9 Die Suche nach der Wahrheit. Unerwartete Antworten

»Ich kann euch helfen.« Goldmonds klare Stimme ertönte wie eine silberne Glocke. Die Tochter des Stammeshäuptlings sah Sturms entsetztes Gesicht.

Aber Goldmond war weit davon entfernt, wie ein dummes hysterisches Weib zu handeln. Sie hatte zehn Jahre lang über ihren Stamm geherrscht, seitdem eine Krankheit wie ein Blitz über ihren Vater gekommen war und er weder deutlich sprechen noch seinen rechten Arm und sein rechtes Bein bewegen konnte. Sie hatte ihr Volk durch Kriegszeiten mit Nachbarstämmen und durch Friedenszeiten geführt. Sie hatte Versuche, ihre Macht zu schmälern, vereitelt. Sie wußte, daß das, was sie jetzt vorhatte, gefährlich werden konnte. Diese seltsamen Kleriker erfüllten sie mit Ekel. Aber offenbar wußten sie etwas über den Stab, und sie mußte erfahren, was das war.

»Ich führe den Stab mit mir«, sagte Goldmond und trat mit stolz erhobenem Haupt zum Führer der Kleriker. »Aber wir haben ihn nicht gestohlen; der Stab wurde uns gegeben.« Flußwind ging an ihrer Seite, Sturm an der anderen. Caramon war hinter ihr, die Hand am Schwertgriff, ein entschlossenes Grinsen auf dem Gesicht.

»So, sagst du«, antwortete der Kleriker mit leiser, höhnischer Stimme. Er starrte mit gierigen schwarz glänzenden Augen auf den schlichten braunen Stab in ihrer Hand, dann streckte er seine verhüllte Hand aus, um ihn an sich zu nehmen.

Goldmond drückte den Stab schnell an ihren Körper.

»Der Stab wurde von einem bösen Ort fortgetragen«, sagte sie. »Ich will tun, was ich kann, um deinem sterbenden Bruder zu helfen, aber ich werde weder dir noch einem anderen diesen Stab übergeben, solange ich nicht von deinem rechtmäßigen Anspruch überzeugt wurde.«

Der Kleriker zögerte und sah auf seine Brüder. Tanis bemerkte, wie sie ihre Hände nervös auf ihren Gürteln bewegten, die sie um ihre weiten Gewänder gebunden hatten. Ungewöhnlich breite Gürtel, dachte Tanis, mit seltsamen Wölbungen - er war sicher, daß es keine Gebetgürtel waren. Er fluchte innerlich vor Wut und hoffte, daß es Sturm und Caramon nicht entgangen war. Aber Sturm schien völlig entspannt, und Caramon stupste ihn, als ob sie sich gerade einen Witz erzählt hätten. Tanis hob behutsam seinen Bogen und legte seinen Pfeil auf.

Der Kleriker beugte schließlich unterwürfig seinen Kopf und steckte seine Hände in die Ärmel seines Umhangs. »Wir sind für jede Hilfe dankbar, die du unserem armen Bruder gewähren kannst«, sagte er mit dumpfer Stimme. »Und dann hoffe ich, daß du und deine Gefährten mit uns nach Haven zurückgehen werden. Ich verspreche dir, dich zu überzeugen, daß dieser Stab irrtümlich in deinen Besitz geraten ist.«

»Wir gehen dahin, wohin wir wollen, Bruder«, knurrte Caramon.

Dummkopf! dachte Tanis. Der Halb-Elf überlegte, eine Warnung auszustoßen, aber entschied dann, sich für den Fall verborgen zu halten, daß sich seine wachsenden Befürchtungen bewahrheiteten.

