Süßen.« »Du vergeudest nur deine Zeit. Er weiß, dass er tot ist, wenn er damit rausrückt. Wir müssen nur abwarten, bis er die Kiste aktiviert. Dann ist er Hundefutter.«

»Wann schlagen wir los?«

»Du kannst deine Zahnbürste schon einpacken. Bald.«

»Autsch«, brüllte einer auf. »Dämliche Statuen!«

»Sei froh, dass die Dinger nicht echt sind.«

»He, Jungs, seht doch mal! Münzen!«

»Wow, das ist Gold!«

»Wird auch langsam Zeit. Dort liegt noch mehr!«

»Hier auch. Na los, machen wir ein bisschen Beute.«

Die drei trennten sich und sammelten mit der Eleganz pickender Hühner Münzen vom Boden auf. Einer von ihnen verlegte sich auf einen geduckten Watschelgang, damit er beide Hände frei hatte, um den Schatz einzusammeln. »He, Leute!«, rief er. »Meine Taschen sind schon voll. Hebt mir ein bisschen Platz bei euch auf!«

Eine weitere Minute verging. »He!«, rief er etwas lauter und blieb stehen. »Jungs?« Seine Hände öffneten sich. Die Münzen fielen herab. Langsam tastete er nach seinem Gewehr.

Zu spät. Schon hörte er das feine Klingeln der Jade. Die Chinesen hatten einen besonderen Ausdruck dafür. Sie nannten das musikalische Klingeln des Jadeschmucks lautmalerisch »ling-lung«. Wie die Hadal es zwanzigtausend Jahre zuvor genannt haben mochten, wusste niemand mehr. Doch die Statue neben ihm erwachte mit diesem Geräusch zum Leben.

Der Söldner erhob sich langsam. Die aztekische Keule sauste nieder und spaltete seinen Schädel. Obsidian war tatsächlich schärfer als moderne Skalpelle. Die Statue streifte ihre Jaderüstung ab und wurde zu einem Menschen. Ike schob die Keule wieder in die Terrakottahände zurück und nahm das Sturmgewehr in die Hand. Fairer Tausch, dachte er.

Die Meuterer trugen die Flöße zum Meer und beluden sie mit den verbliebenen Vorräten. Das alles geschah vor den Augen ihres Kommandeurs, den sie in einen Drahtkokon eingewickelt und an eine Wand gehängt hatten.

»Weder der Tod noch das Leben, weder Engel noch dunkle Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur kann uns scheiden von der Vergeltung Gottes«, verfluchte er sie in wütender Raserei.

Die gefangenen Wissenschaftler konnten ihn brüllen hören. Es ist die Liebe, nicht die Vergeltung, dachte Ali. Der Colonel zitierte die Römerbriefe falsch.

Die Zeit war gekommen. Ike hatte Ali so viel geholfen wie er konnte. Ab jetzt musste sie selbst improvisieren. Sie zog das Messer heraus.

Troy hob den Kopf. Sie hielt es an die Fesseln um ihre Handgelenke. Das Messer war scharf. Das Seil löste sich fast von selbst. Sie rollte sich zur Seite und blickte Troy an.

Spurner hörte sie und schaute herüber. »Was tust du da?«, zischte er. »Bist du übergeschnappt?«

Sie dehnte und streckte Handgelenke und Schultern, dann setzte sie sich auf, um den Draht aufzuwickeln, der sie mit dem Hals an der Mauer anleinte.

»Wenn du sie wütend machst, nehmen sie uns nicht mit«, sagte Spurner.

Ali blickte ihn finster an. »Sie nehmen uns so oder so nicht mit.«

»Aber natürlich werden sie das«, meinte Spurner. Doch sie hatte seine Hoffnung bereits erschüttert. »Du wirst schon sehen.«

»Sie kommen bald zurück«, sagte Ali. »Bis dahin müssen wir hier weg sein.«

Troy übernahm das Messer und ging dann zu Chelsea, Pia und Spurner hinüber.

»Komm mir nicht zu nahe«, fauchte ihn Spurner an.

Pia packte Alis Hände, zog sie dicht an sich und starrte Ali mit wildem Blick an. Ihr Atem roch wie etwas schon lange Begrabenes. Neben ihr raunte Spurner: »Wir dürfen sie nicht reizen, Pia.«

»Dann bleib hier«, erwiderte Ali.

»Was ist mit ihr?« Troy kniete neben dem gefangenen Mädchen. Sein Blick ruhte aufmerksam und unerschütterlich auf ihm.

