11

Trotzdem gab es keine Panik und kaum Aufregung. Krieg war Krieg, und weder die fremde Umgebung noch der ständige Regen, noch die neuen Waffen konnten die Barbaren aus der Ruhe bringen. Krieger, die ein Raumschiff angreifen, lachen nur verächtlich über Vorderlader.

Ahankk leitete den Abtransport des Schießpulvers, während Temuchin selbst auf den Wachtturm stieg, um den Gegner zu beobachten. Eine Kanonenkugel traf die Mauer unter ihm, aber er blieb unbeweglich stehen, bis er sich ein klares Bild machen konnte. Dann beugte er sich über die Brüstung und rief seinen Männern Befehle zu.

Als Jason aus dem Lagerkeller kam, wo er mit Pulver hantiert hatte, stellte er fest, daß er mit Temuchin allein im Fort war.

„Durch dieses Tor“, befahl Temuchin und wies auf das Tor am Fluß. „Dort sehen uns die Angreifer nicht. Wer Pulver trägt, steigt auf und verschwindet sofort im Wald, wenn ich das Zeichen zum Angriff gebe. Die anderen halten die Soldaten auf und stoßen später wieder zu euch.“

„Wie viele Männer greifen an?“ fragte Jason besorgt.

„Viele. Zwei Hände mal die Zahl eines Mannes, wahrscheinlich sogar mehr. Geh jetzt, der Angriff beginnt gleich.“

Also mindestens zweihundert Soldaten, überlegte Jason sich, während er das Fort verließ. Und die Barbaren waren zweiundzwanzig, wenn inzwischen keiner mehr gefallen war.

Zehn Männer transportierten das Pulver, Jason begleitete den Transport als Berater; folglich blieben noch elf Krieger übrig, die angreifen konnten. Elf gegen zweihundert. Gute Aussichten.

Dann ging alles blitzschnell. Die Männer mit dem Pulver sprengten davon, als Jason eben erst im Sattel saß, und er mußte sich anstrengen, um mit ihnen Schritt zu halten. Die elf Krieger fielen über die Angreifer her, deren Siegesgeschrei rasch verstummte. Jason drehte sich noch einmal um und sah, daß die Kanone umgestürzt war; dann tauchte er zwischen den Bäumen unter.

Eine Minute später kamen die anderen nach. Sieben Moropen trabten auf den Wald zu. Eines der Tiere trug zwei Reiter. Der Angriff hatte drei Nomaden den Tod gebracht.

„Weiter“, befahl Temuchin. „Wir übernehmen die Nachhut.“

Jason erinnerte sich später nur dunkel an den nun folgenden Ritt. Er hatte seinen Medikasten nicht mitgenommen und wünschte sich jetzt, er hätte es riskiert, denn es erwies sich als fast unmöglich, die beiden Wunden zu verbinden, während er im Sattel hockte. Bevor sie das geplünderte Farmhaus erreichten, schloß die Nachhut zu ihnen auf, und die zwanzig Männer galoppierten erschöpft weiter. Jason hätte sich auf den Waldwegen im Nebel bald hoffnungslos verirrt, aber die Nomaden besaßen einen besseren Blick für Einzelheiten des Geländes und strebten unbeirrbar ihrem Ziel zu. Die Moropen waren entkräftet und mußten mit den Sporen vorangetrieben werden.

Als sie den Fluß erreichten, dem sie auf dem Hinweg einige Meilen weit gefolgt waren, ließ Temuchin die Kolonne halten.

„Steigt hier ab“, befahl er seinen Männern, „und nehmt nur die wichtigen Dinge aus den Satteltaschen. Wir lassen die Tiere hier. Kommt nacheinander zu der Baumgruppe dort drüben am Ufer.“ Er ging voraus und führte sein Morope.

Jason war vor Erschöpfung und Müdigkeit zu benebelt, um zu erkennen, was Temuchin beabsichtigte. Als er endlich an der Reihe war und mit seinem Reittier die Baumgruppe erreichte, stellte er überrascht fest, daß dort zwölf oder fünfzehn Männer am Ufer standen — aber kein einziges Morope.

„Hast du alles, was du brauchst?“ fragte Temuchin, griff nach den Zügeln und zog Jasons Morope zu sich heran ans Ufer. Als Jason nickte, zog er dem Tier das scharfe Bowiemesser durch die Kehle und trennte ihm mit diesem Schnitt fast den Kopf vom Hals. Er trat zur Seite, um dem Blutstrahl auszuweisen, stemmte einen Fuß gegen das schwankende Tier und stieß es seitlich in den Fluß. Die Strömung trug den Kadaver rasch davon.

