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Die blinkenden Lichter über den Lifttüren verrieten ihm, daß der Aufzug das Erdgeschoß des Wolkenkratzers passiert hatte und sich nun tiefer in die Kellergeschosse hineinbewegte. Gurk hatte sich den Weg hier herab sehr genau eingeprägt, als Stone ihn hergebracht hatte. Es war drei Monate her, und er war halb bewußtlos gewesen, aber neben vielen anderen Eigenschaften, die wohl kaum jemand dem häßlichen Gnom zugetraut hätte, verfügte Abn El Gurk auch über ein eidetisches Gedächtnis, das mit der Präzision eines Computers funktionierte und jede noch so winzige Kleinigkeit speicherte, um sie nie wieder zu vergessen. Mehrmals während dieser drei Monate hatte er seine Zelle verlassen und war in andere Teile des Gebäudes hinaufgebracht worden, und er hatte sich jedes noch so winzige Detail eingeprägt und sich den Rest - die Regeln der Architektur kennend, nach denen die Bewohner dieser Planeten ihre Häuser erbauten - mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit dazugedacht. Er war sicher, daß er den Weg aus diesem Gebäude finden würde.

Sorgen bereiteten ihm allenfalls die beiden Ameisen, die ihn aus Stones Privatgemächern hier herab brachten. Gurk zweifelte nicht daran, daß er die beiden Insektenkreaturen überwältigen konnte. Nicht hier drinnen natürlich. Der Aufzug war einfach zu eng, um sich auf ein Duell mit diesen riesigen, entsetzlich starken Geschöpfe einzulassen. Und er mußte es schnell tun. Wenn auch nur eine von ihnen Gelegenheit bekam, Alarm auszulösen, dann war alles verloren.

Der Aufzug hielt an, die Türen glitten auf, und Gurk spannte sich innerlich, um sich auf die vor ihm gehende Ameise zu stürzen und ihr die Waffe zu entreißen, entschied sich dann aber im letzten Moment anders, als er sah, daß der Gang vor dem Aufzugschacht nicht leer war. Fast ein halbes Dutzend Moroni bevölkerten den kahlen Betonkorridor, und an seinem Ende konnte er das hochfrequente Zischen und Pfeifen der Stimmen weiterer Insektenkrieger vernehmen.

So verließ er gehorsam und ohne das geringste Zeichen von Widerstand den Lift und wandte sich nach rechts. Die beiden Moroni gingen schnell, so daß er gezwungen war, in einen leichten Trab zu verfallen, aber das war ihm nur recht. Auf diese Weise würde es ihm vielleicht noch eher gelingen, sie zu überraschen.

Gurks Gedanken wanderten zurück zu dem kurzen Gespräch mit Stone, und erneut spürte er diese tiefe, beunruhigende Verwirrung, die ihn bei den Worten des Governors überkommen hatte. Abn El Gurk hatte im Laufe der Jahrhunderte eine Menge von dem gehässigen Zwerg angenommen, den er so gern spielte, und so kam es, daß er nur äußerst selten bereit war, Fehler oder Unzulänglichkeiten zuzugeben, die ihm unterlaufen waren. Aber Governor Stone verwirrte ihn immer mehr. Vielleicht war es das erste Mal in seinem Leben, daß er sich in seinem Gegenüber getäuscht hatte. Bisher hatte er Stone für einen Verräter gehalten, allenfalls für einen Feigling, und seine plötzliche Bereitschaft, Charity und den anderen Rebellen zu helfen, auch nur für einen weiteren Akt der Feigheit; ein verzweifelter Ruck an seinem Mantel, den er im letzten Moment wieder in den Wind zu hängen versuchte, um ein Sprichwort der Menschen aufzugreifen. Aber jetzt war Gurk sich nicht mehr sicher. Was Stone nun getan hatte - wenn es nicht ein weiterer, raffinierter Schachzug war, aber etwas sagte Gurk, daß die Intelligenz dieses Mannes dazu einfach nicht mehr ausreichte -, das entsprach nicht der Logik eines Verräters, der nur seinen eigenen Vorteil im Auge hatte. Aber es gelang ihm auch nicht, Stone als einen Menschen zu sehen, der bereit war, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um seinem Volk zu helfen. Nein - Gurk war zum ersten Mal in seinem Leben zutiefst verwirrt und unschlüssig.

Was seine Meinung über Daniel Stone anging. Was sein Tun anging, nicht.

Sie hatten den Korridor verlassen und näherten sich der Tür zu der kleinen Betonkammer, in der Gurk die letzten drei Monate verbracht hatte, und er registrierte, daß sie allein waren, bis auf den bewaffneten Posten, der vor der offenstehenden Tür seiner Zelle stand und ihnen entgegensah. Drei bewaffnete, aufmerksame Krieger gegen ihn allein - kein besonders gutes Verhältnis, aber wahrscheinlich das beste, das er bekommen konnte.