Das Mädchen würde vielleicht sofort zum Ausgang rennen, zu schreien anfangen oder sogar ihre Befreier anfallen. Andererseits kam es einem Todesurteil gleich, wenn sie zurückblieb. »Nimm sie mit«, sagte Ali, »aber lass ihr vorerst das Klebeband auf dem Mund. Auch ihre Hände bleiben gefesselt.«

Troy hatte die Messerschneide schon unter dem Seil. Er zögerte. Die von Gelbsucht verfärbten, katzenhaften Augen des Mädchens zuckten zu Ali hinüber. »Sie bleibt gefesselt, Troy. Mehr sage ich nicht.«

Spurner weigerte sich, an der Flucht teilzunehmen.

»Ihr Narren«, zischte er.

Pia wollte aus der Tür gehen, kam jedoch zurück.

»Ich kann nicht«, sagte sie zu Ali.

»Du kannst nicht hier bleiben«, erwiderte Ali.

»Soll ich ihn hier lassen?«

Ali packte Pia am Arm und wollte sie wegziehen, ließ jedoch wieder los.

»Tut mir Leid«, sagte Pia. Ali küsste sie auf die Stirn.

Die Flüchtenden stahlen sich aus dem Raum und gingen tiefer in die Festung hinein.

»Ich weiß, wo wir hin können«, verriet ihnen Ali. Sie folgten ihr ohne weitere Fragen. Sie fand die Stufen, die Ike ihr gezeigt hatte.

Chelsea humpelte stark. Ali stützte sie, und Troy kümmerte sich um das wilde Mädchen. Oben angekommen, führte Ali sie durch Ikes Geheimgang in das Zimmer im Leuchtturm.

Bis auf eine winzige Flamme war es stockfinster. Jemand hatte die in den Boden eingelassenen Kammern aufgehebelt und geplündert. Und eine einzige Tonlampe brennen lassen. Ali ließ sich in das Versteck hinab, dann half sie Chelsea. Troy hob die Gefangene hinunter. Ali staunte, wie leicht sie war.

»Das hier war ein Vorratsraum voll mit Fässern«, sagte Ali. »Fässer voller Öl. Ike hat sie irgendwo hingeschafft.«

»Wo ist er jetzt?«

»Bleibt hier«, sagte sie. »Ich finde ihn.«

»Ich gehe mit«, sagte Troy unsicher. Er wollte das Mädchen ungern verlassen. In den letzten Tagen hatte er eine Art Zuneigung zu ihr entwickelt. Ali blickte Chelsea an. Sie war in einer schrecklichen Verfassung. Troy musste bei ihnen bleiben.

»Bleibt in diesem Versteck«, sagte sie. »Verhaltet euch ruhig. Macht keinen Lärm. Wir holen euch heraus, sobald die Luft rein ist.«

»Nimm das Messer mit«, sagte Troy.

»Ich wüsste nicht, was ich damit anfangen sollte«, erwiderte Ali.

»Bis bald.«

Die Flöße schaukelten auf dem Wasser. Irgendetwas weit draußen rief eine leichte Dünung auf dem sonst so spiegelglatten Meer hervor. Lebensmittel und Ausrüstung wurden festgezurrt. Das Maschinengewehr war aufgebaut, die Suchscheinwerfer angeschaltet. Es würde schwierig werden für die elf Mann, doch sie hatten immerhin Verpflegung für mehrere Monate, und je weiter sie vorwärts kamen, umso leichter würde ihr Gepäck werden.

Die Hälfte der Truppe saß wartend auf den Flößen, während die andere Hälfte noch einmal zurückging, um das Lager aufzuräumen. Da keiner die Drecksarbeit freiwillig verrichten wollte, hatten sie Streichhölzer gezogen. Sie fanden es widerwärtig, dass Shoat darum gebeten hatte, zusehen zu dürfen.

Sie wollten keine Zeugen zurücklassen, nicht einmal diese lebenden Toten. Jeder von ihnen konnte noch lange vor dem Hungertod irgendeinen verräterischen Bericht niederschreiben. Man wusste nie, was daraus wurde. Vielleicht vergingen noch zehn Jahre oder mehr, bis diese Festung von Kolonisten entdeckt wurde, aber warum sollte man die Zeugenaussagen von Geistern riskieren?

