Sieben

»Gehen Sie auf volle Gefechtsbereitschaft, wenn es noch zwanzig Minuten bis zur Ankunft in Midway sind«, befahl Marphissa.

Kapitan Toirac sah sie besorgt an. Sie befanden sich in Marphissas Quartier, das auf einem Schweren Kreuzer keinerlei Luxus bot, aber zumindest Platz genug für zwei Personen, ohne gleich Klaustrophobie auszulösen. »Wir werden der Syndik-Flotte geradewegs in den Schoß fallen, und im Normalraum werden wir eine Geschwindigkeit von gerade mal 0,02 Licht erreichen.«

»Das ist der Sinn der Sache. Wir wollen, dass sie uns jagen. Sobald wir das Portal erreicht haben, wird das Kommando über die Manticore vorübergehend auf Kapitan Bascare übertragen.«

»Was? Asima … Verzeihung. Kommodor. Ich weiß nicht mal, wer diese Bascare eigentlich ist.«

»Das werden Sie noch erfahren.« Marphissa konnte Toirac nicht anvertrauen, dass »Bascare« in Wahrheit Allianz-Captain Bradamont war, dennoch machte sie sich die Mühe, ihm weitere Details zu erklären. »Vertrauen Sie mir. Das geschieht auf Befehl von Präsidentin Iceni. Es geht um eine von ihr geplante Operation, und wir müssen unsere Rolle in diesem Plan spielen.«

»Ich weiß nicht.« Toirac sah sich um, die Unsicherheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Es war mittlerweile ein allzu vertrauter Gesichtsausdruck, den er zur Schau stellte, ob er nun im Dienst war oder nicht.

Marphissa benetzte ihre Lippen und suchte nach den richtigen Worten. »Ygor, wir kennen uns schon seit einiger Zeit. Ich habe Sie für das Kommando über dieses Schiff empfohlen.«

»Tatsächlich? Wieso haben Sie nicht …«

»Augenblick.« Sie sah ihn ernst an. »Sie besitzen die Fähigkeiten, um dieses Schiff zu führen, aber Sie lassen nicht die dafür notwendige Stärke erkennen. Sie sind langsam, Sie zögern, Sie lassen zu, dass Ihre Spezialisten und Junioroffiziere die Entscheidungen treffen, die Sie eigentlich treffen sollten. Es ist keine schlechte Sache, Autorität und Verantwortung in gewissen Maßen zu delegieren. Ich halte das sogar für eine kluge Vorgehensweise, auch wenn es den Lehren des Syndikats widerspricht. Aber man kann es dabei auch zu weit treiben. Zu delegieren ist eine Sache, aber es ist eine ganz andere Sache, wenn man dabei das Kommando mehr oder weniger komplett an seine Untergebenen abtritt.«

Kapitan Toirac schaute mit finsterer Miene zur Seite. »Ich tue mein Bestes. Das ist alles sehr schwierig, und ich versuche die Fehler zu vermeiden, die das Syndikat gemacht hat.«

»Okay, Sie wollen das Schiff nicht wie ein Diktator führen, das kann ich verstehen. Aber Sie gehen zu weit in die entgegengesetzte Richtung. Es ist nicht Ihr Schiff, wenn Sie es nicht befehligen. Ich werde Ihnen Unterstützung geben, Ygor. Ich werde Ihnen jeden Ratschlag geben, den Sie gebrauchen können. Ich weiß, Kapitan-Leytenant Kontos hat mit Ihnen gesprochen und versucht, Ihnen zu helfen. Aber er sagt, dass Sie nicht zuhören.«

»Kontos! Vor ein paar Wochen war er noch ein Sub-Executive! Ich weiß besser als er, wie man ein Kommando führt!«

»Er ist gut, Ygor. Kontos weiß, wie man es anstellen muss, damit die Untergebenen einen als ihren Anführer ansehen. Sie müssen diese gleichen Wesenszüge hervorheben, Sie müssen Ihre Befehlsgewalt genauso angehen und …«

»Wenn Sie mit mir nicht zufrieden sind«, knurrte Toirac, »warum lassen Sie mich dann nicht einfach fallen?«

»Weil ich Ihnen zum Erfolg verhelfen möchte«, beharrte Marphissa, die immer mehr Mühe hatte, sich nicht zu sehr über Toiracs Verhalten zu ärgern.

»Indem Sie mich zur Schnecke machen, helfen Sie mir bestimmt nicht.«

»Haben Sie eigentlich irgendetwas von dem mitbekommen, was ich gerade gesagt habe? Ist Ihnen aufgefallen, wie sich Ihre Offiziere und Ihre Spezialisten Ihnen gegenüber verhalten?«

Toirac zog starrsinnig die Mundwinkel nach unten. »Wenn Sie so unzufrieden mit mir sind, wäre dieses Schiff mit einem anderen befehlshabenden Offizier besser bedient.«

Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. »Das möchte ich nicht, aber wenn Sie schon von sich aus dieses Thema anschneiden, bleibt mir keine andere Wahl als Sie zu warnen. Wenn Sie sich nicht endlich so verhalten, wie man es vom befehlshabenden Offizier der Manticore erwarten darf, werde ich gezwungen sein, Ihre Versetzung zu empfehlen.«

Sein Blick wurde im Gegenzug noch finsterer. »Das hat nicht lange gedauert, nicht wahr, Asima? Das ganze Gerede davon, dass jetzt alles anders wird und so weiter. Aber kaum haben Sie die Macht in Ihren Händen, spielen Sie die typische Sub-CEO, die sich beim CEO einschmeichelt und …«

Wutentbrannt sprang Marphissa auf. »Ich werde so tun, als hätten Sie diese Dinge nie gesagt. Aber Sie sollten sich reden hören. Ich will Ihnen meine Hilfe anbieten, und Sie reagieren mit Beleidigungen! Wäre ich die typische Sub-CEO, dann hätte ich Ihnen schon vor Wochen das Kommando entzogen! Aber ich habe geduldig gewartet, dass Sie es endlich schaffen sich durchzusetzen.«

Toirac schaute vor sich. »Ja, Kommodor.«

»Verdammt noch mal. Wollen Sie mich in eine Ecke drängen, aus der es nur noch einen Ausweg gibt?«

»Die Kommodor kann sich verhalten, wie sie es für richtig hält. Ich habe verstanden und werde gehorchen.«

»Raus hier! Sofort!« Marphissa brüllte ihn nahezu an. Sie musste ihn wegschicken, weil sie fürchtete, sie könnte ihm noch viel Schlimmeres an den Kopf werfen, wenn Toirac noch länger den Beleidigten spielte, anstatt endlich seinen Verstand einzuschalten.

Mit steifer, formaler Geste salutierte er, dann verließ Toirac das Quartier. Einzig die Schließautomatik der Luke konnte dabei verhindern, dass er sie beim Hinausgehen hinter sich zuschlug.

Marphissa setzte sich hin und versuchte, ihre Wut in den Griff zu bekommen. Ich habe es versucht, und er antwortet mir: »Ich habe verstanden und werde gehorchen.« Er tut so, als wäre ich tatsächlich irgendeine dahergelaufene Syndikatvorgesetzte, die ihre Macht missbraucht. Es ist viel leichter, sich über den Boss zu beschweren als sich bei ihm zu beschweren. Aber wenn Toirac mich nicht von einer CEO-Stiefelleckerin unterscheiden kann, dann ist er nicht nur schwach, sondern auch dumm.