Gurk griff im Laufen mit einer wie zufällig wirkenden Bewegung unter das Cape, zog die winzige Waffe hervor, die Stone ihm gegeben hatte, und ließ sich der Länge nach nach vorn fallen. Die beiden Moroni mußten glauben, er wäre einfach gestolpert, denn sie griffen nicht nach ihren Waffen, sondern blieben stehen, und eines der riesigen vierarmigen Geschöpfe beugte sich vor, um ihn wieder in die Höhe zu ziehen.

Gurk erschoß es. Den Finger noch immer auf dem Feuerknopf der Waffe, rollte er herum, ließ die Strahlenpistole und das dünne, flimmernde Band aus blutrotem Licht, das sie ausstieß, eine halbkreisförmige, weit ausholende Bewegung machen, und löste Kopf, Schultern und das obere Armpaar des zweiten Wächters damit in grauen Staub auf, ehe er sich blitzschnell zur Seite warf, um dem zusammenbrechenden Insektenkörper auszuweichen.

Der dritte Krieger begriff die Gefahr und reagierte so schnell und kaltblütig, wie es Geschöpfe seines Volkes taten. Während er mit zwei Armen sein Gewehr in die Höhe riß und auf Gurk anlegte, senkte sich eine dritte Hand zu dem winzigen Kommunikator, der an seinem Gürtel hing.

Gurk schoß, ohne lange zu zielen. Der rote Energiestrahl verfehlte den Moroni und pulverisierte einen Teil der Wand hinter ihm, aber der Angriff lenkte die Ameise für einen winzigen Moment ab. Hastig machte sie einen halben Schritt zur Seite und versuchte, gleichzeitig auf ihn anzulegen und den Alarmknopf auf dem Gerät an ihrem Gürtel zu drücken. Doch so schnell sie war - Gurk war schneller.

Die Ameise und er feuerten gleichzeitig. Der grellweiße Laserblitz aus dem Gewehr des Moroni verfehlte ihn nur um Zentimeter, doch Gurks Schuß traf. Der Kommunikator, die Hand, die sich danach ausgestreckt hatte, und ein Teil der horngepanzerten Hüfte der Insektenkreatur verwandelten sich in eine graue Staubwolke, und Gurk sprang auf die Füße und drückte ein zweites Mal ab, noch ehe die Ameise auch nur Gelegenheit fand, Schmerz zu empfinden oder einen Schrei auszustoßen. Der Energiestrahl brannte ein faustgroßes Loch in ihren Brust- und Rückenpanzer und durchschlug auch noch die Wand hinter ihr.

Blitzschnell fuhr Gurk herum und richtete die Waffe auf den Gang hinter sich, aber es gab kein Ziel. Alles war so schnell und beinahe lautlos gegangen, daß offensichtlich keines der anderen Insektengeschöpfe, die hinter der Gangbiegung standen, etwas von dem Kampf gehört oder gesehen hatte.

Gurk betrachtete eine halbe Sekunde lang schaudernd die rauchende Brandspur, die der Schuß des Moroni in die Wand gesengt hatte. Hätte die Ameise auch nur ein Stück weiter nach rechts gezielt, dann wäre der Laserblitz in die Wand des Querganges gefahren, und dann würde es jetzt hier von Kriegern nur so wimmeln. Er hätte kein Chance gehabt, mit dem Leben davonzukommen, geschweige denn hier heraus.

Er verscheuchte den Gedanken. Hätte und Wenn brachten ihn nicht weiter. Und es war gut möglich, daß seine Glückssträhne nur noch Sekunden vorhielt. Irgend etwas war in diesem Gebäude, vielleicht in der ganzen Stadt geschehen. In all den Wochen, die Gurk hier verbracht hatte, hatte er niemals so viele Krieger hier unten gesehen, und auch der Blick aus dem Fenster von Stones Penthouse-Apartment hatte ihm eine beunruhigende, nervöse Aktivität gezeigt, die von der ganzen Stadt Besitz ergriffen zu haben schien.

Er steckte die Waffe ein, stieg mit einem vorsichtigen Schritt über den Körper der zusammengebrochenen Ameise hinweg und rannte den Gang hinab. Vorbei an der Tür seiner Zelle erreichte er die nächste Abzweigung, wandte sich nach rechts und fand nach wenigen Schritten eine verschlossene Tür aus grüngestrichenem Eisen, ganz wie Stone gesagt hatte. Gurk blieb schwer atmend stehen, sah sich hastig nach beiden Seiten um und zog dann den winzigen Impulsgeber unter seinem Cape hervor, den er von Stone bekommen hatte. Seine Hände zitterten ganz leicht, als er ihn gegen das Schloß drückte. Eine halbe Sekunde lang geschah nichts, und er begann sich schon zu fragen, ob sein Mißtrauen Stone gegenüber vielleicht doch berechtigt gewesen war, dann hörte er ein helles Klicken, und die Tür sprang ein Stück weit auf.

Hastig schlüpfte Gurk durch den Spalt, zog die Tür hinter sich wieder zu und tastete blind über die Wand daneben. Er fühlte rauhen Beton, dann glattes Plastik, auf das er kurz und kräftig drückte, und einen Augenblick später erwachten eine Anzahl flackernder Neonröhren unter der Decke zum Leben.