„Die Maschine kann kein Morope über die Klippe heben“, erklärte Temuchin ihm. „Und wir dürfen die Kadaver nicht in der Nähe des Landeplatzes lassen, sonst erwarten uns die Soldaten beim nächstenmal dort. Wir marschieren weiter.“ Er sah auf Jasons verwundetes Bein hinab. „Du kannst doch gehen, oder?“

„Natürlich“, versicherte Jason ihm rasch. „Besser als je zuvor. Ich freue mich schon auf den kleinen Ausflug. Wann geht es los?“ Er ging so rasch wie möglich davon. „Sobald wir das Schießpulver oben haben, zeige ich dir, wie es benutzt wird“, erinnerte er Temuchin vorsichtshalber nochmals.

Es war kein angenehmer Ausflug. Die Nomaden rasteten nicht mehr, sondern wechselten sich nur als Träger der Pulverfässer ab. Zum Glück brauchten Jason und die drei anderen Verwundeten nichts zu tragen, aber Jasons Bein schmerzte bei jedem Auftreten heftig, und der Blutverlust hatte ihn geschwächt. Er blieb immer weiter zurück und raffte sich wieder auf. Er wollte nicht das gleiche Schicksal wie die Moropen erleiden.

Stunden oder Tage später erschrak er fast, als er die kleine Gruppe von Männern vor sich hatte, die mit dem Rücken zu einem vertrauten Felsen im Gras hockten.

„Temuchin ist bereits unterwegs“, erklärte Ahankk ihm. „Du kommst als nächster. Die ersten zehn Männer nehmen ein Faß mit.“

„Wunderbar“, murmelte Jason und sackte zusammen. Als er sich einigermaßen erholt hatte, erneuerte er den Verband an seinem Bein und humpelte zum Landeplatz. Das Seil kam herab, und Jason ließ sich willenlos festschnallen und sich das Pulverfaß umhängen. Diesmal machte er sich keine Sorgen, ob das Seil halten würde, sondern schlief augenblicklich ein.

Er schlief noch immer, als er die Winde erreichte und mit dem Kopf an den Eisenrahmen stieß. Oben an der Klippe warteten frische Moropen, und Temuchin erlaubte ihm, allein und ohne das Pulver ins Lager zurückzukehren. Jason ließ sein Reittier so langsam wie möglich gehen, um die Schmerzen gering zu halten, aber als er vor seinem Camach anhielt, mußte er feststellen, daß er nicht mehr die Kraft besaß, allein abzusteigen.

„Meta“, krächzte er, „hilf einem Veteranen.“ Er schwankte im Sattel, als sie den Kopf ins Freie steckte, und ließ dann los.

Sie fing ihn auf, bevor er den Boden berührte, und trug ihn ins Zelt.

„Du mußt etwas essen“, sagte Meta streng. „Du hast genug getrunken.“

„Unsinn“, antwortete Jason und leerte seinen Becher. „Ich habe Durst. Der Medikasten hat mir Eisen injiziert, um den Blutverlust wenigstens teilweise wettzumachen. Außerdem bin ich zu müde, um zu essen.“

„Eigentlich brauchst du eine Bluttransfusion.“

„Das ist hier nicht leicht zu verwirklichen. Am besten trinke ich viel Wasser und esse jeden Abend Ziegenleber.“

„Aufmachen!“ brüllte jemand vor dem Camach. „Ich spreche mit Temuchins Stimme.“

Meta versteckte den Medikasten und ging zum Eingang.

Grif, der am Feuer hockte, hielt plötzlich eine Lanze in der Hand. Ein Soldat steckte den Kopf ins Zelt.

„Du kommst jetzt zu Temuchin.“

„Du kannst ihm sagen, daß ich sofort komme.“

Der Soldat wollte noch etwas hinzufügen, aber Meta stieß ihn zurück und verschloß den Eingang.

„Du kannst nicht gehen“, sagte sie.

„Mir bleibt keine andere Wahl. Wir haben die Wunden genäht, das ist annehmbar, und die Antibiotika sind nicht zu sehen. Das Eisen sickert bereits ins Knochenmark.“

„Das meine ich nicht“, erklärte Meta ihm aufgebracht.