Goldmond und der Kleriker gingen zum Karren, Flußwind dicht auf Goldmonds Fersen. Caramon und Sturm blieben dicht neben dem Karren stehen und beobachteten das Ganze interessiert. Als Goldmond und der Kleriker den hinteren Teil des Karrens fast erreicht hatten, zerrte der Kleriker Goldmond plötzlich weiter. Sie entzog sich seinem Griff und trat selbst vor. Der Kleriker verbeugte sich demütig, dann zog er ein Tuch zurück, das den hinteren Teil des Karrens bedeckt hatte. Goldmond, die den Stab vor sich hielt, schaute hinein. Tanis sah eine hastige Bewegung. Goldmond schrie. Blaues Licht blitzte auf, dem ein Schrei folgte. Die Frau taumelte nach hinten, und Flußwind sprang schützend vor sie. Der Kleriker setzte ein Hörn an die Lippen und blies lange, winselnde Töne. »Caramon! Sturm!« rief Tanis und hob seinen Bogen. »Es ist eine Fall...« Eine schwere Last fiel von oben auf den Halb-Elf und ließ ihn zu Boden stürzen. Starke Hände umklammerten seine Kehle und drückten sein Gesicht tief in den Schlamm. Tanis rang nach Luft, aber Nase und Mund waren mit Schlamm verstopft. Er riß panisch an den Händen, die ihm den Atem zu rauben versuchten. Der Griff des Mannes war unglaublich stark. Tanis schwanden die Sinne. Er spannte seine Muskeln für einen letzten verzweifelten Versuch an, als er einen heiseren Aufschrei hörte, dem ein Aufprall folgte. Die Hände lösten sich von seiner Kehle, und die Last wurde von ihm weggezogen.

Tanis rappelte sich schwer atmend auf. Er wischte sich den Schlamm aus dem Gesicht, und sein Blick fiel auf Flint, der einen Holzklotz in der Hand hielt. Aber die Augen des Zwerges waren nicht auf ihn gerichtet, sondern auf den Körper zu seinen Füßen.

Tanis folgte dem Blick des Zwergen und schauderte entsetzt zurück. Das war kein Mensch! Lederne Flügel wuchsen aus dem Rücken der Kreatur. Sie hatte die schuppige Haut eines Reptils; ihre riesigen Hände und Füße waren mit Krallen versehen und ließen darauf schließen, daß das Wesen nach Menschenart aufrecht gehen konnte. Eine ausgeklügelte Rüstung schien der Kreatur das Fliegen zu ermöglichen. Es war jedoch ihr Gesicht, das Tanis schaudern ließ – nie zuvor hatte er solch ein Gesicht gesehen, weder auf Krynn noch in seinen dunkelsten Alpträumen. Es war die Fratze eines bösartigen Reptils mit menschlichen Zügen.

»Bei allen Göttern«, Raistlin rang nach Luft, als er zu Tanis kroch. »Was ist denn das?«

Bevor Tanis antworten konnte, sah er aus den Augenwinkeln ein strahlend blaues Licht, und er hörte Goldmond wieder schreien.

Als die Frau in den Karren geschaut hatte, hatte sie sich einen Moment lang gefragt, welch schreckliche Krankheit es war, die das Fleisch eines Menschen in Schuppen verwandeln konnte. Sie war vorgetreten, um den bemitleidenswerten Kleriker mit ihrem Stab zu berühren, doch in dem Augenblick sprang die Kreatur sie an und griff mit einer Klauenhand nach dem Stab. Ein blauer Lichtblitz folgte. Das Wesen kreischte vor Schmerzen und sank zurück, seine verkohlten Hände aneinanderreihend. Fluß wind war mit gezogenem Schwert vor seine Häuptlingstochter gesprungen. Aber nun hörte diese ihn keuchen und sah seinen Schwertarm lahm werden. Flußwind taumelte zurück und unternahm keine Anstrengung, sich zu verteidigen. Grobe vermummte Hände griffen von hinten nach Goldmond, eine schreckliche, schuppige Klaue klatschte auf ihren Mund. Während sie sich wehrte, sah sie für einen Augenblick auf Flußwind. Er starrte mit aufgerissenen Augen voller Entsetzen auf das Wesen im Karren, sein Gesicht war leichenblaß, sein Atem ging stoßweise - ein Mann, der aus einem Alptraum erwacht, um festzustellen, daß der Traum Wirklichkeit geworden ist. Goldmond, starkes Kind einer Kriegersippe, setzte mit geschickten Tritten ihren Gegner außer Gefecht, der mit zerschmetterter Kniescheibe zurücktaumelte. Kaum hatte der Kleriker seinen Griff gelockert, wirbelte Goldmond herum und schlug mit ihrem Stab auf ihn ein. Zu ihrer Verwunderung sackte der Kleriker zu Boden; der Hieb mußte von einer Wucht gewesen sein, um die selbst der mächtige Caramon sie beneidet hätte. Sie sah erstaunt auf den Stab, der nun in leuchtendem Blau erglühte. Aber zum Staunen blieb keine Zeit – andere Kreaturen umzingelten sie. Sie schwang den leuchtenden Stab in einem weiten Bogen und hielt sie sich so vom Leibe. Aber wie lange würde das gehen?