Entscheide jetzt nichts. Du bist zu wütend. Aber Toirac sollte trotzdem schnellstens bessere Leistungen erkennen lassen.

»Kommodor?« Die Frage wurde von einem Klopfen an der Luke begleitet.

Marphissa hob den Kopf und zwang sich zur Ruhe. »Herein.«

Bradamont schaute von der Luke aus zu ihr. »Ist alles in Ordnung?« Hinter ihr stand Kontos, der den Korridor in beiden Richtungen im Auge behielt, ob von irgendeiner Seite Ärger nahte. Beide trugen bereits Schutzanzüge und waren gefechtsbereit.

Sowohl Kontos als auch Marphissa war aufgefallen, dass die Allianz-Offizierin sich sehr auf das Schiff, auf den Zustand der Ausrüstung, auf die Sauberkeit und Ähnliches mehr konzentrierte, sich um die Crew aber nicht zu sorgen schien. Bradamont achtete auf die Besatzung, zeigte unmissverständlich Interesse an ihr und deren Aufgaben, jedoch ließ sie nicht erkennen, dass sie in diesen Leuten potenzielle Gefahrenquellen sah. Die Schlussfolgerungen aus dieser Einstellung und die Frage, was es über die Allianz-Flotte im Vergleich zu den Gepflogenheiten der Syndikatwelten aussagte, deren Geist noch immer das Schiff bevölkerte, wurden von Marphissa mit großem Unbehagen zur Kenntnis genommen.

»Personalangelegenheiten«, antwortete Marphissa. »Es ist nur noch eine halbe Stunde bis zur Ankunft, richtig? Ich muss mich jetzt darauf konzentrieren, schließlich müssen wir alles genau richtig machen.«

»Das ist nichts, womit Sie nicht zurechtkommen könnten«, sagte Bradamont.

»Sie werden vorübergehend das Kommando haben. Sie werden die Manöver anordnen. Ich bin mir sicher, dass Präsidentin Iceni das wünscht.« Marphissa brachte ein Lächeln zustande. »Außerdem will ich dabei zusehen können, wie Sie ein Schiff im Gefecht handhaben.«

»Das möchte ich auch gern«, ergänzte Kontos.

»Sind Sie sich sicher, dass Ihre Crew damit klarkommt, wenn sie erfährt, wer ich bin?«

»Meine Leute kennen mich, und sie glauben an die Präsidentin. Und sie kennen den Ruf von Kapitan-Leytenant Kontos. Außerdem sind sie … darauf gedrillt, das zu tun, was man ihnen sagt. Das alles zusammen sollte dafür sorgen, dass die Crew die Ruhe bewahrt, bis wir unseren Auftrag erledigt haben.«

Marphissa zog rasch ihren eigenen Schutzanzug an, dann ging sie vor den beiden her zur Brücke und nahm ihren Platz neben einem unübersehbar schmollenden Kapitan Toirac ein, der selbst noch keinen Anzug trug. Die wachhabenden Spezialisten bemerkten, dass sie, Bradamont und Kontos Schutzanzüge angelegt hatten, und begannen unauffällig, ihre Freunde in anderen Bereichen des Schiffs davon in Kenntnis zu setzen, dass sich da irgendetwas anbahnte. Zwei Spezialisten sahen kurz Richtung Toirac, raunten sich irgendetwas zu und grinsten dann.

Marphissa verkniff sich einen Seufzer, während sie in Gedanken die Liste der möglichen Kandidaten durchging, die Toirac ersetzen konnten. Kapitan-Leytenant Diaz kam ihr als Erster in den Sinn. Der Stellvertretende Befehlshaber der Manticore hatte sein Bestes gegeben, um Toirac den Rücken zu stärken, und — zumindest nach Marphissas Kenntnis — zu keinem Zeitpunkt versucht, Toiracs Autorität zu untergraben. Allerdings mangelte es Diaz an offen erkennbarem Ehrgeiz, was zu Problemen führen konnte, wenn er durch eine Beförderung aus dem Umfeld geholt wurde, in dem er sich wohlfühlte. Sein Handeln dagegen ließ ihn als aussichtsreichen Kandidaten erscheinen.

Kontos, der neben Bradamont im rückwärtigen Bereich der Brücke stand, räusperte sich einmal kurz.

Marphissa überprüfte die Zeit. »Kapitan, es sind noch neunzehn Minuten bis zum Eintreffen in Midway.«

Toirac ignorierte sie.

Also gut, damit ist das Thema erledigt. Aber formal werde ich Ihnen das Kommando erst entziehen, wenn diese Operation abgeschlossen ist. Ich kann die Unruhe, die durch einen Wechsel des Befehlshabers entstehen wird, jetzt nicht gebrauchen, wenn wir so kurz davor sind, aktiv zu werden. »Versetzen Sie die Manticore in volle Gefechtsbereitschaft«, sagte sie an die Spezialisten auf der Brücke gerichtet.

»Ja, Kommodor.«

Die Spezialisten öffneten Spinde nahe ihren Wachstationen und holten die Schutzanzüge heraus. Diese Anzüge waren der Kampfpanzerung von Bodenstreitkräften hoffnungslos unterlegen, dennoch schützten sie ihre Träger vor Schrapnellen und kleineren Feuerwaffen. Außerdem versorgten sie sie mit Sauerstoff, falls der Feind ein Loch in die Schiffshülle schoss. Die Helme hingen schlaff auf dem Rücken, sie wurden im Notfall erst im letzten Moment übergezogen und unter Druck gesetzt, um die Lebenserhaltungssysteme des Anzugs möglichst lange zu schonen.

Bereitschaftsmeldungen gingen aus allen Teilen des Schiffs ein, auf Marphissas Display leuchteten nach und nach immer mehr grüne Lichter auf, da Waffen, Sensoren, Schilde und Antrieb sowie ein ganzes Heer an sekundären Systemen volle Gefechtsbereitschaft mitteilten.

Kapitan Toirac holte demonstrativ gemächlich seinen eigenen Schutzanzug heraus und streifte ihn in aller Ruhe über.

»Das Schiff ist in voller Gefechtsbereitschaft«, meldete der Senior-Spezialist.

»Fünf Minuten. Das können Sie auch schneller hinkriegen«, erwiderte Marphissa. »Nächstes Mal haben Sie vier Minuten Zeit. An alle auf der Brücke, hören Sie mir zu. In dem Moment, da die Manticore das Hypernet verlässt und Midway erreicht, übernimmt Kapitan Bascare vorübergehend das Kommando über dieses Schiff. Sie werden jeden ihrer Befehle so befolgen, als käme er von mir, unabhängig davon, was passiert. Hat das jeder verstanden? Es darf kein Zögern und kein Nachfragen geben.«

Alle Spezialisten nickten und salutierten, der ranghöchste Spezialist lächelte dabei und sagte: »Ich verstehe und werde gehorchen, Kommodor.« Er verlieh dieser alten Formulierung des unbedingten Gehorsams eine Aura aus Stolz und Ehre, dass Marphissa das Lächeln unwillkürlich erwiderte.

Bradamont stellte sich zu Marphissa.