„Ich weiß, aber dagegen können wir nichts unternehmen.“

Jason griff nach dem Medikasten. „Ein schmerzstillendes Mittel für mein Bein und ein anderes Mittel, damit ich wach werde. Dieses Zeug kostet mich etliche Jahre meines Lebens, und ich kann nur hoffen, daß jemand meine Bemühungen anerkennt.“

Als er aufstand, hielt Meta ihn an den Armen fest. „Nein, ich lasse dich nicht fort.“

Jason entschied sich für eine andere Taktik; er küßte sie. Grif schnaubte verächtlich und wandte sich ab. Meta ließ die Hände sinken.

„Das gefällt mir nicht, Jason“, meinte sie zögernd. „Ich fühle mich so… hilflos.“

„Du kannst viel tun, aber im Augenblick muß ich allein zurechtkommen. Sobald ich Temuchin gezeigt habe, wie man Schießpulver explodieren läßt, verschwinden wir aus seinem Lager und kehren zum Schiff zurück. Ich erzähle ihm, daß ich die Pyrraner holen will — und genau das habe ich vor. Aber das ist noch lange nicht alles…“

Meta warf ihm einen zweifelnden Blick zu, ließ ihn jedoch wortlos gehen.

Temuchin erwartete Jason in seinem Camach, wo die Pulverfässer säuberlich nebeneinander aufgereiht standen.

„Laß sie explodieren“, befahl er.

„Nicht hier und nicht gleichzeitig, es sei denn, du wolltest den halben Stamm in die Luft jagen. Ich brauche einen Behälter, den ich verschließen kann.“

„Sag mir, was du brauchst, damit ich es bringen lasse.“

Temuchin wollte seine Experimente offenbar mit höchster Geheimhaltung durchführen, was Jason nur recht sein konnte.

Der Camach war warm und behaglich; Jason ließ sich auf die Felle zurücksinken und griff nach einer Lammkeule, bis die verlangten Gegenstände gebracht wurden. Als sie endlich vor ihm standen, wischte er sich die Hände an der Jacke ab und machte sich an die Arbeit.

Er schüttelte eine Handvoll Pulver in einen Lederlappen, drehte ihn zusammen und stopfte ihn in einen kleinen Tonkrug, den er mit Lehmbrei verschloß, nachdem er das Pulver zusammengedrückt hatte. Temuchin stand dabei hinter ihm und beobachtete jede Bewegung. Jason stieß eine große Nadel durch den Pfropfen und die Lederhülle bis zum Pulver und stopfte einen ölgetränkten Lappen als Lunte in das Loch. Dann wog er die Bombe prüfend in der Hand.

„Schön, jetzt fehlt nur noch der große Knall“, sagte er zu Temuchin.

Der Nomadenführer stolzierte hinaus, und Jason folgte ihm; er hielt die Bombe in der einen und eine blakende Öllampe in der anderen Hand. Vor Temuchins Camach war der ganze Platz abgesperrt worden, und die Krieger hatten dafür gesorgt, daß die Neugierigen nicht zu nahe kamen. Die Nachricht, daß sich hier etwas Seltsames und Gefährliches ereignen solle, hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und die Nomaden waren aus allen Teilen des Lagers zusammengeströmt. Jason legte die Bombe vorsichtig zu Boden und wandte sich an die Menge.

„Bei der Explosion entstehen ein Knall, Rauch und Flammen. Manche von euch wissen, was ich damit meine.

Achtung, es geht los!“

Er bückte sich und zündete die Lunte an. Sie brannte langsam genug, so daß er noch einige Sekunden daneben stehenbleiben konnte, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung war. Erst dann wandte er sich ab und ging zu Temuchin zurück.

Sekunden später kam die große Enttäuschung, als die Lunte rauchte, Funken sprühte und offensichtlich erlosch. Jason wartete noch einige Zeit länger, obwohl die Zuschauer murrten und spöttische Bemerkungen machten. Er hatte keine Lust, sich über die Bombe zu beugen, wenn sie explodierte. Erst als Temuchin nach seinem Messer griff, näherte Jason sich vorsichtig der Bombe und warf einen Blick auf das rauchgeschwärzte Zündloch. Er nickte weise und kehrte zum Camach zurück.

„Die Lunte ist erloschen, bevor sie das Pulver erreicht hat.

Wir brauchen ein größeres Loch oder eine bessere Lunte — und mir ist eben eingefallen, welches Rezept die Lieder der Alten für diesen Fall empfehlen. Ich stelle jetzt eine bessere Lunte her. Laß niemand näher kommen, bis ich zurückkehre.“ Bevor Temuchin widersprechen konnte, war Jason im Zelt verschwunden.

Die besten Zünder enthielten Pulver, damit sie selbst unter Luftabschluß brannten. Er brauchte einen Zünder dieser Art.