»Flußwind!«

Goldmonds Schrei holte den Barbaren aus seinem tiefen Entsetzen. Er wandte sich um. Goldmond bewegte sich auf den Wald zu und hielt dabei die Kleriker mit dem Stab in Schach. Flußwind griff einen der Kleriker von hinten an und überwältigte ihn. Ein anderer sprang auf ihn los, während ein weiterer sich auf Goldmond stürzte.

Wieder blitzte ein blendend blaues Licht auf.

Sekunden vor Tanis' Warnschrei hatte Sturm die Hinterlist der Kleriker durchschaut und sein Schwert gezogen. Er sah, wie eine Klauenhand aus dem alten Holzkarren nach dem Stab griff, und sprang nach vorn, um Flußwind zu helfen. Aber der Ritter war auf die Reaktion des Barbaren beim Anblick der Kreatur im Karren völlig unvorbereitet. Sturm sah Flußwind zurücktaumeln, hilflos, sah, wie der Barbar attackiert wurde und wie er keine Anstalten machte, sich zu verteidigen. Er war einfach erstarrt, seine Waffe baumelte in seiner Hand. Sturm stieß sein Schwert in den Rücken der Kreatur. Das Wesen schrie auf, wirbelte herum, und dem Ritter wurde der Schwertgriff aus der Hand gerissen. Sabbernd und gurgelnd schlug es seine Arme um den verwirrten Ritter und zog ihn auf die schlammige Straße. Sturm sah, daß das Wesen tödlich verletzt war, und kämpfte mit seinem Entsetzen und seinem Widerwillen vor der Berührung mit der schleimigen Haut. Das Gurgeln erstarb, und er spürte, wie die Kreatur starr wurde. Der Ritter schob den Körper zur Seite und versuchte, sein Schwert aus dem Rücken des Monsters herauszuziehen. Die Waffe bewegte sich nicht. Ungläubig starrte er sie an, um erneut mit ganzer Kraft an der Waffe zu zerren, die sich jedoch noch immer nicht von der Stelle bewegte. Voller Zorn schlug er mit blassen Händen auf die Kreatur ein – und wich voller Angst und Ekel zurück: Das Wesen war zu Stein geworden! »Caramon!« gellte Sturm, als ein weiterer Kleriker, die Axt schwingend, auf ihn zusprang. Sturm duckte sich, spürte einen schneidenden Schmerz, Blut floß über seine Augen; er stolperte wie blind und wurde dann zu Boden gedrückt. Caramon, der nahe beim Karren gestanden hatte, wollte gerade Goldmond zur Hilfe eilen, als ihn Sturms Schrei erreichte. Dann wurde auch er von zwei Kreaturen zu Boden geworfen. In der einen Hand immer noch sein Kurzschwert, in der anderen seinen Dolch, versuchte er, die Schreckenswesen auf Distanz zu halten. Einer der Kleriker taumelte, und Caramon stieß ihm seine Klinge tief ins Fleisch. Er roch einen widerlichen, fauligen Gestank und sah, wie sich ein dicklicher, grüner Fleck auf dem Gewand des Klerikers ausbreitete. Aber die Wunde schien die Kreatur nur noch rasender zu machen. Aus ihrem Rachen troff Speichel, als sie wieder auf ihn losstürmte, wie aus dem Rachen eines Reptils. Einen Moment lang wurde Caramon von Panik ergriffen. Er hatte gegen Trolle und Goblins gekämpft, aber diese entsetzlichen Wesen schienen ihm jede Kraft zu rauben. Er sah sich bereits verloren. Dann hörte er ein beruhigendes Flüstern.

»Ich bin hier, mein Bruder.«

»Zur rechten Zeit«, keuchte Caramon und schwang mit neuer Kraft sein Schwert. »Was sind das für grauenhafte Wesen?« »Töte ihn nicht!« warnte Raistlin schnell. »Sie verwandeln sich in Stein. Wir haben es mit irgendeiner Art von Reptilienmenschen zu tun. Darum diese Gewänder und Kapuzen.« Obwohl sie sich wie Tag und Nacht unterschieden, kämpften die Zwillinge, wenn es darauf ankam, gut zusammen. Sie tauschten einige rasche Worte. Caramon, wieder auf den Beinen, ließ Schwert und Dolch fallen und spannte seine riesigen Armmuskeln an. Als die Kreaturen Caramons Waffen fallen sahen, stürmten zwei von ihnen vor. Ihre Lumpen hatten sich aus den Gürteln gelöst und flatterten grotesk um ihre Reptilienleiber. Caramon zog eine Grimasse beim Anblick ihrer schuppigen Körper und Klauenhände.