Kontos erhaschte Marphissas Blick und beschrieb eine fragende Geste, die auf Toirac abzielte. Sie verstand, was er meinte, schüttelte den Kopf und antwortete tonlos: »Später.«

Dann bereitete sie den Befehl für die Übertragung der Identifizierung ihres Schiffs vor, achtete aber sorgfältig darauf, dass der Übertragungsweg noch abgeschaltet war und nichts abgeschickt wurde, bis sie es wollte. Die Sensoren in der Flotte von CEO Boyens erkannten die Manticore auch ohne erst die offizielle Identifizierung empfangen zu müssen. Sie hatten das Schiff oft genug gesehen und wussten um jedes Detail und jeden Kratzer, den es beim Einsatz im All davongetragen hatte. Doch die Identifizierung, die diesmal mit der Nachricht gesendet werden sollte, würde für sie eine unangenehme Überraschung darstellen.

Fünf Minuten. »Alle herhören«, sagte Marphissa. »Wenn Kapitan Bascare gleich eine Nachricht sendet, wird sie einen anderen Namen und Dienstgrad verwenden. Sie ist auf persönlichen Befehl von Präsidentin Iceni hier. Lassen Sie sich von diesem Namen und dem Dienstgrad nicht verunsichern, und zögern Sie nicht, ihre Befehle auszuführen. Ist das klar?«

Wieder nickten alle — ausgenommen Kapitan Toirac.

»Hauptantriebseinheit zwei abschalten«, ordnete Marphissa an. »Stellen Sie sicher, dass die Einheit nicht aufflammt, wenn Befehle zum Manövrieren gegeben werden, solange Sie keinen Befehl erhalten haben, die Maschine wieder zu aktivieren.«

»Ja, Kommodor«, sagte der Maschinenspezialist. »Schalte Hauptantriebseinheit zwei ab. Einheit zwei ist abgeschaltet.«

Marphissa wandte sich Bradamont zu. »Benötigen Sie diesen Platz?«

»Nein. Die Waffen gehören Ihnen. Die nötigen Steuerbefehle kann ich auch geben, wenn ich hier stehe.«

Eine Minute. »Schilde auf Maximum, alle Waffen in Feuerbereitschaft«, sagte Marphissa zu Bradamont.

Kontos hatte sich nicht von der Stelle gerührt, aber er ließ Bradamont nicht aus den Augen.

Sie verließen das Hypernet-Portal bei Midway, das Nichts rings um die Manticore wurde schlagartig von unzähligen Sternen in einem unendlichen Raum ersetzt. »Ich habe das Kommando«, verkündete Bradamont. »Drehen Sie eins sieben null Grad nach Steuerbord und zwei null Grad nach unten. Maximale Beschleunigung der Hauptantriebseinheiten eins, drei und vier.«

Die Manticore drehte sich und beschleunigte, ihr Vektor wies auf die anderen Schiffe der Midway-Flotte, die fünf Lichtminuten entfernt war.

»Boyens ist noch immer da«, stellte Marphissa fest, als sich die Darstellung ihres Displays aktualisierte.

Bradamont nickte und deutete auf einen anderen Bereich in relativer Nähe zum Hypernet-Portal. Als sie aufgebrochen waren, hatte sich die gesamte Allianz-Flotte zwei Lichtstunden vom Portal entfernt aufgehalten. Inzwischen war jedoch eine recht große Streitmacht aus mehreren Schlachtkreuzern und anderen Kriegsschiffen bis auf zehn Lichtminuten an die Einrichtung herangerückt.

»Die Syndikat-Flotte ist in Bewegung«, ließ der Seniorspezialist sie wissen. »Schwere Kreuzer und Jäger. Sie befinden sich auf Abfangkurs.«

Wieder nickte Bradamont. »Wann werden sie in Waffenreichweite kommen?«

Die Spezialisten sahen sich untereinander an. »Wir haben das Hypernet-Portal relativ langsam verlassen, Kapitan Bascare. Und bei einer abgeschalteten Antriebseinheit können wir nicht optimal beschleunigen. Die Schweren Kreuzer der Syndikat-Flotte werden in siebzehn Minuten in Raketenreichweite sein.«

»Gut. Wie lange brauchen Sie, um Hauptantriebseinheit zwei wieder zu aktivieren?«

»Fünf Sekunden, Kapitan. Danach dauert es noch einmal fünf Sekunden, bis voller Schub erreicht ist.« Der Spezialist sah sie skeptisch an und fragte sich unübersehbar, wieso ein Offizier dieses Dienstgrads mit derart grundlegendem Wissen über ein von den Syndikatwelten gebautes Schiff nicht vertraut war. Sie alle hatten Kapitan Bascare dabei beobachten können, wie sie beim Passieren diverser Sternensysteme mit der Manticore verschiedene Manöver geübt hatte. Daher wussten sie, dass sie mit der Handhabung eines Kriegsschiffs vertraut war, was diese momentane Wissenslücke nur noch umso rätselhafter machte.

Bradamont lächelte flüchtig. »Sechzehn Minuten«, sagte sie zu Marphissa.

Ihre Selbstsicherheit war so eindringlich, dass die Crew aller Nervosität zum Trotz geduldig wartete, obwohl die sie verfolgende Syndikat-Flotte einen regelrechten Satz nach vorn machte und die Blase auf ihren Displays näher rückte, die die Reichweite der gegnerischen Raketen kennzeichnete.

»Die Allianz-Schiffe setzen sich in Bewegung! Sie nehmen Kurs auf … auf die Syndikat-Flotte!« Die Ablaufspezialistin schaute ungläubig auf ihr Display, dann begann sie zu grinsen. »Sie kommen uns zu Hilfe! Black Jack ist auf dem Weg zu uns!«

Nicht die Allianz, bemerkte Marphissa, sondern Black Jack. Das würde sie sich merken.

Ein Alarmsignal blinkte auf den Displays auf und warnte davor, dass die Kriegsschiffe des Syndikats in einer Minute in Raketenreichweite sein würden.

»Ganz ruhig«, sagte Bradamont. »Maschinenspezialist, ich werde in einer Minute und zehn Sekunden befehlen, die Hauptantriebseinheit zwei wieder einzuschalten. Haben Sie das verstanden? Warten Sie auf meinen Befehl.«

»Ja, Kapitan.«

Marphissa sah zu Bradamont. »Jetzt?«

»In vierzig Sekunden«, gab die zurück. »Die Information darf die Syndik-Kriegsschiffe erst erreichen, wenn es für sie zu spät ist die Verfolgung abzubrechen.«

Exakt vierzig Sekunden später betätigte Marphissa eine Taste. Die Übertragung der Identifizierung der Manticore wurde durchgeführt, um dem Universum mitzuteilen, dass dieses Kriegsschiff zur …

»Kommodor!«, warf die Komm-Spezialistin verwundert ein. »Die Identifizierung unserer Einheit besagt, wir gehören zur … Allianz?«

»Wir fahren unter der Flagge der Allianz«, stellte Marphissa klar. »Das ist etwas ganz anderes. Hören Sie Kapitan Bascare zu.«

»Aktivieren Sie Hauptantriebseinheit zwei, voller Schub«, befahl sie, dann betätigte sie Marphissas Komm-Kontrolle. »An die Einheiten der Syndikatwelten, hier spricht Captain Bradamont von der Allianz-Flotte. Ich befehlige in offizieller Angelegenheit dieses Schiff, das für die Dauer meines Kommandos die Flagge der Allianz trägt. Beenden Sie sofort alle bedrohlichen Aktivitäten.«

»Raketen wurden abgefeuert!« Die Warnung wurde gerufen, gerade als Bradamont ihren Satz beendete. Sekunden später machte die Manticore einen Satz nach vorn, da das Schiff abrupt stark beschleunigte. Die Trägheitsdämpfer konnten nicht ganz ausgleichen, dass die Hauptantriebseinheit zwei plötzlich wieder mit voller Leistung arbeitete.