Sie fingen vor der Festung an und arbeiteten sich nach innen durch, ganz professionell. Jeder ihrer verwundeten Kameraden erhielt einen exakt platzierten Gnadenschuss zwischen die Augen. Walker, der unaufhörlich Bibelstellen vor sich hin brabbelte, ließen sie an der Wand hängen. Scheiß auf ihn. Der ging nirgendwo mehr hin. Jetzt blieben nur noch die Zivilisten im hinteren Raum. Zwei Soldaten gingen hinein.

»Was zum Teufel ist hier los?«, schrie einer.

Spurner blickte auf und schob sich schützend vor Pia. »Sie sind ausgebrochen. Wir hätten mit ihnen gehen können«, sagte er. »Aber wir sind lieber hier geblieben.«

»Blödes Arschloch«, sagte der Soldat. Sie ließen zwei Splittergranaten über den Boden rollen, machten einen Satz aus dem Zimmer und drückten sich gegen die Außenwand. Dann verballerten sie auf das, was übrig war, jeder noch ein ganzes Magazin und kehrten in den vorderen Raum zurück. Nachdem das Betteln und Jammern der Verwundeten verstummt war, war es ruhig geworden. Nur Walker stöhnte immer noch vor sich hin.

»Das war vielleicht ein Scheißjob«, sagte einer der Soldaten.

»Ihr habt ja keine Ahnung«, meldete sich Shoat. Er hatte gerade eine seiner Peilungskapseln in eine Felsspalte geschoben.

»He, Shoat«, schrie der Soldat zurück, »warum verteilst du eigentlich immer noch diese blöden Peildinger? Wir kommen sowieso nie wieder hierher!«

»Und wenn morgen die Welt unterginge, ich würde heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.«

»Halt’s Maul, Schwachkopf.«

Sie beobachteten alles von dicht unter der Wasseroberfläche. Andere hockten mit Steinstaub getarnt auf den höher gelegenen Felsen. Sie sahen aus wie Reptilien. Oder Insekten. Eine Frage des Clans. Isaak hatte alles so angeordnet.

Hätten die Söldner auch nur einen Gedanken darauf verschwendet, die Klippen auszustrahlen, hätten sie womöglich ein schwaches Pulsieren wahrgenommen, das Zittern vieler flach atmender Lungen. So aber prallten ihre Suchscheinwerfer lediglich von der oszillierenden Oberfläche des Wassers ab.

Der Erschießungstrupp tauchte am Tor der Festung auf. Sie gingen mit schweren Schritten, wie Bauern am Abend eines arbeitsreichen Tages.

»Mein ist die Rache, sprach der Herr!«, brüllte Walkers irre Stimme aus den Festungsmauern hinter ihnen her.

»Schönen Tag noch«, murmelte jemand.

Flackernder Feuerschein drang aus dem Eingang. Einer der Soldaten hatte mit den letzten Aufzeichnungen der Wissenschaftler ein kleines Feuer entfacht.

»Jetzt geht’s ab nach Hause, Jungs«, rief der Lieutenant seinen Leuten zur Begrüßung entgegen.

Die Lanze, die ihn durchbohrte, war ein herrliches Beispiel altsteinzeitlicher Technologie. Ihre lange, blattförmige Feuersteinspitze war mit dem tödlichen Gift eines unterirdischen Rochen bestrichen. Es war das klassische Pfählen, bei dem der Spieß aus dem Wasser senkrecht nach oben direkt in den Anus eindrang und den Lieutenant dabei auf die gleiche Weise aufspießte, wie er es als Kind in der Schule beim Präparieren von Fröschen getan hatte.

Niemand bemerkte etwas. Der Lieutenant blieb aufrecht stehen, jedenfalls beinahe. Sein Kopf neigte sich ein wenig nach vorne, doch seine Augen blieben offen und das breite Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht.

»Super, Boss«, schrie einer der Soldaten zurück.

Sie schwärmten auf dem Strand aus und zogen die Boote, die noch auf dem Sand lagen, zum Wasser. Zwei von ihnen trugen ihre Gewehre an den Tragegriffen, einer legte sich seine Flinte wie einen Balken quer über die Schultern.

»Auf geht’s, Jungs«, rief einer der Leute vom Boot.

Angeblich konnten römische Steinschleudern noch auf 185 Meter Entfernung ein Ziel von der Größe eines Menschen treffen. Der Stein, der Boom-Boom Jefferson erwischte, wurde aus einer Entfernung von 235 Metern geschleudert. Sein Nachbar hörte ein dumpfes Geräusch wie von einer platzenden Wassermelone, und als er aufblickte, sah er den einst so berühmten Baseballstar der Utah Jazz wie einen Baum zu Boden kippen.

»Haddie!«, schrie er.