»Bereit«, sagte er zu seinem Bruder.

»Ast tasark simiralan krynawi«, murmelte Raistlin leise und warf eine Handvoll Sand in die Luft. Die Kreaturen hielten inne, schüttelten benommen ihre Köpfe... Aber dann blitzte es in ihren Augen auf. Wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte, griffen sie erneut an.

»Sie widerstehen jedem Zauber!« murmelte Raistlin ehrfürchtig. Aber dieses kurze Zwischenspiel hatte für Caramon ausgereicht. Er umschlang ihre knochigen Reptilhälse mit seinen riesigen Händen und stieß mit aller Kraft ihre Köpfe zusammen. Die Körper taumelten zu Boden - leblose Statuen. Caramon sah auf und erblickte zwei weitere Wesen, die mit gebogenen Schwertern in ihren Klauen über ihre versteinerten Brüder hinweg auf ihn zukamen.

»Stell dich hinter mich«, befahl Raistlin heiser. Caramon hob schnell seinen Dolch und sein Schwert auf. Er schlüpfte hinter seinen Bruder. Er fürchtete zwar um Raistlin, wußte aber, daß der Bruder seinen Zauber nicht aussprechen konnte, wenn er im Weg stand.

Raistlin starrte konzentriert auf die Kreaturen, die – den Magier erkennend – langsamer wurden und einander zögernd ansahen. Eines der Wesen ließ sich fallen und kroch unter den Karren. Das andere sprang mit dem Schwert in der Hand vor, in der Hoffnung, den Magier zu durchbohren, bevor dieser seinen Zauberspruch beenden konnte, oder um wenigstens die für Zauberer so notwendige Konzentration zu durchbrechen. Caramon brüllte. Raistlin schien weder zu hören noch zu sehen. Langsam hob er seine Hände, legte die Daumen zusammen, spreizte seine mageren Finger fächerartig auseinander und sprach: »Kair tangus miopiar.« Der Zauber schoß aus seinem zerbrechlichen Körper hervor, und die Kreatur wurde von Flammen umlodert.

Tanis, der sich vom ersten Schock erholt hatte, hörte Sturms Schrei und stürzte durch das Gebüsch auf die Straße. Er schwang sein Schwert wie eine Keule und erschlug die Kreatur, die Sturm auf den Boden gedrückt hielt, mit der flachen Klinge. Dann zog er den verwundeten Krieger ins Unterholz.

»Mein Schwert«, murmelte Sturm benommen. Blut floß über sein Gesicht. Er versuchte erfolglos, es wegzuwischen. »Wir kriegen dein Schwert schon«, versprach Tanis – fragte sich nur, wie. Er sah auf die Straße. Immer mehr Grauenskreaturen schwärmten aus dem Wald und hielten auf sie zu. Tanis' Mund wurde trocken. Wir müssen hier raus, dachte er und versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Tief Luft holend, wandte er sich Flint und Tolpan zu, die ihm nachgerannt waren.

»Bleibt hier und paßt auf Sturm auf«, wies er sie an. »Ich werde versuchen, alle zusammenzubringen. Wir müssen wieder in den Wald zurück.«

Er wartete die Antwort nicht ab, sondern stürzte auf die Straße. Im gleichen Augenblick loderten die Flammen von Raistlins Zauber auf, und er mußte sich auf den Boden werfen.

Der Karren begann zu qualmen, als das Stroh, auf dem die Kreatur gelegen hatte, Feuer fing.

»Bleibt hier und paßt auf Sturm auf. Pah!« grollte Flint und schwang seine Streitaxt. Einen Moment lang schienen die Kreaturen weder den Zwerg noch den Kender oder den verletzten Ritter zu bemerken. Aber Flint wußte, daß dies nur eine Frage der Zeit war. Er stemmte seine Füße in den Boden. »Mach etwas für Sturm«, sagte er gereizt zu Tolpan. »Du könntest wenigstens einmal etwas Nützliches tun!«

»Das versuche ich doch«, entgegnete Tolpan verletzt. »Aber ich kann die Blutung nicht stillen.« Er wischte mit einem einigermaßen sauberen Taschentuch über die Augen des Ritters. »Nun, kannst du jetzt sehen?« fragte er eifrig.