Dann wurde allen auf der Brücke bewusst, was Bradamont da eigentlich gesagt hatte, und mit Ausnahme von Kontos und Marphissa wurde sie von allen ungläubig angestarrt. »Aufgepasst!«, sagte Kontos energisch, um die Aufmerksamkeit der Brückencrew auf die Instrumente zurückzulenken.

Vierundzwanzig Raketen waren abgefeuert worden, doch ihre Zielerfassungslösungen hatten sich als unbrauchbar erwiesen, da die Manticore unerwartet einen abrupten Satz nach vorn gemacht hatte. Die Zielerfassungssysteme würden aber in der Lage sein, diese Entwicklung zu einem großen Teil wieder auszugleichen. »Drehen Sie eins vier Grad nach Backbord«, befahl Bradamont, »und sechs Grad nach unten.«

»Die Midway-Flotte ändert ihre Vektoren«, meldete die Ablauf-Spezialistin. »Sie befindet sich jetzt auf einem Abfangkurs zum Schweren Kreuzer des Syndikats, der uns verfolgt, Cap … Kapitan … Bascare.«

Marphissa, die ihren Blick auf dem Display von einem Punkt zum nächsten zucken ließ, bemerkte, dass Bradamonts minimale Kursänderung dafür gesorgt hatte, dass sich die Raketen nun genau hinter der Manticore auf der gleichen Flugbahn befanden. Das bedeutete, die relative Geschwindigkeit der Raketen war so weit wie möglich reduziert worden, was sie zu leichter erfassbaren Zielen machte. Eine kleine, aber entscheidende Aktion.

»Moment mal!« Kapitan Toirac war von seinem Platz aufgestanden und sah Bradamont wütend an. »Wir können keine Befehle ausführen, die diese …«

»Halten Sie den Mund!«, herrschte Marphissa ihn an, deren Geduld mit diesem ehemaligen Freund endgültig aufgebraucht war.

»Ich werde ganz sicher nicht …«

Aber dann hielt Toirac doch den Mund und stand wie erstarrt da. Marphissa lehnte sich weit genug nach hinten, um erkennen zu können, dass Kontos seine Waffe gezogen hatte und die Mündung des Laufs in Kapitan Toiracs Rücken drückte. Auf diese Distanz würde Toiracs Schutzanzug nichts gegen einen Schuss ausrichten können, und das war dem Mann auch klar. Manchmal sind die alten Methoden eben immer noch die besten.

»Die Raketen kommen näher«, betonte Bradamont und wandte ihren Blick von der Szene ab, die sich soeben vor ihren Augen abgespielt hatte. In keiner Weise ließ sie erkennen, was sie von den Methoden hielt, die unter der Herrschaft der Syndikatwelten an der Tagesordnung gewesen waren.

Vermutlich war sie davon aber nicht beeindruckt. Wütend konzentrierte sich Marphissa wieder auf das Gefecht und erteilte den nach hinten gerichteten Höllenspeerbatterien den Befehl, das Feuer zu eröffnen. Zwei, drei und schließlich vier Raketen wurden von der ersten Salve unschädlich gemacht.

Damit blieben noch zwanzig.

Bradamont hatte die Raketen beobachtet und die Sekunden seit dem Start mitgezählt. Sie beobachtete das Display und konzentrierte sich auf die Belastbarkeitsdaten, die auf der Grundlage der präzisen Fähigkeiten dieser Projektile ermittelt wurden. »Man kann so etwas viel besser einschätzen, wenn man ganz genau weiß, wozu die Raketen fähig sind«, erklärte sie an Marphissa gerichtet. »Alle Hauptantriebseinheiten auf Beschleunigung null herunterfahren«, befahl sie.

Marphissa und Kontos drehten sich beide zum Maschinen-Spezialisten um, doch der war bereits im Begriff, den Befehl auszuführen. »Alle Hauptantriebseinheiten auf Beschleunigung null heruntergefahren, Kapitan.«

»Steuerdüsen auf eins sieben acht Grad stellen.«

Die Steuerdüsen wurden abgefeuert, der Bug der Manticore wurde nach oben gedrückt, bis das Schiff sich so weit um seine Querachse gedreht hatte, dass der Bug in die Richtung zeigte, aus der sie kamen. Damit war der am massivsten gepanzerte Punkt der Schiffshülle auf die ihnen beharrlich folgenden Raketen ausgerichtet Die Höllenspeere feuerten weitere Geschosse ab.

»Alle Hauptantriebseinheiten auf maximale Beschleunigung«, befahl Bradamont.

Der Maschinen-Spezialist zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde. »Alle Hauptantriebseinheiten bei maximaler Beschleunigung«, meldete er dann.

Die Manticore ächzte unter der auf das Schiff einwirkenden Belastung, da die Hauptantriebseinheiten jetzt in die Richtung wiesen, in die sie nach wie vor unterwegs waren, und das Schiff so stark abbremsten, dass auf dem Display etliche Warnsymbole aufleuchteten. Wer keinen Sitzplatz hatte, musste sich irgendwo festhalten, weil die Fliehkräfte das Leistungsvermögen der Trägheitsdämpfer überstiegen.

»Wie lange hält die Manticore das durch?«, murmelte Bradamont an Marphissa gerichtet.

Marphissa warf einen Blick auf die Anzeigen für die Belastung der Schiffshülle, die sich rasch dem roten Bereich näherten. »Bei dieser Leistung zehn Sekunden, aber nicht länger.«

»Das reicht.«

Die Raketen, die mit Höchstleistung beschleunigt hatten, um auf den Punkt zuzuhalten, an dem sie die Manticore eingeholt hätten, wäre deren Beschleunigung unverändert geblieben, sahen sich mit einem Mal gezwungen, auf einen viel kürzeren Abfangkurs zu wechseln, weil ihr Ziel mit aller Macht abbremste. Die Kurve, die die Raketen fliegen mussten, um die Manticore nicht zu verlieren, war so extrem eng, dass ein Großteil der Geschosse der dabei auftretenden Belastung nicht gewachsen war und sie beim Versuch des Wendemanövers einfach zerbrachen.

Sechs Projektile überlebten das Manöver, doch für ein paar Sekunden befanden sie sich damit im Verhältnis zur Manticore nahezu im Stillstand. Die Höllenspeere zuckten auf ihre Positionen zu und trafen jede noch verbliebene Rakete.

»Reduzieren Sie den Schub aller Hauptantriebseinheiten auf zwei Drittel Leistung«, befahl Bradamont. Die Belastung für die Manticore ließ sofort spürbar nach, die Warnsymbole zögerten einen Moment lang, erloschen dann aber, als die Anzeigen in ungefährliche Bereiche zurückkehrten.

