2. Siedler

Diese Leute hatten einen guten Wagen und zwei gute Pferde, die ihn zogen. Man konnte sogar meinen, daß sie wohlhabend waren, wenn man bedachte, daß sie sechs große Jungen besaßen, von Mannsgröße bis hinunter zu Zwillingen; sie hatten bisher mehr in ihrem Leben durchgemacht, als ihrem Dutzend Jahre entsprach. Ganz zu schweigen von einer großen Tochter und einem ganzen Schwarm kleiner Mädchen. Eine große Familie. Richtig wohlhabend, wenn man nicht wußte, daß sie vor nicht einmal einem Jahr eine Mühle besessen und in einem großen Haus auf einer Strombank im Westen von New Hampshire gelebt hatten. Sie waren weit in der Welt herumgekommen, und dieser Wagen war alles, was ihnen geblieben war. Doch sie waren hoffnungsfroh, zogen gen Westen über den Hio offenem Land entgegen, das zu besiedeln jedermann freistand. Für eine Familie mit Geschick und Tatkraft würde es auch gutes Land sein, solange das Wetter auf ihrer Seite blieb und die Roten sie nicht überfielen und alle Rechtsanwälte und Bankiers in New England blieben.

Der Vater war ein großer Mann, ein wenig dick allerdings, was kein Wunder war, da Müller meist den ganzen Tag herumstanden. Doch würde er wieder abnehmen und seine Muskeln einsetzen müssen, wenn sie erst ihre neue Heimstatt in den tiefen Wäldern erreicht hatten. Er machte sich ohnehin nicht viele Sorgen deswegen — er fürchtete sich nicht vor harter Arbeit. Was ihm heute Sorgen machte, war seine Frau Faith. Ihr Baby mußte bald kommen, das wußte er. Nicht, daß sie jemals davon sprach. Über solche Dinge redeten Frauen nicht mit Männern. Doch er konnte sich ausrechnen, wie viele Monate es her war. Außerdem hatte sie ihm während der Mittagsrast zugeflüstert: »Alvin Miller, wenn es unterwegs ein Gasthaus geben sollte oder auch nur eine kleine, verfallene Blockhütte, könnte ich wohl etwas Ruhe gebrauchen.«

Man brauchte kein Philosoph sein, um sie zu verstehen. Und nach sechs Söhnen und sechs Töchtern hätte er schon Ziegelsteine in seinem Gehirn haben müssen, um nicht zu begreifen, wie es um sie stand.

Also schickte er den ältesten Jungen, Vigor, den Weg voran, um das Land zu erkunden.

Man merkte, daß sie aus New England kamen, denn der Junge nahm kein Gewehr mit. Hätte es unterwegs einen Krieger gegeben, der junge Mann wäre niemals zurückgekommen, und die Tatsache, daß er mit all seinem Haar zurückkehrte, war Beweis dafür, daß kein Roter ihn ausgemacht hatte — die Franzosen in Detroit bezahlten mit Schnaps für englische Skalpe, und wenn ein Roter einen Weißen allein in den Wäldern ohne Muskete erblickte, nahm er sich den Skalp des Mannes. So hätte ein rechtschaffener Vater vielleicht denken können, daß das Glück endlich seine Familie wieder heimsuchte. Doch da diese Yankees überhaupt nicht wußten, daß der Weg unsicher war, dachte Alvin Miller keine Minute über sein Glück nach.

Vigor sprach von einem Gasthaus in drei Meilen Entfernung; eine gute Nachricht, außer daß zwischen ihnen und dieser Herberge ein Fluß lag. Ein ziemlich erbärmlicher Fluß, und die Furt war seicht, doch Alvin Miller hatte gelernt, Wasser niemals zu trauen. Egal wie friedlich es aussehen mochte, es versuchte stets nach einem zu greifen und einen zu packen. Fast hätte er Faith mitgeteilt, daß sie die Nacht am Flußufer verbringen würden, doch da stieß sie ein allerleisestes Stöhnen hervor, und in diesem Augenblick wußte er, daß dieses Vorhaben keine Chance hatte. Faith hatte ihm ein Dutzend lebender Kinder geboren, aber seit dem letzten waren vier Jahre vergangen. Vielen Frauen bekam es nicht, so spät noch ein Baby zu gebären. Einige Frauen starben bei der Geburt. Ein gutes Gasthaus bedeutete auch Frauen, die bei der Geburt Hilfe leisten konnten, also mußten sie es mit dem Fluß versuchen.

Und schließlich hatte Vigor ja gesagt, daß der Fluß kein großes Hindernis sei.

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