Sturm stöhnte und versuchte aufzusitzen, aber Schmerzen schössen durch seinen Kopf, und er sank zurück. »Mein Schwert«, hauchte er.

Tolpan sah zu Sturms zweihändigem Schwert hinüber, das aus dem Rücken des zu Stein gewordenen Klerikers ragte. »Das ist phantastisch!« sagte der Kender mit aufgerissenen Augen. »Schau dir das an, Flint! Sturms Schwert...«

»Ich weiß, du gehirnloser Kender!« Flint brüllte auf, als er eine Kreatur mit gezogenem Schwert auf sie zurennen sah.

»Ich hole es mal eben«, sagte Tolpan fröhlich zu Sturm, »dauert keine Minute.«

»Nein...«, gellte Flint, dem klar wurde, daß sich die angreifende Kreatur außerhalb von Tolpans Blickfeld befand. Das Wesen holte aus und zielte auf den Hals des Zwerges. Flint schwang seine Axt, doch im selben Moment sprang Tolpan auf die Füße - die Augen immer noch auf Sturms Schwert gerichtet. Der Hupakstab des Kenders warf den Zwerg nach hinten. Das Schwert der Kreatur sauste über den Zwerg hinweg. Flint kreischte erschrocken und fiel mit dem Rücken auf Sturm.

Tolpan, der den Zwerg schreien hörte, drehte sich um und staunte über einen merkwürdigen Anblick: Ein Kleriker griff Flint an, der aus irgendeinem Grund auf dem Rücken lag und wild mit den Beinen strampelte, obwohl er doch eigentlich kämpfen sollte.

»Was machst du da, Flint?« schrie Tolpan und trommelte zugleich mit dem Hupak lässig auf den Magen der Kreatur ein, dann auf den Kopf, bis sie taumelte und ohnmächtig niedersank. »Was denn!« fragte er Flint gereizt. »Muß ich jetzt auch noch deine Kämpfe austragen?« Er drehte sich um und steuerte auf Sturms Schwert zu.

»Kämpfen! Für mich!« Der Zwerg stotterte vor Wut und ruderte wild mit den Armen, um wieder hochzukommen. Sein Helm war ihm über die Augen gerutscht, so daß er nichts mehr sehen konnte. Flint schob ihn nach hinten, gerade als ein anderer Kleriker wieder nach ihm trat. Tanis fand Goldmond und Flußwind Rücken an Rücken stehend. Die Frau wehrte die Kreaturen mit ihrem Stab ab. Drei von ihnen lagen bereits tot zu ihren Füßen; ihre versteinerten Überreste waren von der blauen Flamme geschwärzt. Flußwinds Schwert steckte in den Eingeweiden einer anderen Statue fest. Der Barbar hielt die einzige ihm verbliebene Waffe seinen Kurzbogen – im Anschlag. Die Kreaturen zögerten einen Moment lang und besprachen sich leise in ihrer unverständlichen Sprache. Tanis war klar, daß sie die Barbaren im Nu erledigen würden. Er sprang zu ihnen und erschlug eine Kreatur von hinten mit der flachen Seite seines Schwertes, dann überwältigte er mit einem Rückhandschlag einen anderen. »Los!« schrie er den Barbaren zu. »Hier lang!«

Einige Kreaturen griffen von neuem an, andere zögerten noch. Flußwind schoß einen Pfeil ab und traf eins der Schreckenswesen, dann griff er nach Goldmonds Hand, und zusammen rannten sie zu Tanis, dabei über die Steinkörper ihrer Opfer setzend.

Tanis ließ sie an sich vorbeilaufen und griff die verfolgenden Kreaturen mit seinem Schwert an. »Hier, nimm den Dolch!« rief er Flußwind zu. Flußwind ergriff ihn und schlug ihn in den Rachen einer Kreatur. Wieder blitzte eine blaue Flamme auf, als Goldmond mit dem Stab ein Wesen niederschlug, das sich ihr in den Weg stellte. Dann waren sie im Wald.