»Alle Schiffe der Syndikat-Flotte ändern ihre Vektoren«, meldete die Ablauf-Spezialistin. »Kapitan, die Syndikat-Flotte nimmt Kurs auf das Hypernet-Portal.«

»Eine kluge Entscheidung«, merkte Marphissa an. Ihre Freude darüber wich aber schnell einem Gefühl der Enttäuschung. Die Schweren Kreuzer, die die Manticore verfolgt hatten, drehten ebenfalls ab und beeilten sich, wieder Anschluss an ihr Schlachtschiff zu finden. »Schade, dass sie nicht noch kämpfen wollen.«

Die Kriegsschiffe der Allianz rasten hinter der Syndikat-Flotte her, doch die Berechnungen auf ihrem Display ließen erkennen, dass sie nicht mehr in Waffenreichweite gelangen würden, bevor CEO Boyens’ Flotte das Portal als Fluchtweg benutzen konnte. »Warum konnte Black Jack sie nicht mehr einholen?«, fragte sie mit leiser Stimme Bradamont.

»Das Ziel des Plans war es, die Flotte aus dem System zu vertreiben«, gab sie im gleichen Tonfall zurück. »Ob mit oder ohne Kampf. Wir haben Boyens dazu verleitet, auf ein Schiff zu feuern, das die Flagge der Allianz trägt. Damit hat er Admiral Geary einen Grund geliefert, das Feuer zu erwidern. Aber wenn CEO Boyens einem Kontakt lieber aus dem Weg geht, kann Admiral Geary ihn zu nichts zwingen. Aber der Trick bewirkt, dass die Flotte der Syndikatwelten das Weite sucht.«

Marphissa war noch immer missgelaunt über diese Entwicklung und schaute nach, wo sich der Rest der Midway-Flotte befand, die in einer leichten Kurve einen Abfangkurs zu den fliehenden Schweren Kreuzern hielt. Die Chancen für einen Kampf zwischen zwei Schweren Kreuzern hatten sich seit dem letzten Mal nicht verbessert. »Hier spricht Kommodor Marphissa. An die gesamte Midway-Flotte: Achten Sie darauf, dass Sie außerhalb der Reichweite der gegnerischen Waffen bleiben, es sei denn, irgendeines der Schiffe will zu uns überlaufen.«

»Wie stehen die Chancen, dass so etwas passiert?«, wollte Bradamont wissen, während sie den Vektor der Manticore erneut änderte, damit das Schiff sich dem Rest der Midway-Flotte anschließen konnte.

»Sie könnten gut stehen«, antwortete Marphissa. »Es hängt davon ab, wie groß die Zahl der Schlangen auf jedem dieser Schiffe ist und wie gut die aufpassen. Die Frage ist auch, wie loyal die Offiziere und der Rest der Crew zu den Syndikatwelten stehen. Außerdem ist da auch noch sehr viel Glück im Spiel. Und mit Blick darauf, dass diese Schiffe durch das Hypernet-Portal entkommen wollen, bleibt ohnehin nur wenig Zeit für eine Meuterei.«

»Kommodor …«, begann die Komm-Spezialistin, verstummte aber gleich wieder und schaute verdutzt drein.

Marphissa hatte sich noch nicht zu dieser Station umdrehen können, da sah sie, dass in der Nähe des Schlachtschiffs ein Alarmsignal pulsierte. »Ein Leichter Kreuzer der Syndikat-Flotte ist soeben explodiert.« Es dauerte einen Moment, ehe sie begriff, dass das gerade eben ihre Worte gewesen waren. »Was ist geschehen?«

»Die Syndikat-Flotte hat abgesehen von den auf uns angesetzten Raketen nichts abgefeuert«, bestätigte die Ablauf-Spezialistin.

»Nach der Signatur der Explosion zu urteilen«, äußerte sich der Maschinen-Spezialist, »hat eine Überladung des Antriebs stattgefunden. Es gab keine Hinweise darauf, keine Warnzeichen. Es ist einfach passiert.«

»Wie kann das einfach so passieren?«, wollte Marphissa wissen. »Es gibt Sicherheitsvorkehrungen, sowohl physischer Art als auch in der Software. Es gibt Passwörter, Sequenzen, die befolgt werden müssen. Es existieren automatische Korrekturmaßnahmen. Wie kann ein Antrieb ganz ohne Vorwarnung explodieren?«

»Kommodor«, sagte die Komm-Spezialistin mit leiser Stimme. »Ich glaube, ich weiß die Antwort. Unmittelbar bevor der Leichte Kreuzer explodierte, ging eine Nachricht bei uns ein, die mit einem gerichteten Strahl speziell an uns geschickt wurde. Die Identifizierung nennt CL-347 als Absender. Ich konnte nur noch Freiheit oder hören, danach brach die Verbindung ab.«

Marphissa legte eine Hand an ihr Gesicht und war sich der Stille bewusst, die sich über die Brücke herabgesenkt hatte. Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich zu sammeln, dann ließ sie die Hand sinken und schaute sich um. »Die Schlangen haben sich einen neuen Trick ausgedacht, vielleicht kommt das aber auch von CEOs. Offenbar zerstören sie lieber ein ganzes Schiff, anstatt die Crew entkommen zu lassen.« Es war nicht nötig, näher darauf einzugehen. Jeder hasste die Schlangen und ihre Vorgesetzten auch so schon aus tiefstem Herzen. Aber ein Vorfall wie dieser war dazu angetan, die allgemeine Entschlossenheit zu stärken, dass man lieber bis zum Tod kämpfen würde, statt sich zu ergeben.

»Die Syndikat-Flotte ist ins Hypernet-Portal geflogen«, meldete die Ablauf-Spezialistin. »Das Sternensystem ist jetzt frei von mobilen Streitkräften des Syndikats.«

Bradamont nickte, um den Bericht zu bestätigen. »Die Operation ist damit abgeschlossen.« Ihre Stimme wirkte niedergeschlagen, da der Tod des Leichten Kreuzers wie ein Schatten über dieser Mission lag und jeden Wunsch, den Triumph zu feiern, im Keim erstickte. »Kommodor, an wen gebe ich jetzt das Kommando über die Manticore zurück? An Sie oder …?«

Kapitan Toirac versteifte sich, als er die Frage hörte, sagte selbst aber nichts. Kontos, der immer noch hinter ihm stand, hatte seine Waffe inzwischen weggesteckt, doch davon wusste Toirac nichts.

Vielleicht hätte Marphissa trotz aller Vorkommnisse doch noch einmal gezögert, zu dieser letzten Maßnahme zu greifen. Doch nachdem sie die Zerstörung des Leichten Kreuzers hatte mitansehen müssen, ließ ihre Laune keinen Spielraum mehr für auch nur einen Funken Toleranz gegenüber jemandem, der seiner Verantwortung weder nachkommen konnte noch wollte.

Sie betätigte die interne Komm-Kontrolle. »Kapitan-Leytenant Diaz, melden Sie sich auf der Brücke.«

Auch wenn es viel länger zu dauern schien, verging nicht mal eine Minute, bis Diaz auf die Brücke kam. »Ja, Kommodor?«

Diesen Augenblick hatte Marphissa nicht herbeigesehnt, daher kostete es sie einige Überwindung, aufzustehen und sich zu Diaz umzudrehen. »Kapitan Toirac, da Sie nicht in der Lage sind, Ihrer Verantwortung nachzukommen, entziehe ich Ihnen hiermit das Kommando und entbinde Sie von all Ihren Pflichten. Kapitan-Leytenant Diaz, ich befördere Sie hiermit zum Kapitan und übertrage Ihnen mit sofortiger Wirkung das Kommando über die Manticore

Diaz konnte erst nicht glauben, was er hörte, dann warf er Toirac einen betrübten Blick zu. Schließlich nickte er und salutierte. »Ja, Kommodor.«

»Kapitan Toirac, Sie werden Ihr Quartier bis auf Weiteres nicht verlassen«, fuhr Marphissa fort und rang mit sich, damit ihre Stimme sie nicht im Stich ließ. Warum haben Sie mich dazu getrieben?