Hier gab es mehr als genug Pulver — aber worin konnte er es einrollen? Papier wäre richtig gewesen; Papier war hier jedoch nicht erhältlich. Oder doch? Jason überzeugte sich davon, daß der Zelteingang gut verschlossen war, bevor er seinen Medikasten aus der Tasche holte. Er hatte ihn trotz des großen Risikos mitgenommen, weil er unter keinen Umständen vor Schwäche ohnmächtig werden wollte.

Er brauchte nur eine Sekunde, um die Nachfüllkammer zu öffnen. Ober den Ampullen lag die zusammengefaltete Inspektionsliste, die für Jasons Zwecke gerade groß genug war.

Er steckte den Medikasten wieder ein.

Die Herstellung des Zünders war einfach genug, obwohl er praktisch jedes Pulverkorn einzeln einwickeln mußte, damit die Körner nicht zusammenklebten und zu schnell abbrannten.

Schließlich rieb er das weiße Papier noch mit öl und Lampenruß ein. „So, das muß reichen“, murmelte er vor sich hin und trat wieder ins Freie.

Dort sah es inzwischen ungünstig für ihn aus. Die Nomaden machten sich laut über den Versuch lustig, und Temuchin war vor Wut kreidebleich. Die Bombe lag noch immer an der gleichen Stelle. Jason ignorierte die für ihn bestimmten Zurufe und beugte sich über den Tonkrug, um ein größeres Loch in den Lehmpfropfen zu stoßen. Dann steckte er den neuen Zünder in das Loch.

„Diesmal klappt es“, sagte er laut, während er das Papier entzündete.

Funken sprühten, und das Papier brannte mit heller Flamme.

Jason stellte sich erschrocken vor, wie das Feuer von einem Pulverkorn zum anderen sprang. Er wandte sich ab und sprang weg.

Diesmal folgte eine eindrucksvolle Explosion. Die Bombe detonierte krachend, und einzelne Trümmer rissen Löcher in die umliegenden Camachs oder verwundeten einige der Zuschauer leicht. Jason wurde von der Druckwelle zu Boden geschleudert.

Temuchin war unbeweglich stehengeblieben, aber sein Gesichtsausdruck war jetzt etwas freundlicher als zuvor. Die vereinzelten Schmerzensschreie gingen im allgemeinen Jubel unter. Jason richtete sich vorsichtig auf, betastete seinen Körper und fand keine neuen Verletzungen. Er humpelte zu Temuchin hinüber.

„Kannst du sie größer machen?“ wollte der Nomadenführer wissen.

„Bomben gibt es in allen Größen. Ich könnte dir allerdings besser Auskunft geben, wenn ich wüßte, wozu sie dienen sollen.“

Bevor Temuchin antworten konnte, wurde er durch die Ereignisse auf der anderen Seite des Platzes abgelenkt. Eine Anzahl von Männern auf Moropen drängten sich durch die Menge, die nur widerwillig zurückwich. Jason hörte Schmerzensschreie und wütende Ausrufe.

„Wer kommt ohne meine Erlaubnis hierher?“ erkundigt“

Temuchin sich wütend. Als er nach seinem Schwert griff, formierte sich die Leibwache um ihn. Die Zuschauer wichen endlich zur Seite, anstatt sich niederreiten zu lassen, und der erste Fremde erschien auf dem Platz vor Temuchin.

„Was hat den Krach gemacht?“ wollte der Reiter wissen.

Seine Stimme war ebenso befehlsgewohnt wie Temuchins, Jason kam diese Stimme sehr bekannt vor.

Es war Kerks Stimme.

Temuchin schritt wütend auf den Eindringring zu; seine Leibwache begleitete ihn. Kerk schwang sich aus dem Sattel; Rhes und die anderen Pyrraner versammelten sich hinter ihm.

Die Schlacht konnte jeden Augenblick beginnen.

„Wartet!“ rief Jason und trat rasch zwischen die beiden Parteien. „Dies sind die Pyrraner!“ erklärte er den Nomaden.

„Mein Stamm. Sie sind gekommen, um sich Temuchin anzuschließen.“ Aus dem Mundwinkel heraus flüsterte er Kerk zu: „Immer mit der Ruhe! Nicht so stur, sonst werden wir alle massakriert.“

Aber Kerk dachte nicht daran nachzugeben. Er blieb stehen, starrte Temuchin ebenso irritiert an und griff nicht weniger drohend nach seinem Schwert. Temuchin stürmte auf ihn zu, und Jason mußte zur Seite treten, um nicht zwischen den beiden Männern erdrückt zu werden. Temuchin und Kerk standen sich dicht gegenüber.