Der Holzkarren brannte nun lichterloh. Tanis spähte durch den Rauch, um zu sehen, was auf der Straße vor sich ging. Ein Schauer überlief ihn, als er dunkle, geflügelte Gestalten ungefähr fünfhundert Meter von ihnen entfernt auf beiden Seiten der Straße flattern sah. Die Straße war nun in beiden Richtungen abgeschnitten. Sie waren verloren, wenn es ihnen nicht gelang, so schnell wie möglich weiter in den Wald zu entkommen.

Er erreichte die Stelle, wo er Sturm zurückgelassen hatte. Goldmond und Flußwind waren da, ebenso Flint. Wo waren die anderen? Er starrte in den dichten Rauch und mußte die Tränen wegblinzeln.

»Hilf Sturm«, sagte er zu Goldmond. Dann wandte er sich an Flint, der erfolglos versuchte, seine Axt aus der Brust einer Steinkreatur zu ziehen. »Wo sind Caramon und Raistlin? Und wo ist Tolpan? Ich habe doch gesagt, er soll hierbleiben...« »Dieser verdammte Kender hätte mich fast getötet!« explodierte Flint. »Ich hoffe, sie nehmen ihn mit! Ich hoffe, sie werfen ihn den Hunden vor! Ich hoffe...« »Bei den Göttern!« fluchte Tanis wütend. Er ging wieder den Weg durch den Rauch zurück, dorthin, wo er Caramon und Raistlin zuletzt gesehen hatte, und stolperte über den Kender, der Sturms Schwert auf der Straße hinter sich zog. Die Waffe war fast so groß wie Tolpan, und da er sie nicht hochheben konnte, zerrte er sie durch den Schlamm.

»Wie ist dir das denn gelungen?« fragte Tanis verwundert, während er in dem dicken Qualm hustete.

Tolpan grinste, vom Rauch liefen ihm Tränen über das Gesicht. »Die Kreatur hat sich in Staub verwandelt«, sagte er fröhlich. »O Tanis, es war wundervoll. Ich ging hin und zog am Schwert, aber es ging nicht raus, und ich zog und zog...« »Nicht jetzt! Geh zu den anderen!« Tanis packte den Kender und schob ihn nach vorn. »Hast du Caramon und Raistlin gesehen?« Aber da hörte er schon die Stimme des Kriegers aus dem Rauch: »Hier sind wir«, hechelte Caramon. Er hatte einen Arm um seinen hustenden Bruder gelegt. »Haben wir sie alle vernichtet?« fragte er heiter. »Nein, das haben wir nicht«, erwiderte Tanis grimmig. »Wir müssen durch die Wälder Richtung Süden.« Er legte einen Arm um Raistlin, und zusammen eilten sie zu den anderen zurück, die zwar im Rauch röchelten, aber dennoch für diesen Schutzmantel dankbar waren. Sturm stand wieder, sein Gesicht war blaß, aber der Schmerz in seinem Kopf war verschwunden, und die Wunde hatte zu bluten aufgehört.

»Hat der Stab ihn geheilt?« fragte Tanis Goldmond.

Sie hustete. »Nicht ganz. Aber doch so weit, daß er gehen kann.«

»Er hat... Grenzen«, keuchte Raistlin.

»Ja...«, unterbrach Tanis. »Wir gehen Richtung Süden, durch den Wald.«

Caramon schüttelte den Kopf. »Dort ist der Düsterwald...«, begann er.

»Ich weiß – du würdest lieber gegen Lebewesen kämpfen«, unterbrach Tanis. »Und wie fandest du das gerade?«

Der Krieger antwortete nicht.

»Von diesen Kreaturen kommen immer mehr aus beiden Richtungen. Wir könnten keinem weiteren Angriff standhalten. Aber wir werden den Düsterwald nicht betreten, wenn es nicht notwendig ist. Nicht weit von hier ist ein Wildpfad, auf dem wir die Betenden Gipfel erreichen können. Von dort aus haben wir einen guten Ausblick auf die Straße zum Norden und auch in die anderen Richtungen.«

»Wir könnten auch wieder zur Höhle zurück. Das Boot ist dort versteckt«, schlug Fluß wind vor.

»Nein!« rief Flint mit erstickter Stimme. Ohne ein weiteres Wort drehte sich der Zwerg um, verschwand im Wald und rannte so schnell südwärts, wie ihn seine kurzen Beine tragen konnten.

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