Toirac stürmte ohne Salut oder ohne irgendeine andere Geste an Marphissas Adresse von der Brücke.

»Ich werde dafür sorgen, dass er ohne … Zwischenfall sein Quartier erreicht«, sagte Kontos. »Wenn Sie gestatten, Kommodor.«

»Ja, gehen Sie.« Sie sah Kontos hinterher, wie der zügig Toirac nach draußen folgte, um darauf zu achten, dass der Mann keinen Unfug anstellte. Schließlich drehte sie sich wieder zu Diaz um. »Sie wissen, warum ich zu dieser Maßnahme greifen musste. Übernehmen Sie das Kommando über dieses Schiff, Kapitan Diaz.«

»Das werde ich machen.« Er sah zu Bradamont.

»Dann gebe ich hiermit das Kommando an Kapitan Diaz zurück«, sagte sie.

»Danke, Kapitan … Bascare?«

»Bradamont. Ich bin Captain Bradamont.«

Marphissa legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Sie gehört zu Black Jack. Sie wurde zu uns geschickt, um Präsidentin Iceni zu assistieren und uns dabei zu helfen, die Syndikat-Flotte aus dem System zu vertreiben. Captain Bradamont wird die Manticore bald wieder verlassen, aber sie wird in diesem Sternensystem bleiben, wenn Black Jack abreist, weil er jeden hier wissen lassen will, dass er die Freiheit des Midway-Sternensystems unterstützt.«

Sie konnte spüren, wie die Stimmung auf der Brücke einen anderen Tenor annahm.

»Eine Allianz-Offizierin?«, fragte Diaz skeptisch.

»Eine von Black Jacks Offizieren«, stellte Marphissa mit fester Stimme richtig. »Die Befehlshaberin eines seiner Schlachtkreuzer.« Jedem auf der Brücke war die Bedeutung dieser Worte klar, die Mienen der Besatzungsmitglieder ließen zähneknirschenden Respekt erkennen.

»Kommodor«, fragte der Seniorspezialist zögerlich, »sie wird nicht unsere Befehlshaberin sein?«

»Nein. Das war nur diesmal erforderlich, um die Syndikat-Flotte dazu zu verleiten, das Feuer auf ein Schiff unter der Flagge der Allianz zu eröffnen, das auch noch von einer Allianz-Offizierin befehligt wird. Das gab Black Jack die nötige Rechtfertigung, um die Syndikat-Flotte anzugreifen, die dummerweise entkommen ist. Aber sie ist nicht hier, um das Kommando über dieses Schiff zu übernehmen. Captain Bradamont ist hier als ein Zeichen für Black Jacks Verpflichtung zu unserer Freiheit.«

»Warum sollte Black Jack eine Rechtfertigung benötigen, wenn er doch tun kann, was er will?«, wollte die Ablauf-Spezialistin wissen.

Marphissa hätte die Frau wegen dieser Frage fast zusammengestaucht, aber Bradamont kam ihr zuvor. »Weil Admiral Geary, also der Mann, den Sie Black Jack nennen, kein CEO der Syndikatwelten ist. Er tut nie einfach das, was er will, sondern hält sich an die Gesetze.«

Das machte Eindruck. Sie waren zwar immer noch skeptisch, aber die Spezialisten nickten und blickten Marphissa an. Schließlich stand der Seniorspezialist auf und salutierte. »Wir haben verstanden, Kommodor.«

Als Marphissa mit Bradamont die Brücke verließ, seufzte die Offizierin leise. »Ich habe so ein Gefühl, als sollte ich mich besser auch in mein Quartier zurückziehen und nicht mehr rauskommen.«

»Tut mir leid, aber Sie haben tatsächlich recht. Da sind Sie sicherer aufgehoben.«

»Grund zur Klage habe ich ja eigentlich nicht. Ein Syndik-Offizier auf einem Schiff der Allianz wäre mit dem gleichen Problem konfrontiert.«

»Ich werde nachfragen, ob Präsidentin Iceni Sie von einem Frachter auf routinemäßiger Tour abholen lassen will oder ob sie einen Jäger oder ein anderes Kriegsschiff schicken wird«, sagte Marphissa. »Bis dahin stelle ich eine Wache vor Ihrem Quartier auf. Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis.«

»Sie sollten besser auch eine Wache vor dem Quartier des Kapitans postieren«, gab Bradamont zurück.

»Ich bedauere, dass Sie das mitansehen mussten.« Marphissa machte eine Geste, die Verärgerung und Frust zugleich ausdrücken sollte. »Warum musste er es mir nur so schwer machen?«

»Das machen sie immer«, versuchte Bradamont sie zu trösten. »Diejenigen, die ihre Arbeit nicht bewältigen können, machen es auch jedem anderen so schwer, wie es nur geht.«

»Er war ein Freund von mir.«

»Oha. Sie wurden ziemlich schnell befördert, richtig? Willkommen in der Welt der höheren Dienstgrade. Bereit zu sein, das zu tun, was getan werden muss, es aber trotzdem nicht tun wollen — das gehört mit dazu. Manche Leute kommen damit zurecht, andere nicht.«

Marphissa verzog den Mund. »Sie werden mir fehlen, Captain. Viel Glück für die Zeit nach der Manticore

»Wir werden uns wiedersehen, Kommodor. Immerhin müssen wir Ihre Vorgesetzten davon überzeugen, dass Sie diese Kriegsgefangenen zurückholen dürfen, auch wenn das bedeutet, dass etliche Ihrer Kriegsschiffe für einige Zeit weit weg sein werden. Das wird nun noch schwerer werden, da Admiral Geary dies Sternensystem bald verlassen wird, nachdem die Syndik-Flotte nun vertrieben worden ist. Dann wird Midway hinsichtlich der Verteidigung wieder ganz auf sich gestellt sein.«

»Präsidentin Iceni, wir stehen vor einer ungewöhnlichen Situation. Wir können nicht auf die Hypernet-Portale bei Indras, Praja, Kachin und Taniwah zugreifen«, sagte Black Jack. »CEO Boyens hatte mich davor gewarnt, dass die Syndikatregierung uns die Heimreise mühseliger machen würde, als uns recht sein könnte, aber wir waren nicht davon ausgegangen, dass sie das Hypernet-System der Syndikatwelten weitestgehend abschalten. Laut unserem Hypernet-Schlüssel können wir nur noch Sobek anfliegen.«