Sie hatten schon zuvor solche Überfälle erlebt und waren es gewohnt, ohne viel Nachdenken um sich zu schießen und dabei möglichst viel Radau und Licht zu machen. Zwar hatten sie noch keine Ziele, aber bei Zusammenstößen mit den Hadal wartete man nicht auf Ziele. In den ersten paar Sekunden waren die überlegenen Waffen die einzige Chance, die Hadal durcheinander zu bringen und das Blatt zu wenden.

Also ballerten sie auf die Felshänge. Sie ballerten in den Sand. Sie ballerten ins Wasser. Sie ballerten nach oben. Sie versuchten, sich nicht gegenseitig zu beballern, aber dieses Risiko musste man schon eingehen.

Die unterschiedliche Munition rief verschiedene Wirkungen hervor. Die Lucifer-Kugeln zerplatzten in grell leuchtenden Splitterschauern wie ein todbringendes Feuerwerk am Gestein. Sie pflügten durch den Sand und warfen das Wasser in sprudelnden Bögen auf. Weit über ihnen blitzte die Decke in tödlichen Sternbildern auf, Gesteinssplitter prasselten wie Regen herab.

Es funktionierte. Haddie hörte auf.

Kurzzeitig.

»Feuer einstellen!«, schrie jemand. »Durchzählen. Ich bin Eins!« »Zwei!«, brüllte eine andere Stimme.

»Drei!«

Es waren nur noch sieben übrig.

Die Söldner, die am nächsten bei den Booten standen, rannten hinunter zum Wasser. Die drei anderen kämpften sich durch den sirupdicken Sand zur Festung zurück.

»Verdammt, ich hab was abgekriegt.«

»Der Lieutenant ist tot.«

»Boom-Boom?«

»Auch.«

Shoat kauerte gleich hinter dem Eingang zur Festung, spähte nach draußen und versuchte, die Lage einzuschätzen. Als der Angriff einsetzte, war er noch nicht ganz aus dem Tor getreten, und es gab keinen Anlass dafür, allen zu zeigen, dass er unverletzt geblieben war. Seine Finger legten sich auf den Brustbeutel, in dem er das Peilgerät aufbewahrte. Es war für ihn so etwas wie ein Talisman, eine Quelle des Trostes und großer Macht. Eine Möglichkeit, diese gefährliche Welt verschwinden zu lassen. Er musste nur ein paar Tasten drücken, dann war die Bedrohung ein für alle Mal ausgelöscht. Das Gleiche würde jedoch auch mit den Söldnern passieren, und die konnten ihm vorerst immer noch nützlich sein. Mit dem Apokalypse-Beutel in der Hand dachte er nach: Jetzt oder später? Er entschied sich für später. Es konnte nicht schaden, ein paar Minuten zu warten und die Lage zu peilen. Wie es aussah, hatten die Hadal sozusagen ihre Punkte gemacht und sich wieder in die Dunkelheit verzogen.

»Was sollen wir tun?«, rief ein Soldat.

»Abhauen! Wir müssen abhauen!«, schrie ein anderer. »Alles in die Boote! Auf dem Wasser sind wir in Sicherheit!«

Mehrere Flöße trieben unbemannt dahin. Der Maschinengewehrschütze paddelte sein Boot zum Ufer zurück. »Los jetzt! Kommt schon!«, brüllte er seinen drei an der Außenmauer der Festung kauernden Kameraden zu.

Unsicher erhoben sich die drei und hielten nach weiteren im Hinterhalt liegenden Feinden Ausschau. Da sie niemanden entdecken konnten, schoben sie neue Magazine in die Gewehre und bereiteten sich auf den Sprint vor.

»Hundert Meter«, schätzte einer. »Das hab ich mal in neun Komma neun geschafft.«

»Aber nicht im Sand.«

»Dann pass mal auf!«

Sie trennten sich von ihrem Gepäck, streiften jedes unnötige Gramm ab, ließen Granaten, Messer, Lampen und kugelsichere Westen zurück.

»Fertig?«

»Neun Komma neun? Bist du wirklich so langsam?«

»Los!«

Von den höchsten Zinnen der Festung erreichte sie der Schrei einer Frau. Alle hörten ihn. Sogar Ali, die sich innerhalb der Festung immer weiter nach unten durchkämpfte, blieb stehen, um dem Schrei zu lauschen. Also hatte sich Troy ihren Anweisungen widersetzt.