Gurk sah sich um. Genau wie Stone ihm beschrieben hatte, erstreckte sich vor ihm eine schmale Treppe aus nacktem Beton ein halbes Dutzend Stufen weit in die Tiefe, ehe sie vor einer zweiten, gleichartigen Tür endete. Er verschwendete eine weitere Sekunde darauf, sich noch einmal umzudrehen und die Tür hinter sich wieder zu verriegeln - was eventuelle Verfolger zwar nicht aufhalten, vielleicht aber für einige Sekunden behindern mochte -, dann rannte er immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinunter und öffnete auch die nächste Tür auf die gleiche Weise.

Dahinter lag eine riesige Halle aus nacktem Beton, deren Decke von einem Gewirr aus meterdicken, runden Zementsäulen getragen wurde. Die Beleuchtung, die auch hier aus meterlangen, weißen Neonröhren bestand, war zum allergrößten Teil ausgefallen, so daß das, was sich vor Gurk erstreckte, eher wie eine bizarre, unheimliche Tropfsteinhöhle aussah, in der nur hier und da kleine Tümpel aus weißem Licht leuchteten. Aber es war, was Stone ihm gesagt hatte: eine Tiefgarage. Und er war erst wenige Schritte weit gegangen, als er zwischen den verrosteten, seit einem halben Jahrhundert vergessenen Autowracks das silberfarbene Luftkissenfahrzeug mit dem Emblem des Governors erblickte.

Gurk blieb abermals stehen. Sein Herz begann hart und laut zu schlagen, und alles in ihm schrie danach, einfach herumzufahren und Schutz in der Dunkelheit zu suchen. Die Falle war so offensichtlich, daß jedes Kind sie erkannt hatte. Mit der linken Hand zog er seine Waffe, drehte sich einmal im Kreis und sah sich aufmerksam um. Nichts rührte sich. Die verrosteten Autowracks lagen wie die versteinerten Skelette bizarrer Riesentiere rings um ihm in der Dunkelheit, und er spurte plötzlich, wie schlecht und verbraucht die Luft hier unten war. Mit aller Konzentration starrte er in die Dunkelheit, und mit der gleichen Konzentration lauschte er in sich hinein, aber weder sah er Moroni-Krieger, noch spurte er ihre Gegenwart.

Schließlich begann er vorsichtig auf das Fahrzeug zuzugehen. Es war ein riesiges, sechssitziges Gefährt, schwer bewaffnet und so dick gepanzert, daß es selbst dem Angriff eines Kampfgleiters standhalten konnte. Gurk betrachtete es fast eine Minute lang mißtrauisch, umkreiste es einmal und blieb dann noch einmal stehen, ehe er unsicher die Hand hob und den Impulsgeber gegen die Tür druckte.

Sie glitt lautlos auf. Gurk spannte sich und hob die Waffe, darauf gefaßt, in ein ausdrucksloses Insektengesicht und den Lauf eines Lasergewehrs zu starren, aber vor ihm lag nur der mit rotem Samt bezogene Fahrersitz des Wagens. Es sah so aus, als hatte Stone tatsächlich die Wahrheit gesagt.

Noch immer zitternd vor Nervosität kletterte Gurk in den Wagen, schloß die Tür hinter sich und plazierte den Impulsgeber in der winzigen dafür vorgesehenen Mulde unter dem Steuer. Ein helles Summen erklang, und plötzlich erwachte das komplizierte Durcheinander von Skalen und Meßgeraten auf dem Armaturenbrett zu grunleuchtendem Leben. Der Sitz unter ihm begann zu vibrieren, als die Maschinen des Fahrzeugs ansprangen und es nahezu lautlos eine Handbreit über den Boden hoben.

Vorsichtig und jederzeit darauf gefaßt, daß es ihn biß oder sonst etwas Unvorhergesehenes tat, streckte Gurk die Hand nach dem Steuer aus. Nichts geschah. Das Fahrzeug begann sich gehorsam auf der Stelle zu drehen, als Gurk das Rad ein wenig nach rechts bewegte, schwenkte in die entgegengesetzte Richtung und richtete die stumpfe Schnauze dann auf die geschlossenen Tore der Tiefgarage aus.

Es mußte eine Falle sein. Daniel Stone konnte nicht glauben, damit durchzukommen. Es war das Privatfahrzeug des Governors, das nur er allein bewegen konnte - oder jemand, der seinen persönlichen Codegeber in der Hand hatte. Bei aller Gutgläubigkeit der Moroni, die es Stone bisher ermöglicht hatte, sein Netz aus Verrat und Lüge zu spinnen, würden sie spätestens an diesem Punkt anfangen, sich gewisse Fragen zu stellen.

Vielleicht hatte er sich doch in Stone getäuscht. Entschlossen gab Gurk Gas. Die Gittertore der Tiefgarage glitten rasselnd vor dem Fahrzeug in die Höhe, und eine halbe Minute später raste das Luftkissenfahrzeug auf die Straße vor dem Wolkenkratzer hinaus und schoß immer schneller werdend in südliche Richtung los.

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