Die beiden waren sich sehr ähnlich. Der Nomadenführer war größer, aber Kerks breite Schultern wirkten nicht weniger eindrucksvoll. Auch sein Kostüm konnte sich durchaus mit Temuchins messen: er trug einen mehrfarbigen Adler auf dem Harnisch, und der Schädel des Adlers krönte seinen Helm.

„Ich bin Kerk, Führer der Pyrraner“, verkündete er, ohne sein Schwert loszulassen.

„Ich bin Temuchin, Kriegsherr der Stämme. Vor mir verbeugen sich alle.“

„Pyrraner verbeugen sich vor keinem Menschen.“

Temuchin knurrte wütend und begann sein Schwert zu ziehen. Jason wäre am liebsten davongelaufen. Er stellte sich vor, was nun geschehen würde.

Aber Kerk wußte, was er tat. Er war nicht hierhergekommen, um Temuchin abzusetzen — zumindest nicht gleich —, deshalb griff er nicht nach seinem Schwert. Statt dessen hielt er blitzschnell Temuchins rechtes Handgelenk fest.

„Ich bin nicht gekommen, um mit dir zu kämpfen“, stellte er ruhig fest. „Ich wollte dir ein Bündnis vorschlagen. Wir müssen darüber sprechen.“

Temuchin antwortete nicht, sondern wehrte sich schweigend gegen Kerks Griff. Die Adern an seinem Hals und auf seiner Stirn schwollen vor Anstrengung an, aber er brachte es nicht fertig, seine Waffe zu ziehen. Dann lächelte Kerk plötzlich leicht — nur Temuchin und Jason, der in der Nähe stand, sahen dieses Lächeln — und schob den Arm des Nomadenführers unaufhaltsam zurück, bis das Schwert sicher am Gürtel hing.

„Ich bin nicht hier, um mit dir zu kämpfen“, wiederholte Kerk kaum hörbar. „Die jungen Männer können ihre Kräfte miteinander messen. Wir sind Führer, die gleichberechtigt verhandeln.“

Er ließ Temuchin unerwartet los, und der andere schwankte, weil seine Muskeln noch angespannt waren. Dann lachte er schallend, warf den Kopf zurück und brüllte vor Lachen. Er holte aus, schlug Kerk krachend auf die Schulter und lachte noch immer.

„Du bist ein Mann nach meinem Herzen!“ brüllte Temuchin.

„Aber vielleicht muß ich dich doch noch umbringen. Komm in meinen Camach.“

Jason wollte den beiden folgen, aber zum Glück ließ Temuchin ihn draußen warten. Jason beschwerte sich nicht darüber; er stand lieber im eisigen Wind, als dieses Treffen der beiden Männer aus der Nähe zu erleben.

Aus dem Zelt drangen wütende Stimmen, und Jason zuckte zusammen und wartete auf das Ende. Vorläufig geschah nichts.

Er schwankte vor Übermüdung und setzte sich auf den kalten Boden. Wieder Stimmengewirr, dann langes Schweigen. Selbst die Wachen wechselten besorgte Blicke.

Die Posten drehten sich um und hoben ihre Lanzen, als hinter ihnen etwas zerriß. Kerk hatte den Zelteingang geöffnet, indem er die Klappe aufriß, ohne vorher die Verschnürung zu lösen. Er achtete nicht auf die herabhängenden Fetzen, ging an den Wachen vorbei, nickte Jason zu und blieb nicht stehen.

Jason sah Temuchins wütendes Gesicht am Zelteingang. Ein Blick genügte ihm; er wandte sich ab und folgte Kerk.

„Was ist passiert?“ erkundigte er sich.

„Nichts. Wir haben miteinander gesprochen. Keiner wollte nachgeben. Er hat meine Fragen nicht beantwortet, deshalb habe ich mir nicht die Mühe gemacht, auf seine einzugehen.

Die Sache steht unentschieden — vorläufig.“

„Ihr hättet bis zu unserer Rückkehr warten sollen“, meinte Jason besorgt. „Warum seid ihr gekommen?“

„Warum nicht?“ fragte Kerk. „Pyrraner sitzen nicht gern auf einem Berg und spielen Gefangenenwärter. Wir wollten endlich etwas unternehmen. Unterwegs hat es einige Kämpfe gegeben, und die Stimmung ist seitdem merklich besser.“

„Das glaube ich“, antwortete Jason und wünschte sich, er läge in seinem Camach auf dem Rücken.

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