Die Söldner sahen nach oben. Es war das wilde Mädchen, das sich weit aus dem Fenster des Turms herauslehnte. Sein Schrei hallte über die Soldaten hinweg. Es kam ihnen vor, als flögen ihre eigenen Herzen über das Wasser davon.

Und dann erwachte der Strand zum Leben.

Ali kam gerade rechtzeitig an ein Fenster, um es zu sehen. Auf halber Strecke zwischen Festung und Wasser bäumte sich ein Stück Strand auf, wuchs zu einem kleinen Berg heran. Der Hügel richtete sich auf und nahm die Gestalt eines Tieres an. Der Sand rann ihm von den Schultern, und aus dem Tier wurde ein Mann. Die Söldner waren viel zu verblüfft, um auf ihn zu schießen.

Er war nicht muskulös wie ein Athlet oder ein Bodybuilder, aber seine Muskeln wanden sich wie drahtige Platten über seinen Körper. Sie schienen aus schierer Notwendigkeit aus seinen Knochen herausgewachsen und dann ohne besondere Symmetrie immer weiter gewuchert zu sein. Ali sah verwundert auf ihn herab.

Sein massiger Körper, seine Größe und die Silberbänder um seine Arme bekundeten so etwas wie eine Art Adelsstand. Er war beeindruckend, direkt majestätisch. Einen Moment lang fragte sie sich, ob diese barbarische Missbildung vielleicht sogar der Satan war, den sie suchte.

Die Suchscheinwerfer der Söldner machten alle Einzelheiten für alle sichtbar. Ali war nahe genug, um ihn allein schon auf Grund der Verteilung der Narben als Krieger zu erkennen. Es war gerichtsmedizinisch erwiesen, dass primitive Krieger dem Gegner beim Kampf normalerweise immer die linke Seite darboten. Bei diesem Barbaren wies die linke Seite von Kopf bis Fuß doppelt so viele alte Verletzungen auf wie die rechte. Sein linker Unterarm war beim Parieren heftiger Schläge schon mehr als einmal aufgeschnitten und gebrochen worden. Die aus seinem Kopf sprießenden Kalkauswüchse hatten eine geriffelte Oberfläche, und die Spitze eines Horns war wohl im Kampf abgeschlagen worden.

In der Rechten hielt er ein aus dem 16. Jahrhundert stammendes Samurai-Schwert. Mit seinen wilden Augen und der erdfarben bemalten Haut hätte er eine der Terrakottastatuen vom Wachtturm der Festung sein können. Ein Dämon, der ein Heiligtum bewachte. Dann erhob er die Stimme. Er sprach mit Londoner Akzent.

»Willst du um dein Leben betteln, mein Junge?«, fragte er sein erstes Opfer. Ali hatte diese Stimme schon einmal gehört. Aus dem Funkgerät. Sie hatte gesehen, wie sich Ikes Augen bei der Erinnerung an ihn vor Entsetzen geweitet hatten.

Isaak schüttelte den Sand vom Körper und wandte sich, ohne sich um seine Feinde zu kümmern, der Festung zu. Er ließ den Blick über die hohen Gebäude wandern und sog die Luft durch die Nasenlöcher ein, um eine bestimmte Witterung aufzunehmen. Er roch etwas. Dann antwortete er dem Ruf des Mädchens.

Es gab keinen Zweifel an dem, was gerade geschah. Sie hatten seine Tochter gestohlen. Jetzt forderte er sie zurück.

Bevor die Soldaten reagieren konnten, schnappte die Falle zu. Isaak sprang den ersten Soldaten an und brach ihm das Genick. Das größte Floß schnellte nach oben und hielt sich für Sekundenbruchteile auf der Klippe bis seine Insassen mit wild rudernden Armen ins schwarze Wasser stürzten. Immer mehr Lanzen harpunierten durch die Böden der Flöße, und ein verzweifelter Maschinengewehrschütze feuerte auf die eigenen Füße. Scheinwerfer schwenkten herum. Automatische Lichtblitze zuckten. Obsidian prasselte herab.

Die drei vor der Festung umzingelten Soldaten versuchten, den Eingang zu erreichen, doch von sämtlichen Mauern sprangen Hadal herunter und versperrten ihnen den Weg. Mit dem Rücken zur Wand rief einer der Männer: »Erinnert euch an Alamo!«, und sein Kumpel, ein Macho aus Miami, schrie: »Scheiß auf Alamo!« und schoss ihm durch den Kopf. Eine Sekunde später riss die Kugel des dritten Soldaten ein Loch zwischen seine Augen. Dann schob der Letzte sich den Lauf in den Mund und drückte ab.