Drakon, der ins Kommandozentrum gekommen war, um die Abreise von Gearys Flotte mitanzusehen, schüttelte ungläubig den Kopf, als er diese Mitteilung hörte. »Prime hat fast jedes Hypernet-Portal abgeschaltet? Damit werden ja auch noch die Reste der Syndikatwelten lahmgelegt. Allein die wirtschaftlichen Folgen werden gewaltig sein, aber vor allem behindern sie sich selbst, weil sie so kein Militär mehr schnell verlegen können, um auf Bedrohungen von außen und von innen zu reagieren. Haben sie sich etwa ihrer einzigen Chance beraubt, den Rest der Syndikatwelten zusammenzuhalten, nur damit Black Jacks Heimreise beschwerlicher wird?«

»Auf mich wirkt das, als würde sich jemand die Haare ausreißen, um zu vermeiden, dass er eine Glatze bekommt«, meinte Iceni dazu. Sie wusste, dass sie in letzter Zeit schlechte Laune hatte, und sie gab sich alle Mühe, diese Laune abzuschütteln. Aber Boyens war entkommen und hatte damit die Auslöschung seiner Flotte verhindern können. Black Jacks Schiffe waren im Aufbruch begriffen, und mit ihnen würde Midway all den Schutz verlieren, den diese riesige Flotte geboten hatte. Und dann war da noch die Tatsache, dass sich mindestens eine Schlange in ihrer unmittelbaren Nähe versteckt hielt, der es gelungen war, eine Agentin in das planetare Kommandozentrum einzuschleusen. Zu allem Überfluss machte ihr dann auch noch dieses vage Gefühl zu schaffen, dass an noch ganz anderen Plänen gefeilt wurde, die mit Personen und Ereignissen zu tun hatten, deren Existenz ihr nicht mal beiläufig bewusst war. Das alles war vergleichbar mit der Verschiebung der Kontinentalplatten, die so langsam vonstatten ging, dass man sie nur dann wahrnehmen konnte, wenn es auf einmal ein verheerendes Erdbeben gab.

Und jetzt auch noch das.

»Wo ist Sobek?«, wollte Iceni wissen, die besorgt die Stirn runzelte. Die Antwort tauchte auf dem Display auf, wo sich ein Fenster öffnete und eine Region zeigte, die ein ganzes Stück näher Richtung Allianz gelegen war. »Warum sollte ausgerechnet Sobek verschont bleiben?«

»Das ergibt keinen richtigen Sinn«, entgegnete Drakon. »Vielleicht hat Prime das ja so befohlen, und bei Sobek lief bloß irgendetwas schief, weshalb das Portal nicht zusammengebrochen ist.«

»Das ergibt doch gar keinen Sinn! Prime soll die Abschaltung des eigenen Hypernets angeordnet haben? Warum begeht die Regierung dann nicht gleich kollektiven Selbstmord?« Sie ließ den Kopf leicht nach vorn sinken und rang mit solcher Anstrengung um Fassung, dass die Umstehenden ihr das anmerken mussten. »Haben Sie eine Vorstellung davon, welche Folgen das für uns haben wird? Dadurch wird unser Portal praktisch nutzlos.«

»Wir haben immer noch die Sprungpunkte«, wandte Drakon ein.

»Ja. Relativ gesehen ist das für uns immer noch ein Vorteil, aber … oh, zum Teufel mit denen!«

»Könnte es sein, dass Black Jack uns nur erzählt, dass es so ist?«

»Warum sollte er das tun? In dem Moment, in dem ein Schiff von einem anderen Portal als von dem bei Sobek auftaucht, wüssten wir ja, dass er gelogen hat. Togo, ich will, dass unsere Techniker sich das Tor gründlich ansehen. Ich will eine vollständige Ferndiagnose und eine Überprüfung der erreichbaren Portale, für die sie unsere Überwachungssoftware nutzen sollen.«

»Ja, Madam Präsidentin.« Togo hielt in lauschender Pose inne, eine Hand an das Telefonrelais in seinem Ohr gelegt. »Ich hatte bereits unseren Technikern hier aufgetragen, sich mit den Statussignalen zu befassen, die wir vom Portal empfangen. Die Signale lassen keine Probleme in Bezug auf die Funktionstüchtigkeit des Portals erkennen.«

»Wenn es keine Probleme mit unserem Portal gibt, sind dann all die anderen Portale tatsächlich nicht mehr da?«, fragte Iceni. »Schicken Sie ein Schiff hin. Ich will, dass die Techniker das Portal selbst unter die Lupe nehmen. Boyens hat sich mit seiner Flotte lange Zeit in der Nähe des Dings aufgehalten. Vielleicht ist es ihm ja gelungen, irgendwas in den Kontrollmechanismus einzuschleusen, was uns jetzt Probleme macht.«

»Theoretisch«, gab Togo zu bedenken, »müsste ein solcher Mechanismus oder ein Programm feststellbar sein, weil es zu Interferenzen mit dem Kontrollmechanismus kommen würde.«

»Ich hatte nicht um eine theoretische Abhandlung gebeten! Nach allem, was die Allianz herausgefunden hat, stammt die Technologie für diese Portale von den Enigmas. Wir wissen viel zu wenig über das Hypernet und über die Portale. Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe!« Iceni drehte sich um und sah Drakon aufgebracht an. »Was haben diese Dreckskerle vom Syndikat uns da nur angetan? Schalten die einfach alles um sich herum ab, nur um sicherzustellen, dass wir ebenfalls verlieren?«

Doch Drakon hörte ihr kaum zu, sondern schaute konzentriert auf das Display. Schließlich konnte sie ihre Wut noch bändigen, bevor sie explodierte. »Gibt es da irgendwas zu sehen, was ich nicht erkennen kann?«, zischte sie Drakon an.

»Nein.« Gedankenverloren schüttelte er den Kopf. »Es ist nur ein Portal übrig, das bei Sobek. Aber wieso Sobek?«

»Das hatte ich Sie schon gefragt.«

»Das heißt, Black Jack muss mit seiner Flotte nach Sobek reisen«, betonte er.

»Natürlich, das ist doch …« Sie unterbrach sich mitten im Satz, als sie begriff, was Drakon ihr damit sagen wollte. »Prime will Black Jack dazu zwingen, nach Sobek zu fliegen, und zwar ausschließlich nach Sobek.«

»Richtig.« Drakon zog die Brauen zusammen. »Das würde erklären, warum nur noch das Portal bei Sobek existiert. So muss Black Jack den Heimweg nehmen, auf dem Prime ihn haben will. Und so wie ich das sehe, bleibt ihm gar keine andere Wahl. Er muss sich in die Höhle des Löwen begeben, wenn er in akzeptabler Zeit nach Hause zurückkehren will. Allein mit dem Sprungantrieb würde das viel zu lange dauern. Aber das erklärt nicht, warum Prime einen so extremen Schritt unternimmt und das restliche Hypernet abschaltet, nur um Black Jack nach Sobek zu lotsen.«

»Die Tänzer?« Iceni verspürte bei diesem Gedanken einen eisigen Schauer. »Könnte es sein, dass die Syndikatwelten diesen Preis bezahlen, nur um die Tänzer davon abzuhalten, ins Gebiet der Allianz vorzudringen?«

»Das wäre denkbar.« Drakons Miene verfinsterte sich noch stärker. »Der erste Kontakt der Menschen mit einer nichtmenschlichen Intelligenz, wenn man die Enigmas nicht mitzählt, was man eigentlich auch nicht machen kann. Zu denen gibt es keinen Kontakt, die führen nur Krieg gegen uns. Aber die Tänzer sind anders. Es würde zu den CEOs auf Prime passen, dass sie notfalls die Syndikatwelten vernichten, nur um die Allianz an einem freundschaftlichen Kontakt mit einer fremden Spezies zu hindern.«