Draußen auf dem Wasser schickte das Maschinengewehr noch einige Lichtbögen in den schwarzen Horizont, bis der Patronengürtel sich schließlich verhakte und der verbliebene Schütze sich ein Paddel schnappte und sich in Richtung offenes Meer davonmachte. In der nun einsetzenden Stille konnte man seine verbissene Flucht hören, Schlag für Schlag, wie Flügel.

Drinnen in der Festung wurde Colonel Walker bei lebendigem Leibe aufgefressen. Sie machten sich nicht erst die Mühe, ihn von der Wand loszuschneiden, sondern rissen sich einfach Stück um Stück von ihm ab, während er unaufhörlich Bibelstellen zitierte.

Hoch oben in der Festung rannte Ike auf der Suche nach Ali durch die Gänge. In dem Augenblick, in dem er den Schrei des Mädchens vernommen hatte, war er losgelaufen. Das Wasser von seinem Versteck am Strand troff noch an ihm herunter, als er die Stufen hinauf und durch die Korridore stürmte.

Er hätte wissen müssen, dass Ali ihr Messer auch zur Befreiung der anderen benutzen würde. Eine Nonne wusste eben nicht, wann es des Guten zu viel war. Hätte sie die anderen gut verschnürt ihrem Schicksal überlassen, dann wäre ihr Verschwinden gar nicht aufgefallen. Der Überfall der Hadal wäre wie ein sommerliches Gewitter vorübergezogen. Sie hätten ihre Speere mit Blut benetzt und Ike und Ali in ihrem Versteck zurückgelassen. Stattdessen durchkämmten sie jetzt das gesamte Gebäude auf der Suche nach dem wilden Mädchen. Und auf die eine oder andere Art würde dieses Mädchen Ali verraten. Er musste sie finden. Dann würden sie weitersehen.

Der Angriff der Hadal hatte sich schon seit Tagen zusammengebraut, doch Walker und seine Söldner hatten die Anzeichen dafür nicht bemerkt. Ike hingegen hatte von seinem Versteck in den Klippen aus beobachtet, wie die Hadal beinahe zeitgleich mit Walkers Truppen eingetroffen waren. Ihre Strategie war klar. Sie würden warten, bis die Soldaten mit den Booten ablegten, und erst dann angreifen, beim Übergang vom Land aufs Wasser. Da er den Plan kannte, hatte Ike sich einige Ablenkungsmanöver einfallen lassen, mögliche Verstecke ausfindig gemacht und sich alles geholt, was er von den Soldaten haben wollte. Neunzig Kilo Militärrationen und ein Floß. Nur Ali fehlte noch. Mit neunzig Kilo würden sie bis nach oben kommen. Er würde essen, was er finden konnte.

Ike setzte seine ganze Hoffnung auf seine Tarnung. Die Hadal wussten nicht, dass er sich auf ihrem Terrain bewegte. Er war wie sie mit Steinstaub, Ocker und Lumpen bedeckt. Seit Monaten hatte er das Gleiche wie sie gegessen, sich von Fleisch ernährt, roh oder in gedörrten Streifen. Sein Geruch war ihr Geruch, seine Fährte war ihre Fährte. Sie würden ihn nicht suchen. Noch nicht.

Er war bei der Treppe zum Turm angekommen und eilte nach oben. Ausstaffiert wie ein urzeitlicher Krieger stürmte Ike in voller Kriegsausrüstung in das Zimmer.

Chelsea saß auf der Fensterbank und baumelte mit den Beinen nach draußen, als wartete sie auf einen Bus. Was sie ins Zimmer hereinstürmen sah, war ein Hadal. Gerade in dem Augenblick, in dem Ike schrie: »Halt! Nicht!«, wollte sie sich über die Brüstung schwingen. Sie hörte ihn im letzten Moment.

»Ike?«, sagte sie. Doch das, was sie der Schwerkraft bereits anheim gegeben hatte, ließ sich nicht mehr zurückholen. Sie fiel aus dem Fenster.

Ike verschwendete keinen weiteren Blick an sie und rannte gleich auf die Bodenkammer zu. Sie war leer. Ali war weg. Er sah sich um. Keine Fußspuren. Keine Blutspur. Keine Kratzspuren von ihren Fingernägeln. Warum hatte sie den Raum verlassen? Warum hast du mich verlassen, dachte er. Dann fielen ihm die anderen ein. Vielleicht hatte sie Troy und das Mädchen mitgenommen. Aber hätte sie denn Chelsea allein gelassen? Allmählich wurde Ike klar, dass Ali ihn suchen gegangen war.