»Das könnte eine Erklärung sein. Und dann ist da ja auch noch dieses Superschlachtschiff. Boyens hat nur umso stärker darauf gedrängt, an dieses Schiff heranzukommen, nachdem klar war, dass Black Jack ihn nicht mal bis auf eine Lichtstunde Abstand an das Monstrum lassen würde. Uns hat Black Jack auch nur verraten, dass es an Bord des Kik-Schiffs möglicherweise nutzbare neue Technologie gibt und dass er hofft, mehr über die Kiks zu erfahren. Vielleicht ist das tatsächlich alles, was er momentan weiß, aber diese Kik-Technologie könnte in jedem Fall ein Vermögen wert sein.« Iceni ballte die Faust und drückte sie gegen die Stirn. »Aber das sind alles langfristige Erwägungen. Auf kurze Sicht wären die Folgen für die Wirtschaft in den Syndikatwelten verheerend. Ich kann mir einfach nicht ausmalen, wie sie so etwas tun könnten. Ich werde Black Jack mitteilen, dass wir keine Ahnung haben, wo das Problem liegt, dass wir aber alles versuchen werden, um mehr darüber zu erfahren.«

»Wollen Sie ihn warnen, dass er besser nicht Kurs auf Sobek nimmt?«, fragte Drakon.

»Meinen Sie wirklich, dass das noch nötig ist?«

»Nein. Wenn wir die Gefahr erkannt haben, können wir getrost davon ausgehen, dass Black Jack das auch gesehen hat.«

Iceni ging zu dem gesicherten Büro, das sie in letzter Zeit regelmäßig nutzte, dicht gefolgt von Togo. »Wann hat zum letzten Mal ein Schiff das Hypernet-Portal benutzt, ohne automatisch nach Sobek geschickt zu werden?«, fragte sie ihren Assistenten auf dem Weg zum Büro.

Togo schaute auf sein Daten-Pad. »Vor zwei Tagen. Ein Frachter traf von Nanggal kommend hier ein.«

»Seitdem ist nichts mehr passiert? Das ist ungewöhnlich, wenn auch nicht besonders außergewöhnlich. Kein Wunder, dass das so überraschend gekommen ist.«

Sie betrat den Raum, Togo war hinter ihr und wartete, dass sich die Tür auch tatsächlich komplett schloss. Ein Blick über die Schulter ließ sie das grüne Licht der Lampen erkennen, das anzeigte, dass das Büro geschützt war. Dann ging sie um den Schreibtisch herum zu ihrem Stuhl und …

»Halt!«

Togo benutzte einen solchen Befehlston ihr gegenüber nur, wenn es wirklich sehr, sehr dringend war.

Iceni blieb so abrupt stehen, dass jeder Muskel protestierte. Doch sie ignorierte die Schmerzen und konzentrierte sich ganz darauf, sich bloß nicht von der Stelle zu rühren.

Sie sah Togo, wie er an ihr vorbeiging und dabei den Blick zunächst auf einen seiner Sicherheitssensoren gerichtet hielt, dann aber den Schreibtisch betrachtete. Er wurde langsamer, jede Bewegung erfolgte nur noch mit Bedacht und großer Vorsicht. Schließlich kniete er sich hin und schaute unter den Schreibtisch. Obwohl er nur Sekunden in dieser Haltung verharrte, kam es Iceni sehr viel länger vor, zumal sie versuchte auf eine Art zu atmen, bei der sie keine unnötigen Bewegungen machen musste.

Togo richtete sich auf und bewegte sich zwar immer noch vorsichtig, aber nicht auf ein Minimum beschränkt. »Eine Bombe, Madam Präsidentin, unter Ihrem Schreibtisch versteckt. Mit bloßem Auge nicht zu erkennen, weil sie die Form eines hauchdünnen Blattes hat, das an der Unterseite der Tischplatte klebt. Es handelt sich um eine gerichtete Sprengladung, die Sie in zwei Hälften zerteilt hätte.«

»Bin ich immer noch in Gefahr?«

»Nicht da, wo Sie stehen, Madam Präsidentin. Die Bombe ist auf den Stuhl ausgerichtet.« Togo hielt kurz inne, sein Gesicht verriet wie üblich keine Gefühlsregung. »Der Zünder ist biometrischer Art und wird ausgelöst, wenn er Ihre körperlichen Eigenschaften wiedererkennt.«

»Biometrisch.« Auf sie eingestellt. Jeder andere hätte an ihrem Schreibtisch Platz nehmen können, und es wäre nichts passiert. Aber hätte sie dort gesessen, wäre das ihr sicherer Tod gewesen. »Ich habe von dieser Art Attentatswaffen gehört. Sie sind nicht so leicht zu beschaffen.« Sie wunderte sich darüber, dass sie auf einmal so ruhig war.

»Die Syndikatsregierung hat immer sehr streng darüber gewacht«, bestätigte Togo, der sich erneut hinkniete und unter dem Tisch hantierte. »So, jetzt ist sie deaktiviert.«

Iceni entspannte sich und drückte den Rücken durch. Sie drehte sich zur Tür um, wo die Kontrolllichter nach wie vor grün leuchteten und damit anzeigten, dass sie von niemandem abgehört wurden und dass es keinerlei Gefahren im Raum gab, weder Bomben noch andere Bedrohungen. Offenbar war nicht nur jemand hergekommen, um diese Bombe zu verstecken, er hatte sich auch noch ins System gehackt, um die angeblich völlig sicheren Sensoren zu manipulieren, damit sie vor gar nichts mehr warnten. Wann ist das geschehen? Hat man den Raum auch noch verwanzt? Wie ungestört habe ich mich hier mit Drakon unterhalten können?

Ihre gelassene Ruhe wich Verärgerung. »Dieser Raum wurde manipuliert. Wie konnte das geschehen?«

Togo ließ schuldbewusst den Kopf sinken. »Ich weiß es nicht, Madam Präsidentin. Ich werde es herausfinden.«

»Das möchte ich Ihnen auch raten. Sie haben mir zwar das Leben gerettet, aber wenn Sie Ihre Arbeit richtig gemacht hätten, wäre es gar nicht erst in Gefahr geraten. Ich muss wissen, wie es jemand geschafft hat, diesen Raum zu betreten, die Bombe zu deponieren und das Sicherheitssystem zu manipulieren, ohne dass irgendjemand etwas davon mitkriegen konnte. Und vor allem will ich wissen, wer das gemacht hat.«

»Ich werde die Antworten auf Ihre Fragen finden, Madam Präsidentin.« Togo deutete auf den Tisch. »Allerdings könnte die letzte Frage schon beantwortet sein. Diese Bombe enthält Sprengstoff mit eingebetteter militärischer Kennzeichnung.«

Militärische Kennzeichnung? Die Schlangen konnten auf eigene Bestände zurückgreifen, die keine Kennzeichnung enthielten, damit sich nie eine Spur zu ihnen zurückverfolgen ließ. Die Einzigen auf Midway, die Zugang zu speziellem militärischem Sprengstoff hatten, mussten daher …

Togo redete weiter, und das in einem Tonfall, als würde er ein Todesurteil verkünden: »General Drakon. Oder jemand aus seinem Stab.«

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