Die Erkenntnis war ein Hoffnungsschimmer. Wenn er ihre Vermutungen nachvollzog, war es noch nicht zu spät. Aber die Chancen standen schlecht. Sie wusste nichts von den siebzig Meter höher gelegenen Höhlen in den Klippen, auch nichts von seinem Versteck zwischen Sandwürmern und Röhrenmuscheln. Sie würde hier in der Festung nach ihm suchen, wo es von Hadal wimmelte.

Ike schätzte seine Chancen ab. Natürlich konnte er durch das Gebäude schleichen und kriechen, aber seine Suche war kein Versteckspiel, sondern eher ein Wettlauf. Die einzige Alternative bestand darin, sich zu verraten und zu hoffen, dass sie das Gleiche tat.

»Ali!«, schrie er. Er ging durch die Tür und rief ihren Namen. Dann lauschte er, ging zum Fenster und rief wieder.

Tief unten drehten sich die Hadal, die sich gerade über ihre Beute hermachten, zu ihm um und schauten nach oben. Die Boote wurden ausgeräumt, die Vorräte geplündert. Er sah, dass einige der kräftigeren Söldner schon unter dem Messer lagen. Die gewaltigen Fleischstreifen würden getrocknet und geräuchert werden. Mindestens zwei von ihnen waren lebend gefangen worden und wurden jetzt zum Transport fertig gemacht. Am Strand trieben sich gut und gerne einhundert Hadal herum, wahrscheinlich noch einmal so viele streiften durch die Kammern und Gänge der Festung. Es war eine gewaltige Streitmacht, die hier an einem Ort zusammengezogen worden war. Ike hatte bis jetzt elf verschiedene Clans gezählt.

Er streckte den Kopf aus dem Fenster. Mehrere Hadal kletterten über die Fassade der Festung auf ihn zu. Er zielte sorgfältig auf die Amphoren, die er ringsum auf den Zinnen aufgestellt hatte. Dann feuerte er dreimal, und jeder Schuss ließ eines der Tongefäße zerplatzen und entzündete gleichzeitig seinen Inhalt. Sofort ergoss sich das brennende Öl die Mauern hinab. Die Hadal wichen auf der senkrechten Fassade nach links und rechts aus. Einige sprangen ab, doch mehrere hatte es erwischt.

Die blauen Flammen rannen in versiegenden Rinnsalen zu Boden. Ein Gewitter aus Pfeilen und Steinen prasselte gegen die Wand rings um Ikes Fenster. Einige kamen hereingeflogen. Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.

Ike hörte Schritte die Treppe heraufkommen. Er jagte einen einzigen Schuss durch die Amphoren, die er über dem Treppenabsatz festgebunden hatte. Aus zwanzig Krügen ergoss sich das Öl wie ein brennender Wasserfall die Stufen hinab. Schreie gellten herauf.

Ike ging zum hinteren Fenster und rief abermals Alis Namen. Diesmal sah er ein einzelnes winziges Licht, das sich den Korkenzieherweg hinaufbewegte, ungefähr einen halben Kilometer entfernt. Das Licht musste von einem Menschen stammen. Er zog sein Gewehr heran. Das Magazin hatte er zwar leer geschossen, doch das Zielfernrohr funktionierte noch. Er suchte die Gegend damit ab und fand das Licht. Das dort unten waren Troy und das wilde Mädchen. Ali war nirgendwo zu sehen.

Genau in diesem Moment hörte er sie. Ihr Echo schien im Inneren seines Schädels aufzusteigen, durch die Flammen auf dem Treppenabsatz und tief aus dem Gebäude. Er legte das Ohr auf den Stein. Ihre Stimme, die durch die Wände drang, vibrierte im Stein noch nach.

»O Gott, nein«, stöhnte sie plötzlich, und sein Herz stockte in der Brust. Sie hatten sie.

»Wartet doch!«, flehte sie. Diesmal war ihre Stimme schon weiter entfernt. Dann sagte sie etwas, das ihn erstarren ließ. Sie sprach den Namen Gottes aus. In der Sprache der Hadal.

Es gab kein Missverständnis. Sie setzte die Schnalz- und Kehllaute exakt an der richtigen Stelle. Ike war wie vor den Kopf gestoßen. Wo mochte sie das gelernt haben? Und welche Wirkung würde sie damit erzielen? Er wartete, den Kopf fest an den Stein gepresst.

Ike war außer sich vor Angst um sie. Hier oben war er hilflos. Er hatte keine Ahnung, wo sie war. Ein Stockwerk unter ihm, oder noch tiefer? Ihre Stimme schien von überall her zu kommen. Er nahm das Ohr vom Boden, und ihre Stimme verstummte abrupt. Er presste das Ohr abermals auf den glatt gescheuerten Stein, und da war sie wieder. »Hier«, sagte sie. »Seht mal, was ich habe.«

»Bitte, rede weiter«, murmelte er in der Hoffnung, ihren Aufenthaltsort herauszufinden.

Jetzt fing sie an, Flöte zu spielen. Er kannte diesen Klang. Es war die Knochenflöte, die er vor Monaten aus dem Fluss gefischt hatte. Ali musste sie als Souvenir oder Kunstgegenstand aufgehoben haben. Sie brachte kaum mehr als ein paar Quietscher und ein schrilles Pfeifen hervor. Glaubte sie wirklich, sie damit beeindrucken zu können?

Die Flöte verstummte. Ike stand auf. Was ging da vor sich? Er rannte zum gegenüberliegenden Fenster. Gerade quoll unten eine Gruppe von Hadal aus dem Tor hervor, Ali in der Mitte. Sie war gefesselt und humpelte, aber sie lebte.

»Ali!«, rief er. Beim Klang seiner Stimme drehte sie sich um.

Sofort schwang sich eine affenartige Gestalt durch den Fensterrahmen. Lange Zehen suchten kratzend und scharrend einen Halt. Ike taumelte nach hinten, doch der Hadal hatte ihn schon erwischt, riss mit seinen Krallen tiefe Kratzer. Ike zerrte an der rosafarbenen Schlinge vor seiner Brust, zog die Flinte vom Rücken unter dem Arm nach vorn, bis er sie zu fassen bekam. Dann drückte er ab.

Als er wieder aus dem Fenster schaute, war Ali bereits auf einem der Flöße, aber nicht allein. Das Floß bewegte sich vom Ufer weg. Sie saß im Bug und sah zu ihm herauf. Alis Bewacher drehte sich um und folgte ihrem Blick, war jedoch zu weit entfernt, als dass Ike ihn hätte identifizieren können. Er hielt sich das Nachtsichtfernrohr vors Auge und suchte das Wasser ab, aber vergeblich. Das Floß hatte die Klippe bereits passiert.

Seine Zeit lief ab. Er war der Letzte ihrer Feinde, und sie kletterten schon an den Mauern empor, um ihn zu fangen. Er musste sich beeilen. Ike fuhr mit der Hand suchend über dem Fenster hin und her, bis er das Zündkabel in der Nische wieder fand, in der er es versteckt hatte. Es war geradezu sträflich einfach gewesen, den Söldnern einen Sprengsatz zu stehlen. Er hatte tagelang Zeit gehabt, um die C-4 anzubringen, die Drähte zu verstecken und die Ölkrüge an den richtigen Stellen aufzubauen. Mit zwei geschickten Handbewegungen legte er die beiden Drahtenden an der Höllenmaschine an, drehte den Griff mit einem Ruck, zog ihn kurz hoch und drückte ihn herunter.

Die Festung schien in sich zusammenzuschmelzen. Die ölgefüllten Amphoren auf der Krone des Bauwerks brachen wie Sonnengewitter aus, selbst dann noch, als diese Krone brüchig wurde und einstürzte. Noch niemals war dieser riesige in Nacht und Finsternis gehüllte Hohlraum von einem derartig goldenen Licht erleuchtet worden. Zum ersten Mal seit 160 Millionen Jahren wurde das Gewölbe in seiner Ganzheit sichtbar. Es sah aus wie die Innenseite einer Gebärmutter, überzogen mit einem aderähnlichen Netz aus geologischen Druckrissen.

Ali sah einmal genau hin, dann verschloss sie die Augen vor der blendenden Hitze. Sie stellte sich vor, Ike säße ihr gegenüber auf dem Floß und grinste sie breit an, während der Scheiterhaufen sich in den Linsen seiner Gletscherbrille spiegelte. Diese Vorstellung brachte sie zum Lächeln. Im Tod war er zum Licht geworden. Dann senkte sich wieder die Dunkelheit herab, und die Gestalt gegenüber war nicht mehr Ike, sondern dieses fremde, verstümmelte Geschöpf. Ali hatte mehr Angst als je zuvor.



Hier stehe ich, ich kann nicht anders.

Gott helfe mir! Amen!

MARTIN LUTHER,

Rede vor dem Reichstag zu Worms

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